Tröstet euch!

Samstag, 31. Oktober 2009

Keine Angst, möchte man ihnen zurufen, nur die Ruhe, alles halb so wild. Natürlich stellt sich Furcht ein, selbstverständlich blickt man ängstlich in die Zukunft. Betriebe schließen, selbst honorige Unternehmen machen die Tore dicht, Arbeitslosigkeit ist ein Wachstumsmarkt. Mancherlei Menschenschläge wird es treffen, unschuldig ihren Dienst runterreißende Angestellte ebenso wie jene, die besonders stolz waren auf ihre spärliche Stellung. Selbst das in Lohnarbeit stehende Kleinbürgertum, diese lächerliche Kopie der Bourgeoisie, Schlipsproletariat und Karikaturen ihrer Herrn, Geiferer und Treter nach unten, Feinde des faulen Lenz, Todfeinde der im Lenz Faulenden, selbst dieses Konglomerat aus Kesseltreibern und Einpeitscher ängstigt sich um die schlackernde Stellung. Doch zurück zum Trost; keine Angst, ihr Massen, besänftigt eure Furcht!

Ruhig Blut, ihr Massen, die Wogen des Sozialgesetzbuches schaukeln euch sanft in die Beschäftigungslosigkeit hinüber, liebkosen euch in der Not, behüten euren Schlaf! All diese Massen, die sich in Leserbriefen, Gästebüchern, Foren auskotzten, die am Stammtisch und in geselligen Runden aufwiegelten, ihren Nachbarn und Bekannten ein Lehrbeispiel in Sachen Menschenverachtung gaben, all diese Befürworter enger Regelsätze, Schönredner schmaler Transferleistungen, Apologeten noch kleinerer Überweisungszahlungen, all dieses aufgehetzte Personal also, es muß sich nicht fürchten. Immerhin wissen sie es seit Jahren blendend, bekommen es zudem immer wieder eingebleut: Das Arbeitslosengeld II ist ausreichend. Man müsse eben sparsamer in den Alltag stolpern, haben sie in die Runden gerufen; müsse sich einschränken, war ihre Devise; müsse lediglich mehr aus der Dose und weniger vom Metzger löffeln, war nur einer von vielen Ratschlägen. Es reicht aus, man könne in jedem Falle davon leben. Wie irrational von denen, nun plötzlich in Angststarre zu verfallen. Skurril, dass man ausgerechnet jetzt die üppig gepolsterte Hängematte nicht zu erkennen vermag.

Kühlt euch ab, ihr Erwartungsfrohen, seid nicht so kleinmütig, nicht so ängstlich! Die Kissen des Sozialstaates sind nicht nur weich gefüllt, sie sind auch als Boxhandschuh verwendbar. Wenn der Beschäftigungslose seines Reichtums überdrüssig wird, stülpt er die Kissenbezüge ab, wickelt sie sich um die Fäuste, marschiert so ausgerüstet in jenes Büro, aus dem die freigebigen Überweisungen angewiesen wurden, knallt der fürsorglichen Schreibtischstute direkt eine auf die Nase, nur um sich hernach gesünder, gebraucht und wichtig zu fühlen. Die Segnungen des Systems sind allumfassend, materiell wie seelisch wird Fürsorge betrieben. Geld für den Bauch, Nasenbrüche für die Seele. Seelenbeamte fangen die Wut noch an der Wurzel auf, an der Nasenwurzel. Es gibt keinen vernünftigen Grund, sich nun in Angst zu suhlen, vor der drohenden Arbeitslosigkeit in die Knie zu gehen, ein schrecklich schönes und barbarisches Leben wartet auf die Massen in spe, ein Barbarentum ohne Tagesstruktur, mit viel Schlaf, mit schwingenden Fäusten und überdies bestens finanziell abgesichert. Herrlich anarchistisches Dasein! Närrisch, falsche Ängste zu bergen, plötzlich in Starre zu verfallen. Seid mutig, ihr Massen, so mutig wie einst, als ihr mutig die Finger in die Wunden derer gelegt habt, die sich nicht mal Verband leisten konnten, um sich notdürftig zu umwickeln. So furchtlos wie damals, als ihr der Wahrheit zum Durchbruch verholfen habt, jener Wahrheit, man könne auch von Luft und Liebe und Almosen ein sattes Leben führen. Geht mit demselben Mut in eure schmarotzende Zukunft, legt euch angstlos in die Hängematte!

27 Kommentare:

Anonym 31. Oktober 2009 um 00:26  

Wieder einmal grandios! Mir aus dem Herzen gesprochen. Danke!

Anonym 31. Oktober 2009 um 06:33  

Danke für die klaren Worte.

In einem Land wo folgendes passieren kann wundere ich mich über gar nichts mehr:

"[...]Kunstwerk sorgt an der Uni Münster für Streit

"Gehorche keinem"

Von Michael Billig

Münster. Zwei Worte, die die Angestellten der Universität Münster zurzeit in helle Aufregung versetzen: "Gehorche keinem." Sie prangen neuerdings in blutroten Lettern unübersehbar an der Glasfassade der Universitätsbibliothek. Der Schriftzug ist ein Kunstwerk, das nicht überall auf Wohlgefallen stößt.[...]

Quelle und kompletter Text:

http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/2047248_Gehorche-keinem.html

...dein Text bringt es auf den Punkt, es wird Zeit, dass wir uns alle gegen diesen Wahnsinn der selbsternannten "Eliten" zur Wehr setzen, die sich über die einfachen zwei Worte "Gehorche keinem" derart aufregen.

Teilweise gibt es sogar Professoren, die hier mit dem Spruch die reine Anarchie befürchten, dabei geht es eigentlich darum dem typisch dt. Untertan (Thomas Mann läßt grüßen) einmal aufzuzeigen, dass es Alternativen zu seinem Untertanengeist gab, und immer noch gibt.

Gruß
Nachdenkseiten-Leser
(Unbeugsam gegen Marktradikale + deren Büttel in Behörden)

Systemfrager 31. Oktober 2009 um 11:19  

Man kann da nicht anders tun, nur immer wieder von Vorne zu lesen:

„All diese Mittigen, die sich in Leserbriefen, Gästebüchern, Foren auskotzten, die am Stammtisch und in geselligen Runden aufwiegelten, ihren Nachbarn und Bekannten ein Lehrbeispiel in Sachen Menschenverachtung gaben, all diese Befürworter enger Regelsätze, Schönredner schmaler Transferleistungen, Apologeten noch kleinerer Überweisungszahlungen, all dieses aufgehetzte Personal also ... Selbst diese lächerliche Kopie der Bourgeoisie, Schlipsproletariat und Karikaturen ihrer Herrn, Geiferer und Treter nach unten, Feinde des faulen Lenz, Todfeinde der im Lenz Faulenden, selbst dieses Konglomerat aus Kesseltreibern und Einpeitscher ängstigt sich um die schlackernde Stellung. ...

Wie irrational von ihnen, nun plötzlich in Angststarre zu verfallen. Skurril, dass man ausgerechnet jetzt die üppig gepolsterte Hängematte nicht zu erkennen vermag.

Seid mutig, ihr Mittigen, so mutig wie einst, als ihr mutig die Finger in die Wunden derer gelegt habt, die sich nicht mal Verband leisten konnten, um sich notdürftig zu umwickeln. So furchtlos wie damals, als ihr der Wahrheit zum Durchbruch verholfen habt, jener Wahrheit, man könne auch von Luft und Liebe und Almosen ein sattes Leben führen. Geht mit demselben Mut in eure schmarotzende Zukunft, legt euch angstlos in die Hängematte!“

Ja, Roberto wie Recht du hast. Recht? Nein. Du sprichst nur offen über die Zukunft, die eigentlich schon begonnen hat, nur die Narren wollen sie nicht sehen. Es war ein Qautsch, wenn man sich von der Wahl der rechts-liberalen Regierung erhofft hat, jetzt würden die Unterschichten richtig bluten. Nein. Die bluten schon längst. Dort wird man nichts mehr was großartig tun können. Sonst wird der Arme auf die Idee kommen, besser im Kampf als am Hunger zu sterben.

Und dass wissen die Merkels, (Un-)Sinns, Westerwelles, ... Und sie wissen auch, das sie dies nicht woillen können. Oh, ja!

Nein, die neue Regierung wird nicht den Kreuzzug gegen die Unterschichten starten. Ach was! Blödsinn! Sondern gegen die mit all den Mythen umworbene „Neue Mitte“.

Es beginnt das Opferfest der „Neuen Mitte“. Das Blut wird in Strömen fließen ...

landbewohner 31. Oktober 2009 um 11:27  

wahrlich grandios!!!!!!!!!!

maguscarolus 31. Oktober 2009 um 12:33  

@NDS-Leser
"Gehorche keinem"

eine sehr zu begrüßende Aufforderung, wo "gehorchen" ja stets die Ausschaltung des eigenen Verstandes impliziert - militärischer "Gehorsam" eben!

Aber:

Immerhin hat "jemand" diese Fassadenkunst in Auftrag gegeben. Sie wurde Stück für Stück angebracht und auch bezahlt, ist also keine "Nacht-und-Nebel-Aktionskunst". Und dieser "Jemand" war sich der provokativen Dimension sicher bewusst.

Deutschland ist also doch ein Land, wo eben auch dieses passieren kan!

Dass es Leute gibt, die den Gehalt einer solchen Botschaft nicht verstehen (wollen) wundert mich gar nicht.

maguscarolus 31. Oktober 2009 um 12:43  

@Systemfrager

Falls es nicht zu einer stärker nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik kommt, die erstmal auf die vielgerühmte "Schuldensperre" pfeift, dann wird allerdings die Mittelschicht weiter erodieren und den Bestand an ALG II - Beziehern vergrößern – mit der Folge, dass die Abwärtsspirale durch die Einkommensverluste an Fahrt noch gewinnen wird.

Zwar kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendeine Regierung so verblödet sein kann, eine derartige Entwicklung als "sachzwänglich" und "unvermeidbar" hinzunehmen, aber man muss wohl genau das befürchten!

Alles sehr deprimierend!

Anonym 31. Oktober 2009 um 13:58  

@maguscarolus

Hast auch wieder recht.

Vielleicht ist die Aktion ja ein Hoffnungsschimmer, und die dagegen sind - gegen die zwei Worte "Gehorche keinem" - enttarnen sich von selbst?

Hoffen wir es, dass die Aktion bundesweit bekannt wird.

Bin mal auf die Reaktionen unserer Mitbürger gespannt.

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

maguscarolus 31. Oktober 2009 um 14:23  

Es ist ein fataler und wirkungsvoller Mechanismus: Das "Unterführer-Syndrom"

Manche Menschen, denen ein Quentchen Macht in ihrer Arbeitsumgebung übertragen wird, fühlen sich hinfort als Angehörige einer nebulösen "Elite" und sympathisieren eher mit den Interessen derer, von denen sie selber ausgebeutet werden als sich zu der Schicht zu bekennen, der sie nach Einkommen, Herkunft und Sozialstatus eigentlich zugehörig sind.
Ein cleveres Personalmanagement weiß diese menschliche Schwäche auszunutzen.
Ich habe selber Beispiele aus dem Freundeskreis, bei denen eine kleine Beförderung von der Sachbearbeiter- in die Gruppenleiterebene dazu geführt hat, dass ab dato die Gewerkschaften und deren Anliegen nur noch als Feindbild galten.

Der Mensch ist ein Esel!

Anonym 31. Oktober 2009 um 15:19  

"[...]Der Mensch ist ein Esel!
[...]"

Ja, leider.

Die aktuelle Telepolis bringt es auch auf den Punkt:

"[...]Von der neuen Regierung wird wenig erwartet

Nach dem Koalitionsvertrag stürzt die FDP in Umfragen ab, die Union kann zulegen[...]"

Quelle und kompletter Text:

http://www.heise.de/tp/blogs/8/146454

Ja? Wieso wählen die "Kälbchen" dann den Metzger FDP, wenn die nix von dem erwarten? Interessant ist, dass nach dieser Umfrage die Linkspartei mehr Punkte als die FDP hat. Wäre Bundestagswahl, dann wäre die Koalition aus FDP/CSU/CDU wohl nicht gekommen? D.h. vielleicht doch, wenn man sieht, die SPD stürzt immer noch ab, und will nix draus lernen, d.h. bleibt bei den Schröder-Fischer-Amigos in wichtigen Positionen.

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 31. Oktober 2009 um 15:28  

Zusatz:

Bedenklich für unsere "Demokratie" ist übrigens, dass die neuen Minister - in ihrer Arroganz - auf das Thema angesprochen immer wieder erwähnen "die Mehrheit hat uns gewählt".

Seltsame Mehrheit:

Haben die wahren Wahlsieger, die Nicht- und Ungültigwähler gar CDU/CSU/FDP gewählt?

Die werden nämlich, wie bei jeder Wahl, unter den Teppich gekehrt.

Eigentlich stehen CDU/CSU/FDP schlecht da, denn viele haben eben gar nicht, oder ungültig gewählt.

Diese Tatsache - in selbstgewählter politischer Arroganz - immer wieder zu leugnen fördert massivst die Politik(er)verdrossenheit der hiesigen Bevölkerung in Deutschland.

Vielleicht brauchen wir doch ein Schweizer System, um diese Arroganz zu brechen? Soll heißen: Über jedes wichtige Vorhaben soll nicht alle 4 Jahre so ein arroganter Polit-Schnösel, sondern die Bevölkerung via Volksabstimmung entscheiden.

Allerdings mit strengen Regelungen - Man könnte z.B. vom US-Geschworenensystem lernen, die Bevölkerung darf kein Radio hören, keine Zeitung lesen, kein Fernsehen sehen etc. - insbesondere Werbung für die Vorhaben der PolitikerInnen bzw. Wirtschaftsbosse -, und muss dann erst abstimmen.

Man könnte hier von der Volksabstimmung, der zweiten in Irland, lernen, und zwar indem man analysiert wie via oben erwähnten Techniken die Bevölkerung beim Abstimmungsverhalten beeinflußt wurde, und dies unterbinden.

Oben soll nur ein Vorschlag sein.

Ich denke jedem hier fallen ähnliche, oder bessere Techniken ein, um zu garantieren, dass die Bevölkerung nicht massivst beeinflußt wird.

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

PS: Woran erkennt man CDU/CSU/FDP-Konservative? Ganz einfach, die sehen die Wahlen alle vier Jahre als Demokratie an - Andere eben nicht, die sehen hier eine Demokratur (alle vier Jahre abstimmen, und dann PolitikerInnen völlige Handlungsfreiheit zu lassen ist für mich keine Demokratie - ich oute mich als Radikaldemokrat).

Peinhard 31. Oktober 2009 um 15:39  

"Falls es nicht zu einer stärker nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik kommt..."

Ach, immer diese Illusionen... ;) Erstens wird nicht, zweitens würde selbst wenn nicht und drittens kann auch gar nicht mehr. Wir befinden uns längst in einer globalen Selbstverwertungskrise des Kapitals, in einer veritablen Systemkrise, die schon bislang, aber in Zukunft eben auch immer weniger 'auf Kredit' hinausgeschoben bzw vertuscht wurde. Und die Hoffnung auf irgendeine Art von 'richtiger (Wirtschafts-) Politik' ist letztlich auch nichts anderes als die Verlängerung der Agonie. Sie ist nur die andere Seite der Medaille, deren neoliberale bzw neoklassische Prägung uns die ganze Zeit fratzenhaft vorgehalten wird. Der Versuch, doch noch zu retten, was erstens nicht zu retten ist und zweitens und vor allem die Rettung eh und sowieso und gar nicht lohnt... Keynesianer und Neoliberale sitzen doch in einem Boot, streiten sich nur, auf welcher Seite das immer kürzer werdende Paddel denn nun in's Wasser soll und ignorieren insgesamt und geflissentlich die grundsätzlichen Leckagen des in Frage stehenden Gegenstands. Sicher wäre linksherum noch 'netter', wenn man sich schon auf der Stelle dreht, aber sinken wird es ohnehin... Besser, man hielte sich endlich an die Planken und nicht mehr an das Boot.

Anonym 31. Oktober 2009 um 16:30  

Marie-Antoinette wird der Satz nachgesagt:"S'ils n'ont pas de pain, qu'ils mangent de la brioche."
Genau in dem Kontext sehe ich die neue Regierung. Dennoch und da stimme ich zu, es ist an der Zeit nachzudenken, das Nichteinverständnis gegenüber den Volksvertreter öffentlich zu machen. Es versteht sich gewaltlos. Das Motzen und Aufregen verpufft. Die lachen sich ins Fäustchen. Jetzt beginnt die Zeit der Kreativität, denn viele Hängematten liegen schon auf dem Sperrmüll. Lieber in Würde protestieren als in Armut sterben.
Gruß Nachdenken und Handeln

maguscarolus 31. Oktober 2009 um 17:18  

@NDS-Leser

"Wäre Bundestagswahl, dann wäre die Koalition aus FDP/CSU/CDU wohl nicht gekommen?"

Oh nein! dann wäre ja schon wieder Gehirnwäsche über Monate gewesen – bis zum gewünschten Umfrageergebnis. Cleveres timing, clevere Meinungsmache. Nicht erst seit Müllers Buch weiß man doch, wie Meinung gemacht wird! Jede Wahl wird wie eine Punktlandung geplant. Wahlbetrug hat man in modernen Plutokratien nicht nötig. Man implementiert den Betrug direkt in den Hirnen der Wähler. Die kleine Minderheit, die den Schwindel durchschaut, oder sich wenigstens um Klarheit bemüht, ist nicht wahlentscheidend.

Gefährlich ist schon eher das Phänomen der Wahlabstinenz, denn es droht, den Wahlergebnissen ihren doch so gern zitierten Status des repräsentativen"Wählerauftrags" zu nehmen.

Das von dir zitierte "Schweizer System" wird in D nie kommen. Es wird von den Eliten nicht gewünscht und es hat keine Tradition in der Bevölkerung. Der deutsche Untertan lehnt sich lieber zurück und schimpft über "die da oben" als persönliche Verantwortung zu übernehmen. Und wenn die plebiszitären Elemente in D ausgebaut würden, wer weiß, wen sie sich dann als Führer wählen würden . . .

@Peinhard

wenn du recht hast, dann sollten wir uns in der wirtschaftlichen Apokalypse wenigstens bequem einrichten.
Ich kann für mich nicht behaupten, dass ich die wirtschaftlichen Zusammenhänge in solchem Grade durchblicke, dass ich letztlich ernsthaft irgend jemandem eine Empfehlung geben könnte. Eigentlich ist für mich nur evident, dass eine Gesellschaft, in der das Streben nach Macht und Geld oder Geld und Macht durch keinerlei ethische (oder religiöse) Barrieren mehr behindert wird, einen vor-kulturellen Zustand der Menschheit darstellt, mithin eine Barbarei ist.

Das ganze technische klein-klein der Art und Weise, wie sich diese Barbarei mehr und mehr enttarnt, ändert nichts, aber auch gar nichts, an dieser Grundlage.

Systemfrager 31. Oktober 2009 um 17:24  

@ Peinhard

>„Keynesianer und Neoliberale sitzen doch in einem Boot, ...“

Und über sie schwebt ein gewisser Peinhard, wie der heilige Geist, mit aller Weisheit der Welt, aber er will uns nichts verraten ...

Anonym 31. Oktober 2009 um 18:18  

@maguscarolus

Ich kann dir nur zustimmen, da ich "Meinungsmache" auch kenne, und weiß wie weit die Korruption - auch, und gerade, im Denken - bereits fortgeschritten ist in Deutschland. Ich erlebe so etwas beinahe täglich im nächsten Umfeld, und gabe es nicht diesen Blog, und Nachdenkseiten, dann würde ich mich für "verrückt" erklären.

Danke für eure Hinweis.

Was die Volksabstimmungen angeht, da gebe ich dir auch recht, wenn ich auch nicht direkt einen zweiten Adolf Hitler befürchte, sondern mich an aktuelleren Beispielen abarbeite, die diese Technik im Zwielicht erscheinen lassen - eben Ir(r)land, wo die beim zweiten Mal für den neoliberalen Lissabon-Vertrag gestimmt haben. Übrigens, wir sollten was A.H. angeht von Israel lernen, dort gibt es Menschen, die "Hitler besiegen" wollen, da er das Denken Israels - so ein Buchtitel - immer noch dominiert. Mein Fazit: Nicht immer an der Vergangenheit festhängen, sondern sich an heutigem Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus, Neo-Nazismus abarbeiten. Ich bin sicher, der "Führer" ist auch für die Nazis von heute mausetot, und immer wieder an den zu erinnern führt nur zur Verharmlosung des real existierenden Neo-Faschismus heutiger Tage.

Vielleicht liegt darin auch der Grund warum wir via TV immer wieder mit der Nazi-Zeit konfontiert werden? Hitler darf nicht sterben, und wenn es diesen Massenmörder (war der wirklich allein?) nicht gegeben hätte, dann müßte man den zur Volksver.... erfinden.

Nix für ungut, aber ich seh's - als heutiger Gegner von NPD-DVU-CDU/CSU-FDP eben so....

Der ewige Untote Hitler ist ein Alibi, um von den Verbrechen heutiger Tage abzulenken, oder um Kriege im Namen der Menschenrechte zu führen.

Roberto J. de Lapuente hat, glaub ich mich erinnern zu können, auch was unter "Unseren täglichen Hitler gib uns heute..." geschrieben?

Das oben erwähnte Buch "Hitler besiegen" habe ich selbst noch nicht gelesen, werde es aber nachholen, da hier ein Israeli sein Land kritisiert, dass - ebenso wie Deutschland - in dieser Zeit festhängt, und damit Kriege führt - Noch so eine Parallele zur Rest-Westl.-Welt von heute.

Chavez-Morales-Castro alles Hitlers.....für Wohlstandsstaatsfeinde wie Westerwelle/Merkel & Co....

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

Anonym 31. Oktober 2009 um 18:38  

Selbst das in Lohnarbeit stehende Kleinbürgertum, diese lächerliche Kopie der Bourgeoisie, Schlipsproletariat und Karikaturen ihrer Herrn, Geiferer und Treter nach unten, Feinde des faulen Lenz, Todfeinde der im Lenz Faulenden, selbst dieses Konglomerat aus Kesseltreibern und Einpeitscher ängstigt sich um die schlackernde Stellung.

Die FDP hat gerade diese Leute für sich gewonnen, jetzt sollen sie auch bezahlen. Wer nicht denken kann, muss fühlen.

Gruß

E. Bonacker

Peinhard 31. Oktober 2009 um 20:49  

Über ihnen, Systemfrager, über ihnen... :D

Peinhard 31. Oktober 2009 um 20:59  

"...dann sollten wir uns in der wirtschaftlichen Apokalypse wenigstens bequem einrichten."

Das zum einen - und dazu gehört natürlich auch das Verteidigen sogenannter 'Besitzstände' und 'Errungenschaften' - aber zum anderen sollten wir uns auch Gedanken machen, was danach kommen könnte/sollte, und wenn ja, wie... Es ist einerseits verrückt, andererseits aber auch nichts wirklich Neues, im Gegenteil - je näher die 'Apokalypse' rückt, desto hartnäckiger, engstirniger und scheuklappiger wird am scheinbar 'Bewährten' festgehalten. Die eigentlich notwendigen Diskussionen finden gar nicht erst mehr statt - im Gegensatz zu Zeiten, als man noch meinte, sich diesen 'Luxus' erlauben zu können...

maguscarolus 31. Oktober 2009 um 23:30  

@Peinhard

"Die eigentlich notwendigen Diskussionen finden gar nicht erst mehr statt"

. . . als da wären?

Systemfrager 1. November 2009 um 08:49  

@ Peinhard: „Es ist ... verrückt ... aber auch nichts wirklich Neues, im Gegenteil - je näher die 'Apokalypse' rückt, desto hartnäckiger, engstirniger und scheuklappiger wird am scheinbar 'Bewährten' festgehalten. Die eigentlich notwendigen Diskussionen finden gar nicht erst mehr statt - im Gegensatz zu Zeiten, als man noch meinte, sich diesen 'Luxus' erlauben zu können...

Na prima! Zum zweiten Mal - sogar nacheinander - muss ich dir Recht geben.

Peinhard 1. November 2009 um 09:43  

". . . als da wären?"

Wie gesagt die Frage, wie es weitergehen kann und soll. Denn wenn die Analyse richtig ist, dass die Selbstverwertung des Kapitals an eine quasi 'finale' Schranke stößt, die durch weitere Expansion nicht mehr ausgeglichen werden kann - und ich kann an der entsprechenden Argumentation nichts grundsätzlich fehlerhaftes erkennen, halte sie im Gegenteil für die Theorie, die noch am besten die empirischen Befunde 'erklären' kann - dann ist die Ablösung des kapitalistischen Systems nicht mehr nur eine Frage der 'Moral' und des 'Wollens', sondern eine der 'Notwendigkeit' - wenn wir nicht immer mehr in eine 'Barbarei' hineinschlittern wollen. Dazu hat es zB noch in den 80ern Diskussionen gegeben, die man bspw mit 'Ende der Arbeitsgesellschaft' bezeichnete. Dieser Aspekt ist zwar nicht gänzlich verschwunden (Rifkin et al), spielt aber längst nicht die Rolle, die er damals hatte - geschweige denn die, die er heute spielen müsste, wo platzende (Kredit-) Blasen nur noch durch Verlagerung auf immer neue abgelöst werden und inzwischen offenbar endgültig beim 'Schuldner letzter Instanz', dem Staat, angekommen sind. Die 'Alternativlosigkeit' einer immer unmöglicheren 'Systemrettung' (ob nun neoliberal oder eben keynesianisch) ist 'common sense' - und gleichzeitig das genaue Gegenteil 'gesunden Menschenverstandes'. :(

Zu den theoretischen Grundlagen besagter Analyse siehe zB hier. Das ist zwar ein anderer Ansatz als bspw der rifkinsche, läuft aber 'im Prinzip' auf nämliches hinaus.

maguscarolus 1. November 2009 um 11:21  

Die beschriebenen Probleme eines auf endlosem Wachstum in einer begrenzten Welt basierenden Wirtschaftsmodells sind – eigentlich jedem Menschen, der mit gesundem Menschenverstand ausgestattet ist, sofort einleuchtend.

Die gegenwärtigen "Eliten" wursteln einfach so weiter, weil sie nichts Besseres wissen, und die Kapitaleigner werden ihre "heiligsten Überzeugungen und Werte" nicht gewaltlos hergeben. Daher wage ich die Prognose, dass es eher wieder zu globaler Wertevernichtung (Krieg) mit dem daraus entstehenden Neubedarf kommen wird, als dass friedliche Wege für eine Neuorientierung gesucht werden, bei denen die jetzigen "Eliten" an Einfluss und Bedeutung verlören . . .

. . . so grauenhaft und trostlos das auch ist . . .

Peinhard 1. November 2009 um 13:24  

"Die beschriebenen Probleme eines auf endlosem Wachstum in einer begrenzten Welt basierenden Wirtschaftsmodells sind – eigentlich jedem Menschen, der mit gesundem Menschenverstand ausgestattet ist, sofort einleuchtend."

Der 'Befund', von dem ich sprach, ist zwar noch ein bisschen ein anderer - aber eigentlich reicht auch diese Einsicht schon...

"Daher wage ich die Prognose, dass es eher wieder zu globaler Wertevernichtung (Krieg) mit dem daraus entstehenden Neubedarf kommen wird, als dass friedliche Wege für eine Neuorientierung gesucht werden, bei denen die jetzigen "Eliten" an Einfluss und Bedeutung verlören . . ."

Erstens wird bei der heutigen Produktivität auch kein Krieg mehr einen 'nennenswerten Aufschub' bringen - zur Erinnerung: das 'Wirtschaftswunder' war bereits in den 70ern weitgehend gegessen, und hatte dabei noch den Sondereffekt der 'fordistischen Expansion' auf seiner Seite - und zweitens leben wir seither eh schon in einem ständigen Rüstungs-Keynesianismus. Selbst dieser 'Ausweg' also ist schon keiner mehr...

". . . so grauenhaft und trostlos das auch ist . . ."

...dass auch wir, die wir dieses System durch unsere tägliche 'Teilhabe' mit aufrechterhalten, sozusagen zu den Tätern, und nicht nur den Opfern zählen... Ein bisschen was könnten wir indessen schon tun, eben zB gegen die Illusionen antreten, dass es nur einer 'richtigen Politik' bedürfe, um die Dinge, wenn schon nicht 'gut' so doch wenigstens wieder 'erträglich' werden zu lassen. Indem wir, wo immer es sinnvollerweise geht, den Diskurs einfordern, den uns 'die Eliten' verweigern, und indem im Gegenzug wir uns so gut es geht (und ohne fruchtlos den Märtyrertod zu sterben) verweigern und Sand in's Getriebe streuen. Auch wenn es irgendwann auf die Frage hinausläuft, ob wir die täglich zunehmende Gewalt, die Roberto ua hier und in dem fulminanten Beitrag 'Kopflos' thematisiert, nur noch erleiden wollen, oder ihr etwas entgegensetzen...

milejo 1. November 2009 um 14:41  

@maguscarolus 31. Oktober 2009 17:18
>Eigentlich ist für mich nur evident, dass eine >Gesellschaft, in der das Streben nach Macht und >Geld oder Geld und Macht durch keinerlei >ethische (oder religiöse) Barrieren mehr >behindert wird, einen vor-kulturellen Zustand der >Menschheit darstellt, mithin eine Barbarei ist.

Na komm, nicht die "Barbaren" beleidigen.
Anders als damaligen Griechen meinten hatten die damaligen "Barbaren" durchaus Kultur. Ihre (die griechische Weltsicht) war nur reiner Rassismus.
-----------------------
NmA ist die Situation erheblich schlimmer, als das es "nur" um eine "vor-kulturellen Zustand" gehen würde.
Das jetztige System ist in höchstem Maße dyfunktional, krank und süchtig. Es zerstört Gemeinschaften und betrachtet jedes andere System als Feind der zerstört werden muß. Und hatte und hat dabei sehr großen Erfolg.

Was könnte als nächtes kommen?
In Südamerika wurden die neoliberalen Spinner "rausgeworfen". Warum sollte das nicht in Europa / Deutschland möglich sein?

milejo 1. November 2009 um 14:50  

zum "Alternativen" Denken.
http://www.bessereweltlinks.de/index.php?cat=1&thema=Allgemeines&PHPSESSID=f7c4af47a26bc2947b7a66013a38e51b

http://coforum.de/?614

http://zmag.de/artikel/die-entwicklung-der-volksoekonomie-in-venezuela
http://zmag.de/artikel/die-entwicklung-der-venezolanischen-basisoekonomie
usw.

Natürlich werden die Alternativen nicht in den Mainstreammedien groß ausgebreitet. Das wäre ja durchaus, im Sinne der "Elite", kontraproduktiv.
Aber trotzdem gibt es sie.

maguscarolus 1. November 2009 um 17:48  

So lange die "Eliten" weltweit wissen, dass sie in ihrer individuellen Existenz keineswegs dasselbe Schicksal erleiden müssen, das sie dem Großteil der ihnen ausgelieferten Bevölkerung zumuten, kann man von allen Reformen und sonstigen "Fortschritten" keine Besserung des common welfare erhoffen. Es wird immer weiter bergab gehen und ich frage mich wirklich, ob es praktisch gangbare Wege gibt, die Welt zu "verbessern", ohne dabei eine globale Katastrophe zu durchlaufen.

@Peinhard

Ein Krieg, ich meine nicht irgend einen Völkermord in Zentralafrika zum Wohle der Waffenindustrie sondern einen weltweiten Krieg, in dem die bestehende Infrastruktur weitgehend zerstört würde, hätte durchaus "regulierende Nachwirkungen" auf die Wirtschaft der Restmenschheit.
Nicht dass ich mir das wünsche, aber es wäre nicht das erste Mal, dass eine politische Kaste sich auf diese Weise aus der Verantwortung stiehlt.

Peinhard 5. November 2009 um 12:16  

"Ein Krieg, ich meine nicht irgend einen Völkermord in Zentralafrika zum Wohle der Waffenindustrie sondern einen weltweiten Krieg, in dem die bestehende Infrastruktur weitgehend zerstört würde, hätte durchaus "regulierende Nachwirkungen" auf die Wirtschaft der Restmenschheit."

Nur für eine sehr, sehr kurze Zeitspanne. Das Wissen um die höhere Produktivität wäre damit ja nicht aus der Welt. Nochmal zur Erinnerung - der 'Aufschwung' nach dem letzten Weltkrieg, dem noch die 'fordistische Expansion' zu Hilfe kam, dauerte schon keine 30 Jahre mehr, bevor er wieder in's Krisenhafte einer 'Blasenökonomie' kippte.

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