Unsere Jungs
Donnerstag, 30. Juli 2009
Als die Welt zu Gast bei Freunden war, 2006 war das, da keimte mit hoher Geschwindigkeit ein neuer deutscher Nationalismus auf, der von sogenannten Experten nicht skeptisch begutachtet, sondern als fröhliche Bejahung des Deutschsein interpretiert wurde. Manche glaubten noch, es würde sich um einen Nationalismus aus Jux und Dollerei handeln, der nur in Fußballstadien Obdach finde, außerhalb chancenlos sei. Man schmücke sich lediglich mit Nationalfarben, feuere mit Sportsgeist ausgestattet das eigene Land an, in welchem man den Zufall hatte geboren zu sein, sei der zwölfte Mann "unserer Jungs".
Unsere Jungs stehen nun in Afghanistan. Selbstverständlich nicht Ballack, Lahm oder Podolski (wobei man annehmen kann, dass sie dort bald eine Gala veranstalten werden), es sind andere, uniformierte, manchmal bereits mit Ehrenblech behängte Jungs. Unsere Jungs sind überall tätig, in Fußballstadien, auf den Straßen Frankreichs, bei der Tour de France, bei internationalen Koch-, Mechaniker- oder Friseurwettkämpfen, bei der Formel 1 - und ebenso auf dem Schlachtfeld. Sie sind meist Wettbewerber, diese unsere Jungs. Sie werden als unsere Jungs an den Mann gebracht, damit eine Bindung zum Hörer, Zuseher, Leser entsteht, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, aufgeschwatzte Sympathie. Der Soldat, unser Junge, wird uns somit nahe gebracht, er tötet für uns, stirbt für uns, ist von uns - deshalb sprechen wir liebevoll vermehrt von "unseren Jungs in Afghanistan". Diese Sprechweise häuft sich in den Medien und liest man in den Kommentarbereichen von Online-Medien nach, so finden sich immer mehr Menschen, die nicht unbedingt wohlwollend dem Krieg gegenüberstehen, die sich aber dieser lieblichen Floskel anschließen.
Der angeblich harmlose Nationalismus, der regelmäßig zur Fußballturnierzeit über dieses Land schwappt, hat erste Erfolge gezeitigt. Spielend führt man Kinder an die Ernsthaftigkeit des Lebens heran; spielend leitet man ein Volk zurück auf die ernsten Pfade des Nationalismus. Fragte man vor drei Jahren noch, ob Klinsi unsere Jungs zum Erfolg führen könne, so stellen wir einige kurze Jahre später die Frage, ob wohl Minister Jung unsere Jungs noch erfolgreicher, sprich: präsenter in der Welt, machen könne. Wer kann bei der Übernahme scheinbar harmloser Begrifflichkeiten, die zunächst in der banalen Welt des Sports zuhause waren, nun aber an die Front verfrachtet wurden, noch so naiv tun, als sei der feucht-fröhliche Sportplatz-Nationalismus als harmlose Erscheinung zu werten?
Unsere Jungs! Sie dürfen nun auch auf Flüchtende schießen, in den Rücken schießen, muß man annehmen, sofern die Flüchtenden nicht im Rückwärtsgang das Weite suchen. Die Propaganda läßt die Jungs aber zu Wort kommen, läßt sie jammern, dass der Feind erst lächelt, um dann arglistig in den Rücken zu schießen. Wen kümmert das Paradoxe der Berichterstattung? Weil aus dem Soldaten in der Ferne, der an einem völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Krieg teilnimmt, ein netter Junge wurde, ein Junge von uns, muß man über derlei Ungereimtheiten nicht weiter stutzen. Es wird impliziert, man hätte es mit Kerlen zu tun, die für uns im Einsatz sind, für uns bluten - wer da hinterfragt ist ein Nestbeschmutzer, ein ganz mieser Vogel, der an der Heimatfront Dolche wetzt, die er dann hinterrücks ins Fleisch unserer Jungs rammt. Einst, als unsere Jungs noch auf dem Fußballplatz tätig waren, da war der Kritiker des nationalistischen Treibens im schlimmsten Falle eine Spaßbremse - aber wer den behelmten Jungs nicht zujubelt, der bremst nicht nur den Spaß, der bremst uns als Gesellschaft, der muß förmlich Terrorist sein.
Man kann sich das mediale Treiben, das seit geraumer Zeit den Takt der Berichterstattung in Sachen Afghanistan-Einsatz vorgibt, nicht vorstellen, ohne an die Fahnenmeere bei Welt- oder Europameisterschaften zurückzudenken, als das nationalistische Geblödel wieder salonfähig wurde. Es kommt nicht von ungefähr, dass man zu jenen sportlichen Zeiten unseren Jungs zujubelt, nun gleichzeitig aber immer häufiger von unseren Jungs spricht, wenn man Talibanjäger meint. Und gerade jene Kreise, die sich heute als Falken des Krieges hervortun, hatten damals zur Weltmeisterschaft 2006, eine wahre Freude am neuen deutschen Selbstwertgefühl - andere, auch viele einzelne Protagonisten der LINKEN beispielsweise, sahen das Getue eher skeptisch, auf Gefahren hindeutend, die da am Horizont lauern könnten. Diese kritischen Kreise des Fußball-Nationalismus, sind auch heute noch kritisch, sind heute Gegner des Auslandseinsatzes, der Ehrenorden, des Heldenkultes.
Hätten wir wissen können, ahnen müssen, warum sich bestimmte Herrschaften so über des Deutschen Wiederauferstehung, zunächst nur im Stadion, gefreut haben?
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Unsere Jungs stehen nun in Afghanistan. Selbstverständlich nicht Ballack, Lahm oder Podolski (wobei man annehmen kann, dass sie dort bald eine Gala veranstalten werden), es sind andere, uniformierte, manchmal bereits mit Ehrenblech behängte Jungs. Unsere Jungs sind überall tätig, in Fußballstadien, auf den Straßen Frankreichs, bei der Tour de France, bei internationalen Koch-, Mechaniker- oder Friseurwettkämpfen, bei der Formel 1 - und ebenso auf dem Schlachtfeld. Sie sind meist Wettbewerber, diese unsere Jungs. Sie werden als unsere Jungs an den Mann gebracht, damit eine Bindung zum Hörer, Zuseher, Leser entsteht, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, aufgeschwatzte Sympathie. Der Soldat, unser Junge, wird uns somit nahe gebracht, er tötet für uns, stirbt für uns, ist von uns - deshalb sprechen wir liebevoll vermehrt von "unseren Jungs in Afghanistan". Diese Sprechweise häuft sich in den Medien und liest man in den Kommentarbereichen von Online-Medien nach, so finden sich immer mehr Menschen, die nicht unbedingt wohlwollend dem Krieg gegenüberstehen, die sich aber dieser lieblichen Floskel anschließen.
Der angeblich harmlose Nationalismus, der regelmäßig zur Fußballturnierzeit über dieses Land schwappt, hat erste Erfolge gezeitigt. Spielend führt man Kinder an die Ernsthaftigkeit des Lebens heran; spielend leitet man ein Volk zurück auf die ernsten Pfade des Nationalismus. Fragte man vor drei Jahren noch, ob Klinsi unsere Jungs zum Erfolg führen könne, so stellen wir einige kurze Jahre später die Frage, ob wohl Minister Jung unsere Jungs noch erfolgreicher, sprich: präsenter in der Welt, machen könne. Wer kann bei der Übernahme scheinbar harmloser Begrifflichkeiten, die zunächst in der banalen Welt des Sports zuhause waren, nun aber an die Front verfrachtet wurden, noch so naiv tun, als sei der feucht-fröhliche Sportplatz-Nationalismus als harmlose Erscheinung zu werten?
Unsere Jungs! Sie dürfen nun auch auf Flüchtende schießen, in den Rücken schießen, muß man annehmen, sofern die Flüchtenden nicht im Rückwärtsgang das Weite suchen. Die Propaganda läßt die Jungs aber zu Wort kommen, läßt sie jammern, dass der Feind erst lächelt, um dann arglistig in den Rücken zu schießen. Wen kümmert das Paradoxe der Berichterstattung? Weil aus dem Soldaten in der Ferne, der an einem völkerrechts- und grundgesetzwidrigen Krieg teilnimmt, ein netter Junge wurde, ein Junge von uns, muß man über derlei Ungereimtheiten nicht weiter stutzen. Es wird impliziert, man hätte es mit Kerlen zu tun, die für uns im Einsatz sind, für uns bluten - wer da hinterfragt ist ein Nestbeschmutzer, ein ganz mieser Vogel, der an der Heimatfront Dolche wetzt, die er dann hinterrücks ins Fleisch unserer Jungs rammt. Einst, als unsere Jungs noch auf dem Fußballplatz tätig waren, da war der Kritiker des nationalistischen Treibens im schlimmsten Falle eine Spaßbremse - aber wer den behelmten Jungs nicht zujubelt, der bremst nicht nur den Spaß, der bremst uns als Gesellschaft, der muß förmlich Terrorist sein.
Man kann sich das mediale Treiben, das seit geraumer Zeit den Takt der Berichterstattung in Sachen Afghanistan-Einsatz vorgibt, nicht vorstellen, ohne an die Fahnenmeere bei Welt- oder Europameisterschaften zurückzudenken, als das nationalistische Geblödel wieder salonfähig wurde. Es kommt nicht von ungefähr, dass man zu jenen sportlichen Zeiten unseren Jungs zujubelt, nun gleichzeitig aber immer häufiger von unseren Jungs spricht, wenn man Talibanjäger meint. Und gerade jene Kreise, die sich heute als Falken des Krieges hervortun, hatten damals zur Weltmeisterschaft 2006, eine wahre Freude am neuen deutschen Selbstwertgefühl - andere, auch viele einzelne Protagonisten der LINKEN beispielsweise, sahen das Getue eher skeptisch, auf Gefahren hindeutend, die da am Horizont lauern könnten. Diese kritischen Kreise des Fußball-Nationalismus, sind auch heute noch kritisch, sind heute Gegner des Auslandseinsatzes, der Ehrenorden, des Heldenkultes.
Hätten wir wissen können, ahnen müssen, warum sich bestimmte Herrschaften so über des Deutschen Wiederauferstehung, zunächst nur im Stadion, gefreut haben?