Es wird wieder gegüllnert!

Dienstag, 30. Dezember 2008

Sprachen neigen dazu, bestimmte Verfahren, die man an einer Person oder einer Örtlichkeit festmacht, mit bestimmten Verben auszustatten. So wurde aus der Belagerung und späteren Ermordung halb Magdeburgs (1631), ein neues Wort ersonnen, welches in sich alles beinhalten sollte, was an Grausamkeiten und Leid jene Stadt ertragen mußte. "Magdeburgisieren" - (Damals war die französisch geprägte Endung "-isieren" im Deutschen höchst modern.) - sollte fortan gebräuchlich werden und wer dieses Wort vernahm, der wußte was der Aussprechende damit meinte. Technische Verfahren nahmen ebenso den Namen des Erfinders oder geistigen Vorvaters auf, wie beispielsweise das "Galvanisieren", welches sich vom Nachnamen des Artzes Luigi Galvani ableitete. Die Schweden wenden eine solche Namengebung an, wenn ein Journalist sich in einen Betrieb oder eine Organisation inkognito einschleust, dort schauspielerische Qualitäten an den Tag legt, nur um das Erlebte danach aufzuschreiben - "wallraffen" nennt man diesen Vorgang, in Anlehnung an Günter Wallraff, dem eine solche Ehre in seinem Heimatland bis dato noch nicht widerfahren ist.

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Alles wird gut

Nachdem von mir geschätzte Kollegen es wagten, einen Blick in die Zukunft zu werfen, möchte ich in kurzen Worten kundtun, welche Entwicklungen ich im kommenden Jahr für weiterhin aktuell halte, welche ich sogar in verschärfter Form befürchte. Es dürfte sich im Wesentlichen um drei Punkte halten, die auch das Jahr 2009 dominieren werden. Die nun folgende kurze Auflistung soll im Vollbesitz aller optimistischen Kräfte präsentiert werden.
  • Die Große Koalition wird auch 2009 weiterbestehen. Schlimm genug, denkt man sich, wenn im Bund weitere vier Jahre nur eine Opposition auf Sparflamme stattfinden soll, die zudem immer dann mit der Großen Koalition kollaboriert, wenn man auf ein wenig Gegenwehr gegen die chronische Zweidrittelmehrheit hofft - zumindest betrifft das die FDP und die Grünen häufig. Es wird aber wahrscheinlich noch schlimmer kommen, denn alle vier anstehenden Landtagswahlen könnten mit erneuten und neuen Großen Koalitionen enden; könnten beispielsweise sogar im Saarland eine Große Koalition neben einer starken LINKEN zum Resultat haben, und in Sachsen als Minivariante mit knapper Absolutmehrheit wahr werden. Die Große Koalition wird dort wo sie schon ist bleiben und auch in noch unverschonten Bundesländern in Serie gehen.
  • Die sogenannte Finanz- und Wirtschaftskrise wird Massenelend erzeugen. Beileibe keine umwerfende Neuigkeit, denn Elend gibt es heute schon als Massenfabrikat - aber die Masse vergrößert sich, wird sinnbildlich zum schwarzen Loch. Es werden Massen relativ verelendet sein, aber keiner bekommt es mit, weil das Elend in den Medien schön- oder weggeredet wird. Probleme wird es machen, dass kein großes Fußball-Turnier ansteht, während dem man mit deutschen Flaggen allerlei Ungerechtigkeiten kaschieren kann - aber die Einheitsfront der vermeintlichen Berichterstattung wird Mittel und Wege finden, von den Nöten und Sorgen abzulenken. Und wenn alles nichts hilft, dann erklären uns solche, die es nicht wissen können, weil sie nie in Not lebten, dass letztendlich alles nicht so schlimm sei.
  • Und damit wären wir eigentlich schon beim dritten Punkt angelangt: Die Medien werden 2009 noch banaler, noch oberflächlicher, noch verblödender berichten. Auch wenn man es nicht für möglich hält: Manipulationspotenzial gibt es noch ausreichend, weitere Mechanismen zur gezielten Desinformation sind sicherlich nicht schwer zu finden und umzusetzen.
Wie gesagt, dies alles im Vollbesitz optimistischer Kräfte. Schließlich könnte es auch noch schlimmer kommen! Aber wer will sich die Feierlichkeiten zum neuen Jahr - dieses Hochleben menschlicher Gabe, sich einen Kalender ausgedacht zu haben - schon mit Pessimismus vermiesen lassen? Wahrlich, es könnte schlimmer kommen. Und wenn es 2009 schon nicht schlimm kommt, so bleiben noch viele, viele andere Jahre. Wenn es 2009 so positiv kommt, wie in den drei Punkten nur vage angedeutet wurde, dann gibt es immer noch ein 2010, in dem es schlimmer kommen könnte und wird - als ausgleichende Gerechtigkeit quasi. Und wenn es 2009 doch viel böser kommt, als wir Berufsoptimisten glauben, dann kann man realistischerweise hoffen, dass es 2010 wenigstens etwas besser wird. Irgendwann ist man so tief, dass es nur noch aufwärts gehen kann. Wir sollten nicht vergessen, dass wir im Zeitalter des think positive leben - man muß nur den Mut haben es auch umzusetzen...

Am Heldensyndrom erkrankt

Montag, 29. Dezember 2008

Es ist ein altes Motiv aus der Literatur; später griff es die Filmindustrie auf, um damit manche Tragödie zu bereichern. Womöglich ist es ratsam, einen dieser Film herauszuheben, um deutlich zu machen, von welchem Motiv die Rede ist; hierzu ist eine kurze und bündige Inhaltsangabe empfehlenswert. Es handelt sich um den US-amerikanischen Thriller "Kopfgeld" aus dem Jahre 1996. (Dieser Film ist dabei nur beliebig ausgewählt, soll nur das Motiv erklären, mehr nicht.) Der Sohn einer wohlhabenden Familie wird entführt, die Entführer fordern 2 Millionen Dollar Lösegeld. Der Vater, gespielt von Mel Gibson, entschließt sich daraufhin, die geforderte Summe zu bezahlen - doch die Geldübergabe scheitert. Nun entschließt sich der Vater zu einem außergewöhnlichen Schritt: Er tritt im Fernsehen auf, vor ihm liegend das gesamte Lösegeld, und erklärt den verdutzten Zuschauern, dass derjenige, der den oder die Entführer tot oder lebendig ausliefert, das ursprüngliche Lösegeld als Kopfgeld erhalten soll.
Soweit die Vorgeschichte, nun nähern wir uns dem besagten traditionellen Motiv aus der erzählenden Kunst: Die Entführerbande läuft natürlich Amok, denn jeder hat Angst, dass er von einem anderen Bandenmitglieder ans Messer geliefert wird. Der Kopf der Gruppe, der im zivilen Leben Polizist ist, tötet sämtliche Mittäter und liefert den Jungen beim Vater ab. Er gebärdet sich als der Held der Stunde, der zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war, um die Entführer zur Strecke zu bringen. Deswegen habe er sich das Kopfgeld redlich verdient, weil er "pflichtgemäß" die Entführer tot ausgeliefert hat. Aus dem Entführer wird also plötzlich ein Held, der Held schlechthin, auf den die gesamte Gesellschaft wohlwollend blickt, ein couragierter Polizist eben, kein "korrupter Bulle" - das ist das erläuterte Motiv.
Der Ausführlichkeit halber sei noch erwähnt, dass der vermeintliche Held enttarnt wird, schließlich handelt es sich um einen Hollywoodfilm, in dem happy ends immer noch gern gesehen sind - er wird sogar in einem Showdown erschossen, wie gesagt: ein Hollywoodfilm eben. Und dass der Film suggeriert, erst die Ausschüttung eines kleinen Reichtums würde bewirken, dass Menschen zum Guten animiert würden, soll uns an dieser Stelle nicht weiter interessieren.

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De dicto

Samstag, 27. Dezember 2008

"Dabei sind sie weit niedriger als die Wucherzinsen privater Geldverleiher, die locker bei monatlich 20 Prozent liegen. Der Nobelpreisträger ist davon überzeugt, dass nur Kredite mit für das Land realistischen Zinsen die Armen dazu bringen, wirklich Eigeninitiative zu entwickeln. "Gibst du ihnen Geld für null Zinsen, sehen sie es als Almosen an und nicht als Starthilfe."
- Stern über Muhammad Yunus am 26. Dezember 2008 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Ein solch negatives Menschenbild, wie es Muhammad Yunus offensichtlich vertritt, ist in unseren Tagen nichts ungewöhnliches. Ungewöhnlich, zumindest aber doch gewöhnungsbedürftig, ist die Tatsache, dass ein solcher Misanthrop, der im Menschen zunächst einmal eine auf Alimentation bedachte, faule und zu Eigenantrieb unfähige Kreatur erblickt, einen Friedensnobelpreis erhielt. Im Jahre 2006 wurde der Erfinder sogenannter Mikrokredite, mitsamt seiner Grameen Bank, mit dem begehrten Preis honoriert. "Für die Förderung wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung von unten" - so begründete das Komitee seinerzeit die Preisvergabe.

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Spott von oben

Freitag, 26. Dezember 2008

Es steht schlecht um dieses Land, schlechter als man es annehmen mußte - soviel kann man aus der Weihnachtsansprache Köhlers heraushören, auch wenn dieser freilich etwas ganz anderes erklärte, positiver klang, fast ein wenig sorglos. Aber wenn man sich genau anhörte, was Köhler als Beschwörer der bürgerlichen Einheitsfront, in die Republik hinausblies, dann muß es sich geradezu aufdrängen: Wer von solchen Gestalten politisch vertreten wird, wer ein solches Staatsoberhaupt besitzt, dem muß es wahrlich Angst und Bange werden.

Zuversichtlich gab er sich; und dass es diesem Land schlecht geht, dass man sich gar fürchten muß vor der Zukunft, das formulierte er sich erwartungsgemäß nicht vom Teleprompter herunter. Im Gegenteil, wir dürfen frohen Mutes sein, weil - und hier erklärt uns Köhler seine Welt - es ein "gutes Fundament" gibt, auf dem wir unseren Optimismus erbauen dürfen. Es kann wirklich nicht überraschen, dass für Köhler und die Kreise, für die er in der Öffentlichkeit steht, die "Reformen der vergangenen Jahre" zu diesem "guten Fundament" gehören sollen. Dass es ausgerechnet jene Reformen sein sollen, die uns diesen Anlass zur zuversichtlichen Freude geben, die Millionen von Menschen, auch Millionen von Kindern in Armut gestürzt haben. Dabei spricht er ganz unbedarft und unverdächtig von solchen sozialen Schweinereien, (die man in seinen Kreisen "Reformen" nennt), die den Großteil der Menschen, selbst jene die (noch) nicht persönlich davon betroffen sind, in Not und Angst befördern, weil das SGB II - als Ausgeburt dieses "guten Fundaments" -, jedem Arbeitnehmer wie eine Schlinge - als Symbol existenzieller Bedrohung - um den Hals liegt; weil es bedrohlich herüberwinkt, wenn man im Betrieb nicht kuscht und buckelt, mehr arbeitet, weniger Lohn in Kauf nimmt, Urlaubsansprüche verfallen läßt etc., und folglich womöglich, qua Widerspenstigkeit, seinen Arbeitsplatz verliert, um bald die Segnungen dieses "guten Fundamentes" am eigenen Leib verspüren zu dürfen.

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Statt eines Weihnachtsgrußes

Mittwoch, 24. Dezember 2008

Heute vor 29 Jahren starb Rudi Dutschke. Obwohl es sich nicht zur runden Zahl jährt, nicht 30 Jahre her ist, so ist es doch wert, dem Tod dieses Mannes zu gedenken. Vorallem in diesem Jahr, da so viel vom runden Jubiläum gesprochen wurde, da man der antiautoritären Studentenbewegung gedachte, sollte auch dem maßgeblichen und vielleicht wichtigsten Wortführer dieser historischen Tage gedacht werden.

Der Tod Dutschkes wurde bereits damals, bereits 1968 eingeleitet.

Statt eines Weihnachtsgrußes soll an Dutschkes Sterben erinnert werden. Nicht ohne Hintergedanken, nicht ohne Motiv. Einen üblichen Weihnachtsgruß will der Herausgeber dieser Internetpräsenz nicht formulieren, weil er wenig von Kommerz und vom Christentum, noch weniger vom kommerzialisierten Christentum, hält. Aber mit der Erinnerung an Dutschke, nicht unbedingt an jenen Heiligabend von 1979 alleine, als er in seiner Badewanne starb, weil ihn ein epileptischer Anfall ertränkte, sondern vielmehr an diesen arglisten Anschlag vom April 1968, soll all jenen gedacht werden, die nicht devot buckeln, sich der täglichen Einheitsfront einordnen, sich stattdessen zweifelnd und hinterfragend engagieren, die immer wieder das revolutionäre Wörtchen "Nein!" benutzen.

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Liberale Frömmler, frömmelnde Liberale

Dienstag, 23. Dezember 2008

Das ständestaatliche Denken soll nun auch in die Kirchen einziehen. Dies läge in der Natur der Dinge, im Wesen des Kirchentums, könnte man einwenden; war doch die Kirche immer die Institution derer, die Materielles zu verteidigen und die diese Verteidigung als Aufgabe direkt von Gott verstanden hatten; die dafür natürlich Experten benötigten, die das Wort Gottes zertheologisierten, die aus der jesuanischen Lehre von Liebe und Gleichheit, eine Lehre der Diskrepanz und Selektion herausdeuten sollten. Was aber neu ist am aktuellen Gedanken, den Ständestaat unter das Kruzifix zurückzuholen, so offensichtlich zurückzuholen - ganz vertrieben war er ja nie aus den geheiligten Hallen -, ist die Tatsache, dass es sich um einen Mann aus der FDP handelt, einen selbsterklärten Liberalen, der hier verkappt nach dem Staat ruft, der eine staatlich gelenkte Selektion einfordert. Ein Liberaler, der immerhin so liberal ist, gar nicht liberal sein zu wollen!

Da fordert also eine Berliner FDP-Größe, die auch in ihrer Größe nur nichtig klein ist, aber doch ein solch großes Mundwerk besitzt, seine Schnapsidee in die Republik zu werfen, dass Christmessen nur für Kirchensteuerzahler stattfinden sollten. Denn es könne nicht sein, dass Menschen, die das ganze Jahr keine Kirchensteuer bezahlen, an Heiligabend die besten Plätze besetzen. Man kann es auch unverblümter sagen, aber so liberal und freiheitlich ist der Herr Liberale wiederum nicht: Man möchte eben nicht irgendwelches Pack, armes Pack, nicht bezahlen wollendes Pack, schmarotzendes Pack in der Kirche haben, solche Typen eben, die sich ihren Segen von den Kirchensteuern anderer Zeitgenossen parasitär erschleichen. Des Lindners - so heißt der fromme FDP-Geistesriese - ständestaatliche Kirche, ist eine Kirche derer, die besitzen, die haben, die bezahlen, es ist eine Kirche der Habgier, die ihm da vorschwebt. Die Kirche des Marktes eben, in der jener Leistungen erhält, der bezahlt, und solche, die nicht bezahlen können, keine kirchliche Leistung erhalten sollten.

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Sit venia verbo

"Sie scheinen sich nicht viel Gedanken zu machen, die Kinder im Deutschland von heute. Und wirklich: man ist scharf dahinter her, dass sie sich gar keine Gedanken machen, - denn Deutschland ist zum Pulverfaß geworden, und Gedanken können zünden, vor allem wenn sie von der Jugend kommen."
- Erika Mann, "Zehn Millionen Kinder" -

Ernährungsberater

Montag, 22. Dezember 2008

Während die Lafers, Lichters und Schuhbecks sich durch das Fernsehprogramm brutzeln, erklären wie man Garnelen nicht zu trocken und Wachteln schön knusprig brät, sitzen Menschen vor dem Fernsehapparat, die an Garnelen oder Wachteln gar nicht denken dürfen. Sie sind in einem engen Budget gefangen, in dem Krustentiere aus den Weltmeeren keinen Platz finden, können zwar zusehen, wie sie mit dem Produkt umgingen, hätten sie die finanziellen Mittel dazu, aber in die Wirklichkeit umsetzen werden sie ihr angeglotztes Wissen wohl nie. Landauf landab wird gebacken, gebraten, gerührt - jeder TV-Sender hat mindestens ein Sendeformat mit dem Schwerpunkt "Kochen". Mal kochen Starköche, mal blutige Amateure, die mit den Produkten despektierlich umgehen, sie vergewaltigen und misshandeln, aber trotz dieses Umstandes dennoch beste Qualität verwursten dürfen - hochwertige Qualität für alle, selbst für die Küchenidioten, nur für solche nicht, die mittellos sind!

Aber auch denen wird geholfen. Man zeigt ihnen auf, wie sie mit "Tafel"-Produkten und allerlei drittklassiger Ware ihren knapp bemessenen Finanzalltag bändigen können und dennoch nicht hungern müssen. Thilo Sarrazin war da der Vordenker, hat einen Speiseplan entworfen, bei dem es zwar an allerlei mangelte - Getränke berechnete er gar nicht -, der es aber möglichst gut meinte mit den Beziehern von Arbeitslosengeld II. Und die beiden mittellosen Kochgenies, die unlängst bei Jauchs Märchenstunde - Stern TV - auftraten, um ihr neues Hartz IV-Kochbuch anzupreisen, sprangen auf diesen drittklassigen und teilweise menschenverachtenden Zug nur mit auf. All jene erklären, wie man auch mit wenig Geld satt wird - nicht wie man genießt, wie man sich am Essen erfreut, sondern wie man den Bauch füllt, um nicht leiden zu müssen.

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NPD - nie war sie so wertvoll

Samstag, 20. Dezember 2008

In seinem Essay "Hitler als Vorläufer - Auschwitz, der Beginn des 21. Jahrhunderts?" warnt Carl Amery davor, in den falschen Propheten der parolenschwingenden Hohlköpfigkeit die Wiederbelebung des Nationalsozialismus sehen zu wollen. Nicht die Springerstiefel und Glatzen seien jene, die eine nationalsozialistische Renaissance in die Wege leiten werden, sondern die stillen Jünger des neuen Hitlerismus, der neuen Hitlerformel müssen als die Erben des Postkartenmalers und als Wegbereiter eines neuen, vielleicht sogar globalen Darwinismus angesehen werden. Es werden nicht die blassen Glatzen sein, die die drei Kriterien einer neuen Hitlerformel (Geschichte als Naturgeschichte, Feststellung der Ressourcenknappheit und Verantwortung über die Verteilung der Ressourcen) umzusetzen versuchen, sondern andere, unscheinbarere Kreise, die sich heute völlig ideologielos geben und so tun, als leite sie bei ihren Entscheidungen der reine Pragmatismus, und keine vorgefertigten Patentrezepte aus dem ideologischen Taschenbuch.

Es handelt sich dabei um jene politischen Kreise, die voller Besorgnis und Entrüstung um den Polizeidirektor Mannichl herumgeistern und von der Gefahr der NPD reden; um jene Kreise, die den Rassismus und Antisemitismus der Deutschnationalen anmahnen, aber gleichzeitig einen (meist unterschwelligen) Hang zur Naturgeschichtlichkeit der Gesellschaft haben; die die Gewalt der Deutschnationalen verurteilen, aber zeitgleich die Fratze des Rassendarwinismus mit Waffengewalt in die Welt tragen.

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Armut herrscht an jeder Ecke

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Vielen Menschen in diesem Land drohen arme Weihnachten. Das ist an sich nichts Neues, gab es in irgendeiner Weise immer schon, und in verschärfter Variante seit einigen Jahren immer öfter. Aber dass es nun selbst besserverdienende Edelgemüter wie Franz-Josef Wagner erwischt, dies erschüttert uns natürlich bis ins Mark. Er habe sich entschlossen arme Weihnachten zu feiern, verkündet er mit selbstaufopferndem Stolz, und fügt dann hinzu, dass er seiner Tochter lediglich 500 Euro schenken werde - zwar nur, damit diese die Kindertagesstätte bezahlen könne, aber immerhin, es bleiben, wie man es dreht oder wendet, eben nur 500 Euro.

Dieses Bescheidenheitsgehabe des Wohlstandsbürgertums hört man immer wieder. Diesmal würde man nur höchstens 100 Euro pro geliebten Menschen ausgeben, was immer noch zu viel wäre, aber man möchte freilich schenken - es ist doch Weihnachten. Und im Vergleich zu den 150 bis 180 Euro, die man letztes Jahr pro Beschenkten veranschlagt hatte, nimmt sich die diesjährige Pauschale auch bescheiden aus. Oder: Man fahre dieses Jahr nicht mehr so pompös in den Winterurlaub, nurmehr eine Woche Österreich oder Schweiz, länger auf keinen Fall; und danach verkündet man zudem, dass die Knaller- und Feuerchenorgie zum Jahresende auch bescheidener ausfallen müsse - es müßten ja nicht 150 Euro sein, 75 Euro tun es genauso. Auf dergleichen Bescheidenheit trifft man an jeder Ecke, Franz-Josef Wagner ist auch da kein Unikum, sondern - wie in seinem "Handwerk" auch - nur einer aus der Masse, durchschnittlich und alltäglich.

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Nomen non est omen

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Heute: "Lebenslanges Lernen"
"Lebenslanges Lernen –eine Herausforderung in einer Zeit des rapiden technischen, sozialen und demografischen Wandels."
- Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) auf ihrem Onlineportal -

"Damit Talent und Fähigkeiten in der neuen europäischen Wirtschaft zur Geltung gebracht werden können, muss der politische Schwerpunkt auf die zunehmende Investition in Humanressourcen und die höhere Beteiligung am lebenslangen Lernen gelegt werden."
- Anna Diamantopoulou, Mitglied der EU-Kommission für Beschäftigung und Soziales -
Man sollte annehmen, dass es in der Natur eines jeden halbwegs vernunftbegabten Menschen liege, aus seinen persönlichen Eindrücken und Erfahrungen sein Leben lang zu lernen? Warum also, dass von Politik und Wirtschaft so allseits befürwortete Konzept des "Lebenslangen Lernens"?

Es geht Politik und Wirtschaft eben nicht um den selbstbestimmten, sich-selbst-erfahrenden Menschen, sondern um die „Ware Mensch“, genauer: um das Humankapital. Wie ein Computer durch Updates, soll der Mensch so lange wie möglich für Unternehmen verwurst- und verwertbar sein. Dies soll durch zusätzliche Qualifikationen und Weiterbildungen geschehen, die der Steuerzahler am besten natürlich selbst bezahlen sollte. Im Sinne vorauseilendem Gehorsams soll sich die "Ware Mensch" stets frisch halten, um den Bedürfnissen und Ansprüchen gerecht zu werden, welche die Unternehmen fordern. So sagt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ganz unverblümt: "Wir wollen insgesamt das Lernen im Lebenslauf für und mit Unternehmen ausbauen." Eine Online-Zeitschrift droht den Arbeitnehmern sogar: "Für eine lange Beschäftigungsfähigkeit braucht es stetige Weiterbildung." Wer sich also nicht weiterbildet, wird arbeitslos oder ausgegrenzt werden und ist demnach selbst schuld.

Ein wichtiger Aspekt ist die Soll-Funktion bei diesem Konzept und Schlagwort. Jeder Lohnempfänger hat sich weiterzubilden und soll sich den Unternehmen anpassen, sich fügen. In seiner Konsequenz schreibt der Terminus den Menschen geradezu vor, wie sie sich verhalten sollen. Auch wird dieser Begriff zur Legitimation von Arbeitslosigkeit benutzt. Wer arbeitslos ist, habe sich eben nicht darum bemüht "lebenslang zu lernen", so die Argumentation. Eine Verantwortungsumkehrung und ein neoliberales Denken der „Eigenverantwortung“ als Gegensatz zur Solidarität stehen hierbei im Vordergrund. Beim „Lebenslangen Lernen“ hat der Mensch für die Wirtschaft da zu sein und nicht die Wirtschaft für den Menschen.


Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

Ein bürgerlicher Held

Der deutsche Held schlechthin, der größte deutsche Freiheitskämpfer des 20. Jahrhunderts, hat nun seinen Platz in der Welt eingenommen, hatte kürzlich Weltpremiere. Somit wird das Heldenepos, welches die Deutschen ja schon kennen - Orginalton Tom Cruise -, nun auch Millionen anderen zugänglich - Stauffenberg wird zum Weltstar, zur Ikone, sein Konterfei könnte den Verkaufsschlager "Che Guevara-Konterfei" - jenes von Alberto Korda mit den Namen "guerrillero heroico" - den Rang streitig machen. So ähnlich jedenfalls malt es sich die BILD-Zeitung aus, die ja schon vor Monaten enthusiastisch über den Hollywood-Film "Operation Walküre" berichtete und nun der Weltpremiere einen kleinen, dafür aber höchst überschwänglichen Artikel widmet.

Und wahrlich, Stauffenberg taugt zum deutschen Helden wie kein anderer, hat er sich doch schließlich aktiv dem ewigen Dämon, diesem unerklärlichen Monstrum und personifizierten Rückschritt ins Mittelalter entgegengestellt, hat ihn fast getötet und wollte ein neues Deutschland errichten, in dem die Greuel des Dritten Reiches nicht mehr zum Alltag gehören würden. Außerdem hat ihm eine ganze Litanei bürgerlicher Historiker, über allen thronend Joachim Fest, ein Denkmal errichtet, ihm zwar nicht direkt eine Hagiographie gewidmet, doch ein solides Fundament gegossen, auf dem das Heldengebäude wind- und wetterfest errichtet werden konnte. Die tragische Figur des Grafen ist geradezu prädestiniert für das Heldenstück, zeigt es doch auf, mit welchem Glück, mit welcher vom Schicksal vorbestimmten, unerklärlichen Vorsehung, das Scheusal aus Braunau gesegnet war - und zeigt damit auf, wie schwer umsetzbar, wenig erfolgsversprechend, wie unkalkulierbar deutscher Widerstand doch war, rechtfertigt folglich damit das Stillhalten vieler Millionen damaliger Zeitgenossen; der gescheiterte Heros rechtfertigt das Schweigen der Deutschen, ihr Arrangement mit den damals herrschenden Zu- oder besser gesagt Mißständen.

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Oberschichtenfernsehen

Dienstag, 16. Dezember 2008

Das Aushängeschild des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, Thomas Gottschalk, mitsamt seiner Samstagabendsendung, "Wetten, dass...", zeichnet ein treffendes Bild der Gesamtgesellschaft. Freilich gleicht die soziale Kälte, die dieses Stück Oberschichtenfernsehen ergriffen hat, nicht jener aus den Unterschichtenprogrammen, kommt sie doch eloquenter und bürgerlicher daher, aber am Ende geht auch dort die Rechnung auf, möglichst dümmliche Unterhaltung als vermeintliches TV-Spitzenprogramm zu verkaufen. Und nachher überschlagen sich die Vertreter des guten bürgerlichen Geschmackes mit Lob, glauben im antiquierten, oft peinlich anmutenden Sendekonzept, Deutschlands Fernsehmeisterstück zu erkennen.

Soziale Kälte schlich sich schon vor Jahren ins Sendekonzept ein. Dabei gab es einst Zeiten, da wurde via "Wetten, dass..." gewettet, dass nicht einmal jeder dritte Zuschauer eine Mark spenden würde, um notleidenden Menschen in der Sahelzone zu helfen. Karlheinz Böhm initierte 1981 diese Wette, gewann - es kamen nur 1,7 Millionen Mark zusammen - und flog dennoch nach Afrika, was er eigentlich nur tun wollte, wenn er die Wette verloren hätte. Immer wieder traten Prominente auf, die zur Einlösung ihrer Wettschuld soziale Einrichtungen beehrten - da waren dann Schauspieler einen Tag in der Bahnhofsmission tätig oder Politiker in Gefängnissen im Einsatz. Und als in den Achtzigerjahren plötzlich Menschen mit Plakaten das Sendestudio unerlaubt betraten, um gegen einen Mißstand - es ging um die Zerstörung der Donauauen und richtete sich gegen den Wettpaten Fred Sinowatz - zu demonstrieren, und die Sendeleitung diese Menschen sofort rauswerfen lassen wollte, da ging der damalige Moderator Frank Elstner energisch dazwischen, betonte, dass niemand aus seiner Sendung geworfen würde und ließ die Demonstranten sogar kurz zu Wort kommen, damit diese ihre Botschaft verkünden konnten.

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Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?

Montag, 15. Dezember 2008

Was man nicht besitzen, was einem nicht in die Haben-Struktur (Erich Fromm) übergehen kann, erscheint für den modernen Menschen erstrebenswert. Dieses paradoxe Streben nach Dingen, die nicht da sind, die nicht gegeben oder umsetzbar sind, kann sich auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens abspielen - so auch in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Während hierzulande Politiker und Wirtschaftsbarone vom homo oeconomicus schwärmen, der viel und gerne arbeitet, der seinen geschmälerten Urlaubsanspruch fortschrittlich, eine Sechs-Tage-Woche erholsam findet, ringt Japans Politik mit dem dazugehörigen Volk, versucht es dazu zu animieren, weniger zu arbeiten, sich mehr zu erholen, den sowieso spärlichen Urlaubsanspruch auch auszunutzen.

Robert Levine beschreibt in seinem Buch "Eine Landkarte der Zeit", wie verschiedene Kulturen mit der Zeit, aber auch ganz abstrakt mit dem Zeitbegriff, umgehen. So widmet er sich beispielsweise dem brasilianischen Zeitverständnis, das die pünktliche Einhaltung eines Termins, als Seltsamkeit des Pünktlichen abtut, oder unserer hektischen Zeitumsetzung, die wir in der industrialisierten Gesellschaft praktizieren. Zudem schiebt er ein interessantes Kapitel ein, in dem er verdeutlicht, wie es zur Zentralisierung der Uhrzeit kam und in dem beschrieben wird, wie es vormals war, als die Vereinigten Staaten noch aus hunderten Zeitzonen bestand. Und innerhalb dieses Buches widmet er sich eben auch Japan, den - für uns - verdrehten Zuständen und zeigt auf, dass auch in einer Industriegesellschaft, die von Schnelligkeit diktiert wird, andere Szenarien als unseres denkbar scheinen.

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Sit venia verbo

"Die Solidarität der Menschen gründet in der Bewegung der Revolte, und sie findet ihrerseits die Rechtfertigung nur in dieser Komplicenschaft. Wir sind also zu sagen berechtigt, daß jede Revolte, die diese Solidarität leugnet oder zerstört, sofort den Namen Revolte verliert und in Wirklichkeit zusammenfällt mit einer Zustimmung zum Mord."
- Albert Camus, "Der Fall" -

Unscheinbare Worte

Samstag, 13. Dezember 2008

Es gibt Worte, die historisch-ideologisch derart verseucht sind, dass sie eigentlich nicht mehr verwendbar erscheinen. Dabei handelt es sich um ganz banale Worte der deutschen Sprache, nicht um ausgewiesene Spezialtermini, welche in der heutigen Zeit sowieso schon wegen ihrer Überholtheit nicht mehr benutzbar wären. Obwohl „der Führer“ keinerlei Deutung über denjenigen zuläßt, der einst selbst Führer war, wird dieser Begriff heute nicht sehr oft benutzt – und wenn doch, so wird geschmunzelt oder sich entrüstet, wird klargemacht, dass man von „Führern“ nicht mehr sprechen dürfe. Dabei ist es nur eines vieler Worte, welches sich im Deutschen findet. Der „Führer“ ist tabu, aber Müntefering darf seine Partei anführen. Ähnlich verhält es sich mit „dem Juden“, der ja Jude ist, immer war, aber bei dem man sich scheut, es auch so zu sagen – „der Jude“ war in den braunen Vorgängerjahren der Bundesrepublik ein Schimpfwort. Heute spricht man lieber vom „Judentum“ oder vom „Jüdischsein“ eines einzelnen Zeitgenossen – dass er Jude sei, das wird nicht gerne verkündet. Man kann das freilich verstehen, nach Auschwitz schwingt „beim Juden“ einfach zu viel Anklage und Hetze mit – aber es ändert nichts daran, dass es sich hierbei um ein deutsches Wort handelt, welches bar jeder historischen Betrachtung, keinerlei Wert oder Unwert in sich erkennen läßt.

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