In nuce

Dienstag, 20. Mai 2008

"Rudi und Ulrike" heißt das neueste Buch von Jutta Ditfurth. Darin thematisiert sie die freundschaftlichen Bande, die zwischen Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof bestanden und die in der deutschen Öffentlichkeit nahezu unbekannt waren. Selbsternannte Experten und angebliche Freunde Dutschkes, kritisieren Ditfurth nicht nur dafür, dass sie den "gewaltfreien Rudi" mit der RAF-Aktivistin in Verbindung bringt, sondern leugnen diese Freundschaft generell. Gerade der Spiegel tut sich hervor, "Rudi und Ulrike" als Lügenwerk abzutun. Als Kronzeugen stehen zwei fadenscheinige Gestalten am Start: Clemens Kuby und Bernd Rabehl. Der eine - Kuby - Esoteriker und darauf drängend, dieser "Republik einen Dienst" zu tun, indem man das Buch anders betitelt, weil Rudi nicht mit Ulrike in Verbindung gebracht werden darf; der andere - Rabehl - hält Vorträge vor schlagenden Verbindungen und hat einst die sächsische NPD moralisch reingewaschen, sie vom Vorwurf des Faschismus gesäubert, und war zudem nur bis 1966 mit Dutschke befreundet - die Freundschaft zwischen Rudi und Ulrike bestand aber von 1967 bis 1969.
Warum dies ganze Spektakel? Wieso darf diese Freundschaft nicht zugegeben werden? - Jutta Ditfurth vermutet: "Wer in Heiligendamm Widerstand geleistet hat oder anderswo Naziaufmärsche verhindert, soll die APO weiter mit nostalgischem Geschwätz resignierter Veteranen assoziieren und nicht mit dem Kampf gegen Ausbeutung und Erniedrigung. Es geht darum, daß die APO verkitscht und museumstot ist, bevor eine neue junge Linke weiß, was sie aus den Kämpfen der Sechziger lernen kann. Der Funke soll nicht überspringen." - Wenn der "friedfertige Rudi" durch die "terroristische Ulrike" eine Wandlung hin zum auf Aktion erpichten Sozialrevolutionär erfährt; wenn Meinhof durch Dutschke von ihrer Rolle als personifizierte Teufelin erlöst wird und als ernstzunehmende, polarisierende und stilgewandte Journalistin akzeptiert wird, dann modifiziert sich der Ruf der APO - weg von der schrillen Zirkusrevolution, die erfolglos war und der im Keime diese Erfolglosigkeit schon erwuchs, hin zur Aktion gegen Mundtotmacherei, Ausbeutung und Kollektivismus, gegen die Entfremdung des Menschen und seiner Loslösung von sozialen Bindungen zugunsten der produktiven Verwertbarkeit seiner Arbeitskraft.

Lächelnd geht der Mensch zugrunde. Immer lächeln, gleich wie arrogant und überheblich der Kunde ist, egal wie schlecht es einem selbst dabei geht. Der Kunde ist ja immerhin König, vielmehr Ernährer, und daher hat er ein Recht darauf, angestrahlt zu werden, selbst wenn er sich wie eine Sau benimmt. Unternehmen fragen nicht danach, wie es ihren Lohnempfängern geht, denen man das Dauergrinsen abnötigt. Ob Ehesorgen oder krankes Kind, ob Kopfschmerzen oder Dauerdurchfall, ob depressive Phase oder Trauer über die verstorbene Mutter: Es ist einerlei, der Angestellte muß lächeln. Und wenn er es nicht kann, wenn es ihm einfach nicht möglich ist, dann wird der vom Vorgesetzten erzeugte Druck, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, sicher ein kleines Wunder vollbringen: Es ist ja auch zum Lächeln, wenn man Drohungen erhält, die ankündigen, einem die Existenz zu rauben.
Am Lächeln zerbrechen Menschen. Zumindest dann, wenn sie es immer tun sollen, auch dann, wenn sie sich selbst krank, traurig oder einfach nicht zum Lächeln aufgelegt fühlen. "Wer von Berufs wegen ständig lächeln muss, stellt seine eigentlichen Befindlichkeiten hintan und rutscht über die finsteren Stationen Selbstverleugnung, Zwanghaftigkeit und Unterordnung direkt in die Herzinsuffizienz respektive in die Depression."
Die Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit äußert sich in den sonderbarsten Formen. Man sollte als Kunde tun, was möglich ist, um den Dauerlächlern ihr Lächeln zu ersparen; man sollte sie direkt darauf ansprechen und sie wissen lassen, dass die "Serviceleistung Lächeln" gerne unterlassen werden darf. Dauerlächelnde Kreaturen haben doch keine menschlichen Züge und wer wird schon gerne von Robotern bedient, die ein maskenhaftes Äußeres haben?

Eigentlich war ich der Ansicht, dass die moderierende Heulboje Schreinemakers, schon lange beruflich das Zeitliche gesegnet hat. So kann man sich täuschen! Sie hat in ihrem Haus ein Studio eingebaut und betreibt dort "informatives" Fernsehen. Eine Moderatorin, die Krokodilstränchen vergießt, wenn ein Gast sein Leid klagt, die ihre eigenen Steuergeschichten zum Bestandteil ihrer Sendung erhebt, ist eigentlich kein Thema für eine ernstzunehmende Diskussion, ist vielmehr Teil des üblichen TV-Kuriositätenkabinetts. Aber wenn sie beginnt, sich zum Sprachrohr der Versicherungswirtschaft zu machen, dann sollte man das erwähnen und anmahnen. In einer ihrer Heimsendungen wird ungeniert für Privatrente geworben. Da tritt ein selbstgekürter Rentenexperte auf, der einem Auszubildenden ohne Durchblick - er behauptet selbst, keinen Durchblick zu haben - Ratschläge gibt, wie er sich für das Alter rüsten kann. Zudem ein "glücklicher Rentner", der kundtut, dass man sich nicht auf den Staat verlassen darf, sondern Eigeninitiative gefragt ist. Natürlich wird nicht vergessen, von der Vergreisung Deutschlands zu sprechen, und das schön Wort "Demographie" wird mehrmals erwähnt, damit das Spektakel auch einen Anstrich von wissenschaftlicher Verifizierung hat.
Das übliche Szenario eben. Aber wenn selbst eine Durchschnittsjournalistin beginnt, sich in diese Richtung zu engagieren, dann weiß man erst, wie rentabel dies Geschäft sein muß und - das läßt sich nicht leugnen - wie verzweifelt die Privatversicherer sein müssen, wenn sie bei einer nicht zu verstehenden Nasalwortakrobatin auftreten müssen.

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