De dicto
Donnerstag, 29. Mai 2008
"Wie er sich aber gestern im Bundestag verteidigte, das offenbarte miserablen Stil. Er hielt seine Rede, nahm die „Standing Ovations“ seiner Fraktionsgenossen entgegen und verließ den Plenarsaal, flankiert von seinem „Hofstaat“. So ersparte er sich, die peinlichen Details anzuhören, die die anderen Redner über ihn ausbreiteten.Zum Gesagten sei angemerkt: Gysis Abgang kann man betrachten wie man will. Grundsätzlich haben aber nicht die Herrschaften Abgeordneten das Recht, dass ein von ihnen gescholtener Kollege auszuharren hat. Wenn überhaupt, so hat dieses Recht der Wähler. Er kann verlangen, dass derjenige, dem man seine Stimme gegeben hat, dem man an seiner Statt zur Vertretung nach Berlin geschickt hat, auch am Ort des Geschehens verweilt, um jeder Debatte, sei sie noch so nichtig, beizuwohnen. Wahr ist aber auch, dass die Diskussion um Gysis mögliche Stasi-Vergangenheit einer politischen Nichtigkeit gleichkommt. Vor einigen Jahrzehnten hätte man es sich gewünscht, dass die Parlamentarier in dieser Weise speicheltriefend aufgestachelt gegen jene vorgegangen wären, die im Dritten Reich einen mehr oder minder einflußreichen Posten innehatten. Seinerzeit aber wählte man diese Herren zu Bundeskanzlern oder Bundespräsidenten.
Die Botschaft von Gysis Auszug war klar: Was ihr über mich redet, interessiert mich nicht, wie ihr über mich urteilt, ist mir egal. Kurz: Ihr seid mir nicht wichtig genug, als dass ich euch auch nur eine Minute zuhöre."
- BILD-Zeitung, Hugo Müller-Vogg am 28. Mai 2008 -
Müller-Vogg appelliert an das moralische Gewissen. Nicht Gysis Gewissen, sondern an jenes, dass im Volk gärt und nun mit erhobenen Zeigefinger gegen die "Gefahr von Links" aufbegehren soll. Ein Volksaufstand ist unentschuldbar, kein demokratischer Weg - da sind sich unsere Eliten einig. Aber wenn dieser Aufstand gegen die LINKE in die Wege geleitet würde, dürfte man ein Auge zudrücken. So zumindest könnte man die regelmäßige Hetzpropaganda aus dem Hause Springer erklären. Man blättere einmal durch, was die Herrschaften Journalisten da zur LINKEN schrieben. Ernsthaft auseinandergesetzt hat man sich mit ihnen sicher nicht. Dies alles ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die Positionen der LINKEN sozialdemokratisch gefärbt und damit im Kern pro-kapitalistisch anmuten. Müller-Vogg ist froh, dass die Linien bei BILD so klar gezogen sind, Freund und Feind so spielend erkennbar gemacht werden, denn dann kann er ganz frei in seinem Element werkeln: in der Aufwiegelung! Vor einiger Zeit waren es Erwerbslose, dann Jugendliche und nun eben die LINKE und namentlich Gysi. Morgen wieder Lafontaine und dann - wie im obigen "Artikel" geschrieben - die unsouveräne Petra Pau, die als Bundestagspräsidentin voreingenommen ist, weil sie Mitglied der LINKEN ist. Als ob die anderen Bundestagspräsidenten politisch rein seien...
Interessant ist auch die Auffassung der Parlamentarier, die sich nun darüber aufregen, dass Gysi ihnen den Rücken zugekehrt hat. Wenn aber in manchen Bundestagsdebatten die Reihen so licht sind, dass die verbliebenen Delegierten wie verirrte Berlin-Besucher bei einer Rast aussehen, fühlt man sich nicht dazu animiert, dagegen kritisch aufzubegehren. Dann geht es auch nur um die Wählerschaft, die man einmal mehr wort- und körperlos "vertritt". Wie oft haben diejenigen, die nun den großen Moralisten heraushängen lassen, den Wählern schon den Rücken gezeigt?
Das alles ändert nichts daran, dass die Menschen dieses Landes ein Anrecht haben, von Gysis Vergangenheit zu erfahren. Ob ein moralisches Urteil erlaubt ist, steht auf einem anderen Blatt. Wir sind alle vom Sein beeinflußt, unser Bewußtsein richtet sich danach. Das galt seinerzeit auch für Kiesinger und Lübke. Man hätte sich damals nur mehr Mut zur Einsicht und ein offenes und klärendes Gespräch gewünscht. Aber selbst das war zuviel. Die "Gespräche" von heute sind aber weder offen noch klärend, sondern für Gysi und viele Linke - nicht nur aus der Partei gleichen Namens - ehrabschneidend und beleidigend.
Und eine letzte Frage sei erlaubt: Wo war die aufgescheuchte Aufregung, als man Helmut Kohls Stasi-Akten nicht veröffentlichen wollte? Wo war sie, als er den Rechtsstaat verspottete und vor Gericht eine Aussage verweigerte, die unsereinem Beugehaft beschert hätte? Die BILD kann das freilich nicht beantworten. Kohls Trauzeuge Diekmann würde das nicht zulassen.
3 Kommentare:
Hugo Müller-Vogg muss die Linke niedermachen, dafür wird er schließlich bezahlt. Was Hugo Müller-Vogg als Wirtschaftspropaganda bei der INSM-Bude IW Köln gelernt hat, funktioniert auch politisch prima.
Im Parteibuch Wiki findet sich zu Hugo Müller-Vogg folgendes:
"Zu den hochstehenden Persönlichkeiten, für die Hugo Müller-Vogg Lobhudeleien verbreitet hat, gehören unter anderem die ehemalige FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda Angela Merkel, der Kapitalismusfetischist Horst Köhler, der brutalstmögliche Lügner Roland Koch, Schwiegermamas Ex-Liebling Christian Wulff, Lohndrücker Hartmut Mehdorn und der milliardenschwere Chef der Strukkibude DVAG, Reinfried Pohl."
Es ist ein Treppenwitz, wenn ausgerechnet Hugo Müller-Vogg auf Moralapostel macht. Schwer zu glauben, dass dieser schwarze Propagandist sich selbst überhaupt noch im Spiegel anschauen kann.
das ganze erinnert mich stark an die agitation gegen joschka fischer und seine apo-vergangenheit. ob gysi für die stasi gearbeitet hat oder nicht, sollte vor gericht u mit eindeutigen beweisen geklärt werden. was jetzt passiert, ist der versuch den politischen gegner auf übelste weise zu diffamieren.
gysis komplette stellungnahme findet man hier: http://de.youtube.com/watch?v=2m7vTMbX9MQ
Wer von den moralinen Saubermännern interessiert sich denn schon wirklich für Gregor Gysis vermeintliche Stasi-Vergangenheit und wer von diesen Herrschaften ist denn schon um ernsthafte Aufklärung bemüht? Das sind sie bei ihresgleichen doch auch nicht.
Es geht einzig und allein darum, die wiedererstarkte politische Linke in Deutschland kleinzuhalten und wenn möglich gleich mundtot zu machen. Demokratie ja, aber bitte nur für die treuen Gefolgsleute der kapitalistischen Meute.
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