In nuce
Freitag, 9. Mai 2008
Die Mittel seine Leserschaft auf Linie zu bringen sind mannigfaltig. Besonders raffiniert treibt es Online Focus, indem man die Leser - und jene, die sich danach auch schreibend innerhalb des Focus betätigen; kurz die Community also - selbst zu Einpeitscher der neoliberalen Weltsicht macht. Die Redaktion prüft alle Kommentare des laufenden Tages und reiht Tag für Tag die für sie beste Aussage in einer Galerie auf - diese nennt sich schlicht "Kommentar des Tages". Nun ist daran zunächst kaum Kritik anzubringen, ist es doch ein feiner Zug der Focus-Redaktion, die Aussagen der Community derart ernstzunehmen, dass man dafür jede Aussage prüft, um ihr eventuell die Ehre des Tagessieges zukommen zu lassen. Doch es ergibt sich ein fader Beigeschmack, wenn man mitliest, welcher Art diese Aussagen zumeist sind. Hier eine kleine Auswahl aus dem aktuellen, freilich noch kurzen Monat: "Jeder Mensch macht Fehler, nur ein Narr und Frau Ypsilanti leben damit weiter. Oder besser gesagt, diese Gattung Mensch rennt mit dem gleichen Kopf immer wieder gegen das gleiche Hindernis." Oder: „Die LIDL-Kunden folgen dem Gebot der Vernunft. Denn Boykott würde Absatzrückgang zur Folge haben und das heißt Entlassungen. Und wer will denn schon die guten Zahlen aus Nürnberg wieder gefährden." Oder: „Eine Diätenerhöhung für Abgeordnete ist in Ordnung, wenn gleichzeitig manche Vorteile bei der Altersvorsorge gestrichen werden." Oder: "Wir brauchen jedoch mehr kompetente Fachleute, vor allem für wirtschaftliche und steuerrechtliche Belange und die stehen in der Tat nicht für das Geld morgens auf, wenn sie in der freien Wirtschaft das 3fache verdienen können.“ Oder: „Über eine Diätenerhöhung für Bundestagsabgeordnete kann man durchaus nachdenken. [...] Aber: dieses Prinzip darf nicht nur für Abgeordnete im Bundestag gelten, sondern muss in gleichem Maßen für den Steuerzahler und normalen Arbeitnehmer gelten. Jeder muss das bekommen, was er sich verdient.“
Der übliche Schwachsinn, mit dem man Reformen anmahnt oder dreiste Entscheidungen aus Politik und Wirtschaft rechtfertigen will. Da wird die "ewige Ypsilanti" durchs politische Dorf gejagt und auch noch dazugehörige Kommentare des Hohns geadelt; da wird eine kritische Kundenhaltung als Irrsinn dargestellt, gleichzeitig die Zahlen aus Nürnberg zur baren Münze erklärt; indirekt spricht man sich für Privatrente aus, die weiter salonfähig würde, wenn Bundestagsabgeordnete riesterten; gibt sich kritisch, weil Bundestagsabgeordnete zuwenig verdienen, nicht etwa diverse Herrschaften der freien Wirtschaft zuviel; und ergreift ungeniert Partei für den sogenannten Intensivlohn, weil ja jeder das bekommen soll, was er sich verdient. Kurzum: Kritische Stimmen am Zeitgeist, offene Opposition zum gesellschaftlichen Kurs, finden im "Kommentar des Tages" des Focus sicher keinen Niederschlag. So zähmt sich die Focus-Community selbst, wählt sich die eigene "Kameradenpolizei".
Eigentlich müßte man sich die Frage stellen, aus welchem Land die BILD-Zeitung stammt, wo sie ihren Sitz hat, von woher sie berichtet. Aus der Bundesrepublik kann das jedenfalls nicht sein, denn ständig spricht man wie im Fieberwahn von einer "linken Politik" und einer möglichen "Linksregierung, die verhindert werden muß". BILD-Kommentator Rolf Kleine äußert sich mit kurzen, einprägsamen Sätzen zum SPD-Vorsitzenden Kurt Beck: "Egal, was der Vorsitzende anpackt – die SPD liegt in Umfragen wie Blei unter 30 Prozent. Egal ob Beck das Steuer ruckartig nach links reißt – oder eine Steuerreform ankündigt, ohne vorher wenigstens seinem Finanzminister im Kabinett Bescheid zu sagen." - Ruckartig nach links? Links? Nein, die BILD-Zeitung kann nicht aus diesem Lande sein und sie kann auch nicht die hiesige SPD meinen. Komisch eigentlich, dass irgendwo im Ausland, dort wo die BILD thront und woher sie berichtet, der Vorsitzende der Sozialdemokraten auch Kurt Beck heißt - genauso wie in der Bundesrepublik, in der es allerdings seit Jahrzehnten keine linke Politik der Sozialdemokratie mehr gibt. Im Gegensatz zur "BILD-SPD" ist die hier anwesende SPD auch keine Partei im eigentlichen Sinne mehr, sondern ein verwesender Wirtschaftsverein, ein Zwitterding zwischen parteipolitischer Willensbildung der Bürger und Lobbyistenspelunke.
Dort wo die BILD-Zeitung zuhause ist, dort muß noch Honig und Milch fließen, denn dort gibt es noch eine linke Sozialdemokratie. Marsch, marsch ins Springer-Utopia!
Manchmal muß man eben das Gesetz umgehen, um Mißstände ans Licht zu bringen, die man mit Gesetzeskonformität nicht aus dem Dunkeln hervorholen kann. Freilich hat sich Günter Wallraff unter falschen Tatsachen bei einem Lidl-Lieferanten eingeschleust - vielleicht erfüllt dies sogar den Tatbestand des Hausfriedensbruchs, der eine Anzeige rechtfertigen würde. Aber das macht die frustrierenden Arbeitsbedingungen in diesem "ehrenwerten Hause" nicht besser. "Nach einem einmonatigen Undercover-Einsatz hatte Wallraff in einer Reportage für "Die Zeit" schwere Vorwürfe gegen den Lieferanten des Discounters Lidl erhoben. Die Arbeitsbedingungen seien menschenverachtend, gravierende Sicherheitsmängel sorgten immer wieder für Verbrennungen und andere Verletzungen, sagte der 65-jährige Enthüllungsautor am Mittwoch in Köln." - Da fühlt sich wohl jemand derart ertappt und bloßgestellt, dass er wie wild um sich schlägt, mit Anzeigen um sich wirft, damit sein Versagen mit der angeblichen Kriminalität des Enthüllers kaschiert wird.
Der übliche Schwachsinn, mit dem man Reformen anmahnt oder dreiste Entscheidungen aus Politik und Wirtschaft rechtfertigen will. Da wird die "ewige Ypsilanti" durchs politische Dorf gejagt und auch noch dazugehörige Kommentare des Hohns geadelt; da wird eine kritische Kundenhaltung als Irrsinn dargestellt, gleichzeitig die Zahlen aus Nürnberg zur baren Münze erklärt; indirekt spricht man sich für Privatrente aus, die weiter salonfähig würde, wenn Bundestagsabgeordnete riesterten; gibt sich kritisch, weil Bundestagsabgeordnete zuwenig verdienen, nicht etwa diverse Herrschaften der freien Wirtschaft zuviel; und ergreift ungeniert Partei für den sogenannten Intensivlohn, weil ja jeder das bekommen soll, was er sich verdient. Kurzum: Kritische Stimmen am Zeitgeist, offene Opposition zum gesellschaftlichen Kurs, finden im "Kommentar des Tages" des Focus sicher keinen Niederschlag. So zähmt sich die Focus-Community selbst, wählt sich die eigene "Kameradenpolizei".
Eigentlich müßte man sich die Frage stellen, aus welchem Land die BILD-Zeitung stammt, wo sie ihren Sitz hat, von woher sie berichtet. Aus der Bundesrepublik kann das jedenfalls nicht sein, denn ständig spricht man wie im Fieberwahn von einer "linken Politik" und einer möglichen "Linksregierung, die verhindert werden muß". BILD-Kommentator Rolf Kleine äußert sich mit kurzen, einprägsamen Sätzen zum SPD-Vorsitzenden Kurt Beck: "Egal, was der Vorsitzende anpackt – die SPD liegt in Umfragen wie Blei unter 30 Prozent. Egal ob Beck das Steuer ruckartig nach links reißt – oder eine Steuerreform ankündigt, ohne vorher wenigstens seinem Finanzminister im Kabinett Bescheid zu sagen." - Ruckartig nach links? Links? Nein, die BILD-Zeitung kann nicht aus diesem Lande sein und sie kann auch nicht die hiesige SPD meinen. Komisch eigentlich, dass irgendwo im Ausland, dort wo die BILD thront und woher sie berichtet, der Vorsitzende der Sozialdemokraten auch Kurt Beck heißt - genauso wie in der Bundesrepublik, in der es allerdings seit Jahrzehnten keine linke Politik der Sozialdemokratie mehr gibt. Im Gegensatz zur "BILD-SPD" ist die hier anwesende SPD auch keine Partei im eigentlichen Sinne mehr, sondern ein verwesender Wirtschaftsverein, ein Zwitterding zwischen parteipolitischer Willensbildung der Bürger und Lobbyistenspelunke.
Dort wo die BILD-Zeitung zuhause ist, dort muß noch Honig und Milch fließen, denn dort gibt es noch eine linke Sozialdemokratie. Marsch, marsch ins Springer-Utopia!
Manchmal muß man eben das Gesetz umgehen, um Mißstände ans Licht zu bringen, die man mit Gesetzeskonformität nicht aus dem Dunkeln hervorholen kann. Freilich hat sich Günter Wallraff unter falschen Tatsachen bei einem Lidl-Lieferanten eingeschleust - vielleicht erfüllt dies sogar den Tatbestand des Hausfriedensbruchs, der eine Anzeige rechtfertigen würde. Aber das macht die frustrierenden Arbeitsbedingungen in diesem "ehrenwerten Hause" nicht besser. "Nach einem einmonatigen Undercover-Einsatz hatte Wallraff in einer Reportage für "Die Zeit" schwere Vorwürfe gegen den Lieferanten des Discounters Lidl erhoben. Die Arbeitsbedingungen seien menschenverachtend, gravierende Sicherheitsmängel sorgten immer wieder für Verbrennungen und andere Verletzungen, sagte der 65-jährige Enthüllungsautor am Mittwoch in Köln." - Da fühlt sich wohl jemand derart ertappt und bloßgestellt, dass er wie wild um sich schlägt, mit Anzeigen um sich wirft, damit sein Versagen mit der angeblichen Kriminalität des Enthüllers kaschiert wird.