Es wird wieder gegüllnert!
Dienstag, 30. Dezember 2008
Sprachen neigen dazu, bestimmte Verfahren, die man an einer Person oder einer Örtlichkeit festmacht, mit bestimmten Verben auszustatten. So wurde aus der Belagerung und späteren Ermordung halb Magdeburgs (1631), ein neues Wort ersonnen, welches in sich alles beinhalten sollte, was an Grausamkeiten und Leid jene Stadt ertragen mußte. "Magdeburgisieren" - (Damals war die französisch geprägte Endung "-isieren" im Deutschen höchst modern.) - sollte fortan gebräuchlich werden und wer dieses Wort vernahm, der wußte was der Aussprechende damit meinte. Technische Verfahren nahmen ebenso den Namen des Erfinders oder geistigen Vorvaters auf, wie beispielsweise das "Galvanisieren", welches sich vom Nachnamen des Artzes Luigi Galvani ableitete. Die Schweden wenden eine solche Namengebung an, wenn ein Journalist sich in einen Betrieb oder eine Organisation inkognito einschleust, dort schauspielerische Qualitäten an den Tag legt, nur um das Erlebte danach aufzuschreiben - "wallraffen" nennt man diesen Vorgang, in Anlehnung an Günter Wallraff, dem eine solche Ehre in seinem Heimatland bis dato noch nicht widerfahren ist.
Ein neues Verfahren, das freilich so neu nicht ist, schon seit Jahren praktiziert wird, aber in dieser Art und Weise vielleicht nie so ungeniert betrieben wurde, ist folgendes: Als Meinungserfasser bezieht man klare Stellung im öffentlichen Diskurs, urteilt über die meinungstechnisch zu beurteilenden Kandidaten diverser Parteien, mischt sich ein in deren Kandidatenernennungen, gibt den Parteien Hinweise und Winke, wie sie erfolgreicher eine Wahl gewinnen können, wird - um es kurz zu sagen - vom Meinungserfasser zum Meinungsmacher. Dieses Verfahren, welches höchst neutral wirken soll, aber in Wahrheit natürlich parteiisch ist, nennt sich "Güllnern" - und es wird gegüllnert seit Jahr und Tag, manchmal versteckt hinter dem angeblichen Meinungsbild der Bevölkerung, oft aber ganz direkt und unverblümt, wenn der Namensgeber selbst ins Geschehen eingreift und immer dreister seine Güllnerungen in den Ring des politischen Nonsenskonsens wirft.
Einen dieser unverblümten Fälle ließ der Namensgeber Manfred Güllner, Gründer und Geschäftsführer des Forsa-Institutes, kürzlich durch den Blätterwald güllnern. Der Spitzenkandidat der SPD, der in der Landtagswahl 2010 in Schleswig-Holstein antreten soll, sei ein "Kotzbrocken" und sollte daher ausgewechselt werden. Das mag auch sein, vielleicht ist Ralf Stegner - so der Name des Spitzenkandidaten - wirklich ein Kotzbrocken - aber ob das alleine ausreicht, um einen Meinungserfasser derart zum Meinungsmacher zu erheben? Immerhin, das darf nicht unberücksichtigt bleiben, spricht sich Stegner gegen die Kontroll- und Erfassungspolitik Schäubles aus, nebenher plädiert er für die Freiheit der sozialdemokratischen Landesfraktionen, ein Bündnis mit der LINKEN eingehen zu dürfen, wann immer es aus machtpolitischen Gründen sinnvoll erscheint. Und genau dort liegt vermutlich der Hund begraben, denn der Schröderianer Güllner, ausgewiesener Agenda-Freund und damit Anhänger konservativer Sozial- und Wirtschaftspolitik, kann in Stegner, einem liberaleren Exemplar der deutschen Sozialdemokratie - was ihn sicherlich noch nicht zum Linken macht -, keinen verwandten Charakter erkennen, schon gar nicht eine Persönlichkeit, die die SPD in Zukunft prägen sollte.
Güllner hat schon oft durch die Lande gegüllnert. Doch derart offensichtlich und plump, war es schon lange nicht mehr - wenn es überhaupt jemals derart primitiv vonstatten ging. Jemanden, der auch nur den Hauch linker Ambitionen verströmt, quer durch die Gosse als "Kotzbrocken" zu bezeichnen und sich dann auch noch auf die angebliche Meinung der Bevölkerung zu stützen, damit diese fadenscheinige These auch eine Grundlage hat, darf getrost als Verfahren betrachtet werden, welches in dieser platten Dreistigkeit noch nicht gegeben war. Der ungeliebte Kandidat ist ein also Kotzbrocken - so einfach geht Meinungserfassung heute! Womöglich sieht sich Güllner nur als Retter der Sozialdemokratie, weil er eine zweite "Affäre Ypsilanti" verhindert wissen will - er tut es folglich nur aus Parteivernunft. Und natürlich um des schröderianischen Erbes willen! Für solche hehren Motive ist das Güllnern natürlich legitim...
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Ein neues Verfahren, das freilich so neu nicht ist, schon seit Jahren praktiziert wird, aber in dieser Art und Weise vielleicht nie so ungeniert betrieben wurde, ist folgendes: Als Meinungserfasser bezieht man klare Stellung im öffentlichen Diskurs, urteilt über die meinungstechnisch zu beurteilenden Kandidaten diverser Parteien, mischt sich ein in deren Kandidatenernennungen, gibt den Parteien Hinweise und Winke, wie sie erfolgreicher eine Wahl gewinnen können, wird - um es kurz zu sagen - vom Meinungserfasser zum Meinungsmacher. Dieses Verfahren, welches höchst neutral wirken soll, aber in Wahrheit natürlich parteiisch ist, nennt sich "Güllnern" - und es wird gegüllnert seit Jahr und Tag, manchmal versteckt hinter dem angeblichen Meinungsbild der Bevölkerung, oft aber ganz direkt und unverblümt, wenn der Namensgeber selbst ins Geschehen eingreift und immer dreister seine Güllnerungen in den Ring des politischen Nonsenskonsens wirft.
Einen dieser unverblümten Fälle ließ der Namensgeber Manfred Güllner, Gründer und Geschäftsführer des Forsa-Institutes, kürzlich durch den Blätterwald güllnern. Der Spitzenkandidat der SPD, der in der Landtagswahl 2010 in Schleswig-Holstein antreten soll, sei ein "Kotzbrocken" und sollte daher ausgewechselt werden. Das mag auch sein, vielleicht ist Ralf Stegner - so der Name des Spitzenkandidaten - wirklich ein Kotzbrocken - aber ob das alleine ausreicht, um einen Meinungserfasser derart zum Meinungsmacher zu erheben? Immerhin, das darf nicht unberücksichtigt bleiben, spricht sich Stegner gegen die Kontroll- und Erfassungspolitik Schäubles aus, nebenher plädiert er für die Freiheit der sozialdemokratischen Landesfraktionen, ein Bündnis mit der LINKEN eingehen zu dürfen, wann immer es aus machtpolitischen Gründen sinnvoll erscheint. Und genau dort liegt vermutlich der Hund begraben, denn der Schröderianer Güllner, ausgewiesener Agenda-Freund und damit Anhänger konservativer Sozial- und Wirtschaftspolitik, kann in Stegner, einem liberaleren Exemplar der deutschen Sozialdemokratie - was ihn sicherlich noch nicht zum Linken macht -, keinen verwandten Charakter erkennen, schon gar nicht eine Persönlichkeit, die die SPD in Zukunft prägen sollte.
Güllner hat schon oft durch die Lande gegüllnert. Doch derart offensichtlich und plump, war es schon lange nicht mehr - wenn es überhaupt jemals derart primitiv vonstatten ging. Jemanden, der auch nur den Hauch linker Ambitionen verströmt, quer durch die Gosse als "Kotzbrocken" zu bezeichnen und sich dann auch noch auf die angebliche Meinung der Bevölkerung zu stützen, damit diese fadenscheinige These auch eine Grundlage hat, darf getrost als Verfahren betrachtet werden, welches in dieser platten Dreistigkeit noch nicht gegeben war. Der ungeliebte Kandidat ist ein also Kotzbrocken - so einfach geht Meinungserfassung heute! Womöglich sieht sich Güllner nur als Retter der Sozialdemokratie, weil er eine zweite "Affäre Ypsilanti" verhindert wissen will - er tut es folglich nur aus Parteivernunft. Und natürlich um des schröderianischen Erbes willen! Für solche hehren Motive ist das Güllnern natürlich legitim...