Heute vor 29 Jahren starb Rudi Dutschke. Obwohl es sich nicht zur runden Zahl jährt, nicht 30 Jahre her ist, so ist es doch wert, dem Tod dieses Mannes zu gedenken. Vorallem in diesem Jahr, da so viel vom runden Jubiläum gesprochen wurde, da man der antiautoritären Studentenbewegung gedachte, sollte auch dem maßgeblichen und vielleicht wichtigsten Wortführer dieser historischen Tage gedacht werden.
Der Tod Dutschkes wurde bereits damals, bereits 1968 eingeleitet.
Statt eines Weihnachtsgrußes soll an Dutschkes Sterben erinnert werden. Nicht ohne Hintergedanken, nicht ohne Motiv. Einen üblichen Weihnachtsgruß will der Herausgeber dieser Internetpräsenz nicht formulieren, weil er wenig von Kommerz und vom Christentum, noch weniger vom kommerzialisierten Christentum, hält. Aber mit der Erinnerung an Dutschke, nicht unbedingt an jenen Heiligabend von 1979 alleine, als er in seiner Badewanne starb, weil ihn ein epileptischer Anfall ertränkte, sondern vielmehr an diesen arglisten Anschlag vom April 1968, soll all jenen gedacht werden, die nicht devot buckeln, sich der täglichen Einheitsfront einordnen, sich stattdessen zweifelnd und hinterfragend engagieren, die immer wieder das revolutionäre Wörtchen "Nein!" benutzen.
Dafür wurde Dutschke angeschossen, nicht von den Empfängern dieser "Neins!", nicht von der Hand der Bürgerlichen selbst, die sich über den "roten Rudi" mokierten, sondern durch deren Aufwiegelungskunst, durch ihr geschicktes Verdrehen und Erfinden, somit von der Hand eines Nutzidioten, der mit dem Bürgerlichen keine Duzfreundschaft aufweisen konnte, weil sie ihn niemals als einen der ihrigen anerkannt hätten. Es war ein Verlierer, herangezüchtet von bürgerlicher Propaganda, der zur Tat schreiten mußte, um den Dreck zu erledigen, den das Bürgertum selbst nur herbeisehnte und -flehte.
Wenn wir heute daran denken, dass Dutschke vor 29 Jahren sterben mußte, weil ihm die Kugeln des Josef Bachmann seine Gesundheit raubten, weil sie ihn zum Epileptiker machten, dann gedenken wir eines Mannes, der nicht eingeknickt ist, der standhaft blieb, der dem damaligen Zeitgeist mit ganzer physischer Kraft entgegentrat. Wir denken an ihn und denken an uns, die wir täglich, jedenfalls mehrmals die Woche, gegen den Wahnsinn, den wir Alltag nennen, anschreiben und anrennen. Wir sind freilich keine Dutschkes, dazu fehlt es uns an Charisma, an theoretischem Wissen, wahrscheinlich auch an Platzhirschmentalität - aber wir tun das uns Mögliche, tun was wir können, was wir meinen zu können und versuchen in allem standhaft zu sein.
Wir sind, das wurde bereits geschrieben, keine Dutschkes, haben nicht seine Öffentlichkeit, können uns (noch - wir hoffen ja auf bessere Tage!) nicht derart an Massen wenden, wie es ihm möglich war und wie es ihm vielleicht heute, wäre er noch am Leben, wäre er heute nicht 68 Jahre alt sondern jünger, auch nicht mehr gegeben wäre. Aber wir stehen dem Zeitgeist ebenfalls feindlich entgegen, lehnen uns auf, meist nutzlos, selten mit Erfolg - wir sprechen Menschen an, haben Leser, bringen wenige davon zum Nachdenken, Überdenken, Umdenken; und wir werden dafür angefeindet - mal ganz offen, mal hinterlistig und mit verschlagenen Methoden. Man wird, so darf man hoffen, nicht auf uns schießen, aber man stellt uns als Unverbesserliche hin, als ewiggestrige Sozialromantiker, Sozialisten oder Kommunisten, Linksradikale sind wir, Anhänger der RAF, potenzielle Kriminelle, Wirrköpfe, Verbrecher - was mußte sich jeder von uns, die wir gegen den Irrsinn unserer Zeit angehen, schon anhören? Und sei es nur das Kopfschütteln uns nahestehender Menschen ist, die uns für weltfremde Tagträumer und Spinner halten, weil wir uns nicht einfach einreihen und mit quietschenden Stiefeln mitmarschieren!
An Weihnachten, wenn mal wieder ein "frohes Fest" gewünscht wird, gedenkt man gelegentlich, sofern man sentimental gestimmt ist, an jene, denen es noch schlechter geht als einen selbst. Hier soll kein Weihnachtsgruß stehen, aus oben genannten Gründen - aber vielleicht sollte hier denen gedacht werden, die täglich in Opposition ringen, die sich nicht verbiegen lassen und alleine deshalb, selbst hier im angeblich freien Teil der Welt, auf Ablehnung stoßen oder mit Repressionen zu kämpfen haben. Und damit soll natürlich daran erinnert werden, das in anderen Teilen unserer Erde, Menschen für ihre freie Meinung, für ihre Individualität und für ihren Mut, sich nicht verbiegen zu lassen, inhaftiert oder gar getötet werden. Für all das steht im Jahre 2008, 40 Jahre nach dem ominösen Jahr der Revolte, der bereits 1968 erzwungene Tod des Rudi Dutschke. Diese Badewanne im dänischen Arhus, der tragische Tod an einem Weihnachtsfest, steht als Symbol all jener in der Geschichte, die nicht mitmarschierten, sondern dagegen aufbegehrten.
Heute vor 29 Jahren starb ein Mann, der elf Jahre zuvor für seine oppositionelle Arbeit angeschossen wurde; heute vor 29 Jahren starb einer, der uns linken Schreibern, egal wie wir es drehen oder wenden, egal wie kritisch wir Dutschke betrachten, näher stand, als es uns lieb sein kann. Wir leben, so wie er seinerzeit, in ständiger Gefahr, kriminalisiert zu werden...
Kein Weihnachtsgruß also. Keine Empfehlung, man möge die nun folgenden Tage besinnlich erleben? Aber bedarf es dazu eines Weihnachtsfestes? Der Schreiber dieser Zeilen weiß, wie notwendig, wohltuend und existenziell wichtig ruhige und besinnliche Tage sind - sie sollten öfter stattfinden, nicht nur zum Jahresende. Es ist zu wenig, besinnliche Tage nur an Weihnachten wünschen zu wollen. Wir bräuchten solche Tage monatlich - mindestens.
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