Oh Freunde, oh Helfer!

Montag, 27. Juni 2016

Schlecht bezahlte Piloten, die bei ihrer Arbeit darüber grübeln, wie sie die Miete für ihre Wohnung aufbringen können, waren schon vor Jahren eine große Sorge von Michael Moore. Er fühle sich sehr unwohl, weil er nämlich wisse, dass Piloten in den Vereinigten Staaten heute relativ schlecht verdienen, er aber trotzdem auf das Fliegen angewiesen sei. Ähnliches dachte ich, als ich hörte, dass jetzt Hilfspolizisten auf dem Plan stehen, die für denselben Bruttolohn machen sollten, was richtige Polizisten für Nettogehalt tun. Die Frustration ist ohnehin groß in diesem Land, die Menschen knapsen so dahin. Wenn man einen Frustrierten jetzt auch noch so einen Job nach dreimonatiger Ausbildung zuteilt, dann geht es mir wie Michael Moore. Und die Typen sollen auch noch bewaffnet werden. Die ersten dieser Art kommen überdies aus dem Bundesland, in dem die AfD immerhin zehn und die NPD fast fünf Prozent erlangen konnte.

Die Reißleine bitte, bevor das hier in antisächsische Polemik abgleitet. Doch dass ausgerechnet in Sachsen, mit diesen oben genannten Zahlen, das Modell der Hilfspolizei Schule macht, kann nur als Symbol stehen. Als Symbol, der zunächst eine Frage vorangestellt werden muss: Wer wird denn einen Job machen wollen, bei dem er nur als schlecht bezahlter Hilfstrottel für die richtige Polizei herhalten, bei dem er zudem weniger Respekt genießen wird und dennoch gelegentlich Kopf und seine Würde hinhalten muss? Werden da Männerträume wahr? Wohl eher nicht. Wenn aber so einer, der von seinem Naturell her ein Kontrolletti und Blockwart ist, momentan nicht unbedingt an einer Traumstelle sein Geld verdient oder arbeitslos ist, dann ist er der Mann der Stunde. Wenn er in Zeiten allgemeiner Frustration - eine Befindlichkeit, die in der nie geschriebenen Präambel der Agenda 2010 als oberstes Gebot steht - frisch ans neue Werk geht, dann ist das eine bedenkliche Entwicklung. Explizit, wenn er nur unzureichende Ausbildung und ebensolche Bezahlung erhält.

Ich möchte so einen gefrusteten Hilfssheriff nicht begegnen, wenn ihm am Vorabend mal wieder ein Licht aufging, dass er sich hier zum kostengünstigen Büttel macht, der die verkorkste Sozial- und Arbeitsmarktpolitik mit dem Hinhalten seines Schädels exekutieren soll. Einer verkorkste Politik übrigens, der er vielleicht kurz zuvor selbst noch unterworfen wurde. So ein Typ, der sich über Jahre eine relativ niedrige Frustrationstoleranz angeeignet hat, in einem Land, in dem es zum Standard wurde, sich redlich frustriert zu fühlen. Nicht etwa, weil man sich den Luxus leisten konnte, auf hohem Niveau frustriert zu sein. Diese Leute gibt es auch, keine Frage. Aber Hilfsbüttel werden sie wohl kaum werden. Sie haben sich in den Frust verabschiedet, weil ihr Leben am unteren Ende der neoliberalen Nahrungskette keine andere Möglichkeit ließ. Und wenn er dann abends den Trichter kriegt, dass es genau so ist und morgen stehe ich dem im Weg ...

Vielleicht ist es eine romantische Vorstellung, aber ich möchte, ganz wie Michael Moore mit den Piloten, dass bestimmte Berufsgruppen so bezahlt werden, dass sie keine Sorgen haben und sich als Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung wähnen müssen. Wenn einer einen Vogel hochzieht, der sich innerlich wie ein Looser fühlt, dann ist das tatsächlich eine ungute Situation. Er wird nicht gleich aus Frustration auf ein Hochhaus steuern. So theatralisch muss es ja nicht enden. Aber es reicht ja schon, wenn er nicht bei der Sache ist. Ich bilde mir auch ein, dass Polizisten, die sich nicht als Teil der Working Poor kategorisieren, etwas entspannter in den Dienst gehen. Natürlich ist gute Bezahlung kein Qualitätskriterium. Es gibt auch grandios entlohnte Ärzte, die ganz beschissene Arbeit leisten. Aber so grundsätzlich glaube ich schon, dass anständige Bedingungen die Wahrscheinlichkeit verringern, dass da jemand den Knüttel als Ventil missbraucht. Und wenn diesen Dienst dann Leute tun, die nicht vorher über Jahre demoralisiert wurden, dann mag diese Wahrscheinlichkeit noch steigen.

Und nun haben wir nicht mal darüber geredet, wie man dem Kontrolletti in nur drei Monaten gewisse Standards eintrichtern will. Dinge wie eine Schulung zum persönlichen Auftreten, Deeskalierungstraining, oder rudimentäre Rechts- und Gesetzeslehre. Was man halt so braucht, wenn man Recht exekutieren soll. Oder reicht es, dass da jemand in Lohn und Brot kommt, der genug Frust hat, um für Recht und Ordnung zu sorgen? Muss man eigentlich schon protestgewählt haben, weil man so die Schnauze voll hat, um bessere Chancen zu haben? Oh Mann, ganz offen gesagt, wenn ich mir vorstelle, dass da in dieser angehenden AfD-Republik Leute zum Polizeidienst herangezogen werden sollen, die als Stunde patriotischen Widerstands den Moment ansahen, da sie dieser blauen braunen Bande ein Kreuzchen schenkten, dann wird es mir ganz anders. Das meinte ich nicht, als ich forderte, dass der Staat den Straßenterror in den Griff bekommen müsse. Hätte mir jemand gesagt, dass man ihn in potenziellen Staatsterror kanalisiert, dann hätte ich mal brav meinen Mund gehalten. Wie demnächst, wenn der Abschaum mit Waffe vor mir steht und mir in der Tasche wühlen möchte.

1 Kommentare:

ert_ertrus 27. Juni 2016 um 18:09  

Hmm, direkte Parallele zu Jobcenter-Mitarbeitern, die häufig auch nach Crash-Kursen auf ihre »Kunden« losgelassen wurden. Hat sich doch bewährt, oder? Zumindest aus der Sicht der Agenda-Beführworter …

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP