Selektiertes Fernsehen
Samstag, 29. November 2008
Chefarzt ist er, seine Spielpartnerin Chefsekretärin. Auch Rechtsanwälte saßen schon auf den berühmten Sesseln dieser Republik. Freie Unternehmer sowieso. Sachbearbeiter, Beamte, Professoren waren auch schon dabei. Immer dann, wenn Günther Jauch oder Jörg Pilawa ihre Kandidaten danach fragen, womit diese ihren Lebensunterhalt verdienen - genauer fragen sie nach "dem Beruf", aber warum es Berufung sein soll, als Sachbearbeiter Sachen zu bearbeiten, kann nur als zynische Scherzantwort betrachtet werden -, bekommen sie allerlei Antworten zu hören. Kleine Existenzen sind dabei, öfter aber solche, die man mindestens dem Mittelstand zurechnen kann. Was man aber nicht, jedenfalls äußerst selten vernimmt, sie Antworten, die erläutern, dass man derzeit arbeitslos sei.
Arbeitslose Kandidaten finden dort nicht statt. Obwohl mehr als 6 Millionen Menschen Arbeitslosengeld II beziehen, obwohl fast eine weitere Million an Menschen Arbeitslosengeld I erhält, findet sich in den Quizshows dieses Landes nur selten eines dieser scheinbar raren Exemplare. Stattdessen tummelt sich das arbeitende Volk, geben sich die Produktiven und Werktätigen die Ehre - freilich auch Studenten, freilich auch gelegentlich Rentner. Aber die sind ja auch nicht untätig, obwohl sie tätig sein könnten. Draußen bleibt nur, man denke an das berühmte Schild am Eingangsbereich des Supermarktes, der Hund, genauer: der "faule Hund", der Arbeitslose.
Ob bei Pilawa oder Jauch: Das Bürgertum wird überdurchschnittlich repräsentiert, während die Ärmsten der Gesellschaft unterdurchschnittlich vertreten sind. Man muß annehmen, dass die Redaktionen selektieren, sich unliebsamen Bewerbern schon in der Vorauswahl entledigen, um den vermeintlichen Leistungsträgern eine Chance zu ermöglichen. Eine natürliche Selektion sei das, wird man womöglich dort argumentieren, denn man sortiere ja nicht nach sozialen Status aus, sondern "der Arbeitslose" disqualifiziere sich von selbst, weil er in der Vorabbefragung bildungstechnisch jämmerlich versage. Ob dies dann zutrifft ist einerlei, jedenfalls würde man damit den öffentlichen Konsens bestätigen und klarmachen, dass der Arbeitslose nur deshalb in dieser Situation ist, weil er intellektuell nichts zu bieten hat, quasi "selbst" schuld sei an seiner Misere. Es gibt in Deutschland weniger Ärzte als Arbeitslose, dennoch sitzen auf den Showsesseln mehr Ärzte als Arbeitslose - dies ist das künstlich erzeugtes survival of the fittest, die Rolle dieser Vulgärevolution übernehmen die Redaktionen der Quizsendungen.
Die künstliche Selektion als Prinzip der Medien: Kritiker und Alternativdenker werden ferngehalten, Nachbeter herrschender Ansichten hofiert; Lobbyisten bekommen Stühle in politischen Plauderrunden angeboten, Vertreter einer Weltsicht, die dem Lobbyismus entgegenstehen, bleiben weitgehend unterrepräsentiert - Neutralität oder Objektivität ist nicht gegeben, stattdessen wird selektiert und "das Schwache" gnadenlos im Keim erstickt, erst gar nicht in die Studios gelassen. Dass diese Selektion ungeniert öffentlich vollzogen wird, wurde an einem prominenten Beispiel deutlich: Als Peter Sodann 2005 für die PDS kandidieren, in den Bundestag einziehen wollte, da hat die ARD sofort verkündet, dass eine solche Kandidatur dazu führen werde, alle Tatort-Folgen mit Sodann, bis auf weiteres auf Eis zu legen. Ute Singer aber, besser bekannt als die Schlagersängerin Claudia Jung, kandidierte dieses Jahr (erfolgreich) für den bayerischen Landtag, dies für die Partei, die keine Partei sein will (Freie Wähler) - während des Wahlkampfes flimmerte sie über den Bildschirm, trällerte ihre Liedchen. Und das tut sie auch weiterhin, wie erst letztens, als der Nürnberger Christkindlesmarkt eröffnet wurde; ob ein MdB Sodann wohl nach dem Wahlkampf nochmal zu Tatort-Ehren gekommen wäre? Wenn man so eine willkürliche Praxis in aller Öffentlichkeit inszeniert, warum soll dann das Fehlen arbeitsloser Menschen in Quizsendungen nicht ebenso mit dieser Selektionswut beseelt sein?
In den Redaktionen, die das Land bedeuten, sitzen keine Revolutionäre. Es sind Evolutionäre, die die Rolle der "unsichtbaren Hand", des "großen Weltenlenkers", des "Alltags-Gottes" übernehmen, um die Prinzipien der Evolutionslehre umzusetzen - wenn auch in pervertierter Form, die ja, so scheint es immer öfter, die einzig öffentlich akzeptierte Form ist. Die künstliche Auslese merzt das sozial Schwache - was ja eigentlich das ökonomisch Schwache ist - aus, damit das ökonomisch Starke zur seinem Quizshow-Recht kommt. Öffentlich-rechtliche Sender ebenso wie Privatsender betreiben ein zutiefst konservativ-bürgerliches Spiel, in dem der brave Bürgersmann, der strebsame und leistungswillige Lohnbezieher zum Zuge kommen soll. Die anderen, die die nicht brav, strebsam und leistungswillig sind, weil es ihr gesellschaftlicher Status zu unterstreichen scheint, haben keinen Platz bei Pilawa oder Jauch. Man will den Zuschauer auch nicht brüskieren, will ihn nicht mit dem Bodensatz der eigenen Gesellschaft konfrontieren - der Zuschauer will Arbeitslose in anderen Sendungen sehen, wo man mit ihnen derber umgeht, wo man sie gängelt und erpresst, wo man sie als nutzlose Saufbrüder und -schwestern kategorisiert, wo man sie vorführen und an den Pranger stellen kann. Das Gesindel besitzt ja seinen Sendeplatz - einer der wenigen Besitze, die man dem Gesindel nicht stiehlt - und soll bloß nicht die besten, die bürgerlichen, die von Medienlieblingen geleiteten Sendeplätze belagern!
Die Harmlosigkeiten der deutschen Fernsehlandschaft sind Ausgeburt knallharter Selektion. Quotenarbeitslose mag es auch da geben, aber generell findet sich das betuchte und gutbetuchte Bürgertum auf den Sesseln, die das Geld bedeuten - jene die es brauchen könnten, werden dort kaum platziert. Das Fernsehen, so wie wir es in heutiger Form kennen, ist in Demokratie gehüllter - der Zuschauer hat die Wahlfreiheit zwischen Einschalten und Abschalten - Sozialdarwinismus, auf dem öffentlichen Konsens aufbauendes, selektierendes und ausmerzendes Medium. Kein Wunder also, dass Pilawa und Jauch um die Wette lächeln - irgendwie muß man diese Fratze der Selektion ja überspielen.
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Arbeitslose Kandidaten finden dort nicht statt. Obwohl mehr als 6 Millionen Menschen Arbeitslosengeld II beziehen, obwohl fast eine weitere Million an Menschen Arbeitslosengeld I erhält, findet sich in den Quizshows dieses Landes nur selten eines dieser scheinbar raren Exemplare. Stattdessen tummelt sich das arbeitende Volk, geben sich die Produktiven und Werktätigen die Ehre - freilich auch Studenten, freilich auch gelegentlich Rentner. Aber die sind ja auch nicht untätig, obwohl sie tätig sein könnten. Draußen bleibt nur, man denke an das berühmte Schild am Eingangsbereich des Supermarktes, der Hund, genauer: der "faule Hund", der Arbeitslose.
Ob bei Pilawa oder Jauch: Das Bürgertum wird überdurchschnittlich repräsentiert, während die Ärmsten der Gesellschaft unterdurchschnittlich vertreten sind. Man muß annehmen, dass die Redaktionen selektieren, sich unliebsamen Bewerbern schon in der Vorauswahl entledigen, um den vermeintlichen Leistungsträgern eine Chance zu ermöglichen. Eine natürliche Selektion sei das, wird man womöglich dort argumentieren, denn man sortiere ja nicht nach sozialen Status aus, sondern "der Arbeitslose" disqualifiziere sich von selbst, weil er in der Vorabbefragung bildungstechnisch jämmerlich versage. Ob dies dann zutrifft ist einerlei, jedenfalls würde man damit den öffentlichen Konsens bestätigen und klarmachen, dass der Arbeitslose nur deshalb in dieser Situation ist, weil er intellektuell nichts zu bieten hat, quasi "selbst" schuld sei an seiner Misere. Es gibt in Deutschland weniger Ärzte als Arbeitslose, dennoch sitzen auf den Showsesseln mehr Ärzte als Arbeitslose - dies ist das künstlich erzeugtes survival of the fittest, die Rolle dieser Vulgärevolution übernehmen die Redaktionen der Quizsendungen.
Die künstliche Selektion als Prinzip der Medien: Kritiker und Alternativdenker werden ferngehalten, Nachbeter herrschender Ansichten hofiert; Lobbyisten bekommen Stühle in politischen Plauderrunden angeboten, Vertreter einer Weltsicht, die dem Lobbyismus entgegenstehen, bleiben weitgehend unterrepräsentiert - Neutralität oder Objektivität ist nicht gegeben, stattdessen wird selektiert und "das Schwache" gnadenlos im Keim erstickt, erst gar nicht in die Studios gelassen. Dass diese Selektion ungeniert öffentlich vollzogen wird, wurde an einem prominenten Beispiel deutlich: Als Peter Sodann 2005 für die PDS kandidieren, in den Bundestag einziehen wollte, da hat die ARD sofort verkündet, dass eine solche Kandidatur dazu führen werde, alle Tatort-Folgen mit Sodann, bis auf weiteres auf Eis zu legen. Ute Singer aber, besser bekannt als die Schlagersängerin Claudia Jung, kandidierte dieses Jahr (erfolgreich) für den bayerischen Landtag, dies für die Partei, die keine Partei sein will (Freie Wähler) - während des Wahlkampfes flimmerte sie über den Bildschirm, trällerte ihre Liedchen. Und das tut sie auch weiterhin, wie erst letztens, als der Nürnberger Christkindlesmarkt eröffnet wurde; ob ein MdB Sodann wohl nach dem Wahlkampf nochmal zu Tatort-Ehren gekommen wäre? Wenn man so eine willkürliche Praxis in aller Öffentlichkeit inszeniert, warum soll dann das Fehlen arbeitsloser Menschen in Quizsendungen nicht ebenso mit dieser Selektionswut beseelt sein?
In den Redaktionen, die das Land bedeuten, sitzen keine Revolutionäre. Es sind Evolutionäre, die die Rolle der "unsichtbaren Hand", des "großen Weltenlenkers", des "Alltags-Gottes" übernehmen, um die Prinzipien der Evolutionslehre umzusetzen - wenn auch in pervertierter Form, die ja, so scheint es immer öfter, die einzig öffentlich akzeptierte Form ist. Die künstliche Auslese merzt das sozial Schwache - was ja eigentlich das ökonomisch Schwache ist - aus, damit das ökonomisch Starke zur seinem Quizshow-Recht kommt. Öffentlich-rechtliche Sender ebenso wie Privatsender betreiben ein zutiefst konservativ-bürgerliches Spiel, in dem der brave Bürgersmann, der strebsame und leistungswillige Lohnbezieher zum Zuge kommen soll. Die anderen, die die nicht brav, strebsam und leistungswillig sind, weil es ihr gesellschaftlicher Status zu unterstreichen scheint, haben keinen Platz bei Pilawa oder Jauch. Man will den Zuschauer auch nicht brüskieren, will ihn nicht mit dem Bodensatz der eigenen Gesellschaft konfrontieren - der Zuschauer will Arbeitslose in anderen Sendungen sehen, wo man mit ihnen derber umgeht, wo man sie gängelt und erpresst, wo man sie als nutzlose Saufbrüder und -schwestern kategorisiert, wo man sie vorführen und an den Pranger stellen kann. Das Gesindel besitzt ja seinen Sendeplatz - einer der wenigen Besitze, die man dem Gesindel nicht stiehlt - und soll bloß nicht die besten, die bürgerlichen, die von Medienlieblingen geleiteten Sendeplätze belagern!
Die Harmlosigkeiten der deutschen Fernsehlandschaft sind Ausgeburt knallharter Selektion. Quotenarbeitslose mag es auch da geben, aber generell findet sich das betuchte und gutbetuchte Bürgertum auf den Sesseln, die das Geld bedeuten - jene die es brauchen könnten, werden dort kaum platziert. Das Fernsehen, so wie wir es in heutiger Form kennen, ist in Demokratie gehüllter - der Zuschauer hat die Wahlfreiheit zwischen Einschalten und Abschalten - Sozialdarwinismus, auf dem öffentlichen Konsens aufbauendes, selektierendes und ausmerzendes Medium. Kein Wunder also, dass Pilawa und Jauch um die Wette lächeln - irgendwie muß man diese Fratze der Selektion ja überspielen.