De dicto
Dienstag, 19. August 2008
"Viele Betriebe haben volle Auftragsbücher und mehr als ausreichend Arbeit. Mit dem Angebot von Zusatzlohn statt Urlaub könnten Firmenchefs schnell und flexibel reagieren - und zudem Mitarbeiter für ihren Einsatz belohnen.Zum Gesagten sei angemerkt: Anhand dieser Zeilen, kann man sich zusammenbasteln, wie der frühere Mitarbeiter der Allianz-Versicherung, Oliver Santen, sein Menschenbild gestaltet. Er sieht den Menschen als wandelnden Geldbeutel, dessen einziges Motiv es ist, selbigen ohne Rücksicht auf Verluste zu füllen. Dass es eben aber genau zu solchen kommen muß, dass Verluste einzukalkulieren sind, wenn man Tag für Tag seine Energie für einen Arbeitsplatz aufwendet, dass man kurz gesagt ausgebrannt, krank und illusionslos werden muß, bleibt in Santens kleinem Elaborat unerwähnt. Genau dieses Krankwerden ist schlußendlich auch der Grund gewesen, warum Unternehmer irgendwann damit begannen, ihren Angestellten Urlaub als Erholungszeit zu gewähren. Der Gesetzgeber machte später daraus einen gesetzlichen Anspruch für jeden Arbeitnehmer und verdeutlichte zudem, dass Urlaub der Erholung zu dienen habe.
Vielen fleißigen Arbeitnehmern ist mehr Geld wichtiger als 30 Tage Urlaub im Jahr. Sie hätten unterm Strich mehr Netto in der Tasche und würden so direkt von der guten Auftragslage ihrer Firma profitieren.
Gut wäre das auch für die ganze Wirtschaft. Denn wer mehr Geld in Portemonnaie hat, gibt auch mehr aus – und kurbelt den Konsum an."
- BILD-Zeitung, Oliver Santen am 19. August 2008 -
Aber so weit denkt Santen nicht, wenn er sich seiner Propaganda widmet. Er sieht in Menschen nur Produktionsfaktoren, die man nicht mit elektrischen Strom oder Benzin betreibt, sondern eben mit Geld. Eine "industrielle Reservearmee" im Rücken ermöglicht es zudem, Arbeitende krankschuften zu lassen - Ersatz steht quasi schon auf der Türschwelle. Daher sollten auch diese behindernden Kündigungsschutzgesetze ausgehebelt werden, damit man dem unvernünftigen Arbeitstier auch einen Tritt geben und sich dieses auf Staatskosten erholen oder wiederbeleben kann. Grundsätzlich ist es äußerst bedenklich, wenn solche Misanthropen wie Santen, ihr wirres Weltbild als Stimme der Vernunft ins Land hinausposaunen dürfen.
Zudem: Wir kennen unsere Wölfe im Schafspelz. Santen schreibt, dass es zwar einen gesetzlichen Anspruch auf Urlaub gebe, aber kein Recht auf Auszahlung von Urlaubstagen. Freilich macht er mit dieser Einsicht den gesetzlichen Urlaubsanspruch ein Stück weit madig, aber gleichermaßen gibt er sich auch ach so liberal. Wie stellt sich denn jemand wie Santen ein Recht auf Auszahlung von Urlaubstagen vor? Oder anders gefragt: Wer hat das Recht - der Arbeitnehmer oder sein Arbeitgeber? Am Ende entscheidet irgendein menschenfeindlicher Vorgesetzter, ob der Arbeitnehmer in seinen Urlaub gehen kann oder ob er ihn ausbezahlt bekommen soll. Die Reformen am Arbeitsmarkt und die damit schrittweise Entmündigung von Arbeitnehmern und Erwerbslosen lassen befürchten, dass man den betreffenden "Urlauber" gar nicht erst das Entscheidungsrecht beläßt. Und für ganz unwillige Zeitgenossen muß dann auch endlich der Kündigungsschutz verschwinden - Santen wird schreibend daran arbeiten, da darf man sicher sein.
3 Kommentare:
Ich kann einen Typ wie Santen nur als Idioten bezeichnen. Aufgrund eines langen Arbeitslebens kann ich nur sagen, wenn man nach einem Urlaub erholt wieder zu arbeiten beginnt, ist diese Arbeit erheblich effektiver als sie es wäre, wenn man ohne Urlaub durcharbeitet. Die Leistungsträger, die bei Otto Dix noch "Stützen der Gesellschaft" heißen, haben auf dem gleichnamigen Bild nur Scheiße im Kopf. Man könnte es auch mit Georg Lichtenberg so sagen: Als man den Toten in der Pathologie die Köpfe öffnete, war das Erstaunlichste, daß in jedem dieser Köpfe ein Gehirn gefunden wurde.
Urlaub, lächerlich. Wird total überschätzt. ;)
"Er war einsam, aber schneller." Just diesem Kommentar hatte ich mir vorgenommen ebenfalls einen Artikel zu widmen - naja vielleicht mach ich's trotzdem noch ..
;-)
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