Abschußliste

Dienstag, 5. August 2008

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands entrümpelt sich selbst. Mit dem Rauswurf Clements - sofern man sich vom Bundesvorstand nicht dazwischenreden läßt - ist ein erster Schritt getan. Es dürfte aber noch viel Entlassungsarbeit auf die parteiinternen Kommissionen zukommen. Man hat, bzw. hätte eine ganze Liste durchzuarbeiten.

Otto Schily - Während seiner Amtszeit als Bundesinnenminister - zwischen 1998 und 2005 - wurde er Mitglied des Aufsichtsrates eines Firma, die Personalisierung von Ausweisdokumenten anbietet. Dass ausgerechnet er seinerzeit der größte Verfechter und Wegbereiter des sogenannten biometrischen Reisepasses war, dass dies dem Unternehmen eine gesegnete Auftragslage bescherte, kann freilich Zufall sein - muß es aber nicht.
Als Mitglied jener Regierung, die die Vorschläge der Hartz-Kommission umsetzte, welche für bedürftigen Erwerbslosen - und bedürftigen Arbeitsunfähigen ebenso - Gängelungen aller Art bereithalten, könnte man von ihm Vorbildfunktion erwarten. Doch das Offenlegen seiner Nebenverdienste empfindet er selbst als Drangsalierung, der er sich nicht beugen will. Während er als Regierungsmitglied stillhielt, als man von Bedürftigen verlangte, ihre Finanzlage offenzulegen, als diese sogar Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen mußten, da hielt er still - wenn aber er zeigen, wenn er aufweisen soll, wie seine Finanzlage nebenbei aussieht, da weiß er aus seiner Stummheit auszubrechen.
Von seiner Rolle als "harter Hund" gegen Demonstranten, gerade auch linke Demonstranten, gar nicht erst zu reden. Einst mußte man diesen Herrn per Polizei von Schienen wegschleppen - später war er der Herr ebendieser Polizei und ließ rücksichtslos gegen "Unruhestifter" vorgehen.
Der Parteiausschluß soll beantragt werden, da Otto Schily nicht für "sozialdemokratische Werte" steht, sein Unternehmen widerrechtlich bereicherte und keinerlei Vorbildfunktion hat.
Prognose: Otto Schily wird nie und nimmer überhaupt nur in den Genuß eines Ausschlußverfahrens kommen. Grund: Er hat nicht gegen die eigene Partei gewettert!

Gerhard Schröder - Der sich als Pazifist feiern lassende Medienkanzler verkohlte die Öffentlichkeit dahingehend, dass er US-Kampfeinsätze von deutschen Basen aus starten ließ, Geheimdienstoperationen im "Kampf gegen den Terror" hierzulande ebenso zuließ, sich aber gleichermaßen als Friedenskanzler präsentierte. Die gesamte Sicherheitspolitik war maßgeblich von US-amerikanischem Vorbild vorgeprägt. Der "Pazifist" Schröder, der dem Irak-Krieg fernblieb, arrangierte sich aber gleichermaßen unkritisch mit der Bush-Administration und gehörte zum stillen Teil jener Koalition des Westens, die den US-amerikanischen Neo-Imperialismus duldet und teilweise leise gutheißt.
Die demokratische Tradition des Landes wurde arg strapaziert und in Frage gestellt. Weder fand seine Regierung scharfe Worte, als im Rahmen der Einführung von Hartz IV reihenweise Grundrechte bedürftiger Menschen umgangen wurden - z.B. die Unverletzlichkeit der Wohnung -, noch tat er der Demokratie einen Dienst, als er immer häufiger dazu überging, den Bundestag mit diversen angedrohten Rücktritten zu erpressen. Das abgekartete Mißtrauensvotum 2005, welches zu Neuwahlen führen sollte, sprach Bände. Demokratie unter Schröder bedeutete für den Abgeordneten mehr denn je - und noch immer unter Merkel zeichnet sich diese "schröderianische Errungenschaft" ab -, sich dem Parteizwang unterzuordnen und das Gewissen, als des Abgeordneten Maßstab - nach Artikel 38 GG -, abzuschalten.
Schröders späteres Engagement beim "lupenreinen Demokraten", soll hier kaum Erwähnung finden.
Der Parteiausschl soll beantragt werden, da Erpressungsmechanismen nicht dem "sozialdemokratischen Verständnis für Demokratie" gleichen und da die Mitwirkungen bei diversen Kriegseinsätzen - ob aktiv oder heimlich, still und leise - und damit die Zweckentfremdung und Umwandlung der Verteidigungsarmee zu einer Angriffsarmee verfassungsrechtlich zweifelhaft ist.
Prognose: Einen ehemaligen Kanzler der BRD wirft man doch nicht aus der Partei! Außerdem: Schröder hat nicht gegen die eigene Partei gewettert!

Peer Steinbrück - Fährt als Bundesfinanzminister, wie ehemals auch als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, einen streng neoliberalen Kurs. Spricht sich für Privatisierung aus, gerne auch im Bereich Bildung, und vertraut auf die "Selbstheilungskräfte des Marktes". Der Staat ist für ihn jener Leviathan, der sich aus allem Wirtschaftlichen herauszuhalten hat.
Steinbrück trägt schamlos ein protestantisches Leistungsdenken zur Schau und untermauert damit seine neoliberale Sichtweise der Dinge: „Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen, eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft unseres Landes tun: die lernen und sich qualifizieren, die arbeiten, die Kinder bekommen und erziehen, die etwas unternehmen und Arbeitsplätze schaffen, kurzum, die Leistung für sich und unsere Gesellschaft erbringen. Um die – und nur um sie (sic!) – muss sich Politik kümmern.“
Der Parteiausschluß soll beantragt werden, da eine Politik, die sich nur
um selbsterklärte Leistungsträger zu kümmern hat, nicht im Sinne einer sozialdemokratischen Partei sei kann.Prognose: Der Schröderianer Steinbrück gilt in den Medien als Musterschüler der SPD. Ausgerechnet er soll ja nun auch im Streit Clements mit der SPD vermitteln. Jemanden wie ihn, schmeißt man nicht raus, zumal er nicht gegen die eigene Partei gewettert hat!
Thilo Sarrazin - Der Berliner Finanzsenator glänzt herrlich offen durch pure Menschenverachtung. Mal empfiehlt er den Bedürftigen nach SGB II - den Hartz IV-Empfängern also -, nach einem selbst zusammengestümperten Speiseplan zu essen, d.h. zu hungern, um ihnen nachher mitzuteilen, dass ihre geringste Sorge der Hunger sei. Vielmehr solle sie ihre Unnützlichkeit innerhalb der Gesellschaft beschäftigen. Dann wieder rät er Frierenden an, sie sollten sich eben einen dicken Pullover überziehen und nicht der immensen Heizkosten wegen herumjammern.
Gleichzeitig ist Sarrazin dasjenige Senatsmitglied Berlins, das die meisten Nebentätigkeiten aufzuweisen hat. Während er den Armen seiner Stadt - und immer auch mit seinem einen Auge auf die Armen des gesamten Bundesgebietes schielend - mit allerlei brüsken Worten begegnet, sitzt der feine Herr in diversen Aufsichtsräten von Unternehmen. Freilich hat er kürzlich verlauten lassen, dass er für einen Stundenlohn von 5 Euro arbeiten würde - kann er ja auch selbstsicher behaupten, denn so schnell werden ihm die Bezüge aus Aufsichtsratmitgliedschaften nicht ausgehen.
Der Parteiausschluß ist zu beantragen, da es einem Sozialdemokraten nicht gut zu Gesichte steht, die Armen einer Gesellschaft so despektierlich zu behandeln, während man selbst sich in Luxus suhlen kann.
Prognose: Sarrazin wird nicht ausgeschlossen. Dazu ist er zu beliebt. Die Medien fressen ihm aus der Hand, halten ihn für einen kantigen Sozialdemokraten, der nicht im Reich des Sozialen herumphantasiert. Einen solchen Liebling baut man eher auf als ihn fortzujagen. Und: Er hat auch nicht gegen die eigene Partei gewettert!

Kurt Beck - Gleicht seine rhetorische Mangelbegabung gerne durch locker-flockige Sprüche aus, die dann auch den betreffenden Diskussionspartner beleidigen und schmähen dürfen. So hat er vor einigen Jahren einem arbeitslosen Mann ans Herz gelegt, er möge sich waschen und rasieren, dann bekäme er auch eine Arbeitsstelle. Dies wäre allemal sinnvoller als über das Arbeitslosengeld II zu jammern und sich darüber öffentlich zu mokieren. Nach öffentlichen Druck ließ er dem Mann neun Arbeitsangebote zukommen, die er sich "mühevoll" auf der Seite der Arbeitsagentur zusammengestellt hatte. Als sich der betreffende Arbeitslose dann nicht erkenntlich genug zeigte, hatte Beck der Öffentlichkeit einmal mehr bewiesen, welch faules Pack die Arbeitslosen doch allesamt sind.
Beck betreibt als Parteivorsitzender Angsthasenpolitik, will seiner moribunden Partei kein Profil zurückgeben, sondern biedert sich mehr und mehr an die Sichtweisen des Koalitionspartners im Bunde - der CDU/CSU - an. Die SPD unter Schröder hatte Profil in ihrer antisozialen Politik; die SPD unter Beck ist ein totes Gewässer, in dem man nicht weiß, ob darin überhaupt noch Fische schwimmen - und schlimmer noch: von dem man nicht weiß, ob darin jemals noch ein Fisch leben kann. Was Schröders Politik der ruhigen Hand war, ist bei Beck die Politik der vollen Hose.
Der Parteiausschluß ist zu beantragen, da Beck bei der Union genauso profillos seinem Handwerk fernbleiben kann und da eine Exklusionsrhetorik, wie im Falle des oben erwähnten Arbeitslosen, niemals im Sinne der Sozialdemokratie sein kann.
Prognose: Beck wird zwar nicht geliebt - aber dies vorallem, weil man ihm nachsagt, dass er zu sozialdemokratisch sei. Auch wenn er es nicht ist: Wer wirft schon einen Parteichef fort, der ja ach so sozialdemokratisch ist? Außerdem: Gegen die eigene Partei hat auch er nicht gewettert!

Fazit: Man kann innerhalb der SPD Ansichten vertreten, die menschenverachtend sind, die braun untermalt wirken, die Menschen als Objekt und Ballast begreifen - solange man nur nicht die Partei angreift und ihr sogenannten Schaden zufügt. Fehlende Moral, Menschenverachtung, Arroganz und Überheblichkeit sind keine Eigenschaften, die vor einer sozialdemokratischen Kommission je zur Debatte stehen würden. Man darf egozentrischer Misanthrop sein, solange man die Partei liebt!

14 Kommentare:

Anonym 5. August 2008 um 17:45  

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands entrümpelt sich selbst.

Die Mühe wäre vergebens. Die SPD ist eine bröckelnde Hülle ohne Inhalt, seit langer Zeit.

Melanie

Anonym 5. August 2008 um 19:31  

sehr gut geschrieben, roberto!
ist auch meine meinung.

dass diese herren sich in der tradition von willy brandt sehen, ist eigentlich - und nicht nur eigentlich - eine schande. wie gern würde ich willy brandt fragen, was er von diesen herren hält ;-)

Kurt aka Roger Beathacker 6. August 2008 um 02:54  

Ich habe den leisen Verdacht, dass sich ohnehin schon alles, was die Bezeichnung "Sozialdemokratisch" vielleicht noch verdienen wuerde, aus dieser Partei schon laengst verabschiedet hat. Dummerweise hat man wohl vergessen, auch den Namen mitzunehmen.

Anonym 6. August 2008 um 11:48  

Das "Sozialdemokratische" findet sich heute zum großen Teil bei der Linken wieder (Stichwort WASG).

Anonym 6. August 2008 um 18:00  

...aber der Gregor war doch in der PDS? ;-)
LG Bastian

Anonym 7. August 2008 um 22:47  

Wenn man in der SPD für eine Politik gegen die Interessen der Menschen im Lande eintritt (in welcher Form auch immer), ist dies kein Grund für einen Parteiausschluß. Wer aber gegen die Partei "wettert", bekommt es sogleich mit den Parteijuristen und -technokraten zu tun.

Clement & Co hätte schon längst ein solches Parteiausschlußverfahren gemacht werden müssen, auch wenn die SPD damit fast ohne Partei(ver)führung dastünde.

ad sinistram 8. August 2008 um 09:09  

Es wäre weniger betrüblich aus SPD-Sicht, wenn der aktuelle Mitgliederschwund aus der Tatsache herrührte, dass man solche Gestalten reihenweise aus der Partei geworfen hätte.

Anonym 11. August 2008 um 10:18  

Die SPD sollte sich neu definieren als "SozialDEMONTAGE Partei Deutschlands".
Das Kürzel "SPD" bleibt, der voll ausgeschriebene Name ist der Realität angepasst.

Anonym 11. August 2008 um 11:04  

warum rausschmeißen? Die meisten verlassen doch die unSPD freiwillig

Anonym 11. August 2008 um 11:50  

Ich bin gegen einen Partei-Ausschluss.

Der Grund: die SPD (Streber Partei Deutschlands) ist da angekommen, wo sie immer hin wollte. Viele - ich auch - haben das verdrängt bzw. wollten das nicht wahrhaben.

Anonym 11. August 2008 um 12:34  

Schöner Text!

Anonym 11. August 2008 um 15:35  

Hallo epikur, ich denke Willi Brandt dreht sich gerade im Grab um.

Stefan Sasse 11. August 2008 um 21:00  

Reine Formatsache: ich würde nicht so viele kursive Elemente reinmachen, ich finde, die erschweren das Lesen. Mich stören die eher.

Anonym 14. August 2008 um 23:45  

Sagte nicht schon ROSA LUXEMBURG im August 1914, die "SPD" sei nur noch ein "stinkender Leichnam"?

Wie weitsichtg schon damals von dieser klugen Frau!
Die Geschichte hat ihr bis zum heutigen Tag absolut Recht gegeben, daran hat auch ein "Wlly" im Grunde nie etwas geändert..., und dieser Clement zegt doch nur das wahre Gesicht dieser "SPD".

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