Deutsche Sozialismen
Donnerstag, 24. April 2008
Viel wird in diesen Tagen vom real existierenden Sozialismus gesprochen. Immer dann, wenn es darum geht, die Sozialgesetzgebung zur mehr Verteilungsgerechtigkeit zu führen, den vom sozialen Netz abhängigen Menschen ein wenig mehr an Spielraum zu geben, treten besorgte Mienen vor die Presse und ziehen Parallelen zum Sozialismus, wie er sich einst real äußerte. Dabei wird kein gutes Haar an der DDR gelassen, die zum deutschen Mahnmal sozialistischer Lebensart ernannt worden ist. Nun gibt es freilich wirklich Vieles, was man an der DDR kritisieren kann, wahrscheinlich gibt es kaum einen Bereich, dem man nicht kritisierend begegnen darf. Aber die DDR zum Absolutum deutschen Sozialismus' zu ernennen, sie als einzigen Versuch sozialistischer Denkweise zu verklären, kann als latenter Versuch deutschen Revisionismus gewertet werden.
Denn wenn wir von den Erscheinungsformen des Sozialismus auf deutschen Gebiet sprechen, dann dürfen wir den Nationalsozialismus als perverserste Spielart desselbigen nicht herauslösen und getrennt halten. Was ihm an Internationalismus abging - wobei auch Stalin diese internationale Komponente auf Eis legte, um sie durch seinen "Sozialismus in einem Land" zu ersetzen -, glich er durch Nationaltümelei, Volksgemeinschaft, deutsches Blut aus. Was die Gleichheit aller Klassen im Osten, war die Rasse als verbindendes Merkmal in Deutschland. Was im Mutterland des real existierenden Sozialismus der "Held der Arbeit", war im NS-Staat der Ausspruch, wonach "Arbeit adelt". Beide Varianten zielten darauf ab, eine verschworene Gemeinschaft aller Genossen zu erschaffen, in der das Wohl der dazugehörigen Mitglieder gesichert sein soll. "Ungläubige" wurden hüben wie drüben gnadenlos verfolgt und beseitigt.
Der Historiker David Schoenbaum kam in seinem Buch "Die braune Revolution" auf keine eindeutige Antwort, was denn der Nationalsozialismus eigentlich gewesen sei. Viele Faktoren ermöglichten ein nationalsozialistisches Deutschland, viele Theoreme - wie z.B., dass es sich beim Nationalsozialismus als Aufstand des Klein- und Spießbürgertums handelte - können als teilweise zutreffend eingestuft werden. Der von den Nationalsozialisten gepredigte Sozialismus innerhalb der Volksgemeinschaft muß aber ebenso als wichtiges, vielleicht sogar grundlegendes Motiv erkannt werden. Schoenbaum führt hier unter anderem auf, dass es gerade Wähler der Sozialdemokraten und Kommunisten waren, die zu Hitler überschwenkten, weil sie ihre sozialistischen Vorstellungen nur von ihm verwirklicht sahen in der Zukunft. Gerade die umfallende Sozialdemokratie trieb die Menschen in die Arme des neuen nationalen Sozialismus, der jedem ein Auskommen garantierte, solange er Volksgenosse und regierungstreu sei.
Die damaligen Zeitgenossen sahen sich ebenso als Erscheinungsart sozialistischer Prägung. Ein Doktorkandidat schrieb über das Reichssiedlungsgesetz, dass es "die Änderung in der Blickrichtung des neuen Deutschlands vom liberalistisch-kapitalistischen Westen nach dem sozialistischen Osten" sei. Hermann Göring kritisierte gar, dass einige Parteimitglieder das im Namen der Partei befindliche Wort "sozialistisch" zugunsten des Wortes "national" vernachlässigten. "Der Sozialismus, den wir predigen, ist ein Sozialismus des Heroismus, ein Sozialismus der Männlichkeit.", ließ Goebbels vermelden, während Robert Ley ergänzte, dass "dieser Sozialismus kein Mitleid sei". Goebbels' Adjutant Schaumburg-Lippe bekannte: "Dies war der Sozialismus, den ich suchte und dem mit allen Fasern zu dienen mir eine Ehre war." Das nationalsozialistische Hetzblatt "Der Angriff" romantisierte: "Sozialismus ist Lebensbejahung, Sozialismus ist Gemeinschaft, Sozialismus ist Kameradschaft und Treue, Sozialismus ist Ehre. Sozialismus, mein Freund, ist das Blut und die Rasse, der heilige tiefernste Glaube an einen Gott." Der Glaube an eine klassenübergreifende, nur rassisch motivierte Gleichheit aller Genossen, findet in Leys Worten Ausdruck, die er auf einer Versammlung von Unternehmern aussprach: "Ich will und werde zu Ihnen so sprechen, wie ich eben vor Abertausenden von Arbeitern gesprochen habe. Früher mußte sich der Redner immer einstellen auf Klassen und auf die Schichten und Berufe." In gewissem Sinne läßt sich die These Ernst Noltes, wonach "der Archipel GULAG ursprünglicher als Auschwitz" sei - jene These, die 1986 den sogenannten "Historikerstreit" auslöste -, durchaus bejahen, denn sie bringt zusammen, was zusammengehört. Sie entblöst den Nationalsozialismus als deutsche Variante des Sozialismus, angereichert um vielerlei Perversitäten freilich, aber dennoch in seinem Urantrieb sozialistisch gesinnt.
In diesen Tagen wird indirekt viel von der DDR gesprochen. Sie sei, so vermutet man, wenn man den Diskussionen folgt, die einzige Verfehlung des Sozialismus in diesem Lande gewesen. Der Nationalsozialismus bleibt als einzigartiges Phänomen beiseite gestellt, auch wenn er sich "qualitativ" in keinster Weise von "sozialistischen Stalinismus" unterscheidet. Man will sich heute freilich nicht eingestehen, dass der gesamtdeutsche Versuch eines Sozialismus' ebenso von Unternehmen und Konservativen erwünscht war. Dass beide Phänomene Kinder der gleichen Epoche waren, dass die DDR einen Anachronismus aus dieser Epoche darstellt, wird dezent verschwiegen. Haben wir wirklich zuviel DDR übernommen? Sind also zu sozialistisch gesinnt? Und ist es nicht auch zuviel "brauner Sozialismus", wenn man heute Gemeinschaftsgefühle nährt, indem man Randgruppen oder Bedürftige stigmatisiert, um die "Fleißigen und Unbescholtenen" hervorzuheben? Oder wenn man öffentlich fordert - wie ehemals Kurt Beck -, dass man den Leistungsträgern dieser Gesellschaft Hilfe zukommen lassen muß, nicht denen, die nichts leisten? Ist das "neue Ermächtigungsgesetz" zum Schutz unserer Gemeinschaft nicht auch Ausdruck des alten und neuen Sozialismus? Zutreffend ist sicherlich, dass in dieser Gesellschaft der Individualismus ins Hintertreffen gerät, um einem kollektiven Denken Raum zu schaffen. Dies ist nicht nur DDR, sondern durchaus auch Drittes Reich. Aber das meinen jene, die von "zu viel DDR" sprechen ja nicht...
Denn wenn wir von den Erscheinungsformen des Sozialismus auf deutschen Gebiet sprechen, dann dürfen wir den Nationalsozialismus als perverserste Spielart desselbigen nicht herauslösen und getrennt halten. Was ihm an Internationalismus abging - wobei auch Stalin diese internationale Komponente auf Eis legte, um sie durch seinen "Sozialismus in einem Land" zu ersetzen -, glich er durch Nationaltümelei, Volksgemeinschaft, deutsches Blut aus. Was die Gleichheit aller Klassen im Osten, war die Rasse als verbindendes Merkmal in Deutschland. Was im Mutterland des real existierenden Sozialismus der "Held der Arbeit", war im NS-Staat der Ausspruch, wonach "Arbeit adelt". Beide Varianten zielten darauf ab, eine verschworene Gemeinschaft aller Genossen zu erschaffen, in der das Wohl der dazugehörigen Mitglieder gesichert sein soll. "Ungläubige" wurden hüben wie drüben gnadenlos verfolgt und beseitigt.
Der Historiker David Schoenbaum kam in seinem Buch "Die braune Revolution" auf keine eindeutige Antwort, was denn der Nationalsozialismus eigentlich gewesen sei. Viele Faktoren ermöglichten ein nationalsozialistisches Deutschland, viele Theoreme - wie z.B., dass es sich beim Nationalsozialismus als Aufstand des Klein- und Spießbürgertums handelte - können als teilweise zutreffend eingestuft werden. Der von den Nationalsozialisten gepredigte Sozialismus innerhalb der Volksgemeinschaft muß aber ebenso als wichtiges, vielleicht sogar grundlegendes Motiv erkannt werden. Schoenbaum führt hier unter anderem auf, dass es gerade Wähler der Sozialdemokraten und Kommunisten waren, die zu Hitler überschwenkten, weil sie ihre sozialistischen Vorstellungen nur von ihm verwirklicht sahen in der Zukunft. Gerade die umfallende Sozialdemokratie trieb die Menschen in die Arme des neuen nationalen Sozialismus, der jedem ein Auskommen garantierte, solange er Volksgenosse und regierungstreu sei.
Die damaligen Zeitgenossen sahen sich ebenso als Erscheinungsart sozialistischer Prägung. Ein Doktorkandidat schrieb über das Reichssiedlungsgesetz, dass es "die Änderung in der Blickrichtung des neuen Deutschlands vom liberalistisch-kapitalistischen Westen nach dem sozialistischen Osten" sei. Hermann Göring kritisierte gar, dass einige Parteimitglieder das im Namen der Partei befindliche Wort "sozialistisch" zugunsten des Wortes "national" vernachlässigten. "Der Sozialismus, den wir predigen, ist ein Sozialismus des Heroismus, ein Sozialismus der Männlichkeit.", ließ Goebbels vermelden, während Robert Ley ergänzte, dass "dieser Sozialismus kein Mitleid sei". Goebbels' Adjutant Schaumburg-Lippe bekannte: "Dies war der Sozialismus, den ich suchte und dem mit allen Fasern zu dienen mir eine Ehre war." Das nationalsozialistische Hetzblatt "Der Angriff" romantisierte: "Sozialismus ist Lebensbejahung, Sozialismus ist Gemeinschaft, Sozialismus ist Kameradschaft und Treue, Sozialismus ist Ehre. Sozialismus, mein Freund, ist das Blut und die Rasse, der heilige tiefernste Glaube an einen Gott." Der Glaube an eine klassenübergreifende, nur rassisch motivierte Gleichheit aller Genossen, findet in Leys Worten Ausdruck, die er auf einer Versammlung von Unternehmern aussprach: "Ich will und werde zu Ihnen so sprechen, wie ich eben vor Abertausenden von Arbeitern gesprochen habe. Früher mußte sich der Redner immer einstellen auf Klassen und auf die Schichten und Berufe." In gewissem Sinne läßt sich die These Ernst Noltes, wonach "der Archipel GULAG ursprünglicher als Auschwitz" sei - jene These, die 1986 den sogenannten "Historikerstreit" auslöste -, durchaus bejahen, denn sie bringt zusammen, was zusammengehört. Sie entblöst den Nationalsozialismus als deutsche Variante des Sozialismus, angereichert um vielerlei Perversitäten freilich, aber dennoch in seinem Urantrieb sozialistisch gesinnt.
In diesen Tagen wird indirekt viel von der DDR gesprochen. Sie sei, so vermutet man, wenn man den Diskussionen folgt, die einzige Verfehlung des Sozialismus in diesem Lande gewesen. Der Nationalsozialismus bleibt als einzigartiges Phänomen beiseite gestellt, auch wenn er sich "qualitativ" in keinster Weise von "sozialistischen Stalinismus" unterscheidet. Man will sich heute freilich nicht eingestehen, dass der gesamtdeutsche Versuch eines Sozialismus' ebenso von Unternehmen und Konservativen erwünscht war. Dass beide Phänomene Kinder der gleichen Epoche waren, dass die DDR einen Anachronismus aus dieser Epoche darstellt, wird dezent verschwiegen. Haben wir wirklich zuviel DDR übernommen? Sind also zu sozialistisch gesinnt? Und ist es nicht auch zuviel "brauner Sozialismus", wenn man heute Gemeinschaftsgefühle nährt, indem man Randgruppen oder Bedürftige stigmatisiert, um die "Fleißigen und Unbescholtenen" hervorzuheben? Oder wenn man öffentlich fordert - wie ehemals Kurt Beck -, dass man den Leistungsträgern dieser Gesellschaft Hilfe zukommen lassen muß, nicht denen, die nichts leisten? Ist das "neue Ermächtigungsgesetz" zum Schutz unserer Gemeinschaft nicht auch Ausdruck des alten und neuen Sozialismus? Zutreffend ist sicherlich, dass in dieser Gesellschaft der Individualismus ins Hintertreffen gerät, um einem kollektiven Denken Raum zu schaffen. Dies ist nicht nur DDR, sondern durchaus auch Drittes Reich. Aber das meinen jene, die von "zu viel DDR" sprechen ja nicht...
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