Nomen non est omen
Mittwoch, 23. April 2008
Täglich begegnen uns in den öffentlichen Debatten Begriffe, die wir aufgrund steten Hörens und Benutzens kaum noch hinterfragen. Dabei stört es kaum, dass es sich oft um gestelzt wirkende Begriffe, um paradox zusammengeschusterte "hölzerne Eisen" oder vollkommen sinnfreie Wortarrangements handelt. "Nomen non est omen" soll jene Worte aufgreifen und kurz analysieren, die von den neoliberalen Reformern in den allgemeinen Sprachgebrauch geworfen werden, um Debatten damit ideologisch zu beeinflussen. Auch wenn man es auf dem ersten Blick, dem ersten Hören nicht erkennen kann, so gilt doch Talleyrands Ausspruch: "Wer eine Wahrheit verbergen will, braucht sie nur offen auszusprechen."
Heute: "Eigenverantwortung"
Die inflationäre Benutzung des Schlagwortes der Eigenverantwortung ist der Versuch zur Legitimierung gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse. Schließlich soll dieser Begriff eine Wirklichkeit konstruieren, indem jeder sein individuelles Glück und persönlichen Erfolg in der freien Marktgesellschaft finden kann, wenn er sich nur ordentlich anstrengt (Stichwort: Leistungsgerechtigkeit). Dass in Deutschland strukturelle Ungerechtigkeiten vorherrschen haben alle PISA-Studien eindeutig bewiesen. Auch die 1. World Vision Kinderstudie bestätigte, dass in Deutschland die soziale Herkunft den Bildungsverlauf weitgehend bestimmt und eben nicht die eigene Leistung. Gymnasien besuchen nur 1% der Kinder aus der Unterschicht, aber 18% der Kinder aus der Oberschicht.
Die Eigenverantwortung löst sich zudem von dem traditionellen Gerechtigkeitsideal der SPD einer Verteilungsgerechtigkeit. Ziel sei es fortan eben nicht mehr den gesellschaftlichen Reichtum gerecht zu verteilen, sondern nur noch die Individuen dahingehend zu befähigen am Erwerbsleben teilnehmen zu können. Ignoriert werden dabei eine Reihe vorrausetzungsvoller Bedingungen:
Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.
Heute: "Eigenverantwortung"
„Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.“
- Altbundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Agenda 2010-Rede -
„Selbsthilfe und Eigenverantwortung sind die leitenden Motive gegenwärtiger grüner und auch hartzscher Modelle des Sozialen.“
- Dirk Jacobi, Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Berlin -
„Um soziale Gerechtigkeit leben zu können, ist Eigenverantwortung der Menschen notwendig.“Das politische Schlagwort der Eigenverantwortung genießt große Popularität und wird, mit Ausnahme der Linkspartei, von allen Parteien verwendet. Neutral definiert bedeutet das Schlagwort, Verantwortung für sich selbst und seine Entscheidungen zu übernehmen. Demzufolge muss das Individuum auch die Konsequenzen aus der selbst getroffenen Entscheidung tragen. Die Eigenverantwortung ist nicht zwingend ein Gegensatz zur Solidarität, wird jedoch durch die politische Neuprägung des Begriffes zunehmend dazu gemacht. Wie ein Leitmotiv durchzieht das Schlagwort viele Politikfelder. Es symbolisiert weniger Staat und mehr Markt. Weniger staatliche Solidarität, dafür mehr privates Risiko.
- Bundeskanzlerin Angela Merkel -
Die inflationäre Benutzung des Schlagwortes der Eigenverantwortung ist der Versuch zur Legitimierung gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse. Schließlich soll dieser Begriff eine Wirklichkeit konstruieren, indem jeder sein individuelles Glück und persönlichen Erfolg in der freien Marktgesellschaft finden kann, wenn er sich nur ordentlich anstrengt (Stichwort: Leistungsgerechtigkeit). Dass in Deutschland strukturelle Ungerechtigkeiten vorherrschen haben alle PISA-Studien eindeutig bewiesen. Auch die 1. World Vision Kinderstudie bestätigte, dass in Deutschland die soziale Herkunft den Bildungsverlauf weitgehend bestimmt und eben nicht die eigene Leistung. Gymnasien besuchen nur 1% der Kinder aus der Unterschicht, aber 18% der Kinder aus der Oberschicht.
Die Eigenverantwortung löst sich zudem von dem traditionellen Gerechtigkeitsideal der SPD einer Verteilungsgerechtigkeit. Ziel sei es fortan eben nicht mehr den gesellschaftlichen Reichtum gerecht zu verteilen, sondern nur noch die Individuen dahingehend zu befähigen am Erwerbsleben teilnehmen zu können. Ignoriert werden dabei eine Reihe vorrausetzungsvoller Bedingungen:
- Der Zugang zu wichtigen wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Handlungsressourcen sind ungleich verteilt und werden selbst bei erfolgreicher Aktivierung des Einzelnen nicht aufgehoben
- Reichtumsbericht der Bundesregierung sehr ungleichmäßig verteilt. Während die unteren 50% der Haushalte nur über etwas weniger als 4% des gesamten Nettovermögens verfügen, entfallen auf die vermögendsten 10% der Haushalte knapp 47%.
- Auch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt beim Aufstieg von prekärer Beschäftigung in stabile Erwerbsarbeit sind ungleich verteilt, denn prekäre Beschäftigung tritt verstärkt in bestimmten Erwerbsgruppen
Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.
1 Kommentare:
In dem Artikel, aus dem das Zitat von mir stammt, argumentiere ich übrigens gegen Zumutungen unter dem Titel der Eigenverantwortung. Und zwar als Grüner und schon 2004. Hier der Link zu dem Artikel:http://gruene-berlin.de/site/1853.0.html
Aber ansonsten ist es natürlich schon niedlich in einer Reihenfolge mit Gerhard und Angela genannt zu werden.
Besten Dank dafür,
Dirk Jacobi
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