Das schlecht Gegebene
Freitag, 18. April 2008
Heimlich, still und leise fanden Überwachungsmöglichkeiten Einzug in einen Gesetzesentwurf, die aus "1984" entsprungen scheinen. Der Polizei soll es ermöglicht werden, neben den bereits erlaubten Anbringen von Wanzen, auch Überwachungskameras in Wohnungen zu installieren. Das monatelange öffentliche Gezerre um die Online-Durchsuchung privater Rechner, hat diesen Vorstoß dezent kaschiert. Gleichzeitig versucht das Gesetz eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Großen Lauschangriff - wonach Wanzen abzuschalten seien, wenn Verdächtige "private Lebensäußerungen" von sich geben - zu revidieren. Der Gesetzesentwurf beinhaltet ausdrücklich, dass verdächtigen Personen keine Privatsphäre zugestanden werden kann, denn aus Planungen zu einem Anschlag könnten schnell private Gespräche werden; private Gesprächsfetzen zwischen dem Bombenbau würden eine Abhörung verunmöglichen.
Freilich haben auch hier wieder Union und SPD zueinandergefunden; freilich ist qualitativ auch in diesem Ressort zwischen beiden Parteien kein Unterschied feststellbar. Beide Lager gehen von der irrigen Annahme aus, man könne Freiheit durch Unfreiheiten bewahren. Dazu bedient man sich der Maßnahmen, die in privaten Unternehmen bereits seit Jahren Realität sind. Was bei Lidl für Entrüstung sorgt, scheint für die "nationale Sicherheit" nicht bedenklich. Man kann durchaus von einer Privatisierung der Geisteshaltung sprechen. Man kopiert sich Abhör- und Kontrollmechanismen von diversen Unternehmen - Lidl ist ja kein Einzelfall - und versucht sie auf den Staat zu übertragen. Nicht jeder Staat ist im Keime Überwachungsstaat. Diese Modifizierung öffentlichen Denkens wird vorallem von der Privatwirtschaft beeinflußt. Dort bekommt die Öffentlichkeit zu sehen, wie man Mitarbeiter aushorcht, auf Bänder aufzeichnet, sie durchleuchtet. All das erscheint als Alternative für ein Staatswesen, dass sich selbst in einen stillen Krieg geworfen sieht. Eine Alternative, die vorgaukelt, man könne mit repressiven Mitteln, mit SA-Terror gegen Demonstranten, mit finanzieller Garrotte und eben mit prophylaktischer Nacktheit aller Bürger eine Freiheit bewahren, die zwar nie wirklich "frei" bedeutete, aber doch gerade immer soviel Raum zuließ, um damit das System als Narkotikum für weitergehende freiheitliche Bestrebungen zu nutzen.
Dieser ominöse Gesetzesentwurf ist natürlich nur ein Auswuchs "durchsichtigen Denkens", mit der unsere Zeit bestraft ist. Und nicht selten nimmt der Bürger selbst aktiv am Herunterziehen seiner Hosen teil. Müßte man aufreihen, in welchen Bereichen des alltäglichen Lebens das Individuum bereits zum Schauobjekt erniedrigt wurde, so wäre man sicher ausreichend beschäftigt. Die Aufzählung Christian Soeders kann somit nicht als komplett gelten, gibt aber eine konkreten Überblick über die Geisteshaltung innerhalb der Gesellschaft:
Die Überwachungspolitik macht den Totalitarismus des freien Marktes komplett, ergänzt den "totalen Krieg" für Profit und Unternehmertum und reiht das Individuum in eine Masse zu verwaltender Humaneinheiten ein. Der Individualismus wird zunehmend lauter zur Irrlehre vergangener Tage verklärt...
Freilich haben auch hier wieder Union und SPD zueinandergefunden; freilich ist qualitativ auch in diesem Ressort zwischen beiden Parteien kein Unterschied feststellbar. Beide Lager gehen von der irrigen Annahme aus, man könne Freiheit durch Unfreiheiten bewahren. Dazu bedient man sich der Maßnahmen, die in privaten Unternehmen bereits seit Jahren Realität sind. Was bei Lidl für Entrüstung sorgt, scheint für die "nationale Sicherheit" nicht bedenklich. Man kann durchaus von einer Privatisierung der Geisteshaltung sprechen. Man kopiert sich Abhör- und Kontrollmechanismen von diversen Unternehmen - Lidl ist ja kein Einzelfall - und versucht sie auf den Staat zu übertragen. Nicht jeder Staat ist im Keime Überwachungsstaat. Diese Modifizierung öffentlichen Denkens wird vorallem von der Privatwirtschaft beeinflußt. Dort bekommt die Öffentlichkeit zu sehen, wie man Mitarbeiter aushorcht, auf Bänder aufzeichnet, sie durchleuchtet. All das erscheint als Alternative für ein Staatswesen, dass sich selbst in einen stillen Krieg geworfen sieht. Eine Alternative, die vorgaukelt, man könne mit repressiven Mitteln, mit SA-Terror gegen Demonstranten, mit finanzieller Garrotte und eben mit prophylaktischer Nacktheit aller Bürger eine Freiheit bewahren, die zwar nie wirklich "frei" bedeutete, aber doch gerade immer soviel Raum zuließ, um damit das System als Narkotikum für weitergehende freiheitliche Bestrebungen zu nutzen.
Dieser ominöse Gesetzesentwurf ist natürlich nur ein Auswuchs "durchsichtigen Denkens", mit der unsere Zeit bestraft ist. Und nicht selten nimmt der Bürger selbst aktiv am Herunterziehen seiner Hosen teil. Müßte man aufreihen, in welchen Bereichen des alltäglichen Lebens das Individuum bereits zum Schauobjekt erniedrigt wurde, so wäre man sicher ausreichend beschäftigt. Die Aufzählung Christian Soeders kann somit nicht als komplett gelten, gibt aber eine konkreten Überblick über die Geisteshaltung innerhalb der Gesellschaft:
"Der Staat möchte per Online-Durchsuchung Zugriff haben auf Computer, Verbindungsdaten müssen sechs Monate lang gespeichert werden, Reisepässe gibt es nur noch mit Fingerabdrücken, die Kanzlerin fordert mehr Videoüberwachung öffentlicher Plätze, der Verteidungsminister möchte Flugzeuge mit Terroristen abschießen lassen, Kunden lassen sich bereitwillig anhand ihrer Payback-Karte durchleuchten, Kinder und Jugendliche machen sich im Internet in sozialen Netzwerken wie StudiVZ bereitwillig zum gläsernen Menschen, Firmen heuern Detektive an und lassen systematisch ihre Angestellten überwachen und ihr Privatleben analysieren."Das Ausschöpfen technischer Möglichkeiten gebiert eine Kontrollgläubigkeit, die es den Menschen förmlich aufnötigt, ihre Lebensdaten effizienter, sachgerechter und schneller abrufbar verwalten zu lassen. Gerade Privatinitiativen haben sämtliche Methoden der Überwachung und Verwaltung - die ja Hand in Hand gehen - forciert und sublimiert. Nun findet der Geist betriebswirtschaftlichen Orwellianismus in den öffentlichen Angelegenheiten seinen Raum. Passend zum betriebswirtschaftlichen Analysieren und der daraus resultierenden Reformitis. Es ist die Totalität privatwirtschaftlicher Unternehmen, die das Angesicht moderner Staaten prägen, sofern man das Erwirtschaften von Profiten zum dominierenden Wert desselbigen kürt. Einerseits der freie Markt, die von Unternehmen postulierte Freiheit; andererseits das strenge Regiment über das bezahlte Personal, die im Unternehmensinneren veranstaltete Diktatur. Zwei Gegensätze vereint im Universum betriebswirtschaftlicher Struktur und bei der Umstrukturierung der Gesellschaft; zwei Gegensätze, die den Menschen ein Ohnmachtsgefühl vermitteln, das unverblümt erkennen läßt, dass "das schlecht Gegebene" (Adorno) zum Dauerzustand der allüberwachten Gesellschaft werden wird, in mannigfachen Bereichen schon ist. Die Kunst derer, die orwellianischen Dystopien zur Realität verhelfen wollen, besteht darin, die Überwachung und die dauernde Kontrolle den Menschen schmackhaft zu machen, sie förmlich dahin zu drängen, überwacht werden zu wollen. Hierin wirken privatwirtschaftliche Medienunternehmen, die vollkommen entfesselt Thesen umwerben, die man zu sogenannten Reformen umgesetzt wissen will.
- Christian Soeder, "Die totale Überwachung" -
Die Überwachungspolitik macht den Totalitarismus des freien Marktes komplett, ergänzt den "totalen Krieg" für Profit und Unternehmertum und reiht das Individuum in eine Masse zu verwaltender Humaneinheiten ein. Der Individualismus wird zunehmend lauter zur Irrlehre vergangener Tage verklärt...
2 Kommentare:
BKA-Novelle: Paragraph 20h zur Wohnraumüberwachung:
"Das Bundeskriminalamt kann zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen 1. das nicht öffentlich gesprochene Wort einer Person abhören und aufzeichnen (...)
2. Lichtbilder und Bildaufzeichnungen über diese Person herstellen, wenn die Abwehr der Gefahr auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre (...)
In Wohnungen anderer Personen ist die Maßnahme nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
1. sich eine in Absatz 1 genannte Person dort aufhält und
2. die Maßnahme in der Wohnung einer in Absatz 1 genannten Person allein nicht zur Abwehr der Gefahr nach Absatz 1 führen wird.
Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden."
Da liest man raus, dass auch Wohnungen von Nicht-Verdächtigen überwacht werden dürfen. Das ist schlimmste StaSi.
Vor allem wird in Zusammenhang mit dem kürzlich veröffentlichten "EU Terrorism Situation and Trend Report", dem "Bericht über die Lage und die Entwicklung von Terrorismus in der EU", (TESAT) eine Ausweitung der "Kompetenzen" der Polizeibehörde und damit einhergehend ein europaweiter Abbau demokratischer Rechte - wie hierzulande mit der Verschärfung des "BKA Gesetzes" - gefordert. Was sonst. Freace setzt sich mit dem eigentlichen Sinn des Berichtes und den genannten Zahlen auseinander. Ein Beispiel für die Seriösität des TESAT- Berichtes:
"Als herausragend ist aber in dieser ganzen Liste zweifelsohne der einzige gemeldete Fall in der Kategorie "Einzelthemen-Terrorismus". Dabei stufte Portugal die Zerstörung einer Feldfläche von über einem Hektar an genverändertem Mais durch über 100 Menschen als "Terrorismus" ein."
Das sagt eigentlich alles. Auch darüber, daß gegen einen europaweiten Angriff auf bürgerlich demokratische Rechte auch europaweit protestiert werden muss.
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