Über Fließbandbabys

Samstag, 4. Oktober 2008

"Auf dem Markt, auf dem Arbeitsmarkt trägt der Arbeiter seine Arbeitskraft zu Markte. Auf dem Arbeitsmarkt platzieren wir den Unternehmer wie er von einem Arbeitsmarktstand zum anderen geht und Arbeitskraft einkauft. Da sehen wir den Unternehmer wie er die Ware prüft. Ob sie auch kräftig ist? Ob sie auch kein Großmaul ist? Ob sie auch nicht verbraucht ist? Ob sie auch nicht über 50 ist? Ob sie auch schön frisch ist?"

So beginnt das Lied "Auf dem Arbeitsmarkt" vom Album "Profitgeier" der Band Floh de Cologne. Zur fruchtbaren Verquickung von Musik und Politik.

Die deutsche Krautrockband Floh de Cologne wurde im Januar 1966 von Kölner Studenten gegründet. Ähnlich wie die Ton Steine Scherben verbanden Floh de Cologne ihre Musik von Anfang an mit linkspolitischen und sozialkritischen Inhalten. Sie machten auf menschenverachtende Zustände des Kapitalismus aufmerksam und verstanden es mit gekonnt rhetorischen Texten, die Menschen zum Nachdenken anzuregen: "Der Unternehmer heißt Unternehmer weil er etwas unternimmt. Der Arbeiter heißt Arbeiter, weil er arbeitet. Würden die Arbeiter was unternehmen, müssten die Unternehmer arbeiten".

Das TINA-Prinzip (there is no alternative) prägt mittlerweile nicht nur das Denken vieler Politiker in Deutschland, sondern auch viele bürgerlich angehauchte Kulturschaffende. In Opern und Theatern werden die Zauberflöte, Faust oder Parzival immer und immer wieder inszeniert. Es werden Hunderte Komödien und Dramen nach Schema F vorgeführt. Und am Ende erwartet uns stets eine Moral, die uns bestenfalls amüsiert – jedoch den Status Quo nicht antastet. Wenn Floh de Cologne in ihrem Lied "Fließbandbaby" davon singen, dass sie nicht immer arbeiten, heiraten, Fernsehen gucken, ein Auto kaufen, ein Haus bauen oder den Haushalt machen möchten – zeigen sie dem System den Mittelfinger. Denn erst dann, tun sich echte (Lebens-)Alternativen auf.

Auch wenn diese Band, die sich 1983 schon auflöste, mittlerweile gute 40 Jahre alt ist und ihre Musik etwas angestaubt und altbacken wirkt, sind ihre Texte erfrischend und hochaktuell: "Dass, was man bei uns hier Freiheit nennt, das hat man nur nach Feierabend". Es ist eine wahre Freude endlich wieder einmal authentische und glaubwürdige Musik, die eine Botschaft besitzt, zu hören. Sie zeigen auf, dass Musik mehr als Selbstzweck und Konsumgut sein kann. Mehr als ein riesiges Geschäft. Mehr als MTV, VIVA, "Deutschland sucht den Superstar" oder diverse Radiosender, die den Hörer mit Werbung zum Ohrenbluten bringen. Kurz gesagt: Floh de Cologne sind eine leuchtende Fackel, im kulturimperialistischen Einheitsbrei der jeden Tag durch sämtliche Medien auf uns niederprasselt. Denn: warum soll "die Luft nicht denen gehören, die sie atmen?"

Dies ist ein Gastbeitrag von Markus Vollack aka Epikur.

2 Kommentare:

Anonym 4. Oktober 2008 um 19:28  

>>die den Hörer mit Werbung zum Ohrenbluten bringen<<
--> die den Hörer mit Dumm-Dudel, Dumm-Schwafel, Dumm-Claims (der beste Mix, die besten Hits, etc.), Dumm-Werbung zum Ohrenbluten bringen.

Anonym 4. Oktober 2008 um 19:33  

Mag schon sein, dass "Floh de Cologne" eine Band ist, die sich weitgehend dem neoliberalen Mainstream entzogen hat, da die sich schon frühzeitig aufgelöst hat, was aber dem Konsum deren Lieder, und deren Aktualität, keinen Abbruch getan hat, aber vergeßt ihr nicht, dass es auch heute wieder solche Bands gibt, die sich nicht dem Kommerz beugen bzw. etwas aussagen wollen.

Nur zwei Beispiele von vielen die ihr unerwähnt laßt, die altbekannte Band "Abwärts", die eine neue sozialkritische Scheibe aufgelegt hat mit dem Titel "Rom" , und "Übermutter" mit dem ironischen Albumtitel "Unheil", erwachsen geworden, und besser bekannt als Lucilectric (mit dem damaligen Song "Mädchen"). Was übrigens "Übermutter" angeht - ich schreib nicht umsonst erwachsen geworden, die räumt ironisch-zynisch mit allen Werten auf, die die vielleicht einmal als "Mädchen" vertreten mußte....

Gruß
Nachdenkseiten-Leser

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