Die blockierte Drehtüre ist ein Notausgang
Montag, 13. Oktober 2014
In der »Frankfurter Allgemeinen« ist man empört. Mal wieder. Diesmal geht es um die Karenzzeit, die frisch geschasste Politiker temporär von einflussreichen Posten in der Wirtschaft fernhalten soll. Sie sei als nicht demokratisch anzusehen. Mindestens. Dieses süße Lebensgefühl der gut geschmierten Drehtüre, steht für Funktionäre jetzt auf dem Spiel. Jede noch so zaghafte Regulierung lehnen konservative Meinungsmacher natürlich ab. Sie können sich wohl ein Leben ohne Drehtüre gar nicht vorstellen.
Das war doch stets so eine schöne Synthese, oder nicht? Man machte Politik und landete dann in einem Unternehmen, das von dieser Politik profitierte. Dieses Geschäftsmodell hatte sich etabliert. Wurde Lebensart für die Leistungsträger, nicht wahr? Und jeder hatte angeblich was davon. Man tauschte nur Know-How. Also alles ganz vernünftig und seriös. Warum also reglementieren, was richtig war? Interessenskonflikte? Ach was, das wischt von Altenbockum von der »Frankfurter Allgemeinen« als Lappalie weg. Die Berufsfreiheit wiege nämlich mehr als alles andere. Wer Politikern die verwährt, der begehe Diskriminierung und sei gewissermaßen kein Demokrat mehr. Die Diktatur zieht mal wieder herauf. Sie zieht immer herauf, wenn die Klientel, für die diese Werbetexter des Elitarismus öffentlich Meinung ergreifen, mal Pfründe abgeben oder einschränken soll. Da sind dann plötzlich diejenigen keine Demokraten mehr, die bloß wollen, dass die, die die Demokratie als Drehtüre missbrauchen, es künftig schwerer haben.
Die ganze Empörung, die von Altenbockum da abfasste, strotzt nur so vor Bockmist. Mit Berufsfreiheit hat dieser Diskurs zum Beispiel äußerst wenig zu tun. Keiner verbietet ausgeschiedenen Politikern, weiterhin irgendwo als Funktionär tätig zu sein. Aber wer als Innenminister biometrische Pässe einführt und danach in einem Unternehmen sitzt, das solche Pässe im Regierungsauftrag fertigt, der hat ja nicht einfach nur einen Beruf ergriffen. Zu Beginn seines Textes entschuldigt er Leute wie Bahr, Niebel und Pofalla noch damit, dass ja letztlich alle Bürger wandelnde Interessenskonflikte seien. Am Ende behauptet er jedoch, dass Politiker gewählt wurden, weil man ihnen zutraut, dass sie Interessen objektiv verwalten könnten. Wie übrigens jeder unbescholtene Bürger auch. Was jetzt? Sind wir alle nicht fähig zur Trennung von Amt und Interesse oder dann doch? Und falls wir es nicht sind, falls wir wirklich alle wandelnde Interessenskonflikte sind: Wäre dann eine Karenzzeit nicht sogar unbedingt notwendig? Als Schutz des demokratischen Gedankens vor der Schwäche der Menschen gewissermaßen? Überhaupt seien Politiker heute Untertanen. Man hat den Eindruck, dass er »Untertanen« schrieb, weil ihm »Opfer« gerade nicht einfiel. Solche Gedankenansätze kommen heraus, wenn man sich intellektuell völlig aufgegeben hat. Oder wenn man meint, einem schwimmen gleich die Felle davon.
Jeder andere Berufsstand, so weiß er außerdem, würde nicht so behandelt. Aber das ist natürlich auch nur die halbe Wahrheit. Hat der Mann schon mal was von einem »nachvertraglichen Wettbewerbsverbot« gehört? Dabei erlegt man einen ehemaligen Arbeitnehmer auf, dass er nicht in Konkurrenz (ob nun selbstständig oder als Angestellter) zu seinem ehemaligen Dienstherrn tritt. So selten kommen solche Klauseln in Arbeitsverträgen gar nicht vor. In bestimmten Branchen sind sie Usus. Aber selbst nichtige Jobs können davon betroffen sein.
Als ich mal für einen Pizza-Service fuhr, beinhaltete der Arbeitsvertrag diesen Passus. Auf Nachfrage bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht wurde mir bestätigt, dass das zwar albern sei, weil der ehemalige Arbeitgeber wohl kaum die Einhaltung überprüfen könne - aber grundsätzlich sei das in Ordnung und komme nicht selten vor. Wahrscheinlich befürchtete die Geschäftsführerin, ich würde ihr Teigrezept einem Konkurrenten mitteilen oder Kundendaten mitnehmen. Auch wenn dieses Motiv dem überhöhten Geltungsdrang einer kleinen Pizza-Klitsche geschuldet war, so zeigt es doch ganz gut, warum es bei diesem Wettbewerbsverbot geht: Um den Schutz vor Interna. Um eine Abschirmung gegen Ausplaudern. Und genau das ist auch das Motiv der Karenzzeit. Die blockierte Drehtüre ist also nur auch nur ein Notausgang, der aus diesem Dilemma der Vermischung von Mandat und Wirtschaftsinteressen führt.
Daraus eine gruppenspezifische Benachteiligung oder Herabwürdigung zu konstruieren, ist schon eine komische Nummer. Der Mann diskriminiert seit Jahren Arbeitslose und Ausländer, gab letzteren zum Beispiel sogar eine Mitschuld an der NSU-Mordserie, weil mangelnder Integrationswillen auch seinen Teil dazu beigetragen hätte, dass es so weit kommen musste - tut jetzt aber so, als gehe es Ex-Politikern besonders schlecht. Das erinnert alles so an die Tea-Party-Bewegung. Die erklärt die Welt auch so, dass die eigentlichen Opfer die sind, die Geld und Einfluss haben. Ständig müssten diese besseren Menschen sich der Tyrannis der Demokratie beugen.
Dabei sind die Pläne zur Karenzzeit noch sehr moderat. 18 Monate Wartezeit sind nicht viel. Wahrscheinlich sind nach dieser Zeit die Beziehungen noch nicht völlig verebbt. Und die Interna noch nicht veraltet. Das Doppelte an Zeit hätte es schon sein dürfen. Außerdem muss geregelt werden, wie man bei einem Verstoß gegen eine Karenzregelung vorgehen möchte. Das Erlöschen sämtlicher Pensionsansprüche wäre ja wohl das Mindeste. Diese Leute, die öffentliche Ämter dazu benutzen, um sich für die Wirtschaft in Stellung zu bringen, gehören nämlich nicht mit Freiheitsrhetorik zu Opfern erklärt. Man muss deutlich machen, dass sie die Korruption befördern und wirtschaftskriminell verfahren. Wer das verklärt, ist nichts weiter, als der publizistische Tintenknecht einer wirtschaftskriminellen Fraktion.
Die ganze Empörung, die von Altenbockum da abfasste, strotzt nur so vor Bockmist. Mit Berufsfreiheit hat dieser Diskurs zum Beispiel äußerst wenig zu tun. Keiner verbietet ausgeschiedenen Politikern, weiterhin irgendwo als Funktionär tätig zu sein. Aber wer als Innenminister biometrische Pässe einführt und danach in einem Unternehmen sitzt, das solche Pässe im Regierungsauftrag fertigt, der hat ja nicht einfach nur einen Beruf ergriffen. Zu Beginn seines Textes entschuldigt er Leute wie Bahr, Niebel und Pofalla noch damit, dass ja letztlich alle Bürger wandelnde Interessenskonflikte seien. Am Ende behauptet er jedoch, dass Politiker gewählt wurden, weil man ihnen zutraut, dass sie Interessen objektiv verwalten könnten. Wie übrigens jeder unbescholtene Bürger auch. Was jetzt? Sind wir alle nicht fähig zur Trennung von Amt und Interesse oder dann doch? Und falls wir es nicht sind, falls wir wirklich alle wandelnde Interessenskonflikte sind: Wäre dann eine Karenzzeit nicht sogar unbedingt notwendig? Als Schutz des demokratischen Gedankens vor der Schwäche der Menschen gewissermaßen? Überhaupt seien Politiker heute Untertanen. Man hat den Eindruck, dass er »Untertanen« schrieb, weil ihm »Opfer« gerade nicht einfiel. Solche Gedankenansätze kommen heraus, wenn man sich intellektuell völlig aufgegeben hat. Oder wenn man meint, einem schwimmen gleich die Felle davon.
Jeder andere Berufsstand, so weiß er außerdem, würde nicht so behandelt. Aber das ist natürlich auch nur die halbe Wahrheit. Hat der Mann schon mal was von einem »nachvertraglichen Wettbewerbsverbot« gehört? Dabei erlegt man einen ehemaligen Arbeitnehmer auf, dass er nicht in Konkurrenz (ob nun selbstständig oder als Angestellter) zu seinem ehemaligen Dienstherrn tritt. So selten kommen solche Klauseln in Arbeitsverträgen gar nicht vor. In bestimmten Branchen sind sie Usus. Aber selbst nichtige Jobs können davon betroffen sein.
Als ich mal für einen Pizza-Service fuhr, beinhaltete der Arbeitsvertrag diesen Passus. Auf Nachfrage bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht wurde mir bestätigt, dass das zwar albern sei, weil der ehemalige Arbeitgeber wohl kaum die Einhaltung überprüfen könne - aber grundsätzlich sei das in Ordnung und komme nicht selten vor. Wahrscheinlich befürchtete die Geschäftsführerin, ich würde ihr Teigrezept einem Konkurrenten mitteilen oder Kundendaten mitnehmen. Auch wenn dieses Motiv dem überhöhten Geltungsdrang einer kleinen Pizza-Klitsche geschuldet war, so zeigt es doch ganz gut, warum es bei diesem Wettbewerbsverbot geht: Um den Schutz vor Interna. Um eine Abschirmung gegen Ausplaudern. Und genau das ist auch das Motiv der Karenzzeit. Die blockierte Drehtüre ist also nur auch nur ein Notausgang, der aus diesem Dilemma der Vermischung von Mandat und Wirtschaftsinteressen führt.
Daraus eine gruppenspezifische Benachteiligung oder Herabwürdigung zu konstruieren, ist schon eine komische Nummer. Der Mann diskriminiert seit Jahren Arbeitslose und Ausländer, gab letzteren zum Beispiel sogar eine Mitschuld an der NSU-Mordserie, weil mangelnder Integrationswillen auch seinen Teil dazu beigetragen hätte, dass es so weit kommen musste - tut jetzt aber so, als gehe es Ex-Politikern besonders schlecht. Das erinnert alles so an die Tea-Party-Bewegung. Die erklärt die Welt auch so, dass die eigentlichen Opfer die sind, die Geld und Einfluss haben. Ständig müssten diese besseren Menschen sich der Tyrannis der Demokratie beugen.
Dabei sind die Pläne zur Karenzzeit noch sehr moderat. 18 Monate Wartezeit sind nicht viel. Wahrscheinlich sind nach dieser Zeit die Beziehungen noch nicht völlig verebbt. Und die Interna noch nicht veraltet. Das Doppelte an Zeit hätte es schon sein dürfen. Außerdem muss geregelt werden, wie man bei einem Verstoß gegen eine Karenzregelung vorgehen möchte. Das Erlöschen sämtlicher Pensionsansprüche wäre ja wohl das Mindeste. Diese Leute, die öffentliche Ämter dazu benutzen, um sich für die Wirtschaft in Stellung zu bringen, gehören nämlich nicht mit Freiheitsrhetorik zu Opfern erklärt. Man muss deutlich machen, dass sie die Korruption befördern und wirtschaftskriminell verfahren. Wer das verklärt, ist nichts weiter, als der publizistische Tintenknecht einer wirtschaftskriminellen Fraktion.
2 Kommentare:
In Osteuropa und Russland verläuft der Weg andersherum. Von der Wirtschaft in die Politik.
So etwas nennt man hier wieder "Korruption"...
ich habe nichts davon.
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