Der Plan
Freitag, 24. Oktober 2014
Der Streik der Lokführer ist ein glänzendes Beispiel dafür, wie diese Gesellschaft mit dem reibungslosen Ablauf des Alltagsgeschäfts umgeht. Ist der auch nur für einige Tage behindert, rollen ganz große Geschütze zum Erhalt der Störfreiheit an. Selbst demokratische (Grund-)Rechte ist man bereit aufzugeben.
Diese Gesellschaft liebt ihre Routine. Die Tretmühle, die jeden Arbeitstag gleich ablaufen lässt. Da weiß man gleich, was man hat. Alles geht glatt, man muss geistig nicht flexibel sein und ruht sich in der Struktur der Wiederholung aus. Das ist an sich ja auch nicht schlecht. Gewohnheit tut gut. Gibt Sicherheit. Nur gibt es im Leben keine Garantien. Für so gut wie nichts. Manchmal kann die Routine nicht eingehalten werden. Dann verkleistert die Tretmühle. Nichts mehr klappt wie am Schnürchen. Es gibt Zwischenfälle, die es im menschlichen Miteinander geben kann, weil es nicht kalkulierbar ist.
Diesen Umstand muss der Mensch hinnehmen. Er muss hinnehmen, dass er keinen Anspruch auf absolute Reibungslosigkeit hat. Eine Gesellschaft kann zwar weitestgehend ihren gewohnten Trott einhalten, aber hin und wieder bricht er auf. Sinnvoll wäre es, mit diesen Einschnitten cool umzugehen. Wenn man sich vor Augen führt, dass es die vollkommene Planbarkeit nicht gibt, kann man abgeklärt und gelassen an die Sache rangehen. Wenn nicht, droht wütender Aktionismus.
Diese Gesellschaft scheint sich tatsächlich des Anspruchs verschrieben zu haben, dass alles bis in die kleinste Nische planbar zu sein hat. Tag für Tag. Jeden Monat. 365 Tage lang. Immer derselbe Schematismus. Die Effizienzmaschine brummt. Die Gewohnheit scheint ein Grundrecht zu sein. Denn in dem Augenblick, wo der Plan durchbrochen wird, mal etwas nicht so klappt, wie man es gewohnt ist, fährt der öffentliche Diskurs schwere Geschütze auf. Dann geht es immer um die Deinstallation von demokratischen Spielregeln. Um Beschneidung von Rechten zur Wahrung einer Monotonie, die die herrschenden materiellen Verhältnisse entworfen haben.
Natürlich kann man verstehen, dass viele Menschen erzürnt sind, wenn ihr Trott unterbrochen wird. Sie brauchen ihn. Viele Lebensentwürfe sind heute maßgeschneidert. Durchstrukturiert. Wenn nur eine tägliche Verrichtung nicht im Soll bleibt, purzeln alle anderen Komponenten durcheinander und der Tag wird ein Terminchaos. Familien leben nach Stundenplan. Und es ist lästig, wenn er nicht eingehalten werden kann. Dennoch sind Forderungen, die mit allen Mitteln die Einhaltung der Struktur in den Mittelpunkt stellen, völlig überzogen und gefährlich.
Dass man die Demokratie gegen die Ökonomie auswechseln will, ist ja kein Geheimnis mehr. Wir wissen mittlerweile, dass die Demokratie marktkonform zu sein hat. Aber man darf sich heute nicht mehr vorstellen, dass Konzernbosse und Politiker alleine an dieser Neuausrichtung arbeiten und das Volk nur zusieht. Gerade solche Ereignisse wie Streiks, die auch immer Eingriffe ins Leben von Kunden und Unbeteiligten sind, zeigen auf, dass die Ökonomie auch das Denken ganz unbedarfter Bürger bestimmt. Auch sie beteiligen sich mit an den demokratischen Abrissarbeiten. Ihre Denkweise ist so weit gereift, dass sie ökonomische Lösungen von gesellschaftlichen Fragen demokratischen vorziehen. Und plötzlich debattieren sie über das Streikrecht.
Alle, die den Ablauf stören, sollten demnach auf die Ökonomie verpflichtet werden. Hauptsache, der Laden läuft weiter wie gehabt. Immer weiter. Ohne Unterbrechung. Demokratie ist zuweilen ein unkalkulierbarer Faktor. Die Denkweise, die die Flexibilisierung der Lebensrealität den Menschen eingepflanzt hat, ist nicht nur demokratiezersetzend, sondern auch unsolidarisch. Streikende und die Benachteiligten des Streiks, die ökonomisch betrachtet im gleichen Boot sitzen, verbindet nur noch wenig miteinander. Heute solidarisiert man sich mit dem Trott, der einen bestimmt. Der ist der Nächste. Und dann kommen Sätze dabei heraus wie: »Es gibt kein Recht, andere Menschen zu terrorisieren.«
Wo alle ihrem lückenlosen Ablauf nachlaufen, bleibt keine Zeit mehr, sich mit der Situation anderer auseinanderzusetzen. Es gibt nur noch das eine Ziel: Erledigung der Planung. Und da der Plan so vollgepackt ist, kann man nichts noch so Demokratisches akzeptieren, das die straffe Lebensplanung irgendwie aus dem Takt bringen lassen könnte. Das ist unsere Art zu Leben geworden. Der Plan unserer Existenz. Gerechtigkeitsfragen haben genau deshalb keinen Auftrieb. Das sieht man ganz besonders an den Debatten über die Streikmoral. Gerechtigkeit ist ja keine ökonomische Maßeinheit. Sie kostet eher Zeit. Ist aufwändig. Lästig. Störend. Gerechtigkeit kann man durchaus als nicht effizient einstufen.
Wir haben es nicht nur ständig eilig. Wir vergessen auch in der Eile, was einer Gesellschaft wichtig sein sollte. In der Eile ist die Ökonomie die sicherere Lösung. Denn sie verspricht eine gewisse Ordnung. Die Demokratie ist hingegen ein potenzieller Gefährder. Sie rüttelt manchmal am Plan. An den der Leute und an den, den diese schöne neue Ökonomie die Menschen als alternativlos aufzwingt. Nur die Entschleunigung demokratisiert. Aber wer hat heute noch die Zeit, das Gaspedal seines Lebens nicht ganz durchzudrücken?
Diese Gesellschaft liebt ihre Routine. Die Tretmühle, die jeden Arbeitstag gleich ablaufen lässt. Da weiß man gleich, was man hat. Alles geht glatt, man muss geistig nicht flexibel sein und ruht sich in der Struktur der Wiederholung aus. Das ist an sich ja auch nicht schlecht. Gewohnheit tut gut. Gibt Sicherheit. Nur gibt es im Leben keine Garantien. Für so gut wie nichts. Manchmal kann die Routine nicht eingehalten werden. Dann verkleistert die Tretmühle. Nichts mehr klappt wie am Schnürchen. Es gibt Zwischenfälle, die es im menschlichen Miteinander geben kann, weil es nicht kalkulierbar ist.
Diesen Umstand muss der Mensch hinnehmen. Er muss hinnehmen, dass er keinen Anspruch auf absolute Reibungslosigkeit hat. Eine Gesellschaft kann zwar weitestgehend ihren gewohnten Trott einhalten, aber hin und wieder bricht er auf. Sinnvoll wäre es, mit diesen Einschnitten cool umzugehen. Wenn man sich vor Augen führt, dass es die vollkommene Planbarkeit nicht gibt, kann man abgeklärt und gelassen an die Sache rangehen. Wenn nicht, droht wütender Aktionismus.
Diese Gesellschaft scheint sich tatsächlich des Anspruchs verschrieben zu haben, dass alles bis in die kleinste Nische planbar zu sein hat. Tag für Tag. Jeden Monat. 365 Tage lang. Immer derselbe Schematismus. Die Effizienzmaschine brummt. Die Gewohnheit scheint ein Grundrecht zu sein. Denn in dem Augenblick, wo der Plan durchbrochen wird, mal etwas nicht so klappt, wie man es gewohnt ist, fährt der öffentliche Diskurs schwere Geschütze auf. Dann geht es immer um die Deinstallation von demokratischen Spielregeln. Um Beschneidung von Rechten zur Wahrung einer Monotonie, die die herrschenden materiellen Verhältnisse entworfen haben.
Natürlich kann man verstehen, dass viele Menschen erzürnt sind, wenn ihr Trott unterbrochen wird. Sie brauchen ihn. Viele Lebensentwürfe sind heute maßgeschneidert. Durchstrukturiert. Wenn nur eine tägliche Verrichtung nicht im Soll bleibt, purzeln alle anderen Komponenten durcheinander und der Tag wird ein Terminchaos. Familien leben nach Stundenplan. Und es ist lästig, wenn er nicht eingehalten werden kann. Dennoch sind Forderungen, die mit allen Mitteln die Einhaltung der Struktur in den Mittelpunkt stellen, völlig überzogen und gefährlich.
Dass man die Demokratie gegen die Ökonomie auswechseln will, ist ja kein Geheimnis mehr. Wir wissen mittlerweile, dass die Demokratie marktkonform zu sein hat. Aber man darf sich heute nicht mehr vorstellen, dass Konzernbosse und Politiker alleine an dieser Neuausrichtung arbeiten und das Volk nur zusieht. Gerade solche Ereignisse wie Streiks, die auch immer Eingriffe ins Leben von Kunden und Unbeteiligten sind, zeigen auf, dass die Ökonomie auch das Denken ganz unbedarfter Bürger bestimmt. Auch sie beteiligen sich mit an den demokratischen Abrissarbeiten. Ihre Denkweise ist so weit gereift, dass sie ökonomische Lösungen von gesellschaftlichen Fragen demokratischen vorziehen. Und plötzlich debattieren sie über das Streikrecht.
Alle, die den Ablauf stören, sollten demnach auf die Ökonomie verpflichtet werden. Hauptsache, der Laden läuft weiter wie gehabt. Immer weiter. Ohne Unterbrechung. Demokratie ist zuweilen ein unkalkulierbarer Faktor. Die Denkweise, die die Flexibilisierung der Lebensrealität den Menschen eingepflanzt hat, ist nicht nur demokratiezersetzend, sondern auch unsolidarisch. Streikende und die Benachteiligten des Streiks, die ökonomisch betrachtet im gleichen Boot sitzen, verbindet nur noch wenig miteinander. Heute solidarisiert man sich mit dem Trott, der einen bestimmt. Der ist der Nächste. Und dann kommen Sätze dabei heraus wie: »Es gibt kein Recht, andere Menschen zu terrorisieren.«
Wo alle ihrem lückenlosen Ablauf nachlaufen, bleibt keine Zeit mehr, sich mit der Situation anderer auseinanderzusetzen. Es gibt nur noch das eine Ziel: Erledigung der Planung. Und da der Plan so vollgepackt ist, kann man nichts noch so Demokratisches akzeptieren, das die straffe Lebensplanung irgendwie aus dem Takt bringen lassen könnte. Das ist unsere Art zu Leben geworden. Der Plan unserer Existenz. Gerechtigkeitsfragen haben genau deshalb keinen Auftrieb. Das sieht man ganz besonders an den Debatten über die Streikmoral. Gerechtigkeit ist ja keine ökonomische Maßeinheit. Sie kostet eher Zeit. Ist aufwändig. Lästig. Störend. Gerechtigkeit kann man durchaus als nicht effizient einstufen.
Wir haben es nicht nur ständig eilig. Wir vergessen auch in der Eile, was einer Gesellschaft wichtig sein sollte. In der Eile ist die Ökonomie die sicherere Lösung. Denn sie verspricht eine gewisse Ordnung. Die Demokratie ist hingegen ein potenzieller Gefährder. Sie rüttelt manchmal am Plan. An den der Leute und an den, den diese schöne neue Ökonomie die Menschen als alternativlos aufzwingt. Nur die Entschleunigung demokratisiert. Aber wer hat heute noch die Zeit, das Gaspedal seines Lebens nicht ganz durchzudrücken?
10 Kommentare:
Natürlich kann man verstehen, dass viele Menschen erzürnt sind, wenn ihr Trott unterbrochen wird.
Was in meinem Fall bedeutete, dass ich 15 KM durch die Nacht marschieren durfte um nach Hause zu kommen.
Die perfekte Gesellschaft hat sich nur noch ihrem selbst ausgeklügelten System unterzuordnen, welches aber längst eine unkontrollierte Eigendynamik entwickelt hat. Der Sklave Mensch, der seine Menschlichkeit opfert für den Erhalt des
Systems...
Wenn der DGB, eine tatsächliche Interessentenmeldung, seiner Mitglieder wäre, so wäre es NIE zu der nun notwendigen Bildung, von wirklichen Interessen Vertretungen gekommen. Das es natürlich, mit kleineren Berufsgruppen, die an Schaltstellen arbeiten anfängt, ist nur logisch.Ein Beispiel aus der Stahlindustrie, in Zeiten wo die Stahlkonzerne fette Gewinne einfahren, führt die IG Metall, NIE Tarifverhandlungen, sie warten immer eine Delle ab, um Im großen Chor, mit Regierung, Unternehmen, und gleich-geschalteten Medien, ihren Mitgliedern, zu sagen, leider könne man nicht viel Erreichen, da es den Unternehmen nicht gut ginge, dann werden Tarifabschlüsse abgeschlossen, die eine stetige Umverteilung, von UNTEN nach OBEN gewährleisten.
Unser Wirtschafts-und Gesellschaftssystem ist vertikal und horizontal vollständig durch Korruption vernetzt, da man mit Geld alles bewegen kann. Der anonyme Poster von 9:50Uhr richtet ganz wie geplant seine Wut auf den streikenden Lokführer und nicht auf ein Wirtschaftssystem, in dem längst auch die Gewerkschaften Teil des Systems sind und in dem es für "flexible Beschäftigungsverhältnisse" längst eine Selbstverständlichkeit ist, dass Arbeitsplatz und bezahlbare Wohnung weiß Gott wie weit von einander entfernt sind. Leid tut mir solcher Ärger dennoch, aber kaum jemand kapiert noch, um was es den "interessierten Kreisen" in Wirklichkeit geht, und weswegen die folgsame Journaille gleich brav den Ruf nach erforderlichen Maßnahmen zur Rettung des Landes skandiert und dabei von entweder grenzdebilen oder gekauften "Stimmen aus dem Volke" unterstützt wird.
DIVIDE ET IMPERA ist so ungeheuer alt, und doch haben es die Entsolidarisierten und die Beherrschten immer noch nicht kapiert. Es ist kaum zu fassen!
Zitat: Was in meinem Fall bedeutete, dass ich 15 KM durch die Nacht marschieren durfte um nach Hause zu kommen.
Die Bahn hat Notfallpläne erstellt, man wusste im Voraus von dem Streik... und in der größten Not hat man evtl. auch noch Freunde, Verwandte oder sonst was, die einen nicht nachts 15 km durch die gegend laufen lassen.
Sorry...die Aussage gilt nicht! ;)
Tja, mein Mitleid hält sich in Grenzen, es hält ja gesund.
Ich schlage vor, selber mal zu streiken, so daß es weh tut, auf daß die Lohntüte auch mal eine Taxifahrt erlaubt.
Die großen Gewerkschaften haben sich über Jahrzehnte hinweg ganz klein mit Hut machen lassen. Nun versuchen kleine Gewerkschaften, in ihrer Wirkung groß zu werden.
Die großen sollten sich mal wieder in Solidarität üben!
Stattdessen muß ich inzwischen sogar um die französischen Gewerkschaften fürchten, daß sie marktkonform werden...
Leider kapiert der deutsche Bildzeitungspöbel wieder mal nicht,
dass die Lokführer nicht nur für sich selbst, sondern stellvertretend für alle Arbeitnehmer streiken. Auf eine marktkonforme Demokratie ist nämlich geschissen!
Das Geld, das die Bahn AG ihren schmarotzenden Aktionären in ihren gierigen Hals schüttet, sollten sie besser den jenigen geben, die tagtäglich die echte Arbeit leisten.
Übrigens:
Meines Erachtens ist die Art und Weise wie hier gestreikt wird noch viel zu sanft und wenig überzeugend.
Es sollte von Montag bis Freitag durchgehend getreikt werden, wie schnell würden da die vollgefressenen
Bahnvorstände einlenken- einen Versuch wärs wert!
ANMERKER MEINT
Das Schweigen des DGB und seiner Gewrkschaften ist mehr als beredt. Zeigt es doch, wie sytemkonform DGB und Konsorten sind. Es geht ihnen nicht um die Sache sondern um die AlleinHerrschaft, und zwar im Sinne des Systems. Sonst würden sie schon längst für die Abschaffung von Hartz IV gekämpft haben, von dem notwendigen Kampf für die 30StundenWoche ganz abgesehen. Wahrhafte Solidarität ist für diese Funktionärsclique inzwischen zu einem Fremdwort verkommen!
MEINT ANMERKER
nun soielt die beamtenbund-mausi, welche sich einen gewerkschaftswettstreit mit einer großen gewerkschaft leisten nicht als helden hoch! vor einigen jahrne waren die alle noch beamte, cdu-nah imn beamtenbund und gegen jede veränderung, auch direktdemokratischer art einegstellt!gewerkschaft der lokführer bedeutet gewerkschaft für lokführer, nicht für die klo-frau!die tatsache, dass diese gesellschaft nicht besonders streitfreudig ist, da habt ihr leider mit recht! deshalb wid immer noch ohne ende verbeamtet, auch direkte demokratie ist bundesweit noch ein fremdwort!
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