Sorry Malala, es geht nicht gegen dich!

Freitag, 31. Oktober 2014

Mal nur so ein Beispiel. Vor einigen Wochen bekam unter anderem Malala den Friedensnobelpreis. Die Entscheidung geht in Ordnung. Kein Vergleich zu Kissinger, Obama oder die EU. Aber dann kam die mediale Schau. Übertreibungen reihten sich an hochtrabenden Berichten. »Das mutigste Mädchen der Welt«, schrieb eine Zeitung. »So tapfer ist sie!« Und im Radio verströmten sie Ehrfurcht. Was die Kleine schon alles durchmachen musste, was sie leistet, wie unglaublich übermenschlich sie doch ist. Wie gesagt, das stimmt sicherlich mehr oder weniger alles. Aber was tue ich? Ich winke ab, nehme es nicht mehr ernst, wende mich ab, schalte weg und frage mich: Was geht mich das alles an? Und ehe ich mich versehe, desinteressiere ich mich.

Ähnlich bei Ebola. Es gibt sicherlich Grund zur Sorge. Gibt es immer. Man dürfte es vermutlich nicht runterspielen. Aber dann sehe ich, was die Medien daraus machen. Sie entfesseln einen Hype. Schüren Angst. Dazu ein ordentlicher Schuss Emotion und alle Welt ebolarisiert. Ich müsste dieses Sujet viel ernster behandeln. Aber der Chor der Stimmen, der in Funk und Fernsehen durcheinander quatscht und sich in (Auf-)Bausch und Bogen hineinsteigert, dieses Genuschel in Dauerschleife, es lässt mich angewidert wegblicken und vergällt mir jegliches Interesse. Wahrscheinlich ist das Resignation. Auf jeden Fall ein irrationaler Akt. Aber ich kann nicht raus aus meiner Haut. Ich kann einfach nicht so tun, als sei diese Kakophonie normal. Kann es nicht einfach überhören. Mir wird das einfach zu viel.

Hier weiterlesen...

Wer die Rechten beim falschen Namen nennt ...

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Die Neonazis und Rechtsextremen, die am Wochenende gegen den Salafismus wüteten, fanden in den Medien lediglich als »Hooligans« statt. Klar, diese Kundgebung fand unter diesem Namen statt. Aber muss man das kopieren? Von der NPD spricht doch auch keine Sau von »Nationaldemokraten«.

Ein Hooligan ist fürwahr keine niedliche Figur. Aber wenn man Neonazis als Hooligans bezeichnet, dann ist das sehr wohl eine Verniedlichung. Denn klassische Hooligans sind keine politisierte Gruppierung, sondern das sind Raufbolde, die ihre Gewaltbereitschaft zelebrieren und einen eigenbrötlerischen Kult um Schlägereien leben. Wenn man nun also liest, dass da am letzten Sonntag Hooligans marodierten und durch die Straßen Kölns wüsteten, dann stellt man sich eine Bande von Gestalten vor, die ohne politisches Motiv zu martialischen Mitteln griff. Die einfach feste drauf haut, ganze ohne weltanschauliche Ambitionen. Blödmänner eben, die um der Gewalt willen gewalttätig in Erscheinung treten. Keine ideologisch verblendeten Glatzköpfe aber, die rassistisch und ausländerfeindlich vorgeprägt sind.

Putinverstehen oder Ein Beitrag zur Aufklärung

Mittwoch, 29. Oktober 2014

Quelle: VAT Verlag
»Der Putin treibt uns noch in den Krieg«, sagte mir erst kürzlich wieder jemand. Ich musste tief durchschnaufen. Jeder kennt vermutlich mittlerweile eines dieser Geschöpfe, das nachplappert, was die Medien vorfabrizieren. Die rhetorischen Lemminge sind ein wachsendes Völkchen und Problem. Ich indes fragte mich, wo ich mit Gegenargumenten ansetzen sollte, um dieser Behauptung etwas entgegenzusetzen.

Sollte ich etwa bei der NATO beginnen, die man in Russland als Drohung wahrnimmt? Oder bei dem, was die Krim für Russland war und ist? Da gibt es so viel, alles scheint so kompliziert und verwirrend. Ich fragte mich, wie man einen Menschen, der sich kaum mit den Hintergründen dieser Angelegenheit befasst, sich News nur aus »Bild« und »Spiegel« pickt, dazu bekommt, dass er auch mal die andere Seite sieht. Das Vorhaben habe ich allerdings gleich wieder aufgegeben. Ich ließ den Satz von Putins Kriegstreiberei so stehen und seufzte laut. Aufklärung ist eine gute Sache, aber ad hoc ist sie in Fragen dieses Konfliktes zwischen Russland und dem Westen kaum mehr zu leisten. Es gibt einfach zu viel zu sagen, zu viele Baustellen, zu viele Nebelkerzen und Minenfelder. Und wenn man jemanden dann quasi sagt, er sei Opfer von Propaganda, dann macht er dicht. Denn dergleichen passiert doch nicht bei uns im gesitteten Westen. Propaganda machen nur immer die anderen. Macht Putin.

Hier weiterlesen...

Aus fremder Feder

Dienstag, 28. Oktober 2014

»Wir müssen schnell damit anfangen, von einer ›sachorientierten‹ Gesellschaft zu einer ›personenorientierten‹ Gesellschaft zu kommen. Wenn Maschinen und Computer, Profitbestrebungen und Eigentumsrechte für wichtiger gehalten werden als die Menschen, dann wird die schreckliche Allianz von Rassenwahn, Materialismus und Militarismus nicht mehr beseitigt werden können.«

Karl-Eduard ist jetzt gegen die SED-Nachfolgepartei

Montag, 27. Oktober 2014

Letzte Woche war das allgemeine Stimmungsbild in den Medien wieder mal eindeutig. Ein schlechte Zeit für die Demokratie sei das, weil Die Linke, die jetzt wieder verstärkt »die SED-Nachfolgepartei« heißt, nun doch eine Landesregierung leiten dürfe. Man muss sich indes fragen, ob dieser Mainstream überhaupt noch eine Ahnung davon hat, wie man Demokratie definiert.

Von einem »Schlag ins Gesicht« war die Rede. Für einen linken Ministerpräsidenten seien die Menschen vor 25 Jahren nämlich nicht auf die Straße gegangen. Schon klar, sie kannten Ramelow damals gar nicht. Aber mal im ernst: Für was sind sie es denn dann? Etwa für eine Große Koalition, die mit autokratischer Allmacht über alle parlamentarischen Bedenken hinweg regieren darf? Ist dieses unangefochtene Durchregieren etwa gar eine Sternstunde der Volksherrschaft? Und in einem demokratischen System sollte die Abwahl einer Regierung ein ganz normaler Umstand sein, nicht wahr? Wie kann man dann den thüringischen Regierungswechsel als schlecht für die hiesige Demokratie bewerten? Aber die ewige Kanzlerschaft, dieses unablösbare »Weiter-so!« bei gleichzeitiger Konzeptlosigkeit, die ist gut für die Demokratie, oder wie?

Hier weiterlesen...

Der Plan

Freitag, 24. Oktober 2014

Der Streik der Lokführer ist ein glänzendes Beispiel dafür, wie diese Gesellschaft mit dem reibungslosen Ablauf des Alltagsgeschäfts umgeht. Ist der auch nur für einige Tage behindert, rollen ganz große Geschütze zum Erhalt der Störfreiheit an. Selbst demokratische (Grund-)Rechte ist man bereit aufzugeben.

Diese Gesellschaft liebt ihre Routine. Die Tretmühle, die jeden Arbeitstag gleich ablaufen lässt. Da weiß man gleich, was man hat. Alles geht glatt, man muss geistig nicht flexibel sein und ruht sich in der Struktur der Wiederholung aus. Das ist an sich ja auch nicht schlecht. Gewohnheit tut gut. Gibt Sicherheit. Nur gibt es im Leben keine Garantien. Für so gut wie nichts. Manchmal kann die Routine nicht eingehalten werden. Dann verkleistert die Tretmühle. Nichts mehr klappt wie am Schnürchen. Es gibt Zwischenfälle, die es im menschlichen Miteinander geben kann, weil es nicht kalkulierbar ist.

Hier weiterlesen...

Linke, die auf der Spielwiese von Falken grasen

Donnerstag, 23. Oktober 2014

Kriegsfragen sind für die Linke eigentlich ein dankbares Themengebiet. Dort können sie ihre Standhaftigkeit beweisen und ihren humanistisch geprägten Ansatz vorzeigen. Eigentlich. Der Konflikt mit dem IS taugt nämlich dazu nicht. Er stellt das linke Spektrum vor eine Zerreißprobe.

Was waren das noch für Zeiten, als man als Linker gegen den Krieg in Afghanistan oder im Irak war. Die Lager waren klar. Man wusste in etwa, um was es hinter den Kulissen wirklich geht. Die USA und der Westen als Demokratie-Überbringer? Menschen-rechtskriege? Das alles war zu lachhaft um wahr zu sein. Die vermeintlich gute Konfliktpartei war schnell enttarnt. Man konnte damals noch offen pazifistisch sein, ohne Gefahr zu laufen, als herzloser Trampel angesehen zu werden. Das ist aktuell nicht mehr ganz so einfach. Die allgemeine Wahrnehmung des IS diskreditiert jeglichen pazifistischen Anklang.

Der Minister, der abschafft, weil er anschafft

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Am Wochenende hat Seehofer mal wieder bewiesen, warum er Vorsitzender seiner Partei und gleich noch Ministerpräsident ist. Das heißt, er selbst hat es nicht bewiesen. Aber es war mal wieder leicht, diesen Schluss zu ziehen. Denn Söder hat mal wieder gesprochen. Nonsens. Wie erwartet. Das war nie anders. Immer wenn die Leute, die neben Seehofer sonst noch so zu den Christsozialen gehören, zu sprechen beginnen, ahnt man, warum ausgerechnet dieser Horst der Boss ist. Neben Söder, Dobrindt, Haderthauer, Merk oder Herrmann sieht man ohne viel Zutun irgendwie klüger als der ganze Rest aus.

Wobei es jetzt das Falscheste ist, was man machen kann, Söder einfach ein bisschen Dummheit zu attestieren. Der Mann klingt nur so. Das ist seine Art. Leider ist es nicht ganz so einfach. Denn die Programmatik, die er vertritt, die ist Kalkül. Sein »Konjunktur-Check für alle Vorhaben« ist nicht weniger als ein Abgesang auf die politische Entscheidungsgewalt. Regierungen wären nach seiner Theorie letztlich handlungsunfähig. Sie dürften nicht mehr fragen »Was wollen wir gesellschaftlich umsetzen?«, sondern nur noch »Wieviel Geld ist da?« Das geschieht schon heute viel zu oft. Aber Söder spricht der Politik jegliche Regulierungsgewalt ab. Wenn Politik nicht mehr den Anspruch haben darf, die Lebensverhältnisse nach dem Willen der Menschen und den Dynamiken der Gesellschaft autark zu gestalten, für was soll sie dann noch gut sein?

Hier weiterlesen...

... wenn man trotzdem lacht

Dienstag, 21. Oktober 2014

»Natürlich sind wir schon von je daran gewöhnt, große Banditen zu bewundern, die die ganze Welt mit uns verehrt, weil sie reich sind, und deren Dasein bei näherer Betrachtung eine ununterbrochene Reihe von Übeltaten ist, aber das sind berühmte, geehrte und mächtige Leute, ihre Vergehen sind gesetzlich legitimiert worden; aber so weit man auch in der Weltgeschichte zurückblickt [...], man findet immer wieder den Beweis dafür, dass ein läßlicher Diebstahl, besonders der armseliger Nahrungsmittel, wie Brot, Schinken oder Käse, unfehlbar dem Täter förmliche Ächtung, Strafe, zwangsläufigen Ehrverlust und unauslöschliche Schande zuzieht, und das aus zwei Gründen: erstens, weil solche Freveltaten meist von einem Armen begangen werden und dieser Status an sich durchaus unwürdig ist, und zweitens, weil eine solche Handlungsweise eine Art stillen Vorwurfs gegen die Gesellschaftsordnung in sich schließt ... Der Diebstahl eines Armen ist boshafte, individuelle Korrektur, verstehen Sie? Wohin soll das führen? Daher wurden unter allen Himmelsrichtungen, beachten Sie das wohl, die kleineren Diebstähle äußerst streng bestraft, nicht nur, um die soziale Ordnung zu verteidigen, sondern auch hauptsächlich, um allen Unglücklichen einen deutlichen Wink zu erteilen, dass sie auf ihrem Platz und innerhalb ihrer Kaste zu bleiben und das Maul zu halten und sich freudig darein zu inden haben, jahrhundertelang, bis in alle Ewigkeit, in Hunger und Elend zugrunde zu gehen.«
- Louis-Ferdinand Céline, »Reise ans Ende der Nacht« -

Die Solidarität, die bestreikt wird

Montag, 20. Oktober 2014

Wenn ich täglich unterwegs bin, kommen für mich im Regelfall nur drei Radiosender in Betracht. Entweder hr1, SWR3 Rheinland-Pfalz oder harmony.fm. Nachdem am letzten Mittwoch, am Tag des (mittlerweile vorletzten) Lokführerstreiks, bei SWR3 ein kurzer Einspieler Stimmen von Zugreisenden brachte, die bitter über die Lokführer klagten, drehte ich auf hr1. Dort sprach kurze Zeit später ein Experte und warf der GDL vor, sie würde nicht verhandeln wollen und alles auf den Rücken der Reisenden austragen. Womit ich auch schon bei harmony.fm landete und abermals der Empörung von Zuggästen lauschte, die sagte, dass sie keinerlei Verständnis aufbringe für den Streik. Und so gingen mir die Sender aus und letztlich auch das Radio.

Der Streik, Robert Köhler, 1886
Das war an jenem Streiktag zuvor, der weitestgehend in der Nacht stattfand, noch ein bisschen anders. Da überwogen noch jene Stimmen, die zustimmten und sich solidarisch zeigten. Da war die Einschränkung ja auch überschaubar. Am letztem Mittwoch verfehlte der Streik aber dann nicht seine Wirkung. Er versprach das, was das Konzept des Streiks eigentlich möchte: Auffallen, den Wegfall einer Tätigkeit bemerkbar machen. Die Leute sollen ja gerade Notiz davon nehmen, dass die Verrichtung einer Arbeit eben keine Selbstverständlichkeit ist. Und das geht nur, wenn man seinen Dienst einstellt, die Kundschaft auflaufen lässt. Das ist unangenehm, aber auch unumgänglich. Wer nachts streikt, der gibt diesen wesentlichen Aspekt des Streikkonzepts auf und kann es genauso gut gleich sein lassen.

Hier weiterlesen...

Der Entfesselungskünstler, der kein Skandal ist

Samstag, 18. Oktober 2014

Ja, die Geschichte mit dem Mann, der mit einer Fußfessel nach Syrien abhaute, ist zweifelsohne ein Skandal. Wie kommt man denn eigentlich dazu, jemanden eine Fußfessel zu verpassen? Dieser Umstand ist für mich der eigentliche Skandal an der Story. Und nicht dieser »Entfesselungskünstler«.

Hassan B. ist wohl in Hessen bei Koranverteilungen aufgefallen. Mir hat auch schon mancher lausige Buchempfehlungen gegeben. Aber ich bin nie auf die Idee gekommen, ihn deswegen zu fesseln oder mit Peilsender auszustatten, damit ich überwachen kann, wen er als nächstes mit seinen schlechten Literaturgeschmack beglückt. Das hätte auch der Bursche in der Stadtbücherei, der auf Bücher von Broder schwört, trotz allem nicht verdient. Deswegen sprechen die Medien aber auch nur von einem »mutmaßlichen radikalen Islamisten«. So sicher ist die Unterstellung also gar nicht. Aber dass er trotzdem Fessel an der Fessel trägt, daran stößt sich niemand.

Hier weiterlesen...

Die Kriegsbemalung auf den Schnauzen

Freitag, 17. Oktober 2014

Über die geistige Mobilmachung.

Wir sind so weit. Wir sind kriegsbereit. Unsere geistige Verfassung scheint geebnet zu sein. Man braucht nur so ein bisschen durch die Pinnwand bei Facebook klicken und man kann sehen, dass es genau so ist. Die gemäßigten, die besonnenen Stimmen sind Mangelware. Der Stoizismus kupiert. Selbst potenzielle Linke sind dort plötzlich Agitatoren des Krieges oder bekunden wenigstens ihre Solidarität mit dem Bombenkrieg. Der Islam ist in den sozialen Medien für viele natürlich nicht weniger als Faschismus. Und diese Dschihadisten seien nichts anderes als Tiere. Facebook scheint der Frontabschnitt zu sein, in dem die Verrohung und Barbarisierung popularisiert wird. Früher brauchte man Politruks, die durch die Reihen gingen, heute schwört sich der freie Teil der Welt in sozialen Netzwerken ein.

Ich traue dieser Tage meinen Augen kaum. Linke, Rechte, Konservative und Progressive, alle wollen sie mehr oder minder den militärischen Einsatz. Den Krieg. Einerlei ob nun unter UN-Mandat oder nicht. Warum nicht die Bundeswehr dorthin schicken?, fragen sie. Gegen den Islam, wäre das doch eine richtige Sache. Denn der Islam ist schlecht. Der Islam ist mörderisch. Der Islam. Es gibt ja nur den einen, so wie eben ein amerikanischer Evangelikaler und Frau Fromm, die nur Ostern in die Kirche geht und auch ansonsten nicht betet, »die Christen« sind. Das ganze verfluchte Internet ist voll von diesem »Der-Islam-ist-...«-Gewese. Jeder Trottel hat eine Ansicht zum Thema. Ansicht, aber keine Ahnung. Meist sondern sie nur Ungehobeltes, Dummes und was weiß ich alles ab.

Hier weiterlesen...

PoWi mit'm Barth

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Mario Barth deckte mal wieder auf. »Denn es geht um Ihr Geld«, sagte er im Trailer zu seiner Show und tat dabei so, als wolle er sich zum Rächer der gerechten Steuerzahler aufschwingen. Aber seine Sendung mildert nicht die Politikverdrossenheit – sie ist sie.

Jüngst war mal wieder so ein langweiliger Samstagabend. Wir drückten von Sender zu Sender und landeten bei einem Best of von »Verstehen Sie Spaß?«. Sie zeigten gerade einen Film mit Mario Barth, wie sie ihn aufs Glatteis führen. Es ging um die Planung seiner Show im Berliner Olympiastadion und man setzte ihn einen Typen vom Ordnungsamt vor die Nase, der ihm das Feuerwerk am Ende der Show verbat. Er wedelte mit Statuten und Verordnungen und Barth wurde langsam sauer. Irgendwann platzte er. Er schimpfte auf »die da oben« und rief laut, dass es ein freies Land sei und es hier eine Verfassung gäbe. Wowereit mache nur Party und überhaupt: »Det ist doch nüsch die DDR, wa!« Er redete sich in Rage. Und bei allem menschlichen Verständnis für seine Aufregung, man sah doch deutlich: viel politische Ahnung hat der Mann nicht.

Zu Ohren gekommen

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Er könne es nicht, behauptete die Opposition ziemlich oft über Kanzler Schröder. Später sagte sie es über die Kanzlerin. Über Steinbrück wussten viele: Er kann es nicht. Ebenso der Polizeipräsident aus Frankfurt. Ich erinnere mich noch an die Stimmen, die sagten, Hans-Peter Friedrich könne es nicht. Und Thomas Oppermann sei auch nicht besser. Letzte Woche fällte Christian Ströbele ein Urteil über den thüringischen Verfassungsschutz und dessen Rolle in der NSU-Sache: Er kann es nicht. Egal wer und in welche Richtung, man hört und liest diesen Satz oft.

Hier weiterlesen...

Wer bin ich, das Leben eines anderen einzuschätzen?

Dienstag, 14. Oktober 2014

Es gibt so viele gute Gründe für die staatliche Gewährung der Sterbehilfe, wie es gute Gründe dagegen gibt. Der Ex-MDR-Intendant Reiter hat das wichtigste philosophische Problem (Camus) wieder mal ins Blickfeld gerückt: Leben oder aufhören damit? Und falls man aufhören möchte, kann das nicht jemand anderes übernehmen?

Es gilt heute als fortschrittlich, innovativ und avantgardistisch, sich für die Sterbehilfe auszusprechen. Ich habe das in der Vergangenheit auch oft getan. Mit seinem Bekenntnis zur Liberalisierung der aktiven Sterbehilfe schockt man ja so herrlich schön. Man rüttelt an alten Konventionen, die man als überlebt tituliert und tut so, als sei eine neue Zeit heraufgezogen. Gerade als junger Mensch findet man Freude daran. Gegner der Sterbehilfe gelten hingegen gleich als reaktionär, antiquiert und, gewollt oder nicht, vom Christentum beeinflusst. Wer heute noch sagt, dass man jedem (menschlichen) Leben mit absolutem Respekt entgegentreten sollte, dem zeigt man den Vogel.

Hier weiterlesen...

Die blockierte Drehtüre ist ein Notausgang

Montag, 13. Oktober 2014

In der »Frankfurter Allgemeinen« ist man empört. Mal wieder. Diesmal geht es um die Karenzzeit, die frisch geschasste Politiker temporär von einflussreichen Posten in der Wirtschaft fernhalten soll. Sie sei als nicht demokratisch anzusehen. Mindestens. Dieses süße Lebensgefühl der gut geschmierten Drehtüre, steht für Funktionäre jetzt auf dem Spiel. Jede noch so zaghafte Regulierung lehnen konservative Meinungsmacher natürlich ab. Sie können sich wohl ein Leben ohne Drehtüre gar nicht vorstellen.

Das war doch stets so eine schöne Synthese, oder nicht? Man machte Politik und landete dann in einem Unternehmen, das von dieser Politik profitierte. Dieses Geschäftsmodell hatte sich etabliert. Wurde Lebensart für die Leistungsträger, nicht wahr? Und jeder hatte angeblich was davon. Man tauschte nur Know-How. Also alles ganz vernünftig und seriös. Warum also reglementieren, was richtig war? Interessenskonflikte? Ach was, das wischt von Altenbockum von der »Frankfurter Allgemeinen« als Lappalie weg. Die Berufsfreiheit wiege nämlich mehr als alles andere. Wer Politikern die verwährt, der begehe Diskriminierung und sei gewissermaßen kein Demokrat mehr. Die Diktatur zieht mal wieder herauf. Sie zieht immer herauf, wenn die Klientel, für die diese Werbetexter des Elitarismus öffentlich Meinung ergreifen, mal Pfründe abgeben oder einschränken soll. Da sind dann plötzlich diejenigen keine Demokraten mehr, die bloß wollen, dass die, die die Demokratie als Drehtüre missbrauchen, es künftig schwerer haben.

Hier weiterlesen...

Roth wie Blut

Samstag, 11. Oktober 2014

Claudia Roth war wieder mal empört. Diesmal über die Türkei. Sie würde zu wenig tun gegen den Islamischen Staat. Und noch was hat sie gesagt, was allerdings kaum kommentiert wurde. Dieses Schweigen aber zeigt nur, wie stark die Logik der Gewalt und des Hasses schon die allgemeine Stimmung bestimmt.

In ihrer Tirade gegen die Türkei waren viele Punkte, die man aufgreifen und berichtigen müsste. Die Türkei dazu zu drängen, eine Grenzverletzung zu begehen, um letztlich damit auch gegen das Völkerrecht zu verstoßen, ist zum Beispiel schon ein burleskes Stück von epochalem Ausmaß. Als man glaubte, russische Soldaten würden dasselbe im Osten der Ukraine tun, war man nämlich noch ganz anderer Meinung. Dass man der türkischen Regierung aber gleich noch vorwirft, sie würde den Islamischen Staat deswegen unterstützen, weil sie verwundete IS-Kämpfer in Krankenhäuser medizinisch pflege, ist eine Aussage von so weittragender Unkultur, dass man es wirklich mit der Angst bekommen muss.

Hier weiterlesen...

»Masturbieren Sie täglich?«

Freitag, 10. Oktober 2014

oder Statistiker sind auch nur so Statisten im Dickicht der Konventionen.

Gott sei Dank. Entwarnung. Die Deutschen sind also doch nicht so romafeindlich. Die vor einigen Wochen veröffentlichte Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes traf in ihrer Auswertung nicht ganz zu. Nicht etwa ein Drittel der Bürger lehnten demnach Sinti und Roma ab. Es sind nur ein Fünftel. Und Deutschland ist entlastet. Doch nicht alles so schlimm. Es gibt noch Hoffnung.

Lächerlicher dürfte es kaum noch gehen. Gut, lassen wir es mal so stehen, dass nicht ganz so viele Menschen bei der Studie ihre Abneigung kundtaten, wie das die Antidiskriminierungsstelle zunächst erklärte. Und jetzt? Heißt das, dass man sich keine Sorgen mehr machen muss? Ist das Rating jetzt stimmiger? Du liebe Güte, ist diese Gesellschaft jetzt schon so verblödet, dass sie ihre Befindlichkeiten und Affekte als Zahl ausgedrückt braucht, um darauf überhaupt anzuspringen? Ab wann ist Antiziganismus noch hinnehmbar? Sind 20 Prozent, die keinen näheren Kontakt zu Roma wollen, noch hinnehmbar? Ich weiß nicht, aber mir kommt es so vor, als ob Holocaust-Leugnung und das Herunterspielen von Antiziganismus ganz ähnliche Fächer seien. Es ist also noch okay, dass nur ein Fünftel die andere große Opfergruppe der Nazis ablehnt? Wer das so sieht, unterstreicht seine Verrohung.

Hier weiterlesen...

Der Datenschutz, der zu Gehacktem wird

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Wie will man in Zeiten, da der Staat keinerlei Respekt vor der Privatsphäre der Bürger mehr zeigt, zu einem ausgeprägten Datenschutzbewusstsein erziehen? Die Affären um die Geheimdienste haben das Gefühl für den Datenschutz ausgehöhlt. 

Neulich kam mein Kind aus der Schule und beschwerte sich. Es gab nämlich einen Anschiss vom Lehrer. Auf dem Pausenhof habe es zu einem Mitschüler gesagt, dass es nun »sein Handy hacken« würde. Der Schüler lief natürlich zum Lehrer und der Lehrer waltete seines Amtes. Aus einem Gespräch mit einem anderen Lehrer weiß ich, dass es Teil der pädagogischen Agenda ist, Schüler für den Datenschutz zu sensibilisieren. Im letzten Schuljahr kam sogar ein Polizist in die Schule, um den Schülern Kompetenz in dieser Frage zu vermitteln. Er erzählte, dass man nicht ungefragt Fotos von Mitschülern auf Facebook lädt. Und man sollte überhaupt sehr zurückhaltend mit der Preisgabe von eigenen Daten umgehen. Dass ein Lehrer aus einem Pausendialog einen pädagogischen Akt macht, hat also mit diesem Auftrag zu tun, die Schüler im Datenschutz zu bilden.

Der Polizeistaat, der auf der Schulter hockt

Mittwoch, 8. Oktober 2014

Einen neuen innovativen Unsinn hat sich Hessens Polizei einfallen lassen. »Body-Cam« heißt der. Das ist eine Kamera, die wie ein Papagei, auf der Schulter des Beamten sitzt. Sie soll Polizisten vor Angriffen schützen. Behauptet jedenfalls der Innenminister. Kann sie mehr als bloß zu filmen? Steigt sie etwa von der Schulter herab und verteidigt den Beamten?

Natürlich geht man mal wieder von der abschreckenden Wirkung der Kameraüberwachung aus. Die wurde schon als »nicht vorhanden« ausgewiesen, als man über die Bestückung öffentlicher Plätze mit Kameras quatschte. Auch auf Plätzen, die von allen Seiten gefilmt werden, geschahen immer wieder kriminelle Akte - Diebstähle oder Körperverletzungen zum Beispiel. Das war ja seinerzeit paradox, als die Law-and-Order-Leute in den Medien Werbung für diese Form erhöhter Sicherheit machten und gleichzeitig die jugendlichen Idioten ächteten, die gut sichtbar auf bewegten Bildern im U-Bahn-Bereich alte Leute zusammenschlugen. Leider haben weder Journalisten noch Öffentlichkeit sich mal gefragt, wo an diesem Tag die abschreckende Wirkung blieb.

Hier weiterlesen...

Aus fremder Feder

Dienstag, 7. Oktober 2014

»Washington und seine Alliierten bleiben bei dem bewährten Prinzip, dass Demokratie nur akzeptabel ist, solange sie sich strategischen und wirtschaftlichen Zielen unterordnet: gut in feindlichen Gebieten (bis zu einem gewissen Punkt), aber bitte nicht in unserem Hinterhof, außer wenn sie ausreichend gezähmt ist.«

Die Wende, die geschah, als sich die Wende anbahnte

Montag, 6. Oktober 2014

Ziemlich genau ein Vierteljahrhundert ist es jetzt her, dass ein kleines Stück der so genannten geistig-moralischen Wende in unser Leben trat: Der lange Donnerstag. Er war der Anlauf zu mehr Lockerung der Ladenöffnungszeiten. In einem Radio-Feature wurde er letzte Woche als Clou und feine Errungenschaft stilisiert. Damals galt er aber auch als etwas ganz anderes.

Im Vorfeld dieses ersten Donnerstag mit längerer Ladenöffnungszeit gab es massive Proteste im Einzelhandel. Sie gingen aber mehr und minder unter, denn fast zeitgleich dramatisierte sich die Lage in Ostdeutschland. Und die Ostdeutschen weiterten das Drama nach Ungarn und in die Tschechoslowakei aus. Die Wendezeit war schon am rotieren. Protestierende Verkäuferinnen wirkten da fast ein bisschen spießig mit ihren »Luxussorgen«. Sie waren aber kein Luxus, sondern völlig berechtigt. Die Männer und Frauen im Einzelhandel fürchteten sich vor einer Überflexibilisierung ihrer Lebenswirklichkeit. Der lange Donnerstag konnte doch nur das Fanal zur Deregulierung sein, der Startschuss zu ungeregelten Arbeitszeiten, glaubten sie. Wie sollte sich Familie und Beruf denn aufeinander abstimmen, wenn vielleicht bald täglich die Läden bis kurz vor die »Tagesschau« oder gar länger geöffnet blieben?

Hier weiterlesen...

Das Schaufenster des Ostens

Freitag, 3. Oktober 2014

oder Gedanken zum Tag der deutschen Reinheit.

Die ganze Republik diskutiert darüber. Ganz Deutschland. Mindestens. Alle spüren sie jetzt der Frage nach: War die DDR ein Unrechtsstaat? Und wie stehts - war sie es? Keine Ahnung. Die Antwort ist ohnehin langweilig und bringt wenig Erkenntnis. Aber machen wir uns halt mal am Tag der deutschen Einheit darüber Gedanken. Ganz wie es sich gehört. Schön staatstragend.

Hören wir mal, was die Leute so sagen und tun:

»Die DDR war ein Unrechtsstaat«, sagte der private Sicherheitsmann aus dem Asylbewerberheim, faltete die Zeitung zusammen, legte sie weg, griff Bilal am Genick und sperrte ihn unter Tritten für sieben Stunden in den Isolationsraum.

Hier weiterlesen...

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP