Absichtserklärungen, die das Gesetzgebungsverfahren ersetzen
Montag, 25. November 2013
Die Koalitionsverhandlungen und die Sprache des Zeitgeistes, mit der sie beschrieben werden.
Wir brauchen keine Regierung mehr, die Gesetzesvorlagen in den Bundestag einbringt. Es reicht ganz offenbar, dass sich zwei Parteien gegenübersitzen und Pläne in einem "Vertrag" diktieren. So kommt der Mindestlohn oder beispielsweise die Frauenquote, glaubt man dem Tenor fast aller Medien. Die beiden Sujets stehen aber erstmal nur in der Vereinbarung zwischen den Koalitionspartnern. Das heißt, was im Koalitionsvertrag steht, scheint für die Journalisten unserer kleinen postdemokratischen Republik schon so gut wie bewilligt und eingeführt zu sein.
Diese Ausdrucksweise, die man den Bürgern nun medial verabreicht, ist sehr bedenklich. Sie ist nicht mehr inspiriert vom verfassungsbasierten demokratischen Prozedere, sondern hat sich einer Sprache bemächtigt, die Demokratie als Kulisse, als erhabene Dekoration behandelt.
So wird aus Punkten in einem "Vertrag" zwischen zwei Parteien schon ein Fakt für die Allgemeinheit. Man liest dann "Frauenquote kommt" und nicht, wie es weitaus richtiger wäre "Frauenquote ist geplant" oder "Man möchte auf eine Frauenquote hinwirken". So schön es wäre, wenn ein "Mindestlohn kommt", hoffentlich nicht erst 2016, so falsch ist diese Schlagzeile auch dann, wenn er im "Vertrag" steht. Mehr als eine Absicht ist er zunächst nicht. Er kommt erst, wenn er die Positionen und Hürden des Gesetzgebungsverfahrens passiert hat.
Noch so eine postdemokratische Perle: Aus der Abstimmung über den deutschen Bundeskanzler, den ein Nachrichtenmagazin im Privatfernsehen neulich mal für den 17. Dezember eingeplant hatte, wenn denn alles so läuft, wie man es sich vorstellt, wird eine Merkel-Wahl. Aus der Abstimmung wird eine Wahl, aus dem Bundeskanzler wird Merkel. Wieviel Alternative gewährt eine solche Wortwahl noch? Da ist schon das Wer und das Was festgelegt, schon das Resultat begrifflich erfasst. Eine vieler vorauseilender Floskeln, die dem postdemokratischen Abgleiten der Gesellschaft geschuldet sind und die in Wechselwirkung, fast wie in einem Teufelskreis, dieses Abrutschen ankurbeln. Ist es das Wesen einer Abstimmung, wenn man sie mit einem Begriff belegt, der das Ergebnis schon vorwegnimmt?
Schon das Wort Koalitionsvertrag ist eine Lüge. Deshalb wurde das Wort Vertrag oben stets in Anführungszeichen gesetzt. Denn ein Geschäftsvertrag ist er nicht, höchstens eine Absichtserklärung. Einen rechtlichen Anspruch auf Durchsetzung der Vertragsinhalte, die ja auch nicht existieren, weil er kein Vertrag ist, gibt es obendrein nicht. Diese Vereinbarung zwischen Koalitionspartnern meint, dass man versuchen wird, die Abgeordneten der Fraktionen auf den Regierungskurs zu lotsen. Der Koalitionsvertrag ist also nur die Absicht, die eigenen Parlamentarier in Versuchung zu führen. Eine Garantie und eine Klausel, das irgendetwas einklagbar ist, gibt es in einem solchen "Vertrag" nicht. Und dennoch ist für die Öffentlichkeit der Koalitionsvertrag gleich schon ein gemachtes Gesetz.
Wo hat dieser Journalismus eigentlich seinen Respekt vor den demokratischen Grundregeln gelassen? Ist das überhaupt Respektlosigkeit, wenn man so tut, als habe das Gesetzgebungsverfahren unter Mitwirkung verschiedener Verfassungsorgane und unter Ausrichtung grundgesetzlicher Vorgaben quasi abgewirtschaftet, damit eine Gruppe von knapp achtzig Leuten in Koalitionsgesprächen Gesetze machen können? Oder ist das wohlweislich gewählte Sprache, die zur Aushöhlung dient? Wenn das die Vorstellung der meisten Journalisten von Demokratie ist, dann leidet dieser Berufsstand aber nicht nur an Demokratiedefizit, sondern viel mehr an Antidemokratismus.
Diese Ausdrucksweise, die man den Bürgern nun medial verabreicht, ist sehr bedenklich. Sie ist nicht mehr inspiriert vom verfassungsbasierten demokratischen Prozedere, sondern hat sich einer Sprache bemächtigt, die Demokratie als Kulisse, als erhabene Dekoration behandelt.
So wird aus Punkten in einem "Vertrag" zwischen zwei Parteien schon ein Fakt für die Allgemeinheit. Man liest dann "Frauenquote kommt" und nicht, wie es weitaus richtiger wäre "Frauenquote ist geplant" oder "Man möchte auf eine Frauenquote hinwirken". So schön es wäre, wenn ein "Mindestlohn kommt", hoffentlich nicht erst 2016, so falsch ist diese Schlagzeile auch dann, wenn er im "Vertrag" steht. Mehr als eine Absicht ist er zunächst nicht. Er kommt erst, wenn er die Positionen und Hürden des Gesetzgebungsverfahrens passiert hat.
Noch so eine postdemokratische Perle: Aus der Abstimmung über den deutschen Bundeskanzler, den ein Nachrichtenmagazin im Privatfernsehen neulich mal für den 17. Dezember eingeplant hatte, wenn denn alles so läuft, wie man es sich vorstellt, wird eine Merkel-Wahl. Aus der Abstimmung wird eine Wahl, aus dem Bundeskanzler wird Merkel. Wieviel Alternative gewährt eine solche Wortwahl noch? Da ist schon das Wer und das Was festgelegt, schon das Resultat begrifflich erfasst. Eine vieler vorauseilender Floskeln, die dem postdemokratischen Abgleiten der Gesellschaft geschuldet sind und die in Wechselwirkung, fast wie in einem Teufelskreis, dieses Abrutschen ankurbeln. Ist es das Wesen einer Abstimmung, wenn man sie mit einem Begriff belegt, der das Ergebnis schon vorwegnimmt?
Schon das Wort Koalitionsvertrag ist eine Lüge. Deshalb wurde das Wort Vertrag oben stets in Anführungszeichen gesetzt. Denn ein Geschäftsvertrag ist er nicht, höchstens eine Absichtserklärung. Einen rechtlichen Anspruch auf Durchsetzung der Vertragsinhalte, die ja auch nicht existieren, weil er kein Vertrag ist, gibt es obendrein nicht. Diese Vereinbarung zwischen Koalitionspartnern meint, dass man versuchen wird, die Abgeordneten der Fraktionen auf den Regierungskurs zu lotsen. Der Koalitionsvertrag ist also nur die Absicht, die eigenen Parlamentarier in Versuchung zu führen. Eine Garantie und eine Klausel, das irgendetwas einklagbar ist, gibt es in einem solchen "Vertrag" nicht. Und dennoch ist für die Öffentlichkeit der Koalitionsvertrag gleich schon ein gemachtes Gesetz.
Wo hat dieser Journalismus eigentlich seinen Respekt vor den demokratischen Grundregeln gelassen? Ist das überhaupt Respektlosigkeit, wenn man so tut, als habe das Gesetzgebungsverfahren unter Mitwirkung verschiedener Verfassungsorgane und unter Ausrichtung grundgesetzlicher Vorgaben quasi abgewirtschaftet, damit eine Gruppe von knapp achtzig Leuten in Koalitionsgesprächen Gesetze machen können? Oder ist das wohlweislich gewählte Sprache, die zur Aushöhlung dient? Wenn das die Vorstellung der meisten Journalisten von Demokratie ist, dann leidet dieser Berufsstand aber nicht nur an Demokratiedefizit, sondern viel mehr an Antidemokratismus.
15 Kommentare:
....einetlich brauchen die auch diesen "Bundestag" auch nicht mehr....ist denen sowieso ne lästige Schwätzbude...
Leider ist es ja so, dass diese GroKo alles wird machen können, was sie will. Sollte sie also zu Stande kommen und sollte der Koalitions"vertrag" ernst gemeint sein, dann kann man ihn schon jetzt als Stand der Dinge betrachten.
Freilich: Demokratie ist das nicht!
Die SPD-Basis täte gut daran, diesen antidemokratischen GroKo-Wahnsinn zu beenden. Aber was ist von diesen Lampenputzern schon zu erwarten.
ZU: Eine Garantie und eine Klausel, das irgendetwas einklagbar ist, gibt es in einem solchen "Vertrag" nicht.
Ein KoalitionsVERTRAG wäre schon nach Art. 38 GG grundgesetzwidrig. Aber von solchen "Nebensächlichkeiten" sieht die Journalie schon lange ab. Auf der anderen Seite gehören zum Verdummen immer 2 und an dieser Stelle muss man leider auch mal darauf hinweisen, dass der Großteil der deutschen Bevölkerung nicht einmal weiß, wie ein Gesetz entsteht.
Naja, im Grunde bezeichnen sie die realen Verhältnisse nur so, wie sie längst sind.
Die Postdemokratisierung des Staates haben sie ja nicht erfunden oder eingeführt, sondern andere, über die sie nun gerade berichten ...
Habe ich gestern mal ausgegraben:
http://www.bundestag.de/dokumente/analysen/2009/Koalitionsverhandlungen_-_Koalitionsvertrag.pdf
Da kann alles drinstehen.
Wenn erstmal die Regierung 80% hat im Bundestag, haben die Bürger faktisch überhaupt keine Möglichkeit mehr, irgendwas zu verhindern.
Unsere Demokratie ??
Wenn in dem Vertrag keine Volksabstimmung drinsteht, ist
die Absicht erkennbar:
Volk ??? Brauchen wir das ?
Das politische System dieses Landes war nie etwas anderes, als eine heimliche Farce. Dank eifrigen Demokratieabbaus über die letzten Jahrzehnte hinweg, sind die Herrschaften nun jedoch an einem Punkt angelangt, an dem sie die lästige Maske fallen lassen können.
genau so ist es .... seit jahrzehnten haben wir einen antidemokratischen Kurs.... und der wird sich fortsetzen... die Finanzdiktatur wird nicht eher stille halten als bis die Menschheit vernichtet ist......
Über Mindestlohn ist konkret überhaupt noch nicht verhandelt worden. Die Medien verbreiten Lügen.
Die deutsche Presse leidet an privatfernsehninduzierter Simple-Mindedness mit einem Zwang zur Vertraulichisierung öffentlicher Figuren und Sachverhalte. Oder mit anderen Worten: öffentliche Sachverhalte können nur mehr im Tratschtantenmodus der Bild-Zeitung verhandelt werden.
Wir haben demnächst sicherlich auch keine Wahlen mehr, sondern ein Regierungscasting.
Das mit dem Anti-Demokratisch mag fuer eine kleine Zahl von Journalisten zutreffen, vor allem den "Vordenkern" der "Elitepresse".
Dem Gros des Journalistenpacks (ich darf das sagen, war selber zu lange einer) kann man das Demokratie-Defizit erst sekundaer unterstellen, denn primaer hat man es hier mit kompletter Ignoranz zu tun. Die meisten von denen glauben tatsachlich das das alles so gehoert. Die haben das nie reflektiert und, zumindest die Juengeren, nie anders gelernt, denn die politische und Politik-Theoretische Ausbildung in D ist noch nicht mal mehr zum weinen sondern nur noch zum Kotzen. Addiert man noch die Nicht-Qualitaet der JOURNALISTISCHEN Ausbildung (sofern man ueberhaupt davon reden kann) dann muss man sich ueber gar nix mehr wundern.
Das ist so gewollt und dient unseren "Herren" sehr gut, insofern erwarten wir mal lieber keine Aenderung ausser zum noch schlechteren.
So wenig ich die Propagandamietmaeuler der Mainstreamjournaille mag, ist es nicht so wie es dort dargestellt wird? Es wird - nicht nur in dem Falle Koalition - hinter verschlossenen Tueren irgendwas ausgekungelt und moeglichst in Geheimvertraegen fixiert. Das ist icht mal mehr der Schatten einer Demokratie selbst eines aetzend moechtegern repraesentativen.Schmierentheaters wie in Schland.
Dieses Elend wird, mit all den dazugehoerigen schoenen Facetten seinen Lauf nehmen bis es wieder in einer faschstoiden Katastrophe kulminiert.
ANMERKER MEINT:
Ich glaube nicht, dass der gewählte Vermittlungssprech jeweils neu überlegt wird. Eher ist schon richtig, dass das marktkonforme Demokratiebewusstsein schon so tief in den Gehirnen verankert ist, dass der Mainstreamjournalismus das schon gar nicht mehr wahrnimmt. Genau das ist das Fatale. Genau deshalb ist ein Entlarverblog wie Deiner so wichtig, Roberto. Jammern bringt nichts, entlarven umso mehr!
MEINT ANMERKER
Naja, die Journalisten erwähnen heute eben nicht mehr, wie es eigentlich mal gedacht war mit dem Parlament, ganz einfach deshalb, weil es nie ein solches gedachtes Parlament gab. Das Fraktionsgeklatsche ist vielleicht eines Schimpansen würdig, aber sicher nicht selbstdenkenden Menschen! Der Parlamentarier, der nur seinem Gewissen rechenschaft schuldig ist, hat noch nie in diesem Hause gesessen. Die Fraktionen sind lediglich dazu da, die Gesetzesvorhaben durchzuwinken. Das ganze wird mit ein bisschen Show garniert, damit Phoenix was zu übertragen hat. Das dürfte auch ein Grund sein, warum sich diese Debatten kein normaler Mensch anschaut, denn das hat ungefähr das gleiche Niveau wie Wrestling. Nur mit intelektuellem Anstrich - die Moderatoren sind halt nicht ganz so nervig, dafür sind aber die Streithähne in die Jahre gekommen, denn es fehlt mittlerweile auch der letzte Pfiff. Man lallt eben nur noch sein gewohntes Programm herunter. Gysi meint ja mittlerweile auch schon, dass Opposition eine "Rolle" ist, die man spielt. Der war einfach schon zu lange dort.
Als gelernter DDR-Bürger, der schon einmal eine Demokratiesimulation erlebt hat, eine die auch ganz offiziell heute so genannt wird, kam mir das ganze Theater schon vom ersten Tag an sehr vertraut vor. Der einzige nennenswerte Unterschied ist, dass man tatsächlich sowas wie eine Wahl hat. Bei der letzten Wahl hatte man praktisch die Entscheidung zwischen Merkel und Steinbrück. Nun ja... Wer das tatsächlich Wahl nennt, macht sich schön was vor.
Naja folgende Aussage von dir muss man aber auch ein wenig relativieren:
"Diese Vereinbarung zwischen Koalitionspartnern meint, dass man versuchen wird, die Abgeordneten der Fraktionen auf den Regierungskurs zu lotsen. Der Koalitionsvertrag ist also nur die Absicht, die eigenen Parlamentarier in Versuchung zu führen."
Nur ein Wort: Fraktionszwang.
Natürlich gibt es immer Wege und Mittel was hinaus zu zögern. Haben wir ja in der letzten Periode gesehen. Schnarrenberger hat im Alleingang die VDS verhindert. Auf der anderen Seite hat die CDU bei den Steuern auflaufen lassen. Aber wenn sich die Obernazis äh ich meine Parteiführer einig sind (und das werden sie sicherlich bei allen Freiheitseinschränkenden Sachen sein) wird es schwierig.
Wo hat diese "Demokratie" (also die Parteien/Abgeordneten) eigentlich ihren Respekt vor den demokratischen Grundregeln gelassen?
Die Journalisten schreiben es so wie es halt ist (ja, ohne zu erwähnen, dass das Grundgesetz was anderes sagt).
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