Mein dir eine Bildung
Freitag, 22. November 2013
"Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand."
- Arthur Schopenhauer -
- Arthur Schopenhauer -
Ich war mal wieder unterwegs und hörte Radio. SWR 1 Rheinland-Pfalz. Den ganzen Rest kann man nicht hören. Lauter ecstasyberauschte Moderatoren, die zwischendrin ihre Tralala-Laune ins Mikro tuscheln. Jedenfalls hatte der Sender meiner Wahl mal wieder einen Thementag angesetzt. Diesmal: Sie leben mitten unter uns. Sind sie integriert oder isoliert? Moslems in Deutschland.
Ein muslimischer Experte stellte sich dem Moderator, der teils scharfe Fragen stellte und zum Dank nur schwammige Antworten erhielt. Experte wie Moderator waren sich am Ende aber einig: Bildung ist der Schlüssel zur Integration. Auf diese Formel einigte man sich von Kultur zu Kultur. Damit konnten beide leben. Der Moderator, weil damit bestätigt war, dass Moslems in Deutschland größtenteils ungebildet sind - und der Experte, weil er so eine Entschuldigung hatte für seine Glaubensgeschwister, die der Leitkultur nicht folgen. Das Stereotyp des Moslems in Deutschland ist also nicht bösartig, sondern einfach nur nicht gescheit genug. Immerhin: Dass ein Miteinander von beiden Seiten gewollt sein muss, das leugnete auch der Moderator nicht.
Ich aber fragte mich ratlos: Ist das so? Ist Bildung ein Schlüssel? Ich konnte und kann das nicht glauben. Sarrazin gehört zu jener Gruppe von Menschen in diesem Lande, die sich als Bildungsschicht ansieht. Buschkowsky auch. Und der eine oder andere Journalist von Springer soll sogar Journalismus studiert haben, munkelt man. Was hat der Bildungsbürger mit seiner Hetze gegen Araber und Muslime eigentlich zur Integration beigetragen? Hat er das Zusammenleben entspannt?
Gebildete Menschen sind kein Gradmesser für ein friedliches Miteinander. Es waren gebildete Leute, die Menschen in Konzentrationslager steckten und an ihnen "wissenschaftliche" Versuche vollzogen. Es waren gebildete Menschen, die die Atombombe entwickelten. Gebildete Schichten verhinderten lange die Gleichstellung von Schwarzen und Frauen. Es waren gebildete Ökonomen, die den Neoliberalismus als Lehre entwickelten und gebildete Philosophen predigen im libertärem Geiste die Freiheit des Marktes. Breivik war kein ungebildeter Mensch. Broder wird es auch nicht sein. Müller-Vogg und Hahne haben eine höhere Bildung absolviert. Lucke ist Professor und Mahler Rechtsanwalt. Jurist, wie fast alle Politiker der letzten Jahre, die viel für die Desintegration von Armen in der Gesellschaft getan haben. Ich denke dabei an Schröder oder Westerwelle.
Kurz gesagt: Es waren immer auch gebildete Leute, die die Welt zu einem schlechteren Ort machten. Leute mit hohen Abschlüssen und beruflicher Reputation. Wenn Bildung ein Schlüssel sein soll, das Leben der Menschen hienieden zu entspannen, dann muss ihr irgendwie der Schlüsselbart abgebrochen sein. Die Türe scheint mir doch meist zu zu bleiben.
Ich weiß natürlich schon, was gemeint war. Bin ja nicht blöd. Wenn Menschen ohne Bildung bleiben, dann sagt man ihnen nach, sie hätten einen begrenzten Horizont. Sie kariolten lediglich im trüben Raum ihres Mikrokosmos umher und müssten gezwungenermaßen engstirnig bleiben. Das ist auch irgendwie richtig. Aber richtig ist es hingegen weniger, dass gebildete Menschen irgendwann mal verantwortungsvoller in der Gesellschaft aufgetreten wären. Der Mob mag ja, salopp gesprochen, blöd sein - aber es gab im Mob und an dessen Spitze immer gebildete Blödiane. Gstudierte Deppen, wie man in Bayern schön verächtlich sagt. Leute, die in irgendeinem Fach gut ausgebildet sind, aber eben nicht gebildet. Hier bestätigt sich traurigerweise, was schon die Studenten 1968 postulierten: Wir brauchen Bildung und nicht nur Ausbildung.
Kann sein, dass Bildung den Zugang zum besseren Miteinander ausmacht. Einerlei ob damit nun das Miteinander von Christen und Moslems, Deutschen und Türken oder eben ein ganz generelles Miteinander von Mensch zu Mensch gemeint ist. Wenn die These stimmte, dann müssten wir feststellen, dass es sowas wie Bildungsbürger oder Bildungsschichten gar nicht gibt. Es gibt bestenfalls ausgebildete Bürger und Ausbildungsschichten, die keinesfalls einer "höheren Intelligenz" zugehören.
Bildung ist keine Garantie. Eher Glückssache. Gebildet zu sein im Sinne dessen, was wir heute unter Bildung verstehen, muss gar nichts bedeuten. Was nicht heißt, dass Bildung grundsätzlich abkömmlich wäre. Dem Menschen, der eine höhere Bildung erfahren durfte, einen besseren Stand im Bezug auf soziale Kompetenz anzudichten, ist so ein Fetisch, den sich das bürgerliche Spektrum in dieser bildungsfernen Bildungsrepublik angeeignet hat. Das schmeichelt irgendwie und macht Hoffnung. Irgendwie merkt keiner, dass die größte Scheiße meistens Leute anstellen, die zu den bildungsnahen Schichten gehören. Also ein Patentrezept zur besseren Welt, zu mehr Glück und so weiter, ist der gebildete Mensch nicht.
Ich staune sowieso sehr oft über irgendwelche Prominente, die aus PR-Gründen ihren progressiven Geist zur Show machen, davon salbadern, dass Bildung das beste Mittel gegen Armut und Not sei. Das mag stimmen, wenn man den Analphabeten zum Leser bildet. Aber in einem Land, in dem der Alphabetisierungsgrad gegen 100 Prozent strebt, ist das eine leere Parole. Der Sudanesin, die lesen gelernt hat, werden neue Horizonte eröffnet. Sie wird beispielsweise Geburtenkontrolle betreiben, weil Lesefähigkeit und Fertilität korrelieren. Aber der Arbeitslose in Deutschland, der ist ja nicht arbeitslos, weil er nicht lesen kann. Auch nicht, weil er nicht weiß, wie die Schlacht von Trafalgar endete oder wie der Bassist von Queen hieß. Und aus der Unterschicht befreit man sich nicht, weil man seine Lesefähigkeit verbessert hat.
Durch bessere Zensuren im Leistungskurs Mathematik wird man ohnehin kein besserer, kein weltoffenerer Mensch. Manchmal eher das Gegenteil, wenn man zum Beispiel seine Mitmenschen wie Zahlen behandelt. Herzensbildung ist kein schulischer Leistungskurs, sondern charakterliche Angelegenheit. Weder werden aus Türken plötzlich türkischstämmige Deutsche, wenn sie einen höheren Bildungsstand erreicht haben, noch wird der Rassismus und die Ausländerfeindlichkeit von Deutschen plötzlich verschwinden, wenn der allgemeine Bildungsstand steigt.
Und in einem Netz aus föderalistisch bedingt verschiedenen Schulsystemen, die sich strikt an Wirtschaftsvorgaben orientieren, ist mit einem gesteigerten Bildungsniveau ohnehin keine charakterliche Schulung vorprogrammiert. Ja, nicht mal eine erhöhte Vermittlung von Wissen ist damit zu machen. Das Niveau wird intellektuell angepasst. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, die hier und heute nicht hergehört.
Ein muslimischer Experte stellte sich dem Moderator, der teils scharfe Fragen stellte und zum Dank nur schwammige Antworten erhielt. Experte wie Moderator waren sich am Ende aber einig: Bildung ist der Schlüssel zur Integration. Auf diese Formel einigte man sich von Kultur zu Kultur. Damit konnten beide leben. Der Moderator, weil damit bestätigt war, dass Moslems in Deutschland größtenteils ungebildet sind - und der Experte, weil er so eine Entschuldigung hatte für seine Glaubensgeschwister, die der Leitkultur nicht folgen. Das Stereotyp des Moslems in Deutschland ist also nicht bösartig, sondern einfach nur nicht gescheit genug. Immerhin: Dass ein Miteinander von beiden Seiten gewollt sein muss, das leugnete auch der Moderator nicht.
Ich aber fragte mich ratlos: Ist das so? Ist Bildung ein Schlüssel? Ich konnte und kann das nicht glauben. Sarrazin gehört zu jener Gruppe von Menschen in diesem Lande, die sich als Bildungsschicht ansieht. Buschkowsky auch. Und der eine oder andere Journalist von Springer soll sogar Journalismus studiert haben, munkelt man. Was hat der Bildungsbürger mit seiner Hetze gegen Araber und Muslime eigentlich zur Integration beigetragen? Hat er das Zusammenleben entspannt?
Gebildete Menschen sind kein Gradmesser für ein friedliches Miteinander. Es waren gebildete Leute, die Menschen in Konzentrationslager steckten und an ihnen "wissenschaftliche" Versuche vollzogen. Es waren gebildete Menschen, die die Atombombe entwickelten. Gebildete Schichten verhinderten lange die Gleichstellung von Schwarzen und Frauen. Es waren gebildete Ökonomen, die den Neoliberalismus als Lehre entwickelten und gebildete Philosophen predigen im libertärem Geiste die Freiheit des Marktes. Breivik war kein ungebildeter Mensch. Broder wird es auch nicht sein. Müller-Vogg und Hahne haben eine höhere Bildung absolviert. Lucke ist Professor und Mahler Rechtsanwalt. Jurist, wie fast alle Politiker der letzten Jahre, die viel für die Desintegration von Armen in der Gesellschaft getan haben. Ich denke dabei an Schröder oder Westerwelle.
Kurz gesagt: Es waren immer auch gebildete Leute, die die Welt zu einem schlechteren Ort machten. Leute mit hohen Abschlüssen und beruflicher Reputation. Wenn Bildung ein Schlüssel sein soll, das Leben der Menschen hienieden zu entspannen, dann muss ihr irgendwie der Schlüsselbart abgebrochen sein. Die Türe scheint mir doch meist zu zu bleiben.
Ich weiß natürlich schon, was gemeint war. Bin ja nicht blöd. Wenn Menschen ohne Bildung bleiben, dann sagt man ihnen nach, sie hätten einen begrenzten Horizont. Sie kariolten lediglich im trüben Raum ihres Mikrokosmos umher und müssten gezwungenermaßen engstirnig bleiben. Das ist auch irgendwie richtig. Aber richtig ist es hingegen weniger, dass gebildete Menschen irgendwann mal verantwortungsvoller in der Gesellschaft aufgetreten wären. Der Mob mag ja, salopp gesprochen, blöd sein - aber es gab im Mob und an dessen Spitze immer gebildete Blödiane. Gstudierte Deppen, wie man in Bayern schön verächtlich sagt. Leute, die in irgendeinem Fach gut ausgebildet sind, aber eben nicht gebildet. Hier bestätigt sich traurigerweise, was schon die Studenten 1968 postulierten: Wir brauchen Bildung und nicht nur Ausbildung.
Kann sein, dass Bildung den Zugang zum besseren Miteinander ausmacht. Einerlei ob damit nun das Miteinander von Christen und Moslems, Deutschen und Türken oder eben ein ganz generelles Miteinander von Mensch zu Mensch gemeint ist. Wenn die These stimmte, dann müssten wir feststellen, dass es sowas wie Bildungsbürger oder Bildungsschichten gar nicht gibt. Es gibt bestenfalls ausgebildete Bürger und Ausbildungsschichten, die keinesfalls einer "höheren Intelligenz" zugehören.
Bildung ist keine Garantie. Eher Glückssache. Gebildet zu sein im Sinne dessen, was wir heute unter Bildung verstehen, muss gar nichts bedeuten. Was nicht heißt, dass Bildung grundsätzlich abkömmlich wäre. Dem Menschen, der eine höhere Bildung erfahren durfte, einen besseren Stand im Bezug auf soziale Kompetenz anzudichten, ist so ein Fetisch, den sich das bürgerliche Spektrum in dieser bildungsfernen Bildungsrepublik angeeignet hat. Das schmeichelt irgendwie und macht Hoffnung. Irgendwie merkt keiner, dass die größte Scheiße meistens Leute anstellen, die zu den bildungsnahen Schichten gehören. Also ein Patentrezept zur besseren Welt, zu mehr Glück und so weiter, ist der gebildete Mensch nicht.
Ich staune sowieso sehr oft über irgendwelche Prominente, die aus PR-Gründen ihren progressiven Geist zur Show machen, davon salbadern, dass Bildung das beste Mittel gegen Armut und Not sei. Das mag stimmen, wenn man den Analphabeten zum Leser bildet. Aber in einem Land, in dem der Alphabetisierungsgrad gegen 100 Prozent strebt, ist das eine leere Parole. Der Sudanesin, die lesen gelernt hat, werden neue Horizonte eröffnet. Sie wird beispielsweise Geburtenkontrolle betreiben, weil Lesefähigkeit und Fertilität korrelieren. Aber der Arbeitslose in Deutschland, der ist ja nicht arbeitslos, weil er nicht lesen kann. Auch nicht, weil er nicht weiß, wie die Schlacht von Trafalgar endete oder wie der Bassist von Queen hieß. Und aus der Unterschicht befreit man sich nicht, weil man seine Lesefähigkeit verbessert hat.
Durch bessere Zensuren im Leistungskurs Mathematik wird man ohnehin kein besserer, kein weltoffenerer Mensch. Manchmal eher das Gegenteil, wenn man zum Beispiel seine Mitmenschen wie Zahlen behandelt. Herzensbildung ist kein schulischer Leistungskurs, sondern charakterliche Angelegenheit. Weder werden aus Türken plötzlich türkischstämmige Deutsche, wenn sie einen höheren Bildungsstand erreicht haben, noch wird der Rassismus und die Ausländerfeindlichkeit von Deutschen plötzlich verschwinden, wenn der allgemeine Bildungsstand steigt.
Und in einem Netz aus föderalistisch bedingt verschiedenen Schulsystemen, die sich strikt an Wirtschaftsvorgaben orientieren, ist mit einem gesteigerten Bildungsniveau ohnehin keine charakterliche Schulung vorprogrammiert. Ja, nicht mal eine erhöhte Vermittlung von Wissen ist damit zu machen. Das Niveau wird intellektuell angepasst. Aber das ist wieder eine andere Geschichte, die hier und heute nicht hergehört.
24 Kommentare:
Ich bin auch für die Gleichstellung von Schwarzen und Frauen!
Stecken wir die Schwarzen nun in die Küche an den Herd oder die Frauen in die Baumwollfelder??? *grübel* *kopfkratz*
Bevor ich mich mit dem Beitrag ausgiebig auseinandersetzen kann brauch ich eine Definitionsfestlegung von Bildung. Frage: Bildung ist doch ein von außen oder mir selbst nach einem mir noch unbekannten Bildungsgebungverfahren erzeugtes geistiges Etwas, also ein künstliches oder natürliches geistiges Gebilde in meinem Kopf oder nach Frau meinem Bauch oder nach Schwarzer in meinem Schwanz verortbar. Kein Wissen also aber es ist aktiv erzeugt oder passiv entstanden. Wie komm ich jetzt zur Verwendung der Aussagen restlichen die dieses Beitrages? Kann mir da geholfen werden?
Ja, SWR1 ist einer, der Sender, die ich am häufigsten höre, der Musik, der Wetter- und Verkehrsberichte wegen, aber wenn es um Information geht, packt mich meistens die Wut und ich schalte ab. Im Übrigen denke ich mittlerweile, dass wir, als Hörer, eigentlich bezahlt werden müssten dafür, dass wir diese mediale Verblödung, Desinformation und Meinungsmache über uns ergehen lassen "müssen".
Was die heilige Kuh, Bildung, betrifft, so erkenne ich auch nicht die Bedeutung, die ihr beigemessen wird. Hier wird die Religionsgläubigkeit durch Bildungsgläubigkeit (und Wissenschaftsgläubigkeit) ersetzt und verheißungsvolle Heilsversprechen propagiert, die aber, an der Lebens- und Arbeitswirklichkeit vorbei gehen. Der Arbeitsmarkt gibt nicht das her, was er demnach hergeben müsste (Arbeitsmangel) und hinsichtlich der begrenzten irdischen Ressourcen, sowie der Zerstörung der irdischen Zyklizität (des lebenserhaltenden Kreisläufigkeitsprinzips) muss der Arbeitsbegriff, samt der ganzen Art des Wirtschaftens grundsätzlich überdacht werden.
Was ist eine Bildung wert, die nicht für alle zugänglich ist, obwohl sie doch, ach, so erstrebenswert und der Schlüssel zum Erfolg sein soll? Eine Bildung, die den Auserwählten den Erfolg „garantiert“ und den Erfolglosen, Ungläubigkeit vorwirft und zu Outsidern stigmatisiert.
Tatsache ist, dass Bildung nicht das ist, was sie verspricht, weil die Bindung an die irdische Realität ausgeklammert wird und eine physiologische, psychologische, genealogische etc. –logische … Hierarchiesierung betrieben wird, die mehr, als die Hälfte der Menschheit ausschließt. Es wird ein unfruchtbares und lebenszerstörendes System von Privilegien für Wenige und von Verwahrlosung für Viele geschaffen. Die ewig-gestrige Erdscheibenmentalität – sprich - das dualistische „Mind-Set „ der elitären Überheblichkeit richtet mehr Schaden an, als sonst was!
Aber du hast es doch selber gesagt bzw. zitiert: Wir brauchen Bildung und nicht nur Ausbildung.
Bildung ist sicher nicht das gesellschaftliche Allheilmittel, aber die von dir genannten Technokraten waren in der Regel eben bestenfalls ausgebildet, aber sicher nichts weniger als gebildet.
Der sogenannte "Bildungsbürger" dürfte zu seinem Verstand ein ähnliches Verhältnis pflegen, wie jener "Wohlstandsbürger" aus der Fernsehwerbung, der da auftrumpft: "Mein Haus, mein Auto, meine Yacht!"
Die Nachweise seiner Bildung (Zeugnisse, Diplome, Dissertationen), liegen neben Aktien, Kommunalobligationen und Pfandbriefen in derselben Schublade. Von seinem Verstand macht er geflissentlich wenig Gebrauch - aus Angst vor Verschleiss und Wertminderung. Er hat's ja! Und das genügt ihm.
Was nun straffällige Ausländer anbelangt, stellt sich die Frage, ob diese dem Vorbild ihrer Herkunft folgen oder aber unserem.
Danke, Roberto für den Artikel.
Bildung ist wohl in der Tat eines der am häufigsten mißbrauchten Worte im deutschsprachigen Raum.
(Es wird mit Wissen gleichgesetzt und verwechselt)
Etymologisch hängt es doch wohl sehr mit "Bild" zusammen. (Ich mein jetzt nicht die Zeitung ;-))
Im englischen "to build", das ja wohl sehr mit Bildung verwandt ist , sind ja sehr viele Deutungsmöglichkeiten enthalten.
(bauen, bilden, gestalten.. etc)
Hieraus ergibt sich m.M. nach auch der tiefere Sinn von Bildung.
Eines der schönsten Worte in der deutschen Sprache ist für mich: "Herzensbildung"
Es würde den Rahmen sprengen, wenn ich an dieser Stelle darüber schriebe, wie ein Herz "gebildet" wird.....
P.S.
noch eine Buchempfehlung:
Bildung, Dietrich Schwanitz
Danke für diesen Text. Ich habe in meinem beruflichen Verlauf so viele akademisch ausgebildeten Personen getroffen, die trotz hohem Bildungsgrad vor Dummheit nur strotzten. Bildung kann hilfreich sein im Leben, aber die Fähigkeit Komplexität zu verstehen, zu reduzieren, und daraus sinnvolle Handlungen abzuleiten, muss einher gehen.
Anhänger des 04.08.1789
Tatsache ist wohl, dass die Masse der Individuen durch das herrschende Bildungssystem an die Bedingungen zur Verwertung im Produktionsprozess angepasst, geformt werden.
Gelehrt wird nirgendwo im Westen, dass die Menschen alle gleich, da sie zur Gattung Mensch gehören aber jedoch unterschieden sind. Unterschieden durch natürliche oder angeborene Veranlagungen (geistige und physische Potenzen) und den äußeren Merkmalen. Soweit so gut.
Als ein signifikantes weiteres Unterscheidungsmerkmal bildete sich historisch die Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse resp. Schicht heraus. Und hier liegt der Hase im Pfeffer.
Sind viele Angehörige einer sozialen Schicht (Klasse) in ihrem Dasein bedroht (soziale Deklassierung oder sogenannter Abstieg), dann werden gerne Konstrukte benützt, um das „Fremde“ als die eigentliche Bedrohung zu thematisieren. Das „Fremde“ kann hier alles Mögliche sein.
ich bin ja sowas von gebildet, mehr geht fast nicht mehr. dennoch war ich in meinem leben nur temporär immer mal wieder integriert. meist war ich aber außenseiter.
Vor allem kann Bildung auch zur Spaltung einer Gesellschaft führen, gerade Deutschland mit seinem dreigliedrigen Schulsystem ist ein gutes Beispiel.
Als ich nach der Grundschule auf die Hauptschule kam, brach der Teil meines Freundeskreis, der auf die Realschule und aufs Gymnasium ging komplett weg.
Ich kann gar nicht mehr sagen woran es lag, aber aus irgendeinem Grund blieben die verschiedenen Klassen unter sich, obwohl doch auch die Realschüler den selben Pausenhof nutzten wie wir.
Die Gymnasiasten hatten übrigens einen um eine viertel Stunde nach hinten verschobenen Stundenplan, so das wir uns auf dem Pausenhof nicht mehr begegneten.
Ich habe in meinem Leben immer wieder Leute getroffen denen es ähnlich ging, der Freundeskreis der Kindheit kam immer aus der selben Bildungsschicht.
Wie erging es den anderen hier?
Bildung ist ja eine schöne Sache, wenn sie aber der Abgrenzung von den vermeintlich Ungebildeten dient, bringt das eine Gesellschaft wirklich weiter?
Zumal ich zu oft den Eindruck habe, das gerade jene, die wir so gern als Fachidioten bezeichnen es auch sind, weil sie nicht bereit sind auf das Wissen anderer zu Hören. Nach dem Motto: „Der ist nicht vom Fach, also muss ich seine Kritik auch nicht ernst nehmen.“
Meiner Meinung nach ist das auch der Hauptgrund, warum die Wirtschaftswissenschaftler in diesem Lande sich im Kreis drehen und keine neue Idee für einen Ausweg aus der Finanzkrise haben, die nicht schon mal gedacht wurde.
Witziger Kommentar, WahreLüge! *lach*
Am Ende, Roberto, hast du dann tatsächlich das Wort geschrieben, das ich beim Lesen des Artikels immerzu im Kopf hatte: Herzensbildung. Man muss nicht aufs Gymnasium gegangen sein, um zu sehen, dass Hartz IV eine Sauerei ist.
Ein anderes Stichwort kommt mir in den Sinn: Lesewilligkeit. Ich bin ja immer wieder von den Socken, dass Menschen, die durchaus nicht ungebildet sind, sich einfach nicht die Mühe machen, sich zu informieren. Jede Info ist zwei Klicks entfernt im Internet, trotzdem kann ich z. B. die Nachdenkseiten anpreisen - sie haben einfach keine Lust. Oder "keine Zeit"! Also ich denk mal, wer die Zeit hat, sich desinformieren zu lassen, hätte auch welche für wahre Information. Wie wär's zu Anfang mal mit der Viertelstunde, die die Tagesschau dauert?
Aber nö, keine Chance.
ANMERKER MEINT:
Ach ja die Bildung; ja welche denn?
Ohne einige grundelegende Gegebenheiten kann mir das Gefasel von der Bildung gestohlen bleiben! Womit ich nichts gegen Deinen guten Artikel gesagt habe, Roberto. Ich meine aber, dass es wichtig ist zu definieren: Bildung wozu! Bildung nach dem alten Prinzip, das da heißt Hilfe für den Menschen aus seiner (nicht) selbsverschuldeten Unmündigkeit, Bildung, die die Menschen frei macht, emanzipiert im besten Sinne des Worte. Bildung, die den Menschen die Werkzeuge an die Hand gibt, ihre totalitär bestimmte Welt zu durchschauen, Bildung, die zur kritisch-emanzipatorisch-humanen "Gewalt" werden kann, wenn zu ihrer Erlangung genügend Zeit zur Vefügung gestellt wird. Auf einen praktischen Punkt gebracht: Her mit der 30stundenwoche und her mit den Angeboten zur sinnvollen Gestaltung der dann frei werdenden Lebenszeit. Her mit der Erziehung zur Mündigkeit statt Hörigkeit. Das wäre sogar im Föderalismus möglich, wenn mal wieder ein Bundesland den Mut dazu aufbrächte. Aber all dem Genannten schieben die Herrschenden derzeit auf allen Ebenen einen Riegel vor.Ohne kreativen Widerstand wird´s wohl nichts werden mit einer möglichst menschlichen Zukunft.
MEINT ANMERKER
Das humboldtsche Bildungsideal wollte das autonome Individuum, den mündigen, vernunftbegabten Weltbürger - ein Weltbürgertum.
Unser interessenbegleitetes Bildungssystem vomiert primär antsolidarisiertes, partiell ausgebildetes "Humankapital", das sich kursorisch exploitieren lässt.
Eine Bildungsinitiative, die Tribalismus oder Standesdünkel aufhebt - Partizipation, Integration, Solidarität, echten Wissenstranfer und/oder Kooperation will - scheint mir, entgegen aller "Maulhurerei", nicht wirklich intendiert.
@WahreLüge #1
Interessanter Ansatz, das sollte auch gleich in den Koalitionsvertrag bezüglich Quote bei den Aufsichtsräten. Jede Hautfarbe sollte mit 30% vertreten sein. Weibliche Mischlinge können diese Quote dann ganz deutsch "übererfüllen".
@Roberto:
Leider liegt die Alphabetisierung in Deutschland nicht bei 100%. Du wirst kaum glauben, wie viele nicht lesen und schreiben können und wievielen du das nicht anmerkst, da die Betroffenen über die Jahre hinweg Vertuschung antrainiert haben.
Ich denke mal, der Begriff "Integration" wird hierzulande schlichtweg falsch interpretiert. Als Allerletztes hat Integration etwas mit Bildung zu tun. Daran sieht man wieder nur, dass die Leute um den Heißen Brei herumreden und die grundlegenden Probleme verschweigen. Grundsätzlich funktioniert Integration nur dann, wenn man dem Gegenüber auch eine Möglichkeit bietet, sich zu integrieren. Wenn ich jemanden ablehne, ihn zum Untermenschen degradiere, ihn aus der Gesellschaft ausgrenze und ihm somit jeglichen Respekt vor seiner Person verweigere, kann ich schlecht verlangen, dass er diesen Platz auch einnimmt - und das versteht man hierzulande unter Integration. Wenn man jemanden integrieren will, muss man ihn respektieren und ihm die dementsprechende Achtung entgegenbringen, denn nur so kann man auch Respekt und Achtung vor der eigenen Person und Kultur erwarten. Integration heißt "in sich aufnehmen", also "akzeptieren", und beruht auf Gegenseitigkeit. Man muss jedes Individuum als Bereicherung der Gemeinschaft verstehen, erst dann kann es auch auch einen Platz einnehmen und sich integrieren. Mit Unterdrückung und Ausgrenzung kommt man da nicht weiter. Die allgegenwärtigen Hetzkampagnen gegen Einwanderer und Asylbewerber sprechen im Übrigen Bände. Es ist nämlich völlig irrelevant, ob jemand braun, schwarz oder weiß ist, wir leben alle gemeinsam in diesem Land und jeder der hier lebt, der ist ein Teil unserer Gesellschaft, das sollten die Leute mal langsam begreifen. Wenn man hier überhaupt jemandem Integrationsunwilligkeit unterstellen kann, dann doch unserer eigenen Bevölkerung.
@ Gerhard Hanenkamp,
als Schwester von 5 Brüdern kenne ich diese Art der Auseinandersetzung zur Genüge und hätte Dir vorzuschlagen, Dich (ich verwende das übliche virtuelle Du und hoffe auf Dein Einverständnis) mit der Patriarchatskritik zu beschäftigen.
Forschungsinstitut für Patriarchatskritik und alternative Zivilisationen FIPAZ e. V.
http://www.fipaz.at/impressum/
Alice Schwarzers Feminismus hat mit dem Kampf und der Spaltung der Geschlechter zu tun und bietet keine Lösung für das Zusammenleben der Geschlechter an und ist gegen die Maskulisten gerichtet, die an eine Höherwertigkeit des Mannes und an eine Minderwertigkeit des weiblichen Lebens "glauben" und daraus irgendwelche Ermächtigungs"rechte" zur Unterdrückung der Frau ableiten.
Patriarchatskritik ist auch zugleich Herrschaftskritik und setzt bei der Überhöhung der Vaterschaft über die Mutterschaft an. Historisch gesehen, geschah der Sündenfall der Überhöhung vor ungefähr 7000 Jahren. Sündenfall, insofern, als damit auch die Unterwerfung der Natur und allen geborenen Lebens begann. Das Prinzip des "Machens und Erzeugens" wurde zur Maxime erhoben und alles, vom Menschen, Gemachte wurde als höherwertiger bezeichnet. Das, von der Natur Gegebene und Geborene wurde als minderwertig angesehen und man konnte darüber verfügen.
Tatsache ist aber, dass es ohne Natur und ohne die Erde keine Gestaltungsmöglichkeit, kein Wissen, keine irdische Erfahrbarkeit und kein Bewusstsein gäbe.
Im Grunde sagt das vorangestellte Zitat von Schopenhauer schon alles.
Ich komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie und bin bis heute der Einzige, der studiert hat und in einem entsprechenden "gehobenen" Beruf arbeitet. Ich kenne daher beide Welten, die der "einfachen" Leute genauso wie die der Akademiker.
Was Empathie, Reflexion und das Denken in Zusammenhängen angeht, konnte ich keine Unterschiede feststellen. Absolute Vollpfosten hier wie da, genauso wie nachdenkliche und herzensgute Menschen.
Wie hier schon mehrfach festgestellt, wird heutzutage Ausbildung und Wissen nur allzu gern mit Bildung verwechselt. Wer an einer Hochschule studiert hat und seitdem auch in diversen Firmen mit vielen Dr.-Ing. usw. zu tun hat, kann über die einem hohen Ausbildungsgrad angedichteten Fähigkeiten nur milde lächeln.
In unserer durchökonomisierten Welt zählt sowieso nur noch die wirtschaftliche Verwertbarkeit. Die so genannte Bologna-Reform hat noch einmal klar gemacht worum es geht. Man braucht schnell ausgebildete Fachidioten - jung, willig und billig. Die sollen gefälligst arbeiten und funktionieren, wen interessieren da schon charakterliche Eigenschaften?
Ja, das mit den 100 Prozent Alphabetisierung, die da im Artikel genannt werden, sieht anders aus.
Es wird hierzulande von 4 bis 10 Millionen "funktionalen" Analphabeten unter den Erwachsenen ausgegangen. Wenn man bei 5 Millionen Arbeitslosen von Massenarbeitslosigkeit redet, muss man auch von Massen-Analphabetismus hierzulande reden.
Ich schrieb, dass die Alphabetisierungsquote auf 100 Prozent zustrebt. Dass sie bei 100 Prozent liegt, habe ich hingegen nicht behauptet. Es stimmt also, viele können nicht lesen :)
Der schon fast mantrahafte Rekurs auf Bildung soll verschleiern, daß für die Verbesserung der materiellen Situation der auf diesem Landflecken Lebenden nichts übrig ist.
Roberto, Du hast recht, die verstehen unter Bildung "Ausbildung" bzw.
"Anpassung", "Integration" und "Affirmation", also Jasagerei zu allem was die "Obrigkeit" sagt.
Eigentlich, so meine ich, gehört den Lesern des deutschen Lehrermagazins, der "Zeit", Dein Artikel um die Ohren gehauen. Dorten ist mit Sicherheit das Deiner Überschrift unterschriebene Schopenhauerzitat unbekannnt oder unverstanden.
Jedenfalls habe ich selten so einen klaren und logisch stringenten Text über die Wirklichkeiten von "Bildung und Erfolg" gelesen.
Salud
"Wer sich als Richter über Wahrheit und Erkenntnis erhebt, wird dem Gelächter der Götter zum Opfer fallen."
(Albert Einstein)
Zitat von nebelwind:
"Ich bin ja immer wieder von den Socken, dass Menschen, die durchaus nicht ungebildet sind, sich einfach nicht die Mühe machen, sich zu informieren. Jede Info ist zwei Klicks entfernt im Internet, trotzdem kann ich z. B. die Nachdenkseiten anpreisen - sie haben einfach keine Lust. Oder "keine Zeit"! "
GENAU diese Erfahrung habe ich auch gemacht.
Sie wollen es so.Sie wollen sich verarschen lassen.
Aber...vielleicht sollte man Geduld haben. 'Steter Tropfen höhlt den Stein'
Wie immer:
Schön auf den Punkt gebracht.
Bildung ist eben nicht Ausbildung
(Z.b. zum typisch weitverbreiteten Fachidiotentum im Land).
Übrigens, vielleicht schreibst du ja auch mal was über Menschen, die schon überall auf der Welt hingereist sind, deren geistiger Horizont aber genau vor dem Brett vor dem Kopf endet, dass sie haben.
Ich habe da so jemand in der Verwandtschaft, der damit nervt, dass ich eben angeblich weltfremd wäre, weil ich noch nicht so auf dieser Erde herumgekommen wäre wie er (er war tatsächlich schon fast in jedem Land dieses Globus - mit Reisegruppen), der aber eben beim geistigen Horizont....siehe oben....
Weltreisender zu sein heißt eben noch lange nicht global gebildet zu sein ;-)
Gruß
Bernie
PS: Fremdenfeindlichkeit und weitgereist passen doch nicht zusammen - Oder? Mein Verwandter erinnert mich da an gewisse dt. Kolonialtypen aus Kaiser Wilhelms Zeiten...
Die elementare Bildung der Institutionen kann auch als Staatsbürgerkunde bezeichnet werden. Sie führt zur Harmonisierung des Volkskörpers und kann durch die Integration legitimer Handlungsschablonen, sowie der Integration von Verboten, zur Friedenssicherung zwischen den Volksgruppen und den Subjekten führen. An dem erlernten Maß was als Idealtypus des Menschen und seinen Handlungen gilt, lässt sich ein Menschenbild erkennen, dass Andersartigkeit unter Umständen toleriert aber sie nicht als gleichwertig anerkennt. Der Ursprung des "Ideal"Deutschen kann in der Genialogie der Germanen ausgemacht werden(vgl. "der arische Mythos" von Leon Poliakov). Die aus der Genialogie folgenden Postulate führen zu Kategorien der Spaltung (Differenzpostulaten) und konstruieren bei ihrem praktischen Vollzug durch die angestammte Bevölkerung das Andersartige als Minderwertig. Wiedersprüchlich dazu steht das Recht, welches jedem Menschen Gleichheit annektiert. Die Notwendigkeit der Demokratie gleichwertiger politischer Mitglieder stützt als Gerüst des Gleichheitsglaubens, das Fremdes nicht zu integrieren. Assimilation bleibt darum die offerierte Option um Anerkennung rechtlich, kulturindustriell und intersubjektiv mit der angestammten Bevölkerung zu genießen. Das Problem besteht darin, dass viele Menschen ihr Selbst anteilmäßig durch kulturelle Introjekte konstituieren und eine extern erwirkte Abspaltung der fremdkulturellen Anteile einen problematischen Akt darstellt, welcher wiederum Desintegration zur Folge haben kann. Ein Ausweg erscheint in der Änderung unseres Gleichheitsparadigmas hin zu einem Paradigma der Andersartigkeit.
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