Kurz kommentiert
Mittwoch, 6. November 2013
"Hollandes Irrweg, die Staatsfinanzen über Steuererhöhungen zu sanieren, rächt sich nun bitter.[...]
Die versuchte Sanierung der Staatsfinanzen über Steuererhöhungen statt Ausgabenkürzungen ist ein Irrweg, den eingeschlagen zu haben sich für Hollande nun bitter rächt. Die Franzosen drohen mit Steuerstreik..."
- Christian Schubert, Frankfurter Allgemeine am 1. November 2013 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Schubert findet, es sei bedenklich, wenn man Staatsfinanzen durch Steuererhöhungen bei Reichen ausgleichen möchte. Dass diese Erhöhungen vor allem Vermögende traf, hat Schubert ja auch galant übersprungen. Das Spiel mit dem Feuer, das er da rhetorisch bemüht, läßt sich viel simpler erklären: Wenn man Reiche höher besteuert, werden sie staatsverdrossen, lehnen es verstärkt ab, gute Staatsbürger sein zu wollen. Wenn sich Reichtum nicht mehr lohnt, dann läuft der Staat Gefahr, von irgendeiner Tea Party erpresst zu werden. Man muss sich seine Reichen eben bei Laune halten.
Die Steuerstreiker, die Schubert anspricht, sind übrigens Leute wie Depardieu oder der Unternehmer de Thomas oder einige raffgierige Fußballer aus der Ligue 1. Menschen aus dem oberen Segment der Einkommensstatistik, die es für ungerecht ansehen, dass ihr Vermögen zur steuerlichen Umverteilung herhalten soll. Und es sind überdies Menschen, die nicht selten von einem durch Steuern finanzierten öffentlichen Sektor in Kunst und Sport, aber auch Wirtschaft und Bildung, profitiert hatten. Ihre heutigen Einkünfte sind für sie allerdings nicht Produkt dieser Strukturen, sondern die folgerichtige Konsequenz ihrer persönlichen Leistung. Daher sollten sie ja auch unantastbar sein. Dass sich diesen Eliten freilich auch Mittelschichtler anschließen, ist nicht verwunderlich. Ähnliches erlebt man auch in Deutschland, wenn sich irgendein Versicherungsangestellter vor der Millionärssteuer fürchtet, weil die ja vielleicht irgendwann auch auf ihn abstrahlen könnte. Sei die realistische Aussicht auf eine eigene Million auch noch so gering, man hält sie sich in der Mittelschicht gerne offen. Man weiß ja nie.
Was Schubert eigentlich sagen will ist, dass der moderne Staat seine Leistungsträger nicht zu sehr belasten sollte. Er sollte sich von deren Abwanderungs- oder Streikdrohungen erpressen lassen und die Frage des Allgemeinwohls der Situation unterordnen. Schließlich ist dieses postulierte Wir wollen weniger Steuern zahlen! auch eine demokratische Äußerung. Die Reichen sind ja auch Bürger. Besser ist es doch da, den demokratischen Weg der Ausgabenkürzung im Sozialwesen zu gehen. Das wäre dann kein Irrweg, um bei Schuberts Terminologie zu bleiben. Er spricht sich hier (ganz offen zwischen den Zeilen) für die Beibehaltung des neoliberalen Weges aus: Niedrige Steuern (besonders für Reiche) und dezimierte Ausgaben (wo es Arme trifft). Ein Rezept, das zu immer mehr Sparprogrammen führt, Probleme im Inneren verschärft und den Reichtum aus der Haftung entläßt.
Mag sein, dass Hollande viele Irrwege eingeschlagen hat - die Erhöhung der Steuern war aber keiner. Diese Maßnahme ist für jedes Land notwendig, das wieder handlungsfähig werden will. Wenigstens das scheint Hollande erkannt zu haben. Schubert jedoch nicht. Oder er hat es erkannt und wünscht sich gar kein handlungsfähiges Gemeinwesen mehr, sondern will den deutschen Traum von der marktkonformen Demokratie weiterträumen.
Die Steuerstreiker, die Schubert anspricht, sind übrigens Leute wie Depardieu oder der Unternehmer de Thomas oder einige raffgierige Fußballer aus der Ligue 1. Menschen aus dem oberen Segment der Einkommensstatistik, die es für ungerecht ansehen, dass ihr Vermögen zur steuerlichen Umverteilung herhalten soll. Und es sind überdies Menschen, die nicht selten von einem durch Steuern finanzierten öffentlichen Sektor in Kunst und Sport, aber auch Wirtschaft und Bildung, profitiert hatten. Ihre heutigen Einkünfte sind für sie allerdings nicht Produkt dieser Strukturen, sondern die folgerichtige Konsequenz ihrer persönlichen Leistung. Daher sollten sie ja auch unantastbar sein. Dass sich diesen Eliten freilich auch Mittelschichtler anschließen, ist nicht verwunderlich. Ähnliches erlebt man auch in Deutschland, wenn sich irgendein Versicherungsangestellter vor der Millionärssteuer fürchtet, weil die ja vielleicht irgendwann auch auf ihn abstrahlen könnte. Sei die realistische Aussicht auf eine eigene Million auch noch so gering, man hält sie sich in der Mittelschicht gerne offen. Man weiß ja nie.
Was Schubert eigentlich sagen will ist, dass der moderne Staat seine Leistungsträger nicht zu sehr belasten sollte. Er sollte sich von deren Abwanderungs- oder Streikdrohungen erpressen lassen und die Frage des Allgemeinwohls der Situation unterordnen. Schließlich ist dieses postulierte Wir wollen weniger Steuern zahlen! auch eine demokratische Äußerung. Die Reichen sind ja auch Bürger. Besser ist es doch da, den demokratischen Weg der Ausgabenkürzung im Sozialwesen zu gehen. Das wäre dann kein Irrweg, um bei Schuberts Terminologie zu bleiben. Er spricht sich hier (ganz offen zwischen den Zeilen) für die Beibehaltung des neoliberalen Weges aus: Niedrige Steuern (besonders für Reiche) und dezimierte Ausgaben (wo es Arme trifft). Ein Rezept, das zu immer mehr Sparprogrammen führt, Probleme im Inneren verschärft und den Reichtum aus der Haftung entläßt.
Mag sein, dass Hollande viele Irrwege eingeschlagen hat - die Erhöhung der Steuern war aber keiner. Diese Maßnahme ist für jedes Land notwendig, das wieder handlungsfähig werden will. Wenigstens das scheint Hollande erkannt zu haben. Schubert jedoch nicht. Oder er hat es erkannt und wünscht sich gar kein handlungsfähiges Gemeinwesen mehr, sondern will den deutschen Traum von der marktkonformen Demokratie weiterträumen.
14 Kommentare:
Die vielzitierten, soge- und selbsternannten Leistungsträger lassen sich in der Regel durch die Leistung anderer tragen, erbringen eigentragende Leistung vergleichsweise selten.
Dass jene den entstandenen Mehrwert möglichst nicht, auch nicht indirekt und in geringem Umfang, an die Leistungserbringer zurückgeben wollen, entspricht ihrem einnehmenden Charakter.
Solange es in Deutschland diese steuerlich privilegierte asoziale Ausbeuterklasse gibt, die ungeniert ihre Kleptomanie auf Kosten des Staatswesens ausleben kann, haben umliegende Staaten keine Chance ein humaneres Staats- und Wirtschaftswesen zu errichten. Solange, das patriarchale Wesen sich aus der, falsch verstandenen, "Raubtiermentalität" definiert und die Erde, ihre Naturressourcen samt ihrer natürlichen Geborenheiten als Beute und Ausbeutungsobjekte sieht, zähle ich die Kaste der Gewinnmaximierer nicht zu der menschlichen Spezies. Sie sind die Urheber aller ökologischen und sozialen Missstände und sie gehören zur Rechenschaft gezogen.
Meinen Sie mit Reichensteuer auch Erbschaftssteuer? Erben ist (positives) Schicksal, es ist eine ungewählte Bevorteilung - so wie Menschen, die eine attraktive Körperstatur mitbekommen haben und damit in noch grundlegenderer Weise bevorteilt sind im Leben als durch ein einmaliges materialistisches Erbe (statistisch deutlich besseres Gehalt, Möglichkeiten bei der Partnerwahl, sozialer "Rang").
Der Tatbestand ist klar zu benennen, Menschen mit schicksalsgegebenen Vorteilen, für die sie rein gar nichts können, Pflichten aufzuerlegen, die anderen Menschen nicht auferlegt werden: Rassismus.
Rassismus!?! Laaaach! Soviel Scheiße in zwei Absätzen! Herrlich! Ich bin also Rassist, weil ich denke, dass eine rigide Erbschaftsteuer (bei Reichen) notwendig ist. Gut, dann bin ich eben ein Erbschaftssteuer-Rassist.
Mich würde das wirklich interessieren.
Wie wollen Sie es anders als durch Rassismus begründen, dass Sie dem einen für seine ererbten Vorteile Pflichten auferlegen, dem anderen aber nicht?
In beiden Fällen sind die Vorteile messbar: Beim einen stehen sie nur von vornherein auf dem Papier, beim anderen summieren sie sich ein Leben lang.
Hast du schon mal, und sei es nur für einige Sekunden, darüber nachgedacht, was Rassismus ist?
Geht Reichtum einem ins Blut über? Ist es eine Art Hautfarbe? Wenn du das gleichstellst, dann hast du es geschafft, Reichtum zu biologisieren. Und das halte ich für kriminell.
Nur nebenbei: es sind wohl nicht die Fußballer, sondern die Clubs, die streiken wollen.
Nee, letzte Woche wurde berichtet, dass einige Fußballer streiken wollen. Mittlerweile scheinen sich die Klubs teilweise neben ihre Spieler zu stellen.
Den Spielern ist es egal, da sich an ihren Gehältern nichts ändert. Die Steuern müssen die Vereine zustätzlich abführen, was teilweise massive Mehrkosten verursacht.
Es geht auch nicht darum, dass die Klubs nicht zahlen wollen - problematisch ist jedoch, dass mitten in der Saison massive Zusatzkosten entstehen. Sie fordern eine "Schonfrist" bis Anfang 2014 um während der Winterpause mit Verkäufen reagieren zu können.
Nollande hat sehr wenig verkehrt gemacht bis jetzt, daher der scharfe Gegenwind. Fatal wäre (für Leute die wie der FAZ-Autor denken) wenn sich ein Erfolg schnell einstellen würde, denn dann würde mal eine einigermaßen wichtige Volkswirtschaft den Nachweis erbringen das der neoliberale Weg ein Irrweg ist.
Das Wort "Umverteilung" ist meiner Ansicht nach ein neoliberaler Kampfbegriff (Neusprech) um zu verschleiern das es ja eigentlich darum geht, Geld, das der arbeitenden Bevölkerung in Form von Lohndrückerei oder überhöhter Preise vorenthalten oder gestohlen wurde, diesem indirekt zurück zu erstatten.
Erben ist eine Form von leistungslosem Einkommen und sollte zumindest so besteuert werden wie Kapitalerträge, also 25% + 5,5% Soli.
MfG: M.B.
Dass gerade die Fußballvereine und eher nicht die Fußballspieler auf die Barrikaden gehen, liegt an einer ganz simplen Tatsache.
Meinen Kenntnissen zufolge basieren die Spielerverträge in der Regel immer auf Netto-Beträgen. Sie werden allerdings in der Presse fast immer ohne den Zusatz "netto" deklariert, sodass es in der allgemeinen Interpretation zu, meiner Meinung nach gewollten, Missverständnissen kommt. Wenn z.B. ein Zlatan Ibrahimovic einen derzeit mit 15 Mio. Euro dotierten Jahresvertrag besitzt, zuzüglich weiterer individueller Einnahmen aus Werbeverträgen, dann ist dies ein Nettobetrag.
Meines Wissens nach führen sogar die Vereine die Steuern direkt ab, ohne dass sie über den Spieler gehen. Dies unterstreicht natürlich obige Konstruktion. Und damit wird natürlich auch klar, dass aufgrund dieser Verträge die Vereine bei höheren Einkommensteuern ihr Vereinsbudget höher in Anspruch nehmen müssen. Für die Spieler ändert sich nichts. Außer vielleicht, dass bei der nächsten Vertragsverlängerung bzw. einem Wechsel noch mehr gefeilscht wird. Daher der besonders starke Widerstand der Vereine und weniger der Spieler.
Frankreich hat mit Ihrer eigenen Reichensteuer weniger Probleme als wir mit eben dieser im Nachbarland. In Frankreich ist immer noch ein Stück weit Patriotismus und nicht wie bei uns ideologisch verbohrte ungehemmte Vorteilsnahme.
Ach je, da erhebt ein anonymer Erbe seine Stimme (6. November 2013 13:52) - nehm' ich mal an. Wer sonst könnte biologistische Vergleiche bemühen, um das Erben zu einer sozialverträglichen Wohltat umzuretuschieren. Als ob es um die vielen Kleinerben mit ihren vllt. paar HdtTsd€ ginge!
Da erben empathiefreie Menschen, denen ihr Leben lang nur Zucker in den Arsch geblasen wurde, ganze Wohnstraßen und haben keine anderen Sorgen, als wie sie ihre neue Yacht finanzieren sollen, ohne die Rendite ihrer "Investments" noch zu erhöhen.
Bitte bei der betreffenden Steuer nicht vergessen: es geht um die Besteuerung des Gehaltsanteils, der über einer Million liegt. Bis zu einer Million ändert sich wenig. Das betrifft logischerweise sehr wenige, selbst unter den französischen Profifussballern.
Der selbe Autor hat in der faz inzwischen mehr über die bretonischen Proteste geschrieben, bei denen es auch gegen die deutsche Lohndrückerei geht.
Ich bin gespannt, wie die 1:12-Abstmmung in der Schweiz ausgeht. Mit etwas Glück haben die bald kein Problem mehr mit der Besteuerung extrem hoher Gehälter, weil es keine mehr gibt. Kann es sein, dass in D über diese Abstimmung sehr wenig berichtet wird? Oder lese ich nur die falschen Publikationen?
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