Zu Ohren gekommen

Dienstag, 12. November 2013

Nein, eine Zentralstelle für den Umgang mit Ereignissen gibt es dort, wo es Pressefreiheit gibt, ganz sicher nicht. Aber stille Absprachen vielleicht? Komisch ist es schon, dass verschiedene Radioanstalten in dieselbe Kerbe schlagen. Bei den Berichten über den Stand der Koalitionsverhandlungen kommen jetzt gehäuft Nebensätze und kurze Einwürfe vor, die ungefähr so lauten: "... die Große Koalition, an der kaum noch jemand zweifelt ..." oder "Wer zweifelt noch an der Entstehung dieser Koalition?" Das ist komisch, denn eigentlich hieß es doch, dass die Sozialdemokraten noch ihre Belegschaft befragen wollen.

Aber diese Mitgliederbefragung scheint im öffentlichen Dialog immer weniger vorzukommen. Dieses "... an der keiner mehr zweifelt ..." ist nicht einfach so dahingesagt. Es soll den Mitgliedern der Partei einheizen. Soll sagen: Die Öffentlichkeit hat sich mit der Großen Koalition abgefunden. Jetzt macht das, was man von euch erwartet. Die rhetorisch geschaffene Faktenlage hämmert den Stimmberechtigten medial in die Köpfe, wie das Ergebnis bei der Abstimmung auszufallen hat. Im Grunde ist diese so unscheinbar klingende Zweifelsfreiheit schon die Vorbereitung auf den Sturm, der auftreten würde, sollten es die Sozialdemokraten wagen, sich gegen den vorgelegten Koalitionsvertrag zu stellen. Darin schwingt ein wenig Drohung mit.

Es sind diese vermeintlich unachtsamen Nebensätze, die im Medienbetrieb zuweilen mehr aussagen, als all die Hauptsätze voller Informationen. Vor Wochen berichtete man noch zweifelnd und erklärte den innerparteilichen Prozess, den die Sozialdemokraten bezüglich GroKo verabschiedet hatten. Man sprach auch den möglichen Verlust der politischen Zukunft der Parteispitze an, sollte sie die Koalition wollen, nicht aber die Gesamtpartei. Nun hat sich die Stoßrichtung der Berichterstattung gewandelt. Jetzt wird nicht mehr nur beschrieben, jetzt wird sprachlich gefeilt, tropfenweise ausgehöhlt, in Richtungen gewiesen und "Politik gemacht".

Da sitzen dann stimmberechtigte Leute aus der SPD vor dem Radio und werden vor gemachte Tatsachen gestellt. Und so fragen sie sich dann: Warum überhaupt noch abstimmen? Die Sache ist doch schon so gut wie fix. Oder: Wie kann ich es nur wagen dagegenzustimmen? Und für alle anderen bleibt eine eher generelle Frage: Wie frei sind eigentlich Entscheidungen in einer Mediokratie?


13 Kommentare:

Anonym 12. November 2013 um 08:21  

Die "Freiheit" der Mediokratie, wie wir sie aus dem Printbereich kennen ist 1:1 auf den Radiobereich übertragbar. Die öffentlich-rechtlichen Radiosender mal außen vor gelassen, findet man in allen größeren privaten Sendern die üblichen Verdächtigen als Anteilseigner.
Springer z.B. hat seine Hände in Antenne Bayern, Hit Radio FFH, Radio NRW, Radio PSR, Radio ffn.
Burda steckt ebenfalls bei Antenne Bayern und Hit Radio FFH drin, außerdem z.B. Radio Galaxy, Radio Gong oder Big FM.
Und wie immer sind diese Sender natürlich abhängig von Werbeeinnahmen, also frei ;-) Da wundert es doch nicht wirklich, dass sich Nachrichtenmeldungen, Berichte und sonstige Eingebungen ähneln.

Anonym 12. November 2013 um 08:32  

Die SPD hat derzeit rd. 500.000 Mitglieder. Wie wäre es mit einer Kampagne, massenhaft in die SPD einzutreten, mit nein zu stimmen und danach wieder auszutreten?

Es müßte aber in so einem Fall damit gerechnet werden, dass ein Stichtag von den SPD-Granden bestimmt wird, der das Stimmrecht neuer Mitglieder ausschließt.

Anonym 12. November 2013 um 08:50  

Zwischen Konvent und Mitgliederbeteiligung

"Das auf dem Parteikonvent beschlossene Verfahren sieht zwar keinen Automatismus für eine Große Koalition vor, jedoch die Hürden hin zu ihr sind deutlich herab gesenkt worden - insbesondere wenn das Verfahren bis zum Ende vollzogen wird und erst nach einem vereinbarten Koalitionsvertrag die Mitglieder beteiligt werden (in welcher Form eigentlich?):

Wenn die Delegation der SPD einen solchen Vertrag mit Unionsvertretern ausgearbeitet haben wird, wird sich die Spitze der SPD -vermutlich neben Gabriel auch Nahles, Oppermann, Steinmeier, Schwesig, Scholz, Kraft u.a.- mit allen Mitteln auch für diese Vereinbarung einsetzen (müssen).

Die Unterstützung durch die mainstream-Medien wird ihnen gewiß sein.

Eine Befürchtung ist: In einer solchen, auch medial vorbereiteten Situation werden die Mitglieder der SPD nicht gleichzeitig gegen eine Koalitionsvereinbarung mit den Unionsparteien und gegen die eigene Partei-Spitze stimmen.

Sondern: Sie werden Gabriel u.a. folgen und dem Vertrag zustimmen.

Besser wäre es, die Mitglieder der ältesten Partei Deutschlands möglichst frühzeitig in den Prozeß einzubinden."

aus:
http://www.mein-herz-schlaegt-links.de/index.php?option=com_content&view=article&id=4553:zwischen-konvent-und-mitgliederbeteiligung&catid=1:aktuelle-nachrichten&Itemid=50

Anonym 12. November 2013 um 09:41  

Wie funktioniert eigentlich mediale Meinungsmache?

Hier wird gerade ein Lehrbeispiel präsentiert und jetzt hat es auch noch jemand gemerkt;-)

Ich fürchte nur einmal mehr, dass die SPD-Basis entweder bereits weichgekocht wurde oder die Abstimmung so oft wiederholt wird, bis sie das gewünschte Ergebnis zeitigt.

maguscarolus 12. November 2013 um 09:43  

"Im Grunde ist diese so unscheinbar klingende Zweifelsfreiheit schon die Vorbereitung auf den Sturm, der auftreten würde, sollten es die Sozialdemokraten wagen, sich gegen den vorgelegten Koalitionsvertrag zu stellen. Darin schwingt ein wenig Drohung mit."

In der Tat nicht nur "ein wenig". "Verrat, Verrat!" "Unzuverlässig!" "Reformverweigerer!" "Ewig Gestrige!" usw. usf.

Ypsilanti kann ein Liedchen davon singen was passiert, wenn man sich den Erwartungen an "die Marktkonformität" unserer politischen Funktionseliten verweigert.

Mein Rat an die kleinen SPD-ler:

GroKo verweigern oder überhaupt aus dem Gemischtwarenladen "SPD" austreten. Man muss bei dessen bevorstehender Pleite nicht unbedingt beteiligt sein.

bebe13 12. November 2013 um 10:14  

Ich habe mich an die Front begeben und bin kurz vor Schluss SPD-Mitglied geworden.

Schon das ist ein Abenteuer.

Ich will wissen, was läuft und die "Angst" und der Einfluss der Medien, von wem auch immer geleitet und gewollt, ist schon extrem.

Stimmen aus dem Bauch der SPD:

1. Der Wähler hätte doch gesagt, die GroKo ist jetzt dran, jetzt macht was draus und lasst uns in Ruh.
2. Da die Mitglieder nicht gefragt wurden, ob es überhaupt Verhandlungen geben soll, müssten sie jetzt in den sauren Apfel beißen und zustimmen.
3. Man hätte ja schließlich Verantwortung und Deutschland braucht eine feste Regierung.
4. Wenn schwarz-grün doch noch, wäre die SPD auf Jahre außen vor.
5. Wenn GroKo ist die SPD auch weg vom Fenster.

Und doch sind Mitglieder fest, dass sie nicht zustimmen werden.

6. Das Problem wird darin gesehen, dass die verhandeln, die hauptamtlich Politiker sind.

und das sehe ich auch so.

Auf jeden Fall war es das wert, meine anarchistische Grundeinstellung für dieses Experiment zu "verraten".

Ich kann jedenfalls nachher sagen, ich habe alles versucht.

Anonym 12. November 2013 um 10:41  

ANMERKER MEINT

Trotz allem oder gerade deswegen wünsche ich den SPDmachtlüstlingen eine saftige Niederlage, wie in Bayern Contra Olympia!

MEINT ANMERKER

Wolfgang Buck 12. November 2013 um 12:06  

Mir ist im Wortsinn gestern etwas "Zu Ohren gekommen". Der Nachrichtensprecher in SWR3 erzählte etwas davon, dass die Umlagen für Windenergie in Zukunft gekürzt würden, dass es aber ein Bestandsrecht für Altanlagen geben werde.

Ich dachte mir holla! Bringt die Schwarz-Gelbe "Übergangsregierung" tatsächlich noch Gesetzesvorlagen im Bundestag ein? Natürlich nicht. Die Meldung bezog sich darauf, dass dies wohl in den Koalitionsverhandlungen beschlossen wurde. Die Meldung wirkte jedoch wie eine unumstößliche Tatsache. Es gab in diesem Kontext auch keinen Hinweis, dass es sich um eine Meldung aus den Koalitionsverhandlungen handelte.

Ist das nur journalistische Unachtsamkeit die daher rührt, dass die "Welt in drei Minuten erklärt werden soll", oder werden die demokratischen Grundrechte sowohl der Parlamentarier wie auch der SPD-Mitglieder hier bewusst rhetorisch ausgehebelt?

Ich denke es handelt sich bei dem was wir im Journalismus erleben um eine Art Schwarmintelligenz der kurzen Meldungen. Jeder bezieht sich auf den anderen. Jeder orientiert sich früher oder später automatisch an den Kurzinfos, die BILD, Spiegel, FAZ oder die Nachrichtenagenturen vorgeben. So gesehen lässt sich der Schwarm zumindest grob in eine Richtung lenken. (Funktioniert nicht immer. Siehe z.B. zu Guttenberg oder teilweise auch Snowden).

Noch ein Gedanke: was wäre eigentlich, wenn nun tausende von Gegnern der Großen Koalition in die SPD eintreten würden? Über den Koalitionsvertrag wird meines Wissens doch erst Januar 2014 abgestimmt. Genug Zeit eine Mehrheit dagegen aufzubauen... ok, die SPD Granden würden die Befragung einfach stoppen.
Also liebe Mitglieder der SPD. Warum auch immer ihr noch dabei seid. Vermutlich hattet ihr zumindest früher einmal ein Gefühl für soziales Handeln und demokratischen Streit. Erinnert Euch und stimmt der GroKo nicht zu!

Maburek 12. November 2013 um 14:46  

Die Aktualitäten überrollen wohl gerade das Blog-Geschehen...

"Öffnung in Richtung Linkspartei: Die Kehrtwende der SPD: Ein Tabu fällt. Die SPD weicht kurz vor dem Parteitag ihren harten Kurs gegenüber der Linkspartei auf und öffnet sich für neue Koalitionsoptionen. "Wir sind gesprächsbereit", heißt es bei den Sozialdemokraten."

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/oeffnung-in-richtung-linkspartei-die-kehrtwende-der-spd-a-933132.html

Anonym 12. November 2013 um 16:32  

Diese Zuwendung der SPD ist das Schlimmste, was der Linkspartei zum jetzigen Zeitpunkt passieren kann. Die SPD kann nun mit jeder nicht von der Linkspartei geschluckten Kröte auf deren Weltfremde verweisen.
Es kann so auch zu keinem auch nur ansatzweise revolutionären, systemkippenden Schnitt kommen, sondern das Klima des massiven Drucks auf eine Linkspartei in Verantwortung im Bund ist ideal zur Domestizierung dieser, bis sie auf dem Redundanzhaufen der Geschichte entsorgt werden kann.
So denkt Sigmar Gabriel mit einhundertprozentiger Garantie.

Michael 12. November 2013 um 18:33  

Exakt so ist es. Ein Nein der SPD-Basis (oder wie unsere lieben Medien sagen würden: ein "Scheitern" der Abstimmung) darf auf gar keinen Fall passieren.

Bei der ganzen Berichterstattung um die offenbar nur aus formalen Gründen noch nicht im Amt befindliche Koalition kommt mir immer häufiger der Begriff "Manufacturing Consent" in den Sinn...

Anonym 12. November 2013 um 21:21  

Von der SPD-Basis halte ich nicht viel.

Als ich damals gegen das Sparpaket (2000) angetreten bin, haben SPD-Mitglieder sich nicht getraut, meine Unterschriftsaktion zu unterstützen und zu unterschreiben. Der Bundestagsabgeordnete ihres Wahlkreises könnte ja ihre Stimme auf dem Zettel entdecken ...

Seit der Zeit ist die SPD für mich ein Zombie. Ich hoffe dieser Zombie wird eines Tages endgültig beerdigt. So, dass er nicht wieder aus seinem Grab auferstehen kann. Verbrennen ... also alle SPD-Mitglieder verbrennen ihr Parteibuch ... öffentlich, auf dem Rathausplatz ...

Ein passender Termin wäre doch der 31.12. Da wird das "alte Jahr" dann mit der "alten SPD" verscheucht.

Schade, das wird ein Wunschtraum bleiben.

Anonym 21. November 2013 um 23:46  

Von wegen einheitlicher Mainstream-Medientenor für die GroKo...
Gerade auf allen Kanälen:

"Zustimmung für Schwarz-Rot sinkt: Die Skepsis gegen eine Großen Koalition nimmt zu. Laut ARD wünschen sich nur noch 55 Prozent eine Regierung aus Union und SPD. Anfang Oktober lag der Wert bei 66 Prozent. Für Neuwahlen können sich immer mehr Deutsche begeistern."

www.spiegel.de/politik/deutschland/deutschland-verliert-die-geduld-mit-schwarz-rot-a-935018.html
... und viele andere Quellen

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