De dicto

Montag, 25. Februar 2013

"Ohne freie Presse wäre Deutschland kein freies Land."
- Ernst Elitz, BILD-Zeitung vom 20. Februar 2013 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Wenn die Heizung läuft, dann scheint morgen die Sonne. Wenn Stuhlgang, dann Posteinwurf. Das sind Wenn-Dann-Sätze wie der oben zitierte. Was hat Presse mit Freiheit gemein? Was mit freien Menschen in einem freien Land? Gut, der Mann schreibt ja explizit von freier Presse. Aber frei und Presse sind ein unabänderliches Liebespaar. Jede Presse war noch immer frei. Nach Selbsteinschätzung war selbst jede Presse in etwaigen Diktaturen frei. Auch gleichgeschaltete Presse stattete sich mit frei aus. War das Land, waren die Menschen darin deshalb aber frei?

Diesem Wenn-Dann-Satz, der, weil er nicht zu plump sein möchte, ohne Wenn und ohne Dann auskommt, liegt der Glaube zugrunde, dass die freie Arbeit der Presse immer auch freiheitliche Tendenzen in der Gesellschaft abbildet. Hier schimmert das Leitmotiv der vierten Gewalt durch. Wenn die Presse nur frei berichten kann, ist das demokratische Konzept erfüllt. Hier wird ehrlich oder unabhängig durch frei ersetzt. Leben freie Menschen in einem freien Land, wenn darin die freie Presse ein kriminelles Wirtschaftssystem kaschiert, schützt und Entwicklungen vertuscht, wenn sie geschönte Arbeitslosenzahlen verbreitet und rassistische Vertuschungsaktionen kaum hinterfragt, wenn sie auf ihre Agenda Nebensächlichkeiten setzt, während Sozialabbau befürwortet und beschlossen wird? Wenn zum Beispiel bei einer Europameisterschaft Gesetze heimlich abgesegnet werden und man viel vom Turnier, wenig aber aus nächtlichen Bundestagssitzungen zu lesen bekommt? Macht es die Menschen frei, wenn sich die Presse frei bewegen kann und frei auswählt, wovon sie berichten will und wovon nicht?

Wenn sich heute die Presse entschlösse, geschlossen nur noch über Modelleisenbahn und das Wetter zu berichten, täte sie das aus eigenen Antrieb, also aus freien Willen. Steckgleise und Nieselregen als Ausdruck eines freien Landes? Das ist natürlich überspitzt. Aber wer hat die Presse dazu gezwungen, die herrschende Ökonomie zu verteidigen? Tat man es nicht aus freien Stücken? Und ist diese Freiheit, die man sich da nahm, nicht vielfach die Unfreiheit von Menschen, die in dieser Ökonomie am unteren Ende darben müssen? Freies Land, freie Menschen, wenn die Presse geschlossen von der Arbeitslosen Faulheit oder der Roma Unbenehmen berichtet? Freiheit, wenn sie ganz freiweg Reputation für Bundeswehreinsätze im Ausland schafft? Ist es freiheitlich, wenn sie sich die Freiheit nimmt, Niedriglohnverhältnisse oder Lohnkürzungen für etwas hinzustellen, das unbedingt vernünftig ist?

Was Elitz meint ist, dass es ohne dieser freien Presse keine freien Machthaber gäbe. Für sie ist es ein freies Land - für die Menschen darin wird es immer mehr unfrei, auch wenn der Oberguru aus Bellevue von einer Freiheit spricht, die man in Verantwortung leben müsse. Er meint damit, man müsse die unverbindliche Freiheit auch dann stillschweigend und zufrieden genießen, wenn der Magen knurrt oder das Dach ein Loch hat. Freiheit sei nämlich keine Geldfrage.



10 Kommentare:

Anonym 25. Februar 2013 um 09:10  

Ich nenne dieses Medienphänomen freiwillige Selbstgleichschaltung.

Passend dazu eine kleine Collage verschiedener Newsreporter, die roboterhaft allesamt die identischen Phrasen rausdreschen (wortwörtlich):
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=dAkxR9T01pw

"You are free, to do as we tell you."

Anonym 25. Februar 2013 um 09:34  

ANMERKER MEINT:

Erhellend dazu:
http://www.heise.de/tp/artikel/38/38515/1.html

Dieser Artikel zeigt die enge Verflechtung von Elitejournalisten mit den Mainstreammedien empirisch auf. Von wegen Freiheit!!!!

MEINT ANMERKER

Klaus 25. Februar 2013 um 11:37  

Gegenüber den '80ern und '90ern (davor weiß ich nicht) unterscheidet sich "die Presse" durchaus dadurch, dass Hinterfragung der Ökonomie heute mit dazugehört. Grundlegende Kapitalismuskritik findet man heute alle Nase lang in den großen Blättern. (Gut, in der Boulevard-Presse bin ich nicht zuhause, aber von der Springer-WELT bis zum "Der Freitag" flattert mir einiges vor die Nase.)
Das ist der große Unterschied zu früher: Themen und Kritik, die man früher (vor dem Internet) nur in Broschüren und Flyern von Aktivisten fand, findet man heute nicht nur in den Blogs der Aktivisten, sondern auch in der "normalen" Presse.
Schon ein Fortschritt, finde ich.

baum 25. Februar 2013 um 13:01  

ich lese das so: wir haben kein freies land, weil wir keine freie presse haben.

stefanbecker 25. Februar 2013 um 13:39  

die freie Presse heißt freie Presse,
weil sie die Freiheit besitzt, die Menschen zu (er?)pressen, nach Gusto der Eliten.

Mir ist eine freie Weinpresse deutlich lieber.

Anonym 25. Februar 2013 um 14:40  

"Ohne freie Presse wäre Deutschland kein freies Land."
- Ernst Elitz, BILD-Zeitung vom 20. Februar 2013 -

Solchen Satz kann man nur in den veralteten Bundesländern wirklich glauben!

stefanbecker 25. Februar 2013 um 18:01  

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf Hagen Rether aufmerksam machen,der den Spiegel (Flaggschiff der Demokratur)entlarvt, als das was er ist. Ein Propagandablatt eben
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=uN62ceeEQ0U

pillo 25. Februar 2013 um 23:55  

Als Bestätigung dafür, dass es keine freie Presse gibt und im Kapitalismus auch noch nie gab, hier die Aussage von John Swinton, dem Chefredakteur der "New York Times" Ende des 19. Jahrhunderts, zu eben diesem Thema.

1880 war John Swinton Ehrengast bei einem Bankett, das ihm die Führer der Zeitungszunft ausrichteten. Jemand sprach ehrende Worte über die unabhängige Presse.
Swinton antwortete:

"So etwas gibt es bis zum heutigen Tage nicht in der Weltgeschichte, auch nicht in Amerika: eine unabhängige Presse. Sie wissen das, und ich weiß das. Es gibt hier nicht einen unter Ihnen, der es wagt, seine ehrliche Meinung zu schreiben. Und wenn er es täte, wüsste er vorher bereits, dass sie niemals im Druck erschiene. Ich werde wöchentlich dafür bezahlt, dass ich meine ehrliche Meinung aus dem Blatt, mit dem ich verbunden bin, heraushalte. Andere von Ihnen erhalten ähnliche Bezahlung für ähnliche Dinge, und wenn Sie so verrückt wären, Ihre ehrliche Meinung zu schreiben, würden Sie umgehend auf der Straße landen, um sich einen neuen Job zu suchen. Wenn ich mir erlaubte, meine ehrliche Meinung in einer der Papierausgaben erscheinen zu lassen, dann würde ich binnen 24 Stunden meine Beschäftigung verlieren. Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren, sie zu morden, zu Füßen des Mammons zu liegen und sein Land und die menschliche Rasse zu verkaufen zum Zweck des täglichen Broterwerbs. Sie wissen das, und ich weiß das, also was soll das verrückte Lobreden auf eine freie Presse? Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben stehen allesamt im Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte."

Anonym 26. Februar 2013 um 11:31  


Wer will kann ja mal nach dem Ex-Spiegel-Journalisten Harald Schumann googeln und nach lesen was dieser Aussteiger über die interne Pressefreiheit in unserem System sagt.

Micha 26. Februar 2013 um 13:26  

So weit ist es mit der Freiheit des Worts gekommen:

"Die Nationale Armutskonferenz will die deutsche Sprache verarmen lassen - und letztlich Zensur üben. Gewöhnlich kämpft das Bündnis, dem Sozialverbände wie die Arbeiterwohlfahrt und die Diakonie angehören, gegen Ausgrenzung. Nichts und niemand soll ausgeschlossen werden. In der Sprache aber soll nun radikal aussortiert werden. Das Bündnis hat dazu eine Liste mit 23 abwertenden Begriffen erstellt. Nach Ansicht der Sprachwächter sind selbst Worte wie „alleinerziehend“ oder „arbeitslos“ diskriminierend."

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/politisch-korrektes-deutsch-verbaende-wollen-soziale-unwoerter-zensieren-12094314.html

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