"Um die Irrungen zu korrigieren, muss man die Vorstellung von Fortschritt als eine permanente und endlose Anhäufung von materiellen Gütern hinter sich lassen. Das stellt die Essenz der Modernität in Frage. Es geht nicht darum, den Neoliberalismus zu überwinden, sondern eine Lebensorganisation zu planen und umzusetzen. Es muss dabei um das gute Leben gehen, sumak kausay auf Quechua oder suma qamaña auf Aymara, das ist der Ausgangspunkt. Dieses Konzept findet sich nicht nur in der indigenen Welt, es ist auch in universellen philosophischen Denkansätzen verankert, bei Aristoteles, bei Marx, in ökologischen, feministischen, gewerkschaftlichen und humanitären Ansätzen. Das gute Leben muss man demnach verstehen als eine Suche nach einem harmonischen Miteinander der Menschen untereinander und im Verhältnis zur Natur. Natürlich darf man dabei existierende soziale Konfrontationen und die Frage der Macht nicht ganz außer Acht lassen. Jedoch geht es darum, das Prinzip des öffentlichen Guts zu verteidigen. Das Öffentliche ist mehr als die Summe privater Interessen. Man muss das Gemeinsame betonen, ohne das Individuelle zu vergessen. Es geht um Plurinationalität, Interkulturalität und Diversität, um soziale, wirtschaftliche, geschlechtliche, regionale Gerechtigkeit, um Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Gegenseitigkeit, um es mal im Telegrammstil aufzuzählen. Das gute Leben darf man nicht mit dem Streben nach einem besseren Leben verwechseln, dem eine Ethik des unbegrenzten Fortschritts zugrunde liegt und das uns zu ständigem Wettbewerb antreibt, um immer mehr zu produzieren. Denken wir daran: Damit einige wenige besser leben können, müssen Millionen und Abermillionen schlecht leben."