Ökonomisierte Generation
Dienstag, 8. Mai 2012
Mißfelder sieht sich bestätigt. Nachdem Gesundheitsminister Bahr seinem Namen rhetorisch alle Ehre machte, Menschen mit Knie- und Hüftleiden auf die Bahre legen will, statt ihnen mittels operativen Eingriffs Mobilität zurückzugeben, läuft nun der JU-Direktor in der Rolle des einst vertriebenen Propheten auf. Er habe es doch gesagt. Schon vor zehn Jahren. Auf Kosten der Solidargemeinschaft, meinte er damals, sollte man künftighin keine künstlichen Hüftgelenke bei alten Menschen mehr einpassen. Das sei nicht unmenschlich, sondern nicht weniger als schlichte ökonomische Vernunft und Notwendigkeit.
Beide, Bahr wie Mißfelder, entstammen meiner Generation. Beide sind Kinder der mittleren oder späten Siebzigerjahre. Fürwahr ist diese Generation nicht durchweg misanthrop aufgestellt. Jetzt gerät sie aber immer mehr in Verantwortung, die Mittdreißiger bekommen Posten und Pöstchen und es zeigt sich, dass bahrsche oder mißfeldersche Charakterzüge gar nicht so selten sind. Erschreckend ist dabei weniger die Unmenschlichkeit - für schlimmer halte ich es, dass diese Unmenschlichkeit mit einer Art von Vernunft vorgetragen wird, dass man ihr schon fast zustimmt, wenn man nicht aufpasst und nochmals durchdenkt.
Mag sein, dass meine Generation seit Anbeginn neoliberal geschliffen wurde. Ich habe das als Kind freilich nicht gemerkt. Aber rückblickend: dieser Schliff fand statt. Man lehrte uns etwas von der Alterspyramide als Optimum einer Gesellschaft, als Notwendigkeit für die umlagenfinanzierte Rente. Dass diese Erscheinung mit einem breiten Segment bei den Kindern, sich verjüngend bei den Jugendlichen, bis hin zu einem schmalen Segment bei den Senioren, die typische Staffelung in Entwicklungsländern mit hoher Kinder- und Jugendsterblichkeit, in der die Lebenserwartung generell niedrig liegt, ist, erfuhr ich erst später. Gleiches geschah, als man uns in der Schule das Jahrhundertprojekt Main-Donau-Kanal, damals noch aufgebauscht unter dem Namen Rhein-Main-Donau-Kanal, vorstellte und als Innovation verkaufte. Später erst wurde mir sichtbar, dass da jemand gezielt verdummte, um das Milliardengrab als Chance für die Zukunft darzustellen.
Meine Generation wurde ins Fahrwasser der neoliberalen Weltauffassung geworfen. Bei vielen hat es gefruchtet. Nicht alle sind wie Bahr oder Mißfelder - aber doch nicht zu wenige. Und wie gesagt, besonders schlimm ist es, dass sich mancher Mittdreißiger, wenn er sich heute politisch oder gesellschaftlich äußert, es mit ökonomischer Verve tut, mit vernünftiger Miene und dem Eindruck, so menschlich bleiben zu wollen, wie es die Sachzwänge erlauben - mehr jedoch nicht, denn Menschlichkeit ohne ökonomische Grundlage ist Träumerei und Romantik.
Es ist eine durch und durch ökonomisierte Generation, die nun an die Pötte treibt. Eine, die sich biologistisch absichert, die erklärt bekam, dass das Abwägen, dass Kosten-Nutzen-Analysen aus der natürlichen Selektion stammen - die Evolution sei nämlich der Fortschritt gemessen an Nutzen und den dazugehörigen Investitionen. Was kostet und nicht nützt, wird abgestoßen. Blanker Unsinn, der nicht verifizierbar ist und der nicht erklärt, warum es in der Natur Dinge gibt, die keinen Nutzen haben und die dennoch von der Evolution nicht ausgemerzt wurden. Man denke nur mal an die männliche Brustwarze, die doch keine Funktion hat und dennoch existent ist. Blanker Unsinn, der die Denke meiner Generation moralisch unantastbar machen soll.
Die Denke hinter Bahr und Mißfelder, etwas was sie aber nie laut sagen würden, ist doch auch, dass wir in einem unnatürlichen Stadium leben. Der Mensch sei biologisch gar nicht für neunzig Erdenjahre gemacht - warum also künstlich, medizinisch aufwerten, was so unnormal ist? Precht schreibt in seinem Buch "Liebe: Ein unordentliches Gefühl", dass für die Biologisten, die evolutionären Psychologen, wie sie richtig heißen, die Steinzeit das wirkliche Zeitalter des Menschen sei. Sie siedeln jede menschliche Regung, jeden Affekt, den wir heute besitzen, in der Steinzeit an. Der Biologismus macht die Steinzeit zum Kriterium - und der Mensch ist qua Steinzeit nicht für ein langes Leben gemacht. Daher sollte er gar nicht so alt werden. Medizin ist demnach nicht natürlich, sie ist künstlich.
Dass die Medizin somit auch Teil der Kultur ist, die für den Menschen die Fortführung der Biologie mit anderen Mitteln ist, gerät dabei außer Sicht. Bahr und Mißfelder sind Propheten einer Lehre, die die Kultur einschränken will - Kultur nur für solche, die es wert sind, mit ihr geadelt zu werden.
Man sollte ja nicht meinen, diese Generation sei eine, die so viel schlechter, so viel böser sei, wie es andere vor ihr waren. Aber sie erinnert manchmal so fatal an jene Vernunftsgenerationen, die zwischen Blüte des Sozialdarwinismus und Aufkommen des Faschismus, die Gesellschaften prägten, dass man sich fürchten muß. Das waren damals Generationen, die nichts Böses im Schilde führten, sich in ihrer ökonomisch-biologistischen Vernunft suhlten und zu Wegbereitern einer neuen Zeit wurden. Sie geben sich auch heute wieder anständig und vielleicht meinen sie es mehr oder minder sogar anständig. Trotzdem säen sie Missgunst, innere Spaltung, Desintegration und entfachen, vereinfacht gesagt, einen Krieg der Starken gegen die Schwachen. Es ist eine einseitige, eine einfältige Weltsicht, die diesem Handeln und Sprechen zugrunde liegt.
Keiner von diesen beiden Typen spricht so, weil er die Welt verschlechtern will. Davon bin ich überzeugt. Der unbedingte Wille, diese Gesellschaft so zu gestalten, dass kulturelle und ökonomische, soziale und medizinische Teilhabe für alle gewährleistet ist, treibt sie freilich auch nicht an. Sie meinen es nicht gut - aber auch nicht schlecht. Sie weisen sich als Realisten aus. Bahr und Mißfelder sind prominente Prototypen für diese Generation, die um die ausgehenden Siebzigerjahre herum geboren wurde. Andere sitzen heute an weniger prestigeträchtigen Stellen und verbreiten ein ganz ähnliches Weltbild. Klischee ist dabei der Angestellte der Bundesagentur für Arbeit, der Arbeitsvermittler, etwas veraltet gesprochen. Schlecht meint es der vermutlich auch nicht - aber mitfühlen kann er nicht, denn das ökonomisch eingepflanzte, biologisch abgesicherte Weltbild ist dafür nicht konzipiert.
Eine versaute Generation sind wir. Nicht alle. Aber tendenziell schon. Im Deutschland Kohls, in dem wir aufwuchsen, war nicht alles so schlecht aufgestellt, wie es heute durchaus der Fall ist. Der Sozialstaat brauchte eine rot-grüne Rosskur, um diskreditiert zu werden. Das haben Bahr und Missfelder als Anfang- und Mittzwanziger erlebt und sich vermutlich dann radikalisiert. Als Konservativer und Marktliberaler hatte man schließlich einen Ruf zu verlieren - und wenn schon die "Progressiven" so konservativ und marktliberal waren damals im Schröderianismus, dann musste man noch einen Gang zulegen. An der Radikalisierung der vulgärökonomischen Weltanschauung, die uns heute zusetzt, sind nicht die Konservativen und Marktliberalen schuld - die Schröderzeit ist es. Sie hat diese Generation, deren Kern bereits neoliberal angekokelt war, gänzlich versaut.
Im Fahrwasser der schröderianischen Reformitis, bei der es wenig Herz für die Hilfebedürftigen gab, konnte man mit Aussagen, wie eben jene berühmte des Mißfelder, glänzen und punkten. Das gehört seither zum guten Ton - statt Kritik gibt es dann Anerkennung und Lob für den Mut, bittere Wahrheiten auch zu sagen. Sarrazin und sein spinnerhafter Biologismus war vordem sicherlich auch denkbar - aber dieser Hang, den Diffamierungen von Randgruppen auch noch gönnerhaft zu gratulieren, der ist in der Radikalisierung des Sozialdarwinismus jener Jahre zu suchen.
Meine Generation besteht nicht aus Faschisten. Einige nur, die zählen nicht, weil die auch vom Verfassungsschutz sein könnten und auch kaum ins Gewicht fallen. Aber faschistoid ist sie allemal. Nicht mutig, nicht offen - ganz versteckt, sich mit Vernunft bedeckend, mit Sachzwängen herausredend. Nochmals sei erwähnt, nicht alle sind so. Aber die, die an die Öffentlichkeit drängen, die sind es wohl. Meine Generation kommt nun an die Schalthebel - und wird keine Lösungen entwerfen, sondern zum Teil des Problems werden.
Beide, Bahr wie Mißfelder, entstammen meiner Generation. Beide sind Kinder der mittleren oder späten Siebzigerjahre. Fürwahr ist diese Generation nicht durchweg misanthrop aufgestellt. Jetzt gerät sie aber immer mehr in Verantwortung, die Mittdreißiger bekommen Posten und Pöstchen und es zeigt sich, dass bahrsche oder mißfeldersche Charakterzüge gar nicht so selten sind. Erschreckend ist dabei weniger die Unmenschlichkeit - für schlimmer halte ich es, dass diese Unmenschlichkeit mit einer Art von Vernunft vorgetragen wird, dass man ihr schon fast zustimmt, wenn man nicht aufpasst und nochmals durchdenkt.
Mag sein, dass meine Generation seit Anbeginn neoliberal geschliffen wurde. Ich habe das als Kind freilich nicht gemerkt. Aber rückblickend: dieser Schliff fand statt. Man lehrte uns etwas von der Alterspyramide als Optimum einer Gesellschaft, als Notwendigkeit für die umlagenfinanzierte Rente. Dass diese Erscheinung mit einem breiten Segment bei den Kindern, sich verjüngend bei den Jugendlichen, bis hin zu einem schmalen Segment bei den Senioren, die typische Staffelung in Entwicklungsländern mit hoher Kinder- und Jugendsterblichkeit, in der die Lebenserwartung generell niedrig liegt, ist, erfuhr ich erst später. Gleiches geschah, als man uns in der Schule das Jahrhundertprojekt Main-Donau-Kanal, damals noch aufgebauscht unter dem Namen Rhein-Main-Donau-Kanal, vorstellte und als Innovation verkaufte. Später erst wurde mir sichtbar, dass da jemand gezielt verdummte, um das Milliardengrab als Chance für die Zukunft darzustellen.
Meine Generation wurde ins Fahrwasser der neoliberalen Weltauffassung geworfen. Bei vielen hat es gefruchtet. Nicht alle sind wie Bahr oder Mißfelder - aber doch nicht zu wenige. Und wie gesagt, besonders schlimm ist es, dass sich mancher Mittdreißiger, wenn er sich heute politisch oder gesellschaftlich äußert, es mit ökonomischer Verve tut, mit vernünftiger Miene und dem Eindruck, so menschlich bleiben zu wollen, wie es die Sachzwänge erlauben - mehr jedoch nicht, denn Menschlichkeit ohne ökonomische Grundlage ist Träumerei und Romantik.
Es ist eine durch und durch ökonomisierte Generation, die nun an die Pötte treibt. Eine, die sich biologistisch absichert, die erklärt bekam, dass das Abwägen, dass Kosten-Nutzen-Analysen aus der natürlichen Selektion stammen - die Evolution sei nämlich der Fortschritt gemessen an Nutzen und den dazugehörigen Investitionen. Was kostet und nicht nützt, wird abgestoßen. Blanker Unsinn, der nicht verifizierbar ist und der nicht erklärt, warum es in der Natur Dinge gibt, die keinen Nutzen haben und die dennoch von der Evolution nicht ausgemerzt wurden. Man denke nur mal an die männliche Brustwarze, die doch keine Funktion hat und dennoch existent ist. Blanker Unsinn, der die Denke meiner Generation moralisch unantastbar machen soll.
Die Denke hinter Bahr und Mißfelder, etwas was sie aber nie laut sagen würden, ist doch auch, dass wir in einem unnatürlichen Stadium leben. Der Mensch sei biologisch gar nicht für neunzig Erdenjahre gemacht - warum also künstlich, medizinisch aufwerten, was so unnormal ist? Precht schreibt in seinem Buch "Liebe: Ein unordentliches Gefühl", dass für die Biologisten, die evolutionären Psychologen, wie sie richtig heißen, die Steinzeit das wirkliche Zeitalter des Menschen sei. Sie siedeln jede menschliche Regung, jeden Affekt, den wir heute besitzen, in der Steinzeit an. Der Biologismus macht die Steinzeit zum Kriterium - und der Mensch ist qua Steinzeit nicht für ein langes Leben gemacht. Daher sollte er gar nicht so alt werden. Medizin ist demnach nicht natürlich, sie ist künstlich.
Dass die Medizin somit auch Teil der Kultur ist, die für den Menschen die Fortführung der Biologie mit anderen Mitteln ist, gerät dabei außer Sicht. Bahr und Mißfelder sind Propheten einer Lehre, die die Kultur einschränken will - Kultur nur für solche, die es wert sind, mit ihr geadelt zu werden.
Man sollte ja nicht meinen, diese Generation sei eine, die so viel schlechter, so viel böser sei, wie es andere vor ihr waren. Aber sie erinnert manchmal so fatal an jene Vernunftsgenerationen, die zwischen Blüte des Sozialdarwinismus und Aufkommen des Faschismus, die Gesellschaften prägten, dass man sich fürchten muß. Das waren damals Generationen, die nichts Böses im Schilde führten, sich in ihrer ökonomisch-biologistischen Vernunft suhlten und zu Wegbereitern einer neuen Zeit wurden. Sie geben sich auch heute wieder anständig und vielleicht meinen sie es mehr oder minder sogar anständig. Trotzdem säen sie Missgunst, innere Spaltung, Desintegration und entfachen, vereinfacht gesagt, einen Krieg der Starken gegen die Schwachen. Es ist eine einseitige, eine einfältige Weltsicht, die diesem Handeln und Sprechen zugrunde liegt.
Keiner von diesen beiden Typen spricht so, weil er die Welt verschlechtern will. Davon bin ich überzeugt. Der unbedingte Wille, diese Gesellschaft so zu gestalten, dass kulturelle und ökonomische, soziale und medizinische Teilhabe für alle gewährleistet ist, treibt sie freilich auch nicht an. Sie meinen es nicht gut - aber auch nicht schlecht. Sie weisen sich als Realisten aus. Bahr und Mißfelder sind prominente Prototypen für diese Generation, die um die ausgehenden Siebzigerjahre herum geboren wurde. Andere sitzen heute an weniger prestigeträchtigen Stellen und verbreiten ein ganz ähnliches Weltbild. Klischee ist dabei der Angestellte der Bundesagentur für Arbeit, der Arbeitsvermittler, etwas veraltet gesprochen. Schlecht meint es der vermutlich auch nicht - aber mitfühlen kann er nicht, denn das ökonomisch eingepflanzte, biologisch abgesicherte Weltbild ist dafür nicht konzipiert.
Eine versaute Generation sind wir. Nicht alle. Aber tendenziell schon. Im Deutschland Kohls, in dem wir aufwuchsen, war nicht alles so schlecht aufgestellt, wie es heute durchaus der Fall ist. Der Sozialstaat brauchte eine rot-grüne Rosskur, um diskreditiert zu werden. Das haben Bahr und Missfelder als Anfang- und Mittzwanziger erlebt und sich vermutlich dann radikalisiert. Als Konservativer und Marktliberaler hatte man schließlich einen Ruf zu verlieren - und wenn schon die "Progressiven" so konservativ und marktliberal waren damals im Schröderianismus, dann musste man noch einen Gang zulegen. An der Radikalisierung der vulgärökonomischen Weltanschauung, die uns heute zusetzt, sind nicht die Konservativen und Marktliberalen schuld - die Schröderzeit ist es. Sie hat diese Generation, deren Kern bereits neoliberal angekokelt war, gänzlich versaut.
Im Fahrwasser der schröderianischen Reformitis, bei der es wenig Herz für die Hilfebedürftigen gab, konnte man mit Aussagen, wie eben jene berühmte des Mißfelder, glänzen und punkten. Das gehört seither zum guten Ton - statt Kritik gibt es dann Anerkennung und Lob für den Mut, bittere Wahrheiten auch zu sagen. Sarrazin und sein spinnerhafter Biologismus war vordem sicherlich auch denkbar - aber dieser Hang, den Diffamierungen von Randgruppen auch noch gönnerhaft zu gratulieren, der ist in der Radikalisierung des Sozialdarwinismus jener Jahre zu suchen.
Meine Generation besteht nicht aus Faschisten. Einige nur, die zählen nicht, weil die auch vom Verfassungsschutz sein könnten und auch kaum ins Gewicht fallen. Aber faschistoid ist sie allemal. Nicht mutig, nicht offen - ganz versteckt, sich mit Vernunft bedeckend, mit Sachzwängen herausredend. Nochmals sei erwähnt, nicht alle sind so. Aber die, die an die Öffentlichkeit drängen, die sind es wohl. Meine Generation kommt nun an die Schalthebel - und wird keine Lösungen entwerfen, sondern zum Teil des Problems werden.
26 Kommentare:
Theodor Körner
“Noch sitzt Ihr da oben, Ihr feigen Gestalten.
Vom Feinde bezahlt, doch dem Volke zum Spott!
Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
dann richtet das Volk, dann gnade Euch Gott!“
Sehr schön ge- und umschrieben. Treffend formuliert sowieso.
Als Pflegevater eines geistig behinderten Dreijährigen könnte ich ob der Äußerungen der o.g. Figuren schier aus dem Anzug springen. Mein Junge (der ja eigentlich nicht meiner ist, aber zu mir gehört, als wäre es mein eigenes Kind) hat niemandem etwas getan. Er freut sich ebenso jeden Tag auf den (integrativen) Kindergarten, wie über den Nachtisch beim Abendbrot. Sollten die Mittdreißiger, zu denen ich mich im Übrigen auch zählen darf, wirklich so roh erzogen worden sein, dann beginne ich langsam zu zweifeln.
Mein großes Kind, eine neunjährige Tochter, wird von uns stets dazu angehalten, ihre Stärken zwar bewusst wahrzunehmen, aber nie gegen Schwächere auszuspielen.
Mag sein, dass ich in der DDR "sozialisiert" wurde, mag auch sein, dass ich durch die "Wende" schweren Schaden nahm. Leben als das zu verachten was es ist, nämlich als unbedingt zu erhaltendes Gut, will mir nicht in den Kopf. Ach, war da nicht mal was mit einem Recht auf ein schmerzfreies Leben? Sollen diese Heuchler sich doch die Hüften brechen!
Eine sehr gute Darstellung der Generation, die jetzt an die Schalthebel der Macht kommt.
Aus dem seit Urzeiten bestehenden Generationenkonflikt entsteht jetzt ein Generationenkrieg. Weiterhin werden bei diesen ständigen Kämpfen unendlich viele Menschen in ein Leid gestürzt, das bei Achtung des Lebens vermeidbar gewesen wäre.
Es ist die Vergötterung des Mammon, die den Eliten jegliche Achtung vor Mitmenschen verschließt.
Die Egomanie, verbunden mit einseitigem Sachzwangdenken der neuen Herrscher wird uns das Fürchten lehren.
Wie sehr schön beschrieben, ist es die Maske (Persona) des freundlichen, fernsehgrinsenden Auftretens dieser "Perönlichkeiten", hinter der sich die Unmenschlichkeit verbirgt.
Hartmut
Genau das, was Du hier beschrieben hast, spukte mir schon seit längerem durch den Kopf, lieber Roberto! Eine leider in weiten Teilen schon neoliberal verbildetete Generation, bei der der Grad der Empathie sich dem Kosten/Nutzen-Denken unterwirft.
Da graust es mir fast noch mehr vor der nachfolgenden Generation.
Eric ( der BahnCardler ;-) )
Kinder wenden sich immer von den Vorläufergenerationen ab - vielleicht kommt mal wieder eine Generation, die es so anders machen will...
In meinem Mailfach hatte ich heute eine Info von der Koordination gegen BAYER-Gefahren:
"Einbruchserie bei Konzernkritiker"
Beim Recherchieren kamen mir Gedanken wie: Mensch, die alte braune Garde hat die Menschheit immer noch im Griff, nur verdeckter, nur heuchlerischer, nur verlogener, so von hinten rum.
Bayer ehrt Kriegsverbrecher Fritz ter Mer.
Dieser Fritz der IG-Farben war nicht nur der Chef der IG Auschwitz und der Erschaffer des Mottos "Arbeit macht frei", sondern auch einer der Architekten des "Codex Alimentarius"
Codex Alimentarius, Lebensmittelkodex ist ein seit 1963 vorangetriebenes internationales Projekt über einheitliche Sicherheits-und Hygienebestimmungen von Nahrungsmitteln im Welthandel unter der leitung der Codex-Alimentarius-Kommission-diese ist die weltumfassende Hauptinstitution, die den Generaldirektoren der WHO und der Ernährungs-und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Food and Agriculture Organisation of the UN, FAO) bei allen Anliegen, die die Durchführung der Nahrungsmittelstandardprogramme der FAO/WHO betreffen, Vorschläge macht und von diesem um Rat gefragt wird. Unter dem Vorzeichen des "Verbraucherschutzes" erarbeiten hierbei weltweite Expertengremien "Vorschläge", die nach und nach von den Mitgliedsländern der WTO in geltendes Recht umgewandelt werden müssen. Kritiker bemängeln, dass dabei nicht nur demokratische Prozesse und die Selbstbestimmung der Länder völlig ausgehebelt, sondern in der Praxis vorwiegend auch die Interessen der weltweiten Chemie-,Pharma-und Biotechkonzerne im Welthandel begünstigt werden.
Der Codex umfasst folgende Hauptbereiche:
1. Regelungen in Bezug auf Nahrungsergänzungsmittel und deren zulässige Höchstwerte sowie Senkung der zulässigen täglichen Höchstwerte bei Vitaminen und Mineralstoffen.
2. Verbot von Gesundheitsaussagen in Bezug auf Nahrungsmittel und deren Inhaltsstoffe
3. Senkung der Standards in der biologischen Landwirtschaft.
4. Zulassung von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln ohne Deklarationspflicht-das ist eine Sauerei der Konzerne und Politiker, für die mir die Worte fehlen-das ist Nahrungsmitteldiktatur ala Bayer, Monsanto und Consorten und der Marionetten aus der Politik
5. Industriefreundliche Regelung der Deklarationspflicht (was muss auf dem Etikett genannt werden und was nicht)
6. Werbung (wer darf wo mit welchen Aussagen werben)
7. Industriefreundliche Regelung in Bezug auf Nahrungsmittelzusatzstoffe (E-Stoffe, künstliche Aromen, verminderte Deklarationspflicht)
8. Industriefreundliche Erhöhung der zulässigen Pestizid- und Schadstoffrückstandswerte in Nahrungsmitteln.
http://www.kent-depesche.com/mwbl-wiki/index.php/Codex_Alimentarius
ja,ja Fritz ter Meer, der als kriegsverbrecher stiften ging...
Tabun-ein Nervengas-1936 entdeckt von Gerhard Schrader, damals bei IG-Farben beschäftigt.
In der Nordsee sollen ca. 90 Tonnen Giftgasgranaten (6000 einzelne Granaten) lagern.
Nach Kriegsende wurden Wehrmachtsbestände an mit Tabun bestückten Bomben und Granaten in der Ostsee versenkt. Das aus den korrodierten Behältern austretende Gift gefährdet inzwischen den dortigen Fischbestand.
Tabun wurde ausserdem von Saddam Hussein im Iran-Irak-Krieg und 1988 gegen die eigene Bevölkerung im kurdischen Nordirak eingesetzt.
Die alten Konzerne machen nach wie vor die grössten Gewinne und die Politiker lassen sich selbstverständlich von ihnen beim Schreiben der Gesetze die Hand führen-koste es was es wolle, egal, wer diktiert.
Missfelder und Bahr sind nicht "sauber".
"Am Ende werden sie uns ihre Freiheit zu Füßen legen und zu uns sagen 'Macht uns zu euren Sklaven, aber füttert uns'."
- Fjodor Dostojewski
Es wird ja schlicht alles der ökonomischen Verwertungslogik unterworfen. Keine natürliche Ressource kann genung immanenten Wert haben, um nicht für schnöden Gewinn verwurstet zu werden.
Dieses ökonomische Wertegefüge macht konsequenterweise auch vor dem Menschen nicht halt.
Wie immer ein sehr guter Text! Er deckt sich weitgehend mit meinen Beobachtungen, wobei es schon noch einen Unterschied macht, ob jemand in den 70ern in der DDR oder in der BRD geboren wurde.
Ich habe Mitte der 70er Jahre in der DDR das Licht der Welt erblickt. Die Erfahrungen ab Mitte der 80er Jahre und speziell anno 1989/90 haben die damals Jugendlichen entscheidend geprägt.
Wer einmal erlebt hat (und das auch noch während der Pubertät!), das Dinge, die für alle Ewigkeit in Stein gemeißelt schienen, sich über Nacht ändern können, sieht die Welt mit anderen Augen.
Wenn ich dann westdeutsche Altersgenossen höre, die sich noch nicht einmal ansatzweise vorstellen können, dass es auch etwas anderes als den Status Quo geben könnte, bin ich fassungslos und sehe, wie perfekt die Masse in diesem angeblich so ideologiefreien System "eingenordet" wurde.
Die Opportunisten von heute nennen sich selbst gern Realisten oder Pragmatiker. Die Spießer, Vasallen und Büttel sehen heute natürlich anders aus, als noch in den 60ern, 70ern oder 80ern, und geben sich - zumindest nach außen - auch viel moderner und liberaler als vorangegangene Generationen. In ihrem Wesen sind sie jedoch noch genauso wie ihre Vorgänger - die Welt als gegeben und unveränderbar akzeptieren, nach oben buckeln und nach unten treten, am deutschen Wesen soll die Welt genesen, usw.
Richtig, nichts soll vor der Menschlichkeit der Menschen halt machen.
Daher: Stoppt Codex
Dr. Rath Health Foundation
rechte Spalte unter historische Bücher-Wissenswertes über BASF, IG-Farben, Rockefeller-viele onlinelesbare Bücher
Tribunal für eine friedliche, gesunde und gerechte Welt
googeln auf der Homepage von Dr. Rath
Nichts wird für uns Menschen gemacht. Alles ist nur für sie, für die gierigen Monster.
Nichts ist für alle, doch alles für sie...
. Ich bin mir da nicht so sicher, ob die 70er Generation neoliberal getüncht wurde. Ich gehöre diesem Menschentyp ja auch an, wenngleich aus anderen europäischen Breiten. Die neoliberale Tünchung vollzieht sich klarer ab einer späteren Generation oder Subgeneration, jene ab der Mitte der 80er Geborenen. Dort sehe ich viel klarer das eingekapselte Spiel mit der Egozentrik in einem konformen Umfeld, die kastrierten Formen der Empathie, die Scheuklappentrotzhaltungen und die Verkeilung der Phantasie in Reichtums- oder Erfolgsträumen. Jene wurden in den End-1990ern pubertiert und atmeten in ihren Jugendträumen die neoliberale Aufbruchsstimmung. Diese west in ihne weiter und färbt die Lebenstendenzen.
Die Generation davor wurde in die Gesellschaft gezogen noch in den Nachwehen starker emanzipativer Winde aus den 1960er, die eine Generation hervorbrachten, die den Individualismus experimentell durchlebten und seitdem im Narzismus darben. Dies wurde teils erst Ende der 1990er großflächig ausgetrieben. Die 1970er-Generation wurde so eine Camäleongeneration, ein weltanschaulicher Kompromiss materialisierte sich in ihnen, Individualismus mit Moral.
Jene, die es mehr mit einem moralischen Individualismus hatten, sind jene, die heute, unter verschobenen gesellschaftlichen Bedingungen, leiden, jene, die es mehr mit einer individualistischen Moral hatten, sind Soziopathen geworden und identifizieren sich vollauf mit dem neoliberalen Lebensbild und homologisieren mit der nachziehenden Generation, deren einziges Weltbild der Neoliberalismus ist.
An jenen, die leiden, die stumm ein gutes Leben führen, liegt es vielleicht, wie die Schalthebel letzendlich geschaltet werden. Die nachfolgende Generation ist ambivalenzfreie Inkorporierung des Neoliberalismus. Von ihr wird man sich nichts erwarten können. Sie braucht Hilfe. Und die ältere Generation wurde zu einem Mob aus konservativen Narzisten, wenngleich dort auch viel Moral schlummert. Die noch älteren sind in Pension.
Als eben vierzig Gewordener habe ich auch das Gefühl, einer besonders widerwärtigen Generation anzugehören. Aber dieser „Schliff“ fand m.E. gerade nicht schon in der Kindheit statt, im Gegenteil: In den Siebzigern ernteten wir als Kind quasi die Früchte der 68er-Bewegung, auch wenn meine Eltern (nach eigenen Aussagen) davon im engeren Sinne kaum etwas mitbekommen hatten: Die programmatisch antiautoritäre Erziehungspraxis einer Nachbarin wurde zwar ausgelacht, de facto bin ich aber auch so aufgewachsen. Der Pfarrer in der Sonntagsschule entsprach ein wenig dem Klischee „langhaariger Hippie“, die Weltkarte an der Wand war in egalitärer Peters-Projektion ausgeführt. Ein Fach Ökonomie existierte in der Schule formal nicht, und wenn sowas thematisiert wurde, dann oft in Zusammenhängen wie der Ausbeutung und Verarmung der Dritten Welt. Viele LehrerInnen verstanden sich eben als 68er.
Die Umwertung aller Werte im Sinne der „versauten Generation“ erlebte ich erst später in der nach-‘89-er Zeit an der Universität (Fach Soziologie). Der erste, nie überwundene Schock zu Studienbeginn war die allgemeine Sprachlosigkeit angesichts des Zweiten Golfkriegs unter Bush Senior, mit Hunderttausenden von bestialisch massenvernichteten, zwangsrekrutierten irakischen Soldaten - ohne jede militärische Notwendigkeit! - als wäre das eine Selbstverständlichkeit, ein Modell für die Zukunft.
Im Verlaufe der 90er folgte die schleichende Abwicklung vieler emanzipatorischen Errungenschaften vorangegangener Studierenden-Generationen, der schleichende Aufstieg eines neu-alten Typus von Apparatschiks, die vor allem durch ihre entschiedene Bekämpfung aller Bemühungen um Fortführung soziologischer Gesellschaftskritik auffielen. In dem Zuge avancierte im Gewande von Rational Choice und Spieltheorie die Betriebswirtschaftslehre zur universalen Welterklärungsphilosophie als Grundlage der Soziologie. Dieser Prozess kulminierte in der Bologna-Reform, der die Macht eben jener Apparatschiks zementierte und sämtliche Studien-Reformbemühungen vergangener Jahrzehnte elegant vernichtete.
Der zweite Schock war nach 2001 die Metamorphose vieler, die sich obigem Prozess eigentlich zu widersetzen versuchten, zu schein-nonkonformistischen, de facto rechts-hegelianischen (antideutschen) US-Patrioten und Militaristen, was in der rücksichtslosen Bekämpfung der Friedensbewegung anlässlich des dritten Golfkriegs unter Bush Junior kulminierte. Waren wir Wenigen zuvor 68er-traditionalisische Spinner, wurden wir von den ehemaligen KollegInnen nun plötzlich als säkularisierte Antisemiten und damit als Verkörperung des absolut Bösen bekämpft.
So stehe ich nun meiner eigenen „Generation“ entfremdet gegenüber, und diese Entfremdung ist m.E. nicht einfach auf das Allgemeine „Kinder wenden sich immer von den Vorläufergenerationen ab“ zurückzuführen. Ich verstehe einfach nicht…
Ich bin Jahrgang 1974, weiblich und ich habe den Eindruck, dass meine Generation durch die antiautoritäre Erziehung versaut wurde. Bitte nicht steinigen ;o)
Ich will hier keinesfalls der schwarzen Pädagogik das Wort reden, aber was damals unter "antiautoritär" ablief, dass war schlicht und einfach rücksichtsloses Ausleben der eigenen "Freiheit" auf Kosten anderer. Ich erkläre mir auch die saturierte 68er-(Eltern)Generation so (viele habe die damaligen "Ideale" ja bereitwillig für einen gut dotierten Job geopfert), dass das damals schlicht und einfach praktizierter Egoismus war. Es ist für einen Mann schon ziemlich bequem, wenn er einer Frau einreden kann, dass es reaktionär ist, zu einer Beziehung zu stehen. Schröder und Co. waren doch nur "links", weil es damals en vogue war und weil die Weiber nicht nach dem Ehering gefragt haben, bevor sie mit einem ins Bett gestiegen sind. Auch ist es für Eltern unglaublich bequem, wenn sie keine Grenzen setzen (wenn ich mir da die Diskussionen mit meinem Sohn ins Gedächtnis rufe....).
Kurz und gut, meine Generation ist mit der größenwahnsinnigen Einstellung aufgewachsen, dass alle sich nach den unseren Bedürfnissen richten sollen - koste es was es wolle. Die Kosten tragen dann halt die Leute, die sich nicht wehren können.
das Jahrhundertprojekt Main-Donau-Kanal, damals noch aufgebauscht unter dem Namen Rhein-Main-Donau-Kanal
.....
was ist denn daraus geworden?
Zuviel der Ehre für die Quexe, die nassforschen Typen. Ehrlich. Die posaunen das doch nur aus, weil es gerade so schön zur Ökonomisierung des gesamten menschlichen Lebens passt und en vogue ist.
Gedacht haben die Bengel jedenfalls nicht, denn dann wären sie darauf gekommen, dass es auch wirtschaftlicher Unsinn ist, querschnittsgelähmte Unfallopfer am Leben zu lassen...
Gott, was bin ich froh, nicht zu dieser Generation zu gehören! ;-)
Ökonomisierte Generation - die sich auch frappierend hier widerspiegelt. Man stelle sich mal eine Protestschrift der '80er Jahre vor, in der im Text und am Rand Werbung für einen der größten Handelskonzerne der Welt (Amazon) gemacht wird!
Der Verfasser wäre gesteinigt worden.
Heute darf dies nicht einmal mehr hinterfragt werden. "Alternativlos" nennt man das wohl.
Schöner Text!
Viele dieser Jungspunde sehen sich wahrhaftig als realistisch und pragmatisch handelnd an. Ein Pragmatismus der sich einzig und allein, am Machterhalt orientiert. Ohne es zu wissen, leben heute so einige nach Machiavelli´s Machtprinzipen.
Idealisten, Träumer und Sozialkämpfer werden weitestgehend ausgelacht und nicht ernst genommen. Warum also zu denen gehören?
Bahr und besonders die Mißfelder Geburt läßt mich an menschliche Katastrophen wie Himmler, Frick oder Rosenberg denken. In ihrer beamtenmäßigen Nüchternheit und Abgeklärtheit, sich in zynischster Weise über Individualitäten der Menschen hinwegsetzend, jede Non-Konformität ankreidend und abschätzig bewertend, beschreiten diese beiden Sozialmisantrophen Wege, die schon vor fünfundsiebzig Jahren gepflastert und von Millionen Leichen gesäumt wurden.
Mißfelder ist eines dieser ganz gefährlichen Individuen, die ideologisch fehlgelenkt und in Verantwortung stehend schwerste Verbrechen ausführen wird, wenn man ihn läßt.
Dieser Typ ist schlichtweg eine Gefahr für die Menschheit, was er in seinen Absonderungen über die letzten Jahre hinweg hinreichend bewiesen hat. Ich sag nur: Generation Soylent Green !!
Und dieses Monster ist einer derjenigen, die pekuniär davon profitieren würde !
Anton Chigurh
@ Klaus Baum:
Hier zu sehen, ab Minute 34:30:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/1626146/Deutschland,-Deine-Fl%C3%BCsse
Die Generation "Leistung muss sich wieder lohnen" der 60er Jahre haben in der Tat Kinder großgezogen deren neoliberales Selbstverständnis einen das Gruseln lehren kann.
Andererseits: die Generation "Endsieg" hat Kinder großgezogen, die zunächst ebenso pflegeleicht, angepasst und unterwürfig schienen.
Bis 1968.
Insofern - es ist nie aller Tage Abend.
Wer die Ökonomie über den Wert eines Menschenlebens stellt, hat meiner Ansicht nach letzteres nicht verdient.
@Anonym 8. Mai 2012 15:43
Da MUSS ich Ihnen voll zustimmen. Die 68iger haben gewissermaßen die "Büchse der Pandora" geöffnet. Jeder kann sich bzw. muss sich sogar (ansonsten ist er ein Langweiler - z.B. wer 30 Jahre mit der selben Frau verheiratet ist) ausleben und darf das dann als "Freiheit" deklarieren (früher sagte man, er ist seinen Trieben ausgeliefert, also ein Sklave).
Diese Art der KONSUMISMUS-"Freiheit" hat PASOLINI in seinen "Freibeutenschriften" (als Neuauflage bei Wagenbach erhältlich) sehr schön beschrieben. Dieses Buch der 70iger Jahre ist hochaktuell - Pasolini erweist sich als Prophet, denn er erkannte den faschistischen Charakter des Konsumismus.
Schon haben wir den Kreis geschlossen: 68iger "freie" Erziehung (siehe Odenwald-Schule), das heißt insb. das Ausleben seiner Triebe (im Prinzip sind das die 7 Todsünden) wird als "Freiheit" deklariert - schon landet man in der "Wunschmaschine" Konsumismus/Kapitalismus - am Ende: Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche, was im Prinzip Faschismus ist.
Max SCHELER unterschied zwischen 3 Arten der Bildung bzw. des Wissens:
1.das Leistungs- und Herrschaftswissen der positiven Wissenschaften zur Erlangung praktischer Ziele
[nur das zählt als Wissen in unserer "freien" Gesellschaft]
2.das Bildungswissen der Philosophie zur Ausformung der Persönlichkeit
[d.h. Charakter-Bildung, Aushaltenkönnen von Frust, Bedürfnisse nicht ausleben - Foucault's "Die Sorge um sich" bzw. "Herr im eigenen Haus sein", nicht jede momentane Schwachsinnsidee ausleben - das was die Stoa, was Buddha, Christus, Lao-Tse lehrten ... aber das haben die 68iger in den Gully gekippt]
3.das Erlösungs- und Heilswissen der Religionen als liebende Teilhabe am Prozess des Seins selbst.
Nummer 2 und 3 wird an keiner Schule gelehrt (1 Std. "Ethik"-Unterricht ist keine BILDUNG. Bilden im Sinne der antiken Philosophen - als Analogie diente ihnen: Die Formung einer Statue - Charakter"formung".) -
und an nur wenigen Unis/Hochschulen (der Bologna-Prozeß führt zum Kahlschlag der Geisteswissenschaften.) und das Wissen von 2 und 3 wird auch nur rein theoretisch vermittelt.
Anton Reiser
Eine sehr gute Beschreibung der Generation der "Naßforschen", um diesen alten Ausdruck zu verwenden.
"Alte, gebt den Löffel ab" hieß es - auch zu Schröders Zeiten, und nicht weniger Furore machend wie Mißfelders Ausspruch - von Seiten des damaligen JuLi-Chefs Jan Dittrich, der heute da arbeitet wo er genausogut hinpasst, wie zur FDP: In der Finanzbranche.
Aber es stimmt: Diese prominenten Sprüchemacher sind nervend und unappetitlich, wirklich das Leben der Mitmenschen erschweren aber die Alltäglichen dieser Sorte, in Behörden, Institutionen und anderenorts, wo sie - wie auch immer geartete - Macht ausüben, und ein Bild menschlicher Kälte ausstrahlen und in Realität umsetzen.
Freundliche Grüße
@Anonym / 8. Mai 2012 15:34
Dem stimme ich zu, manche meiner Altersgenossen (ich bin Baujahr 72) vertreten Ansichten, die ich nur noch als "menschenverachtend" bezeichnen kann.
Beispiele gefällig? "Ist kein Geld mehr da, muß man die Leute eben sterben lassen."
"Der labile Kollege wurde dann gekündigt - sonst hätte ja der Bonus der Abteilung darunter gelitten!"
"Man müßte ja sonst alles Geld in die Gesundheit stecken!"
Das letzte Argument wurde jüngst auch in einem FAZ-Artikel verwendet als Begründung für Rationierungen im Gesundheitssystem. So meinte es auch derjenige, der diese Blüte mir gegenüber absonderte.
Lieber Roberto,
Deine Generation ist weder besser noch schlechter als die vorangegangenen oder nachfolgenden Generationen.
Meine Mutter (75) beklagt sich über Missfelder, meine Geschwister (40-50) über ihre Benachteiligung als Sandwichgeneration, meine Neffen und Nichten (15-24) über Benachteiligungen im Beruf (Bezahlung) und Rente, meine Freunde und Bekannte (35-70) über Benachteiligungen als Behinderte, Frauen, Schwule, etc.
Jeder sieht seine eigene Benachteiligung, die der anderen ist irrelevant und wird mit einem "So ist das Leben" quittiert. Sollte irgendeiner aber mal einen Vorteil aus seiner Situation ziehen können, dann sind sich alle einig. "Das ist asoziales Verhalten."
Grüße
Klotzkopf
Lieber Roberto de Lapuente,
Ihrem Artikel konnte ich auch weitgehend zustimmen, als ich ihn vor Tagen gelesen habe. Ich beobachte seither auch die Kommentare dazu die weitgehend Zustimmung enthalten und Ihre Wahrnehmungen noch um beträchtliche weitere Beispiele ergänzen, wie sehr die Ökonomisierung die Seelen vergiftet und auf bloße Zahlen reduziert hat. Ich habe mich aber mit meinem Kommentar zurückgehalten, weil ich gesehen habe, daß alle Teilnehmer(innen) Ihrer Generation angehören oder jünger sind. Ich selbst bin älter und habe 1968 angefangen zu studieren. „Die Phantasie an die Macht!“, hieß es damals.
Ein, dieser Gedanke scheint mir in der bisherigen Debatte jedoch bisher zu fehlen. Es werden die 68er Erziehungsmethoden zur Begründung herangezogen und von einem Leser wird 68er-Bashing betrieben, wie wir das auch von Gauck schon gehört haben. Es ist nach meiner Wahrnehmung aber nicht ein Generationenproblem, das Sie hier ansprechen, der Fall liegt m.E. tiefer, die Ursachen für die gegenwärtige Phantasie- und Utopielosigkeit liegen in Washington oder Brüssel. Sie heißen Washington-Consensus und Lissabonvertrag, nach diesen Regeln wurde die Demokratisierung ausgehebelt und dümpelt führerlos wie auf dem schwankenden Kahn in Hölderlins Mnemosyne (siehe unten) auf den Wellen der Geschichte. Die Phantasielosen sind schon seit 1980 an der Macht: Man betrachte den Washington Consensus (notfalls mal bei wiki nachschlagen). Sie heißen IWF, Weltbank und WTO und haben diese von niemandem als den Banken, Multis und ihren willigen, korrupten Politikern gewollte Rückkehr in vordemokratische Zeiten angerichtet. Der Lissabonvertrag funktioniert exakt wie Hitlers Ermächtigungsgesetz. Die Griechen nennen sie Troika, meinen damit aber eher Merkel-Sarkozy, die Lissabon-EU und den IWF, das trifft’s also noch nicht ganz. Es ist schlimmer. Und wird wirklich Zeit, daß die Menschen, nicht nur die Europäer, diese scheinbar unaufhaltbaren, von niemandem gewählten Alternativlosen wieder dahin schicken, wo sie herkommen und uns hinführen wollen: in die Wüste.
Wie auf den Schultern eine
Last von Scheitern ist
Zu behalten. Aber bös sind
Die Pfade. Nämlich unrecht,
Wie Rosse, gehn die gefangenen
Elemente und alten
Gesetze der Erd. Und immer
Ins Ungebundene gehet eine Sehnsucht.
Vieles aber ist
Zu behalten. Und not die Treue.
Vorwärts aber und rückwärts wollen wir
Nicht sehn. Uns wiegen lassen, wie
Auf schwankendem Kahne der See.
Sie, die Generation der Mißfelder und Bahr, treiben nicht. Sie sind Getriebene der Arithmetik der Einsen und Nullen, sie befinden sich in Seenot.
Die Phantasie an die Macht!
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