De auditu

Donnerstag, 10. Mai 2012

Früher war es das Trio, vielleicht auch mal das Dreigestirn. Ganz trocken nannte man es auch Dreiergruppe; musikalischere Gemüter sprachen auch vom Terzett. Heute ist es die Troika - von ihr liest und hört man derzeit nicht wenig. Der deutschen Sozialdemokratie steht eine Troika vor - in Griechenland macht eine Troika die Menschen zu Tagelöhnern oder Hungerleidern - und die Parteivorsitzenden der Koalition aus CDU, CSU und FDP wurde auch schon als Troika bezeichnet. Der Begriff scheint in Mode, vorher war er rar genutzt.

Die Troika ist eine russische Bespannweise für Fuhrwerke. Dreigespann zu deutsch. Sie wird mit einer Gerte angetrieben. Striemen auf Fleisch. Das Dreigestirn, begrifflich vormals öfter genutzt, klingt wie nach drei Köpfen, drei unabhängigen Stirnen, drei Denkbefähigungen - das Trio oder Terzett scheint ein harmonischer Verbund von Klängen. Der Troika steht der Sinn weniger nach Harmonie, weniger nach Stirnarbeit - ihr ist stupides Laufen eigen, das Angetriebenwerden mittels Gerte, das Abspulen stur in Laufrichtung. Den in die Troika Eingespannten wird begrifflich unterbewusst die Unfähigkeit zum freien Handeln suggeriert. Sie können nicht autonom und selbstbestimmt laufen. Das Trio klingt terminologisch nach Abstimmung, sich Absprechen, kurz gesagt: nach demokratischen Standards - das Dreigestirn macht wörtlich vor, dass man mit Grips handelt, dass Bildung im Spiel ist. Das Gespann einer Troika scheint demokratische Standards und Denkbefähigung nicht zu brauchen.

Es ist Zufall (oder doch Unterbewusstsein?), das man die Troika seit einiger Zeit reger benutzt. In diesem Begriff spiegelt sich alles wider, was die Zustände um etwaige Dreierkonstellationen, die oben benannt wurden, ausmacht. Die SPD-Troika handelt nicht selbstbestimmt, sie wird von neoliberalen Prämissen und Attributionen getrieben, denkt daher nicht frei, entfernt sich immer weiter von demokratischen Harmonien. Die Troika zu Griechenland ist Treiber und Anpeitscher auf den ersten Blick. Sie ist aber eine frankensteinsche Kreatur einer Wirtschaftslehre, die nur Profitmaximierung und Akkumulation kennt - die Troika wird vom Profitbestreben getrieben, handelt dergestalt unfrei und hält von Absprachen und Beratung, von Demokratie, kurz gesagt, überhaupt nichts. Die Troika der Koalition handelt ganz ähnlich - auch sie besteht aus Getriebenen, Angepeitschten, von der Demokratie Weggeescheuchten.

Die Troika passt begrifflich viel besser in die Wirklichkeit, als so romantische Begriffe wie Trio oder Dreigestirn. Sie bildet ab, was ist. Sie zeigt auf, dass Entscheidungsbefugnis nach der Liberalisierung der Märkte bedeutet, in einem Gespann zu sein, in einem Geschirr gefangen. Das gilt freilich nicht nur für Dreiergruppen...



7 Kommentare:

klaus baum 10. Mai 2012 um 09:08  

wie heißt eigentlich die skulpturengruppe auf dem brandenburger tor?

ulli 10. Mai 2012 um 11:10  

Lieber Klaus, die heißt "Quadriga", es sind vier Pferde.

ulli 10. Mai 2012 um 11:16  

Zum Thema "Troika" sollte man auch "Die Heilige Dreifaltigkeit" nicht vergessen. Die ist in der abendländischen Kultur tief eingewurzelt als die fundamentalste Ausbildung des Wahren, Guten und Schönen. Wenn also schon "Gott-Vater, der Heilige Geist und der Sohn" die Griechen ins Elend stürzen und hemmungslos Partei für die Banken ergreifen, dann muss das doch richtig sein. Wer was dagegen hat, versündigt sich schließlich gegen Gott...

Hartmut 10. Mai 2012 um 11:29  

Das gilt freilich nicht nur für Dreiergruppen...es paßt haargenau auch auf die Skulpturengruppe auf dem Brandenburger Tor - Vierergruppe oder auf Plattdeutsch "Quadriga" ;-)

Ansonsten ist die Troika ein treffendes Sinnbild für getrieben und geschlagen werden; hier von der "marktkonformen Demokratie", gelle ?

Anonym 10. Mai 2012 um 11:42  

dass, ist die quatriga

interessierter 10. Mai 2012 um 23:00  

besser wäre der begriff "triumvirat"

Alex52 13. Mai 2012 um 16:36  

Aus Wikipedia:

"Durch den NKWD-Befehl Nr. 00447 vom 30. Juli 1937 (russisch: О репрессировании бывших кулаков, уголовников и других антисоветских элементов, deutsch: „Über die Repression ehemaliger Kulaken, Krimineller und anderer anti-sowjetischer Elemente“), unterzeichnet von Nikolai Jeschow und gebilligt vom Politbüro der KPdSU, wurden die operativen Troikas während des Großen Terrors auf allen administrativen Ebenen eingesetzt: in den Sowjetrepubliken, Gouvernements, Krajs und Oblasten. Die Untersuchungen und Bestrafungen sollten von operativen Gruppen „auf schnellem und einfachem Wege“ geführt werden, die Verhafteten wurden den Troikas zur Entscheidung überstellt.

Protokolle der Troikasitzungen wurden an die entsprechenden operativen Gruppen zur Vollstreckung der Urteile geschickt. Troikas dieser Art existierten ungefähr bis Mitte 1938."

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