Hinter die Schalter!
Dienstag, 31. Januar 2012
Was ist bloß mit diesem Land im Herzen Europas los? Sind das die Bosheiten eines Herzpatienten? Der kranke Mann an der Spree? Der psychisch kranke Mann, der seine Vertreibung von den Gestaden des Rheins nie verarbeitet hat? Wieder mal erkrankt? Dieses so leicht aufgeregte Völkchen in Zentraleuropa. Dieses Völkchen, das sich ja ordentlich fürchtet, zu einem Völkchen zu werden, kein Volk mehr sein zu können, weil es schrumpft. Sie sterben aus, ängstigen sie sich - und mit ihnen verstürbe die edelste Rasse unter den Menschen. Stets befehlend, kommandierend, Schneller, schneller schneller!, Regierung entmachten!, Hilfsvölker schaffen, Quislinge engagieren. Sind das Minderwertigkeitskomplexe? Meglomaner Heilswahn?
Ich meine, als Sohn eines Gastarbeiters habe ich einiges erlebt. Man duzte meinen Vater grundsätzlich - ekelhaft, wenn man als Sohn miterleben muß, dass man mit seinem Vater spricht, wie mit einem Bengel, damit der begriffstutzige Ausländer auch ja folgen kann. Ich habe darüber schon mehrfach berichtet. Erlebtes - Miterlebtes - Durchlebtes. Und ich habe die Erzählungen meines Vaters durchlebt. Viel von ihren europäischen Nachbarn haben sie nie gehalten - von den Gastarbeitern, den Nachbarn, die nach Deutschland strömten, sowieso nicht. Die deutsche Bierärschigkeit war stets gnadenlos zwischen Weißbier oder Pils und Breze oder Currywurst. Mahlzeiten eines großen Volkes! Nehmen uns die Arbeit weg! und Faules Pack! - das Land der Denker und keiner vermag es mit Logik anzugehen. Was stimmt denn nun? Arbeiten oder Faulheit? Die stinken! und Die nehmen uns die Frauen weg! - passt das zusammen? Fressen nur Dreck! und Auf nach Bella Italia! - Pizza, der letzte Schmutz? Was will ich denn damit eigentlich sagen? Vielleicht, dass schon damals dieses erregte Volk aus der Mitte Europas ganz besonders höflich mit Gästen und Nachbarn umgegangen ist. Doch meist geschah das dort, wo der Scheiß Ausländer! dem Spott hochherrschaftlichen Deutschtums wehrlos ausgesetzt war. Offiziell gab es diesen Herrenmenschenwirbel nicht.
Als mein Vater in den Sechzigerjahren nach Deutschland gehen wollte, da nahm ihn vorher noch ein Nachbar zur Seite. Einwurf: ... gehen wollte! Wollte er? Ist es ein Wollen, wenn die wirtschaftliche Lage zwingt? Soll das euphemistisch verwendete Wollen nicht kontrastieren, dass man ihn hier eigentlich nicht wollte? So wie das Müssen aussagen würde, dass man hierzulande angewiesen war auf diese bezahlten Wanderarbeiter? Er wollte kommen, heißt: keiner hat gesagt, du sollst kommen! Doch zurück zum Nachbarn: Der warnte meinen Vater ausdrücklich. Traue den Deutschen nicht, sagte er. Hinterlistig seien sie; sie sagten zwar so, meinten es aber anders; Hinter deinem Rücken setzen sie dir zu! - Dolchstoßlegende mal anders. So will es jedenfalls die Legende; so ist es in meiner Erinnerung festgezurrt.
Keine Stunde Fahrt von Gernika entfernt wurde mein Vater geboren, wuchs er auf - er war noch kein Jahr alt, als sich die mutigen Fliegertruppen des Deutschen Reiches dort Orden verdienten. Vielleicht war der alte Nachbar ja, ich denke ihn mir als Alten, weiß es nicht besser, von dort gekommen - vielleicht hatte er Familie oder Freunde dort - vielleicht half er dabei, die von der Legion Condor in Schutt und Asche bombardierte Stadt als Trümmermann Stein für Stein umzudrehen - vielleicht ist er gar als Dreiecksgesicht auf Picassos berühmten Bild fast gleichen (weil spanisierten) Namens, gebannt. Ganz klar waren das Vorurteile gegenüber Deutschen - nachvollziehbar finde ich. Die Deutschen haben einen solchen Mann nicht die Arbeit und die Weiber genommen, was sie später oft von den Ausländern in ihrem Vaterlande behaupteten, sie haben die Weiber getötet und die Arbeitsplätze vernichtet. Das ist ein minimaler Unterschied, finde ich. Wenn ich dann gelegentlich hörte, dass man im Ausland auch nicht vorurteilsfrei sei gegenüber Fremden, insbesondere gegenüber Deutschen, dann fragte ich mich schon, ob man die Relationen, die zu diesen Ressentiments führten, überhaupt begriff.
Erstaunlich ist aber, dass man damals glaubte, der Deutsche - sagen wir das mal so, der Deutsche, obwohl ich dergleichen ja verabscheue - würde heimlich und hinterfotzig seinen Hass auf die Welt ausstoßen. Deutsche Bestie! Trau ihnen nicht, sie tun schön, sind aber ganz anders! Die deutsche Überheblichkeit, der größenwahnsinnige Impuls, der aus diesem Land im Herzen Europas entfloh, wo man Herztabletten schluckte, bevor man hektisch zur fanatisch betriebenen Arbeit eilte, diese befehlerische Lebensart, die man selbst als Sendungsbewusstsein interpretierte: man wusste, dass es das gibt, aber man wusste auch, dass es nicht mehr selbstbewusst vertreten wurde, in schmissiger Uniform und mit flotter Marschtonkunst etwa.
Das hat sich geändert. Völlig geändert. Man spricht wieder Deutsch in Europa, verheißen stolze Stimmen arg schwäbelnd. Und es soll noch mehr Deutsch palavert werden, niederbayert man. Regierungen will man entmachten, ihnen Kommissare vorsetzen, europäische Nachbardemokratien endgültig in Diktaturen umorganisieren, europäische Souveräne, immerhin Völker sind damit gemeint, entmündigen. Griechenland ist ein riesengroßes Problem!, meint der Deutschmeister. Ich dachte immer, Griechenland ist ein kleines Land. So kann man sich täuschen! Andere üben sich in Züchterlatein, machen kenntlich, wie man wertvolle Eigenschaften und Merkmale kreiert. Letzterer tut das, obwohl er noch vor einigen Wochen in einem bekannten deutschen Magazin Wortmeldung gab, erklärte, dass er das alles gar nicht so meinte. Seiner langen Genetik-Rede kurzer Sinn: Man hat mich falsch verstanden! Von einer Pferdezucht dieses Mannes weiß man nichts. Dennoch hält er züchtige Vorträge. Der Deutsche, ein edler Lipizzaner - ein veredelter Herr, dem Europa zu Füßen liegt. Und die Nachbarn, wie dieser österreichische Kolumnist, die fürchten sich etwas. Wie wird man das wohl in Polen beäugen? Die singen Deutschland, Deutschland über alles; über alles in Europa! - und dann spachteln die auf Parteitagen mit dieser BdV-Präsidentin, die dem Reichsgau Danzig-Westpreußen nachtrauert - sie würde ihn anders nennen, wenn sie ihn wieder verwalten dürfte, ich weiß doch! Man hat schließlich aus der Geschichte gelernt und benutzt andere Namen. Nach der Wiedervereinigung hatte man in Europa Angst vor diesem zentraleuropäischen Großstaat - zwanzig Jahre hat es gedauert, bis er sich seines historischen Auftrags gewahr wurde. Europa soll aufgehen in Deutschland - erst dann ist man saturiert.
Der Nachbar, der wertvolle, ja völkerverbindende Ratschläge gab, er ist geschichtlich überholt. Wenn es ihn so je gab - auch väterliche Erinnerungen können sich modifizieren und im Kopf neue Gestalt annehmen. Gernika ist mittlerweile vergessen. Man erinnert sich auch nicht mehr an die deutsche Besatzung Griechenlands - man darf wieder fröhlich Demokratien aushebeln, wieder lustig wer sein in der Welt. Nicht still, nicht heimlich. Man darf wieder ein aufgeregtes, aufstrebendes Volk sein - ... Wesen ... genesen; der inflationäre Spruch, den keiner mehr lesen will. Das deutsche Schicksal, so schrieb Tucholsky mal, sei es, vor einem Schalter zu stehen - das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen. Vor dem Schalter der Verantwortlichkeit standen sie lange genug. Diesem Schicksal wollen sie nun entkommen, zum Ideal marschieren. Die Schalter Europas besetzen! Politiker aus der bürgerlichen Mitte leiten Deutschland ins Ideal. Vormals war das glatzköpfige Erkenntnis: Wir müssen endlich dieses uns eingeredete schlechte Gewissen ablegen! Vorbei, vergessen - Vergangenheit! Jetzt haben sie es endlich kapiert, die rechte Wahrheit ist jetzt allgemeinverbindlich, massenkompatibel, in der bürgerlichen Mitte angelangt.
Ja, gewohnt ist man einiges als Gastarbeitersohn - als Gastarbeiter selbst ohnehin. So vornerum nett und hintenrum fies war man hierzulande nie. Da hat sich der, der Gernika nicht vergessen konnte, etwas getäuscht. Sie ließen einen immer wissen, was sie von dir denken - aber nie so, dass ein Massenpublikum zuhören konnte. Jetzt hört es zu und findet es toll - jedenfalls findet es nichts Unanständiges daran. Auch das hat sich eklatant geändert. Vorher konnte der currywurstgabelnde, weißwurstzutzelnde Herrenmensch nicht vor allen so tun, als sei er der Schöpfer des Himmels und der Erde, die leuchtende Weisheit und weise Erleuchtung, die oberste Sprosse der Evolution - es gab genug, die fuhren ihm über das Maul. Auch solche gab es! Habe ich erlebt - nicht selten. Deutsche sind nämlich wie andere auch: feine Leute und riesige Arschlöcher. Gut durchmengt wie überall; leichte Überschüsse bei letzteren, wie überall. Die einzige Internationale der Welt, die in jedem Land eine Botschaft hat, dürfte wahrscheinlich die Vereinigung der Arschlöcher sein. Diese couragierten Leute in Deutschland jedenfalls, die sind beträchtlich weniger geworden - jetzt zucken sie mit den Achseln, Aber die Griechen!, und der Euro, Notsituationen erfordern außergewöhnliche Vorgehensweisen, entschuldigen sie sich. Dazu gehört wohl auch, den Rest von Europa aussehen zu lassen, wie deutsches Mobiliar, wie Sessel, auf denen mindestens ein deutscher Arsch seinen Platz finden muß. Und erst wenn in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal ein deutscher Kommissär waltet, in Europa also noch mehr Deutsch gesprochen wird - Deutsch ins Grundgesetz und in die Verfassungen aller EU-Staaten! -, dann gibt die Megalomanie, diese urtypische deutsche psychische Störung, Ruhe - eine Weile wenigstens...
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Ich meine, als Sohn eines Gastarbeiters habe ich einiges erlebt. Man duzte meinen Vater grundsätzlich - ekelhaft, wenn man als Sohn miterleben muß, dass man mit seinem Vater spricht, wie mit einem Bengel, damit der begriffstutzige Ausländer auch ja folgen kann. Ich habe darüber schon mehrfach berichtet. Erlebtes - Miterlebtes - Durchlebtes. Und ich habe die Erzählungen meines Vaters durchlebt. Viel von ihren europäischen Nachbarn haben sie nie gehalten - von den Gastarbeitern, den Nachbarn, die nach Deutschland strömten, sowieso nicht. Die deutsche Bierärschigkeit war stets gnadenlos zwischen Weißbier oder Pils und Breze oder Currywurst. Mahlzeiten eines großen Volkes! Nehmen uns die Arbeit weg! und Faules Pack! - das Land der Denker und keiner vermag es mit Logik anzugehen. Was stimmt denn nun? Arbeiten oder Faulheit? Die stinken! und Die nehmen uns die Frauen weg! - passt das zusammen? Fressen nur Dreck! und Auf nach Bella Italia! - Pizza, der letzte Schmutz? Was will ich denn damit eigentlich sagen? Vielleicht, dass schon damals dieses erregte Volk aus der Mitte Europas ganz besonders höflich mit Gästen und Nachbarn umgegangen ist. Doch meist geschah das dort, wo der Scheiß Ausländer! dem Spott hochherrschaftlichen Deutschtums wehrlos ausgesetzt war. Offiziell gab es diesen Herrenmenschenwirbel nicht.
Als mein Vater in den Sechzigerjahren nach Deutschland gehen wollte, da nahm ihn vorher noch ein Nachbar zur Seite. Einwurf: ... gehen wollte! Wollte er? Ist es ein Wollen, wenn die wirtschaftliche Lage zwingt? Soll das euphemistisch verwendete Wollen nicht kontrastieren, dass man ihn hier eigentlich nicht wollte? So wie das Müssen aussagen würde, dass man hierzulande angewiesen war auf diese bezahlten Wanderarbeiter? Er wollte kommen, heißt: keiner hat gesagt, du sollst kommen! Doch zurück zum Nachbarn: Der warnte meinen Vater ausdrücklich. Traue den Deutschen nicht, sagte er. Hinterlistig seien sie; sie sagten zwar so, meinten es aber anders; Hinter deinem Rücken setzen sie dir zu! - Dolchstoßlegende mal anders. So will es jedenfalls die Legende; so ist es in meiner Erinnerung festgezurrt.
Keine Stunde Fahrt von Gernika entfernt wurde mein Vater geboren, wuchs er auf - er war noch kein Jahr alt, als sich die mutigen Fliegertruppen des Deutschen Reiches dort Orden verdienten. Vielleicht war der alte Nachbar ja, ich denke ihn mir als Alten, weiß es nicht besser, von dort gekommen - vielleicht hatte er Familie oder Freunde dort - vielleicht half er dabei, die von der Legion Condor in Schutt und Asche bombardierte Stadt als Trümmermann Stein für Stein umzudrehen - vielleicht ist er gar als Dreiecksgesicht auf Picassos berühmten Bild fast gleichen (weil spanisierten) Namens, gebannt. Ganz klar waren das Vorurteile gegenüber Deutschen - nachvollziehbar finde ich. Die Deutschen haben einen solchen Mann nicht die Arbeit und die Weiber genommen, was sie später oft von den Ausländern in ihrem Vaterlande behaupteten, sie haben die Weiber getötet und die Arbeitsplätze vernichtet. Das ist ein minimaler Unterschied, finde ich. Wenn ich dann gelegentlich hörte, dass man im Ausland auch nicht vorurteilsfrei sei gegenüber Fremden, insbesondere gegenüber Deutschen, dann fragte ich mich schon, ob man die Relationen, die zu diesen Ressentiments führten, überhaupt begriff.
Erstaunlich ist aber, dass man damals glaubte, der Deutsche - sagen wir das mal so, der Deutsche, obwohl ich dergleichen ja verabscheue - würde heimlich und hinterfotzig seinen Hass auf die Welt ausstoßen. Deutsche Bestie! Trau ihnen nicht, sie tun schön, sind aber ganz anders! Die deutsche Überheblichkeit, der größenwahnsinnige Impuls, der aus diesem Land im Herzen Europas entfloh, wo man Herztabletten schluckte, bevor man hektisch zur fanatisch betriebenen Arbeit eilte, diese befehlerische Lebensart, die man selbst als Sendungsbewusstsein interpretierte: man wusste, dass es das gibt, aber man wusste auch, dass es nicht mehr selbstbewusst vertreten wurde, in schmissiger Uniform und mit flotter Marschtonkunst etwa.
Das hat sich geändert. Völlig geändert. Man spricht wieder Deutsch in Europa, verheißen stolze Stimmen arg schwäbelnd. Und es soll noch mehr Deutsch palavert werden, niederbayert man. Regierungen will man entmachten, ihnen Kommissare vorsetzen, europäische Nachbardemokratien endgültig in Diktaturen umorganisieren, europäische Souveräne, immerhin Völker sind damit gemeint, entmündigen. Griechenland ist ein riesengroßes Problem!, meint der Deutschmeister. Ich dachte immer, Griechenland ist ein kleines Land. So kann man sich täuschen! Andere üben sich in Züchterlatein, machen kenntlich, wie man wertvolle Eigenschaften und Merkmale kreiert. Letzterer tut das, obwohl er noch vor einigen Wochen in einem bekannten deutschen Magazin Wortmeldung gab, erklärte, dass er das alles gar nicht so meinte. Seiner langen Genetik-Rede kurzer Sinn: Man hat mich falsch verstanden! Von einer Pferdezucht dieses Mannes weiß man nichts. Dennoch hält er züchtige Vorträge. Der Deutsche, ein edler Lipizzaner - ein veredelter Herr, dem Europa zu Füßen liegt. Und die Nachbarn, wie dieser österreichische Kolumnist, die fürchten sich etwas. Wie wird man das wohl in Polen beäugen? Die singen Deutschland, Deutschland über alles; über alles in Europa! - und dann spachteln die auf Parteitagen mit dieser BdV-Präsidentin, die dem Reichsgau Danzig-Westpreußen nachtrauert - sie würde ihn anders nennen, wenn sie ihn wieder verwalten dürfte, ich weiß doch! Man hat schließlich aus der Geschichte gelernt und benutzt andere Namen. Nach der Wiedervereinigung hatte man in Europa Angst vor diesem zentraleuropäischen Großstaat - zwanzig Jahre hat es gedauert, bis er sich seines historischen Auftrags gewahr wurde. Europa soll aufgehen in Deutschland - erst dann ist man saturiert.
Der Nachbar, der wertvolle, ja völkerverbindende Ratschläge gab, er ist geschichtlich überholt. Wenn es ihn so je gab - auch väterliche Erinnerungen können sich modifizieren und im Kopf neue Gestalt annehmen. Gernika ist mittlerweile vergessen. Man erinnert sich auch nicht mehr an die deutsche Besatzung Griechenlands - man darf wieder fröhlich Demokratien aushebeln, wieder lustig wer sein in der Welt. Nicht still, nicht heimlich. Man darf wieder ein aufgeregtes, aufstrebendes Volk sein - ... Wesen ... genesen; der inflationäre Spruch, den keiner mehr lesen will. Das deutsche Schicksal, so schrieb Tucholsky mal, sei es, vor einem Schalter zu stehen - das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen. Vor dem Schalter der Verantwortlichkeit standen sie lange genug. Diesem Schicksal wollen sie nun entkommen, zum Ideal marschieren. Die Schalter Europas besetzen! Politiker aus der bürgerlichen Mitte leiten Deutschland ins Ideal. Vormals war das glatzköpfige Erkenntnis: Wir müssen endlich dieses uns eingeredete schlechte Gewissen ablegen! Vorbei, vergessen - Vergangenheit! Jetzt haben sie es endlich kapiert, die rechte Wahrheit ist jetzt allgemeinverbindlich, massenkompatibel, in der bürgerlichen Mitte angelangt.
Ja, gewohnt ist man einiges als Gastarbeitersohn - als Gastarbeiter selbst ohnehin. So vornerum nett und hintenrum fies war man hierzulande nie. Da hat sich der, der Gernika nicht vergessen konnte, etwas getäuscht. Sie ließen einen immer wissen, was sie von dir denken - aber nie so, dass ein Massenpublikum zuhören konnte. Jetzt hört es zu und findet es toll - jedenfalls findet es nichts Unanständiges daran. Auch das hat sich eklatant geändert. Vorher konnte der currywurstgabelnde, weißwurstzutzelnde Herrenmensch nicht vor allen so tun, als sei er der Schöpfer des Himmels und der Erde, die leuchtende Weisheit und weise Erleuchtung, die oberste Sprosse der Evolution - es gab genug, die fuhren ihm über das Maul. Auch solche gab es! Habe ich erlebt - nicht selten. Deutsche sind nämlich wie andere auch: feine Leute und riesige Arschlöcher. Gut durchmengt wie überall; leichte Überschüsse bei letzteren, wie überall. Die einzige Internationale der Welt, die in jedem Land eine Botschaft hat, dürfte wahrscheinlich die Vereinigung der Arschlöcher sein. Diese couragierten Leute in Deutschland jedenfalls, die sind beträchtlich weniger geworden - jetzt zucken sie mit den Achseln, Aber die Griechen!, und der Euro, Notsituationen erfordern außergewöhnliche Vorgehensweisen, entschuldigen sie sich. Dazu gehört wohl auch, den Rest von Europa aussehen zu lassen, wie deutsches Mobiliar, wie Sessel, auf denen mindestens ein deutscher Arsch seinen Platz finden muß. Und erst wenn in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal ein deutscher Kommissär waltet, in Europa also noch mehr Deutsch gesprochen wird - Deutsch ins Grundgesetz und in die Verfassungen aller EU-Staaten! -, dann gibt die Megalomanie, diese urtypische deutsche psychische Störung, Ruhe - eine Weile wenigstens...