Von wegen Opfer!

Montag, 23. Januar 2012

Zu einem sanftmütigen Opfer taugt Baltasar Garzón wahrlich nicht. "Spaniens mutigster Richter", wie ihn die taz nennt, erlebt gerade die Parteienallmacht des spanischen Zentralstaates, muß sich gegen Partido Popular und faschistische Organisationen behaupten. Ganz so opferhaft ist dieser Mann jedoch nicht. Das sollte man mal richtigstellen. Das Mitlauschen von Gesprächen zwischen Anwälten und Angeklagten in U-Haft ist indes keine kuriose Neuigkeit, wie das die PP meint - ähnliches Vorgehen gab es unter Garzón immer wieder, nur da war es politisch gewollt.

Ja, er untersuchte Verbrechen des Franqusimo - freiheitlich und demokratisch äußerte sich seine Gesinnung allerdings nicht immer. Sein Engagement gegen die ETA war selten astrein. Mit den Verbrechern, die die baskischen Separations- bzw. Autonomiebestrebungen durch ihre Gewaltbereitschaft kriminalisierten, unterwarf er auch Basken seinem Diktat, die nichts mit Gewalt, sehr wohl aber mit der "baskischen Sache" zu tun hatten. Der Kampf gegen die ETA war für Garzón immer auch ein Kampf gegen die baskische Kultur. Er kriminalisierte die baskische Sprachschulvereinigung, ließ baskische Zeitungen schließen, baskische Radiosender abschalten, deren Redaktionsmitglieder juristisch verfolgen. Und er leitete das Verbot der linken baskischen Partei Batasuna in die Wege - das zunächst temporäre Verbot Garzóns wurde später vom spanischen Verfassungsgericht bestätigt. Unter Garzón gab es im Kampf gegen die ETA - und gibt es immer noch - die Tolerierung von Folter zur Geständniserzwingung; Schutzhaft bis zu fünf Tagen ohne anwaltliche Kontaktierung; horrende Haftstrafen ohne Möglichkeit der Resozialisierung.

Der Kampf gegen die ETA wurde auch von Garzón stets als ein Krieg gegen demokratische Grundsätze geführt. Kollateralschäden wie die baskische Kultur nahm man hin. Autonomiebestrebungen auch ohne Gewaltbereitschaft galten als Frevel am spanischen Zentralstaat. Der politische Arm der Autonomiebewegung wurde von Garzón abgeschlagen und vormals gewaltfreie Streiter für die baskische Sache kriminalisiert und in den Untergrund gedrängt.

Sicher, was Garzón nun widerfährt, zum Spielball der rachsüchtigen Volkspartei unter Rajoy zu werden, zum Angeklagten franquistischer Organisationen, das gleicht einem Skandal. Aber die sich abgehört wähnende Volkspartei, sie hat zugeschaut, als Garzón und Mitstreiter ETA-Gefangene von ihren Grundrechten abschnitt - Belauschungen inklusive. Ihn nun aber deshalb zum aufrechten Recken zu küren, das ist ignorant - der "mutigste Richter Spaniens" war in der baskischen Angelegenheit besonders mutig, weil er starken Rückhalt in Madrid fühlte. Dort vertritt man weiterhin die Meinung, baskische Autonomie sei genug gegeben und die baskische Kultur und Sprache sei ohnehin so primitiv, dass man nicht zu viel Eigenkultur und -verwaltung erlauben sollte. Garzón war die juristische Speerspitze dieses Überspaniertums, der Freisler des reformfranquistischen Spaniens. Zum Opfer taugt er wirklich nicht...



4 Kommentare:

landbewohner 23. Januar 2012 um 11:59  

sehr informeller beitrag. ich dürfte da nicht der einzige sein, der da noch etwas neues über den herrn erfahren durfte. aber letztendlich ists immer das gleiche: gut ist man nur, wenn man die "richtigen" feinde -die des systems eben - bekämpft.

ad sinistram 23. Januar 2012 um 13:15  

Als Beispiel, damit man sieht, wie es läuft in Spanien:
http://www.info-baskenland.de/1002-0-Pfeifkonzert+als+Terrorismus.html

Roberto Saviano 24. Januar 2012 um 05:32  

Haben sie darauf eine Antwort ?

http://www.youtube.com/watch?v=g_47mmt5SZY&feature=related

pillo 27. Januar 2012 um 09:54  

Ja, Garzón war lange Zeit der Star für die Etablierten in Spanien. Irgendwann im Laufe der Zeit muss bei ihm jener Realitätsverlust eingetreten sein, der viele in vergleichbarer Position befällt.

Er glaubte, über den Dingen zu stehen und tatsächlich Macht zu haben. Hatte er natürlich nicht! Sein Amt beinhaltete vielleicht Macht, er als Person jedoch nicht. Ihm wurde nur lange Zeit von den wirklich Mächtigen ein sehr großer Freiraum gewährt, da er sich in ihrem Sinne engagierte.

Wenn der Büttel aber - in einem Anflug von Größenwahn - meint, sich mit seinen Herren anlegen zu müssen, werden die ihm sehr schnell zeigen, wo der Hammer hängt.

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