Nomen non est omen

Donnerstag, 12. Januar 2012

Heute: Weltverbesserer

Ein Gastbeitrag von Markus Vollack.
"Linke Weltverbesserer aller Schattierungen vereint das Lebensgefühl, zum Kreis der besseren Menschen zu gehören. Viele von ihnen haben dazu jede Berechtigung. Die Linke aber ist aus der SED hervorgegangen."
- Tissy Bruns, Zeit Online -

"Weltverbesserer sind mir lieber, von den Weltverschlechteren gibt es eh viel zu viele."
- Peter Zudeick (Radiojournalist), in seiner Laudatio auf Noam Chomsky, anlässlich der Verleihung des Erich-Fromm-Preises im Jahr 2010 -
Eine oft abwertende Bezeichnung für alternative oder linksorientierte Menschen, die nicht am Status Quo festhalten wollen, sondern eine Veränderung, im Sinne einer vermeintlichen Verbesserung von Mensch und Gesellschaft, anstreben.

Der Begriff bringt die "Welt" und das Individuum als vermeintlicher "Verbesserer" in einem Wort zusammen. Damit können Assoziationen geweckt werden, die da beispielsweise lauten könnte, dass die Dimension "Welt" für jedes Individuum viel zu groß und es damit unmöglich sei, überhaupt irgendetwas zu verändern. Wer es sich nun dennoch anmaße, als Einzelner die Welt verändern zu wollen, der verdiene nun eine ironisch herablassende Bezeichnung: "Du Weltverbesserer!".

Wer gegen Ungerechtigkeit ankämpft, weltweite Armut, Hunger und Elend vermindern möchte oder sich Gedanken über Frieden, Recht, Gerechtigkeit und Freiheit macht, wird verächtlich als "Gutmensch" oder "Weltverbesserer" bezeichnet. In dem fatalistischen Glauben, dass man "ja eh nichts ändern könne", werden alle, die noch Träume, Prinzipien, Ideen oder eine Vorstellung von einer besseren Welt haben, als Spinner, Träumer, Ewiggestrige und Idealisten diffamiert.

Gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Verhältnisse und Strukturen werden meist als ein gottgegebener Naturzustand begriffen, gegen den man nichts ausrichten könne. Man habe sich der Realpolitik zu bedienen, pragmatisch-sachlich zu sein, statt abstrusen Ideen hinterherzulaufen, so das gängige Credo. Themen wie weltweite Gerechtigkeit und die Frage nach einem besseren menschlichen Miteinander werden als moralisierend, unsachlich und träumerisch diffamiert. Fatalismus, Resignation, Linken-Bashing und/oder Bequemlichkeit ist eine häufige Mentalität derjenigen, die von "Weltverbesseren" sprechen, um nachdenkliche Menschen abzuwerten.

21 Kommentare:

Anonym 12. Januar 2012 um 08:34  

Nix ist doch bequemer, als die Welt so zu akzeptieren wie sie ist. Leute mit dieser Geisteshaltung akzeptieren letztlich auch die schlimmsten Diktaturen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und wenn es sie selbst betreffen sollte, dann machen sie eher mit, als widerständig zu sein. So sind sie, unsere Spießer

Anonym 12. Januar 2012 um 09:58  

Herzlichen Dank für diesen Artikel
Wie oft musste ich mir in diversen Foren diesen Begriff um die Ohren hauen lassen.
Und alles bloß, weil ich einer grundsätzlich anderen Einstellung fröne, was Ethik und Moral angeht.
Lebe ich nicht selbst nach diesen Grundsätzen, habe ich kein Recht anderen dies vorzuwerfen.
Also gehört das ständige Hinterfragen eigener Motivation und Handlungsweisen zu meinen grundsätzlichen Herangehensweisen.
Versuche sozusagen immer Beziehungsgeflechte zu entwirren und mich vor Schuldzuweisungen zu hüten. Das gelingt mir natürlich nicht immer und ab und an gewinnen die Emotionen die Oberhand, bin letztlich auch nur ein Mensch.
Ich habe einen Leitsatz, abgeleitet aus einem Buch von Arno Gruen, das ich im letzten Jahr gelesen habe, und den ich sehr schätze: "Das Gute in mir, weckt das Böse in Dir", lässt sich,finde ich, auch hervorragend auf die Mechanismen anwenden, die in dem Artikel beschrieben werden.

Beste Grüße
onlyme

Abghoul al Hazzard 12. Januar 2012 um 11:15  

Vielleicht ist in dieser Verachtung der "Weltverbesserer" und "Gutmenschen" auch die Frustration wegen dem Verlust oder der Vernachlässigung eigener Ideale zu erkennen.
Wenn ich Schlechtes tue, und das bewusst, so mag mich der Aufruf anderer das zu unterlassen oder gar zu bereuen verärgern.
Dann ist die Verachtung auf jeden Fall der bequemste Weg.
Und für den "Weltverschlechterer" und "Bösmensch" wohl auch der richtige.

Diebel 12. Januar 2012 um 11:38  

Die "Weltverbesserer" haben zunächst in ihrem Umfeld als "Umfeldverbesserer" ihre Authenzität zu beweisen - so einfach ist das doch.
Die Kongruenz des Redens mit dem Handeln - das ist die Messlatte, der man sich als Alternativer auszusetzen hat, um nicht lächerlich zu sein.

landbewohner 12. Januar 2012 um 12:26  

klar, daß menschen wie tussi bruns als nutzniesserin dieses systems mit dieser welt zufriedenist. und was scheert die egoistin das schicksal anderer. nur gut, daß es auch menschen gibt, die anders denken.

klaus baum 12. Januar 2012 um 13:21  

"Linke Weltverbesserer aller Schattierungen vereint das Lebensgefühl, zum Kreis der besseren Menschen zu gehören. Viele von ihnen haben dazu jede Berechtigung. Die Linke aber ist aus der SED hervorgegangen."

Linke Weltverbesserer = demnach gibt es auch nicht-linke weltverbesserer, sonst wäre "linke weltverbesserer" eine tautologie.

alle schattierungen = alle linken weltverbesserer. und die sollen alle aus der SED hervorgegangen sein? das hieße, also doch nicht alle schattierungen, denn nicht jeder linke hat was mit der SED am hut. diese aussage von bruns ist schon in sich selbst widersprüchlich. so waren hans mayer und ernst bloch DDR-"Dissidenten". Es gibt genügend Linke, die Gegner der SED sind.

die linke ist nicht aus der SED hervorgegangen, da es schon vor der SED linke gab, so dass man sagen kann, die SED ist aus den linken hervorgegangen.

man muss sich nicht als links verstehen, um zu sagen, dass der zustand der menschen, der gesellschaften, der welt verbesserungswürdig ist.

waren schiller und lessing mit ihren schriften zur erziehung SED-Mitglieder?

war nicht die aufklärung getragen von der idee der verbesserung des menschlichen bewußtseins. ist das sapere aude links?

ist der deutsche idealismus links?

ist selbsterkenntnis links.

war freud mitglied im zentralkomitee der SED?

ist erkenntnis teil eines weltverbesserungsprogramms? sollten wir deshalb erkenntnis abschaffen?

ist jemand, der den status quo des bellum omnium contra omnes nicht akzeptiert, automatisch ein sich besser-fühler?

das sind nur einige fragen an die alogizität der frau bruns.

mann_von_nebenan 12. Januar 2012 um 16:10  

Diebel(s)?

Hörn Sie mich?

Jeder >Weltverbesserer< tut durch seine bloße Existenz den ganzen Tag rund um die Uhr nix Anderes, weil er gar nicht anders kann. Ist sozusagen seine neuronale Grundausstattung. Dass er/ sie/ es damit und daran meistens (zu) scheitern (scheinen), liegt an der meist real existierenden Macht- und Einflusslosigkeit in der jeweiligen Situation. Da ist manchmal Frustrationstoleranz jenseits menschlich-allzumenschlicher Kräfte gefordert.
Möglich, das dieser Menschentyp im Wesentlichen HSP-Charakterzüge trägt (gemäß Elaine N. Aron) …
Hat was vom Löwenzahn, der sich selbst durch Beton wachsen lassen kann.

Anonym 12. Januar 2012 um 18:06  

klaus baum, "waren schiller und lessing mit ihren schriften zur erziehung SED-Mitglieder?"
Es gibt aber auch nicht wenige, die den Dreh- und Angelpunkt des Selbstverständnisses des Nachkriegs-Deutschen im Dritten Reich sehen, weil dieses einfach zu grundlegend alle kulturellen Errungenschaften der Geschichte zu Fall gebracht hat.
Von der uns betreffenden Geschichte vor dem Dritten Reich führt also immer ein Weg in eben jenes.
Mit dem Ende des Dritten Reichs wurde also quasi ein Reset-Knopf gedrückt, da geschichtlich alles davor Liegende in Schuldverdacht steht.
Sich bei einem Verständnis von Linkssein an Schiller und Lessing zu halten ist dann zumindest fragwürdig.

Ernst Otte, Hamburg 12. Januar 2012 um 18:54  

Ich erinnere mich, dass ich den Aufsatz von Gesine Lötzsch vor einem Jahr ziemlich vernünftig gefunden und mich darüber gewundert habe, wie indifferent Tissy Bruns im "Tagesspiegel" darauf reagiert hat.
1945 hatte in Deutschland kein aufmerksamer Mensch Zweifel an dem Tatbestand, dass große Gruppen deutscher Kapitalisten den Hitler-Faschismus befürwortet hatten und ihn niemals aufgegeben hätten, am wenigsten um der Demokratie willen, wenn da nicht seine völlige Niederlage gekommen wäre. Gesine Lötzsch hat diesen Punkt gesehen und seine aktuelle Bedeutung herausgestellt. Wie vereinbar sind kapitalistisches System und Demokratie? Wie sollen die Superreichen kontrolliert werden, wie kann die Wirtschaft so umgebaut werden, dass sie den Menschen dient und nicht den Menschen die kapitalistischen Verwertungsinteressen als Lebenszweck aufzwingt? Ich finde es schlimm, dass Tissy Bruns vor einem Jahr reflexartig die antikommunistische Platte aufgelegt hat und alte, böse Instinkte weckt, anstatt den Diskurs auf wesentliche Themen zu lenken.

FF 12. Januar 2012 um 19:03  

Nichts gegen Frau Bruns. Aber was die Dame da wieder mal fabuliert, ist, mit Verlaub, dümmliches Geschwätz.

Unterhalb der Schwelle, wo eine vernünftige Diskussion beginnen könnte.

PS.: Ignorieren.

Systemfrager 12. Januar 2012 um 20:19  

Naja,

Gutmenschen und Weltverbesserer
das gehört nicht zusammen

Gutmenschen sind diejenigen, die wissen, dass das Gute siegen wird, würde man es nur richtig wollen

Gott schütze uns von solchen Gutmenschen

Die Weltverbesserer - das ist was anderes

Anonym 12. Januar 2012 um 20:29  

Die Gesellschaften in der modernen Welt sind dem Konsumterror erlegen und wehren sich nicht mehr gegen das allmächtige System.

Meldungen werden als gegeben hingenommen, Zustände akzeptiert und Veränderungen als normal angesehen. Einschränkungen in Sachen Freiheit, Gleichberechtigung, Glaubensfragen und so weiter sind nicht mal einer Diskussion wert. Abnicken, das Maul halten und zustimmen. So steht der Bürger iun Zukunft dem System gegenüber. Wer anders denkt, nachfragt und kritisiert, der ist ein Querulant, Aufmüpfiger und dergleichen.

Die Menschlichkeit geht immer mehr den Weg des stummen Zeugen. Zuschauen und ratlos seine Wege ziehen.

Anonym 13. Januar 2012 um 00:10  

"Jeder >Weltverbesserer< tut durch seine bloße Existenz den ganzen Tag rund um die Uhr nix Anderes, weil er gar nicht anders kann"?
Eigentlich kenne ich gar nichts anderes als Weltenverbesserer. Jeder wäre einer. Wenn es denn nach ihm ginge. Und von denen, die was zu tun versuchen, sind viele fehlgeleitet und fahren den Karren auch an die Wand, obwohl sie das Gegenteil wollen. So werden aus Weltenverbesserern dann "arme Idioten", und das kann auch stets genau begründet werden. Unter Voraussetzung bestimmten Annahmen über den Lauf der Dinge. Und so weiter.
Amen.

Eberhard Herold 13. Januar 2012 um 01:03  

Pauschalurteile sind nie stimmig, geben nur einen Ausschnitt möglicher Urteile wieder... will man einer Sache gerecht werden, muss man sie differenzierter betrachten. Pauschalurteile, wie die von Frau Bruns gehören zum Repertoire der Demagogen, der Volksverführer und Aufwiegler, sind darum geeigneter Bestandteil einer polemischen Rhetorik, wie wir sie besonders ausgeprägt in der Nazi-Propaganda beobachten können... einfach widerlich! Nichtsdestotrotz immer wieder gern in Gebrauch, weil für den Bauernfang unerläßlich und besonders erfolgverheißend!!! - Schiller und Goethe waren Liberale die sich nicht nach unserem Verständnis in ein heutiges Parteischema pressen lassen... verpflichtet der Aufklärung, der Vernunft und der nationalen Einigung, von der sie sich damals viel versprachen... manch jakobinische Gedanken haben dabei sicher Pate gestanden, freimaurerische Ideale, die die Aufklärung und Vernunft befördern sollten... Könige und Bürgerliche trafen sich in den Logen um die Standesunterschiede dort weitgehend fallen zu lassen... aber der Fortschritt hat seine eigenen Gesetze... (siehe die unleugbaren Gräuel der frz. Revolution!)

Harzpeter 13. Januar 2012 um 05:26  

Nachdenkliche Menschen sind nun mal rein systembedingt nicht mehr erwünscht. Wer sich eigene Gedanken macht, die nicht denen unserer derzeitigen "Leistungseliten" und ihrer Unterstützer aus Politik/"Experten"kreisen und Medien entsprechen, ist halt verdächtig. Also geben wir sie einfach der Lächerlichkeit preis, hämmern den Michels und Michelinen unentwegt ein: "Leute, diese merkwürdigen Gestalten dürft ihr doch nicht ernst nehmen!".

Und für den "einfachen Bürger" war es doch schon immer viel bequemer zu rufen: "..., befiehl, wir folgen!" anstatt zu sagen: "Moment mal, da muss ich aber erst mal selbst drüber nachdenken."

mann_von_nebenan 13. Januar 2012 um 09:07  

>>sind viele fehlgeleitet und fahren den Karren auch an die Wand, obwohl sie das Gegenteil wollen. So werden aus Weltenverbesserern dann "arme Idioten", und das kann auch stets genau begründet werden. Unter Voraussetzung bestimmten Annahmen über den Lauf der Dinge. Und so weiter.
Amen.<<

Anonym 0:10, Enantiodromie ist allen Dingen und allem Tun inhärent. Eine Bisenweisheit:
das Epitheton >Weltverbesserern< hängt man mit
Vorliebe den Menschen an, die sich für eine menschenwürdigere Welt als die Vorhandene einsetzen. Niemand käme z.B. auf die Idee, Merkel, Ackermann usw. als Weltverbesserer zu bezeichnen, sind ja schließlich >Realisten<.
Und wer hat denn bitteschön die
Deutungshoheit bei >bestimmten Annahmen über den Lauf der Dinge<?
Bestimmer aka Macht(inne)haber? Ausschussproduzierende Ausschüsse usw.? Zynisch banale Schlussfolgerung übrigens.

Harzpeter 13. Januar 2012 um 11:20  

Folgende Ergänzung noch: Oftmals war das verspotten und lächerlich machen vermeintlich "andersartiger" Minderheiten der Auftakt zu "handfesteren" Aktionen, die diesen Spötteleien in Wort und Bild einige Zeit später nachfolgten.

Im Mittelalter z.B. gab es zunächst Karikaturen, auf denen Angehörige des jüdischen Glaubens (darauf unmissverständlich erkennbar an dem damals für diese Menschen vorgeschriebenen spitzen "Judenhut") Schweinen den Hintern ab- und ausleckten. Danach folgte ihr Ausschluss aus handwerklichen, Handel treibenden und landwirtschaftlichen Berufsgruppen. Schließlich mussten sie als Sündenböcke für Seuchen wie z.B. die Pest herhalten ("Die Juden haben die Brunnen vergiftet!"), was zu schrecklichen Pogromen der "ehrbaren" Bevölkerung gegen ihre jüdischen Mitbewohner in vielen Städten Europas führte. Das nicht wenige dieser "anständigen" Bürger dadurch auf einen Schlag ihre gesamten Schulden bei den durch diesen Ausschluss aus anderen Berufszweigen zum Geldhandel als einzig verbliebene Erwerbsmöglichkeit gezwungenen jüdischen "Geldverleihern" los wurden, war dabei natürlich ein "angenehmer" Nebeneffekt für diese Pogromisten.

Einige Zeit später waren es dann die "Hexen" und "Zauberer". Zunächst wurde der im "gemeinen Volk" seit ewigen Zeiten fest verwurzelte Hexen- und Zauberglaube von der weltlichen als auch der kirchlichen Obrigkeit zumeist mitleidig belächelt. Dieser Hexenaberglaube wurde anfangs in Spottschriften und Karikaturen sogar der allgemeinen Lächerlichkeit preisgegeben. Das vermeintliche "Hexenunwesen" selbst wurde ebenfalls durch Karikaturen und Spottschriften als eher "komische" Angelegenheit behandelt. Die "Inflation" der zahlreichen berüchtigten Hexenprozesse mit "hochnotpeinlicher Befragung" und den diesen Prozessen folgenden europaweit brennenden Scheiterhaufen (die mit Abstand meisten davon übrigens im damaligen Deutschland, völlig unabhängig davon, ob in überwiegend katholisch oder protestantisch geprägten Landesteilen) begannen erst so richtig ab dem Ende des 16./Anfang des 17.Jhds. Für die dem "gemeinen Volk" unerklärlichen Wetterkapriolen samt den durch diese bedingten Missernten dank der damals herrschenden sog. "kleinen Eiszeit" brauchte dieses halt wieder seine Sündenböcke. Nicht zuletzt auch die in den Spottschriften und Karikaturen eigentlich satirisch gemeinten Darstellungen fliegender, alle nur möglichen Arten von "widernatürlicher Unzucht" treibender und unter Nutzung wundersamer Utensilien Zauberpraktiken ausübender "Hexen" und "Zauberer" prägte jetzt die Vorstellung der "einfachen" Menschen hinsichtlich ihnen aus irgendeinem - aus heutiger Sicht banalem Grund - "merkwürdig" oder "unheimlich" vorkommender Menschen. Die weltliche und geistliche Obrigkeit gab dem immer stärker zunehmendem Druck aus der Bevölkerung aus Angst vor unkontrollierbaren Massenaufständen gegen sie selbst daher sicherheitshalber irgendwann nach und spielte nun - bis auf ein paar wenige Ausnahmen in einigen Landstrichen mit "vernünftigen" oder "standhafteren" Landesherren - dieses grausame Spiel aus reinem Eigennutz mit.

Fortsetzung folgt...

Harzpeter 13. Januar 2012 um 11:21  

Gegen Ende des 19. und zu beginn des 20.Jhds. wurden dann "die Juden" erneut als eigentliche Wurzel allen menschlichen und weltlichen Übels entdeckt. Karikaturen mit hässlichen "Judenfratzen" mit dicker, langer, krummer "Judennase", auf denen die angebliche Geldgier und "Geilheit" jüdischer Männer auf nichtjüdische bzw. "europäische" Frauen dargestellt werden, hat bestimmt jede(r) schon einmal gesehen. Was letztlich im weiteren Verlauf der knapp ersten Hälfte des 20.Jhds. auch aus dieser Form des vorhergegangenen Lächerlichmachens einer vermeintlich "andersartigen" Minderheit und der nachfolgenden Präsentation als Sündenböcke entstanden ist, dürfte ebenfalls allen hinlänglich bekannt sein.

Lange Rede, kurzer Sinn: Am Anfang stand immer erst der Spott...

Anonym 16. Januar 2012 um 15:01  

"... Man habe sich der Realpolitik zu bedienen, pragmatisch-sachlich zu sein ..." Ausnahmsweise beschränke ich mich im Großen und Ganzen auf aussagekräftige Zitate:

Arno Gruen: Realismus als Machterkrankung
(Eine Theorie der menschlichen Destruktivität: Realismus als Krankheit: eine grundlegende Theorie zur menschlichen Destruktivität)

http://hinter-den-schlagzeilen.de/2009/12/08/arno-gruen-realismus-als-machterkrankung/

"...präsentieren wir deshalb das folgende Statement, welches uns Arno Gruen, der renommierte Psychologe, Friedensforscher und „Weltweise“ (Wecker über Gruen) exklusiv zum Relaunch dieser Seite freundlich zu Verfügung stellte:

Die Geschichte der Menschheit ist reich an Beispielen für die Auswirkungen der eingeschränkten Realitätswahrnehmung sogenannter Realisten. Die amerikanische Historikerin Barbara Tuchman nannte sie in ihrem Buch „ Die Torheit der Regierenden. Von Troja bis Vietnam“ zutreffend „eingeschränkt in ihrem Denken“. Weiter schreibt sie:

„Torheit ist ein Kind der Macht (…) Weniger bewusst ist uns, dass Macht häufig auch dumm macht und Torheit erzeugt; dass die Macht Befehle zu erteilen, häufig dazu führt, das Denken einzustellen“.

Es geht hier nicht nur um die Angst eines Machtverlustes, sondern um eine echte Geisteskrankheit. Die von ihr Befallenen sind völlig aussengelenkt, stets bemüht im günstigen Licht zu erscheinen. Deswegen, gerade wegen dieses Anpassungsvermögens, ist diese Geisteskrankheit nicht leicht als das, was sie ist, zu erkennen: Die Verleugnung der Realität im Namen des Realismus.

Da ihre Realität nur Macht ist, haben die sogenannten Realisten der Psychologisierung der Geschichte den Krieg erklärt. Diese Flucht vor der Wahrheit ist der Grundstein auf dem ihr Realismus baut."


Haben sie, diese Art der "Realisten", den anderen den Krieg erklärt, vor allen Dingen jenen, die ihnen auf die Spur kommen könnten und sie all zu einfach nur entlarven, in der Tat, das haben sie. Es ist zynisch, abstrus, irreal, paradox und in der Regel im höchsten Maße aggressiv .. aber sehr effektiv.

Gruss
rosi

flavo 16. Januar 2012 um 15:22  

Für aufgeklärte Weltverbesserer! Aufgeklärte Weltverbesserer unterscheiden sich von den Weltverbesserern darin, dass ihr Unmut über die Welt und ihr Aufspringen auf den Zug des Drängens nach einer besseren Welt eine zweite Schleife der Reflexion durchlaufen ist und dabei diejenigen Elemente aus dem Denkstrom herausgelöst hat, normativ bewertet hat und allenfalls verworfen hat, welche eigentlich nicht auf die Verbesserung der Welt zielen, sondern auf die Verbesserung der eigenen Lage in der Welt. In der Verhüllung sind nämlich beide Dränge ununterscheidbar und sie haben zu ihrem wesentlichn Merkmal, dass sie an der Welt Kritikwürdiges ersehen. Das heißt aber noch nichts. Manchmal unterscheidet sich das Objekt der Kritik und es entsteht ein sonderbares Aha-Gefühl darüber, über was man sich alles erregen kann oder wie radikal eine Kritik denn auch sein kann und dergleichen. Erst in der Enthüllung wird ersichtlich, wessen Ursprungs die Beschwerde über die Welt ist und woraufhin sie zielt. Dann trennen sich nämlich die Wege: es bleiben die Weltverbesserer und es entstehen die aufgelklärten Weltverbesserer. Erstere fallen nun auf den Status des Objekts der Beschwerde für die aufgeklärten Weltverbesserer zurück.
Vermutlich ist ein großer Teil der wirkungslosen Kritik oder der Einkehr der Kritik in den Kreisgang des Kritisierten damit verbunden. So strandet der aufgeklärte Weltverbesserer, der manchmal lange auch nicht weiß, dass er eigentlich einen aufgeklärten Weltverbesserungismus vollzieht in sich, er strandet an dem Punkt, da der Weltverbsserer überraschend wie ein Fisch im Wasser sich im Gefilde des Herrschenden zu bewegen vermag. Daran zerbricht der aufgeklärte Weltverbesserer unter umständen. Lang leben die aufgeklärten Weltverbesserer!

Anonym 16. Januar 2012 um 18:19  

@ flavo 16. Januar 2012 15:22

Für aufgeklärte Weltverbesserer!

Spontan ist mir dazu eingefallen: Watt? Im zweiten Anlauf suchte ich den Ironie-Flag.
Dann habe ich kurz an meinem Intellekt gezweifelt und mich dann entschieden, an mir liegt es nicht, vermutlich handelt es sich um eine Form von Zynismus? Da frage ich lieber noch einmal noch, bevor ich hier weitere Spekulationen anstelle .. über Beweggrund und Ziel ...

Denn es gibt keine sog. "Die Aufgeklärten Weltverbesserer" (Kategorie 2), die einen zweiten Reflexionsweg durchlaufen haben, welchen die anderen (Kategorie 1) nicht durchliefen.

Ist auch gar nicht nötig, in der Regel sogar völlig irrelevant. Wäre es anders, niemals hätte die Menschheit niemals auch nur einen einzigen Schritt weiter kommen können!

Wer also die Stagnation nicht bevorzugt oder geflissentlich über sämtliche Ungerechtigkeiten hinweg schaut, kommt nicht umhin festzustellen, dass nicht alles nur schön, gut und richtig sein kann (zu jeder Epoche i.Ü.). Insbesondere dann nicht, sprechen wir über die Welt.

Dies wiederum bedeutet, es gibt ständig etwas zu verbessern auf und in dieser Welt. Mit ein Grund, warum sich Menschheit überhaupt entwickelt.

Davon abgesehen, alle diese Worte sind relative Begriffe:

Reflexion,Aufklärung, Normativ, Verbesserung, Welt, Kritikwürdig .. sowie die vielen anderen, die ich ausgelassen habe.

Und alles in allem, wer will hierzu die Kriterien denn festlegen? Sie? Weiterhin muss sich sog. Kritikwürdiges, an der Welt zu verbesserndes nicht gleichzeitig mit dem ausschließen, was es an der eigenen Situation zu verbessern gäbe. Auch dann würde sich vermutlich wenig tun, auf dieser Welt (sowohl für die Vergangenheit, Gegenwart, als auch die Zukunft).

Und, rein sicherheitshalber ggf. etwas deutlicher: Wenn etwas scheixxe auf dieser Welt läuft, bedarf es keiner umfangreichen Aufklärung und doppelter Reflexionen, das spürt der Mensch (und mitnichten nur er) auch so.

Es ist und bleibt dann einfach scheixxe. Wenn die Welt um einen herum - so man mag, sie eine solche der Herrschenden nennen - ein Teich voller Scheixxe wäre, bliebe einem schlicht und ergreifend nichts anderes übrig, als zu schwimmen. Sofern man zum einen nicht zu viel davon schlucken und schlimmstenfalls nicht auch noch darin zu ertrinken wünscht.

Da darf man ruhig "scheixxe" schreien, ohne dass jemand daher kommt und meint, dies in Kategorien einteilen zu müssen, um es auf die wild Paddelnden zu projizieren. Mit welcher Option? Einteilung? Kategorisierung? Die einen paddeln falsch, die anderen richtiger? Und nur wer richtig paddelt mein es gut mit der Welt und hat ein Recht, sich zu beschweren?

Welt, welches Individuum erfasst denn überhaupt komplett die Welt?
Das kann man sich vll. einbilden ... machen eben die von Arno Gruen beschriebenen "Realisten" gerne, doch das war es auch schon. Allgemeiner und kürzer nennt man es dann Demagogie (damit weiß dann schon ein Großteil, was gemeint ist) und eben die Demagogie bedarf in der Regel einer Vereinfachung und Kategorisierung der Weltsicht. Sie kommt schlicht und ergreifend nicht einmal ohne solche Vereinfachungen aus.

Würde Ihre Bauanleitung des "Aufgeklärten Weltverbesserers" funktionieren, müsste als unbedingte Voraussetzung ein gottähnlicher Status (der bessere Mensch) vorgegeben werden, der zu erfüllen sei und man müsste auf eine obergottähnliche Instanz zurückgreifen, die dazu berufen wäre, die Noten zu vergeben ("haddu richtig oder falsch gedacht, Weltverbesserer"). Ansonsten widerspräche der Text dem Menschen selbst, den es in dieser Perfektion und festen Kategorisierung so gar nicht gibt.

Ganz davon abgesehen, dass der reine Text als solches schon in einer Errorschleife mündet. Haben Sie sich das selber ausgedacht?

Gruss
rosi

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