... was uns als Gesellschaft wichtig ist

Freitag, 13. Januar 2012

Manchmal sagen Überschriften inhaltlich gar nichts aus - manchmal umschreiben sie jedoch mehr, als im drunter montierten Text zu lesen steht. Manchmal sind sie das Produkt gesellschaftlicher Befindlichkeiten, unterstreichen das, was die Gesellschaft für essentiell betrachtet. So auch unlängst, als die ARD Lidl gecheckt hat.

Vier Ergebnisse präsentierte der Check: 1.) der Preisvorteil ist überschätzt, 2.) der Stressfaktor ist erträglich, 3.) die Qualität ist ordentlich und 4.) die Fairness ist unzureichend. Unzureichend ist dabei jedoch nur unzureichend - die Lage der Lidl-Mitarbeiter ist prekär; die Lage für Näherinnen in Bangladesh, die für Lidl Klamotten im Akkord herstellen, ist lebensgefährlich. Zusammen mit der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) verabreicht Lidl seinen Mitarbeitern Vitaminpräparate um die Mangelerscheinungen durch Hunger zu korrigieren - mehr Lohn für mehr Essen kommt Lidl gar nicht in den Sinn. Dass sich die staatliche GIZ hierfür hergibt, ist wahrscheinlich der noch viel größere Skandal.

Montags noch im Fernsehen, dienstags schon in der Zeitung - jedenfalls in jenem Bereich der Zeitung, der über den PC-Monitor flimmert. Dort wird getitelt: "Der Preisvorteil wird überschätzt" oder "Lidls Preisvorteil ist laut ARD überschätzt" oder, dann doch etwas kritischer, "Gar nicht so billig - und das um jeden Preis".

Laut ARD stimmt das durchaus. Doch wirft es schon ein Schlaglicht auf das, was uns als Gesellschaft wirklich wichtig ist. Der überschätzte Preisvorteil ist es, der uns so sehr bekümmert, dass wir ihn in Schlagzeilen bannen - die fehlende Fairness kümmert nicht. In manchen Berichten zum Lidl-Check liest man nicht mal was zu den Machenschaften des Lidl-Konzerns - nur dass man bei Lidl nun doch nicht so billig einkaufen kann, wie man das stets glaubte und hoffte. Was Sorgen macht ist eine Schlagzeile wert. Und der Konsum ist unsere größte Sorge - wie wir unsere Bedürfnisse befriedigen können, ist uns dabei relativ gleichgültig. Billige Hosen sind für uns maßgeblich - nicht die Lebensbedingungen von Hosennäherinnen. Der Preis ist der Indikator - nichts anderes.

Dass der überschätzte Preisvorteil zudem vernebelt, dass dennoch billig, wahrscheinlich viel zu billig gekauft werden kann, wird kaum gesagt. Denn der Vergleich mit Warenkörben der Edeka und Rewe haben ergeben, dass bei Lidl nur um einige Cent billiger eingekauft werden kann. Dass aber alle Warenkörbe relativ günstig waren, sollte man schon wissen. Denn es ist nicht so, wie es eigentlich heißt, wonach Lidls Preisvorteil überschätzt ist - es ist eher so, dass Edekas oder Rewes Preisnachteil überschätzt wird. Alle verkaufen billig - so billig, dass es günstiger nicht mehr geht. Wahrscheinlich so billig, dass es jetzt schon mehr volkswirtschaftlichen Schaden verursacht als gesellschaftlich verträglich. Ein Blick in die Arbeitsmarktstatistiken enttarnt die Billig-Lüge: in denen steht zwar, dass mehr Menschen beschäftigt sind als noch vor Jahren. Diese leisten aber dieselben Arbeitsstunden insgesamt wie vor Jahren. Das erklärt eigentlich ganz anschaulich wohin die Dumping-Frivolität führt.

Das spielt aber auch keine Rolle, denn nur der Preis zählt. Der Preis, besser gesagt: der niedrige, der niedrigste Preis, er ist das Argument. Fairness gegenüber Mitarbeitern und Herstellern ist da uninteressant und hinderlich - darüber braucht man gar nicht erst berichten. Vermutlich deshalb solche Überschriften. Würde man titeln, dass Lidl unfair sei, würde es keiner lesen. Was hätte denn der Leser, der ja auch Kunde ist, von solchen Inhalten? Es muß ihn betreffen, dann kümmert es ihn, dann liest er es. Der Niedrigpreis betrifft ihn - und falls der Leser Lidl-Angestellter wäre, dann würde es ihn auch betreffen. Aber Lidl-Angestellte sind eine Minderheit - und Näherinnen aus Bangladesh lesen ohnehin keine deutsche Zeitung. Hätte der Kunde selbst Hunger und bekäme nur Vitamine gegen die Mangelerscheinungen, dann würde es ihn auch betreffen - dann würde er Schlagzeilen wie "Lidl unfair" oder "ARD bestätigt: Lidls Fairness unzureichend" unbedingt lesen wollen.



22 Kommentare:

Abghoul al Hazzard 13. Januar 2012 um 08:32  

Vielleicht wollen derartige Texte wie "Lidl:Unfair" nicht gelesen werden.
Durch Ignoranz dieser Sachverhalte kann ein "reines" Konsumentengewissen bewahrt werden, während die vermeintlichen Vorteile dieser Anstalt ausgenutzt werden.

R@Z€ 13. Januar 2012 um 08:47  

„Was Sorgen macht ist eine Schlagzeile wert. Und der Konsum ist unsere größte Sorge - wie wir unsere Bedürfnisse befriedigen können, ist uns dabei relativ gleichgültig.“

Das erinnert mich an den gestrigen Aufmacher der TAZ: „Vorwurf der Leichenschändung“

„Ein Video zeigt, wie US-Marinesoldaten auf Leichen urinieren. Das Marinekorps hat Ermittlungen aufgenommen...“

Mach ein Mensch mag das bereits zu Lebzeiten schön finden und als Fetisch ausleben. Scherz beiseite, wenn Mensch und Medien entsetzt sind, wenn man auf Tote uriniert aber das eigentliche Töten derselben keinen mehr schockiert…

Harzpeter 13. Januar 2012 um 10:02  

Das Dilemma für nicht wenige (leider auch für mich) ist: Sie k ö n n e n einfach nur bei den Billigheimern einkaufen. Mal eben frische Fleisch- und Wurstwaren beim Fleischer/Schlachterladen um die Ecke kaufen, frische Backwaren beim noch eigenständig und handarbeitenden Bäckermeister ihres Vertrauens holen, Bekleidungsartikel im noch von einer kompetent beratend zur Seite stehenden, ehrbaren Geschäftsfrau (meistens jedenfalls) geführten Klamottenladen erwerben ist finanziell für nicht wenige Mitmenschen einfach nicht mehr machbar. Sie (und auch ich) würden zwar nur zu gerne wollen, nur geht es eben aus vorgenanntem Grund nicht.

Natürlich wissen die meisten, woher ihre Billigklamotten überwiegend kommen und wer sie unter welchen menschenunwürdigen Bedingungen herstellen muss. Ebenso ist den meisten durchaus bewusst, dass ihre Billigfressalien ihrer Herkunft, Verarbeitung und bestimmten Inhaltsstoffen nach nicht unbedingt immer die gesundheitsförderndsten sind. Nur k ö n n e n sie bei allem vorhandenen noch so guten Willen schlicht und einfach aus ihrer persönlichen finanziellen Zwangslage heraus nicht umhin, diese Produkte zu konsumieren.

Aber vielleicht steckt ja auch da irgendwie ein System dahinter: Je mehr Menschen gezwungen sind, aufgrund ihrer schlechten Einkommensverhältnisse (Niedriglöhne, niedrige Regelsätze usw.) bei den Billigketten zu kaufen desto stärker werden und unverzichtbarer bleiben diese auch zukünftig. Auch hieran dürften gewisse Angehörige unserer "Leistungseliten" wohl ein nicht geringes Eigeninteresse haben bzw. verfolgen.

Anonym 13. Januar 2012 um 10:49  

"Sie k ö n n e n einfach nur bei den Billigheimern einkaufen. Mal eben frische Fleisch- und Wurstwaren beim Fleischer/Schlachterladen um die Ecke kaufen, frische Backwaren beim noch eigenständig und handarbeitenden Bäckermeister ihres Vertrauens holen, Bekleidungsartikel im noch von einer kompetent beratend zur Seite stehenden, ehrbaren Geschäftsfrau (meistens jedenfalls) geführten Klamottenladen erwerben ist finanziell für nicht wenige Mitmenschen einfach nicht mehr machbar. Sie (und auch ich) würden zwar nur zu gerne wollen, nur geht es eben aus vorgenanntem Grund nicht."
Wenn man nicht so oft aber dafür besseres Fleisch kauft und isst, spart man wahrscheinlich noch Geld.
Wie bei den Tütensuppen: die erscheinen erstmal "billig". Rechnet man aber hoch, was man da Winziges für seine 30 oder 70 Cents bekommt (2 Gramm Huhn in einer Tüte), ist frisches Gemüse und Hühnerteile vom Fachmann viel preiswerter.
Will sagen: Das anscheinende "billige" ist oft viel teurer und zudem wertloser (Aromastoffe, Gips, etc...). Ich empfehle, die entsprechende Literatur und Websites mal zu besuchen.
- Jeeves

mann_von_nebenan 13. Januar 2012 um 11:46  

Lieber @Harzpeter,

dieser Zusammenhang wurde schon sehr früh erkannt, ff. Leseempfehlung für ein immer noch aktuelles Buch (antiquarisch zudem
spottbillig):
Grießhammer Rainer, Burg Claudia
Wen macht die Banane krumm? - Kolonialwarengeschichten
Reinbek Rowohlt 1989.
Fazit des Buches (für mich zumindest): die Proleten der 3. Welt müssen sich für Billigfutter und -konsum der Proleten in der 1. Welt krummlegen, und wie …
Ja, mir gehts leider auch so wie Ihnen: konnte ich mir damals noch Bioernährung lesten (z.T. direkt aus Hotladenverkauf), so bin ich heute auf Discounter angewiesen, und schon beim Betreten solcher Läden sagt mir meine Nase, das da
was nicht stimmen kann.
Und ja, man ist/ wird, was man isst – dahinter steckt schon mephistophelische Planung unserer
Wirtschaftsplanereliten. ÜBer Eingriffe in die Ernährungsqualität(bei gleichzeitiger Reduktion der Gesundheitsversorgung)lässt sich die Lebenserwartung bestimmter unerwünschter Bevölkerungsschichten zumindest >mitgestalten<.

Sammy 13. Januar 2012 um 12:01  

Lieber Roberto, dies ist das erste mal, dass ich einen Artikel von Dir nicht zu Ende gelesen habe. Ich bin am Wort "Fairness" hängen geblieben. Wann habe ich diesen Begriff das letzte Mal in der Politik gehört? Ich kann mich beim Besten Willen nicht mehr daran erinnern. Gerechtigkeit? Ja. Vor allem von der FDP als "Steuergerechtigkeit". Aber Fairness? So etwas gibt es im Wording unserer Politiker nicht mehr. Vom Grundtenor der Aufklärung: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist nur das geblieben: die Freiheit seinen Egoismus auf Kosten Anderer auszuleben; die Gleichheit in Form von Gesetzen die zumindest für alle gelten sollten und die Brüderlichkeit in Form von Suppenküchen für den Pöbel.

Muss nun noch Arbeiten und für heute Abend habe ich Karten für Georg Schramm (in Waldshut). Werde Deinen Artikel aber sicher noch am Wochenende fertig lesen.

Gruß
Sammy

Dennis82 13. Januar 2012 um 12:13  

Viele interessiert es schlicht und ergreifend nicht, hauptsache es ist billig. Obwohl ausreichende finanzielle Mittel vorhanden, geht man weiter ohne jedes schlechte Gewissen bei Lidl, kik, Schlecker und Co. einkaufen. Ich habe aufgehört, die vergeblichen Versuche in Diskussionen mit anderen zu zählen. Geht -> da rein -> und da raus...

maguscarolus 13. Januar 2012 um 12:19  

Das eben ist das Prekäre, dass in den reichen Ländern immer mehr Arme immer stärker auf die Billigimporte aus armen Ländern angewiesen sind, wo Lohnsklaven sich zu Tode schuften. Nur die Eigentümer der Handelsketten profitieren im Mrd-Maßstab davon.

Kasimir 13. Januar 2012 um 13:31  

Harzpeter, "Qualität für alle", oder was willst du damit sagen? Ich hätte auch immer gern das aktuell umweltfreundlichste Automodell, den energiesparendsten Kühlschrank und unter Wellnessbedingungen gefertigte Mode.
Warum gibt mir diese blöde, dumme, gemeine Welt nur nicht mehr Geld dafür, dass ich mir das alles kaufen kann? Dann wäre die Welt doch besser, verdammt nochmal!

Iris 13. Januar 2012 um 18:09  

Diese ganze Konsum- und Ausbeutungsperversität erinnert mich manchmal an den Film Soylent Green.

Hartmut 13. Januar 2012 um 23:11  

Anfang der 90er hatte ich eine Begegnung mit einer Frau, die Chefeinkäuferin für einen Großkonzern in Deutschland war.

Als wir auf die 3.Welt- Länder zu sprechen kamen, wo Kinderarbeit an der Tagesordnung ist, hatte ich allerlei Einwände , mit dem Tenor, daß Kinderarbeit für mich etwas Grausames sind. - Ihre Antwort darauf: die Kinder sehen aber sooo niedlich aus, wenn die dort arbeiten.....

Anonym 14. Januar 2012 um 11:26  

die ausbeuter sehen so niedlich aus wenn sie am galgen zappeln.

Anonym 14. Januar 2012 um 18:12  

@ Kasimir
Kasimir 13. Januar 2012 13:31
Harzpeter, "Qualität für alle", oder was willst du damit sagen? Ich hätte auch immer gern das aktuell umweltfreundlichste Automodell, den energiesparendsten Kühlschrank und unter Wellnessbedingungen gefertigte Mode.
Warum gibt mir diese blöde, dumme, gemeine Welt nur nicht mehr Geld dafür, dass ich mir das alles kaufen kann? Dann wäre die Welt doch besser, verdammt nochmal!

Schon ziemlich zynisch, was Sie da schreiben. Um diese Dinge geht es schlicht nicht, es geht um den Umgang miteinander, wie wir als Menschen mit unseren Mitmenschen umgehen, und darum, wie wir das mit unserem Verhalten fördern. Wäre das mehr bewusst und man würde sein Verhalten ändern, könnte man mit Sicherheit etwas bewegen. Leider ist die Welt so komplex heutzutage, dass man im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr durchblicken kann.
Trotzdem, wenn jeder sich nur ein bisschen davon auf die Fahne schriebe, wäre es möglich, meine feste Überzeugung. Und man machte sich nicht mehr zum Mittäter an den eigenen Mitmenschen.

Beste Grüße
onlyme

Anonym 14. Januar 2012 um 20:30  

Zitat aus dem Handelsblatt:
**Dabei ist es meist nicht Lidl, sondern der Discountkönig Aldi, der den Preis vorgibt. "Lidl zieht meist nur nach", berichtet Discountexperte Queck. **
Man verwendete vor wenigen Jahren noch bei Anfragen/Ausschreibungen an die Lieferanten den Begriff „Aldinatives Angebot“. Im Wortlaut wird dieser jetzt nicht mehr erwähnt , jedoch gilt dieses unausgesprochen weiterhin..
Die Spannen beim Discounter sind für die Eigenmarken nahezu dem Markensortiment gleich.
Durch die erhebliche Mehrmengen bei diesen Eigenmarken werden auch günstigere Einkaufspreise erzielt, Der Gesamtertrag ist recht hoch.
Die Lidl-Einkäufer wechseln alle 1-2 Jahre, dass auch keine persönlichere Kundenbindung aufgebaut werden kann.. Das Gebahren dieser Einkäufer ist arrogant, beleidigend und abwertend. So manch auch lautstark. Man fühlt sich wie im Kindergarten. Die Preise werden herunterdiktiert. Vor 2 Jahren waren Strafzahlungen bei Zuspätanlieferung zu akzeptieren entgegen jeglicher Vereinbarung und bekannten Recht bzgl. der gesetzlichen Nachlieferfrist.
All das baut auch bei den Hersteller einen enormen Druck was sich in der eigenen Lohnpolitik seiner Mitarbeiter auch niederschlägt.

Als akzeptablen Geschäftspartner unter den Discounter darf Aldi Süd + Nord, Edeka und dm stehen. Schlecker hat sich zum Besseren gewandelt. Netto, Norma, -naja, Metro (Real ) plätschert beamtenmässig hinter her.. Lidl und Rewe darf man meiden..

Gruß
Sznuffi

Anonym 15. Januar 2012 um 00:16  

Billiges minderwertiges Fressen, billige Klunkern, billiger Elektronikschrott..., natürlich gern auch möglichst billige Löhne..., und schon klappt's, zwar sicher nicht immer mit der Nachbarin oder dem Nachbarn, aber auf alle Fälle mit den im Kapitalismus nun mal unverzichtbaren Profiten.
Und diese halten unsere süße Marktwirtschaft nun mal am Laufen, sorgen für "volle Geschäfte" weit und breit, Millionen kleiner Könige in Form von kleinen Kunden in den Einkaufspassagen.
Wer mag da noch als Spaßverderber auftreten?.

landbewohner 15. Januar 2012 um 10:49  

es ist einfach so, daß immer mehr menschen auf billigprodukte angewiesen sind, weil das geld zu mehr einfach nicht reicht. und auch die rechnungen der schlaumeier, die in diversen publikationen die dummen armen auf preiswerte frische selbst gemachte gerichte hinweisen, gehen leider nicht auf, wenn das geld für strom oder gas nicht ausreicht.
nebenbei anmerken möchte ich noch, daß in solchen publikationen immer wieder so schön die dummen, egoistischen und rücksichtslosen armen und normalos zu mittätern der gierigen finanzhaie erklärt werden, so daß sich der besserverdienende ökoladenbesucher selbst dann kein schlechtes gewissen machen muss, wenn er im edelmarkenoutfit im super suv ins nobelbistro zum exotenessen fährt.
dummerweise arbeiten auch nike, bugatti und das adlon mit billiglöhnern - und zwar indirekt oder direkt aus der ersten und dritten welt. nur die renditen für die eigentümer sind da höher.

Anonym 15. Januar 2012 um 13:10  

„Der Preisvorteil wird überschätzt“ – was Lidl spezifisch betrifft, habe ich den Eindruck, diese Überschrift meine gar nicht so sehr deskriptiv „was uns als Gesellschaft wichtig ist“, sondern eher schulmeisterlich-normativ „was euch als Gesellschaft wichtig sein soll“. Der direkte Hintergrund: Die einzige Person, die sich mir gegenüber überaus positiv zur neuen Lidl-Filiale in der Stadt äusserte, war der Inhaber und Geschäftsführer der Firma, bei der ich seit fast 4 Jahren ohne eine auch nur nominale Lohnerhöhung (kein Teuerungsausgleich) und in allen Punkten zu den gesetzlich vorgeschriebenen Minimalbedingungen (noch) arbeite.

Schon vor Jahren hatte ich in einem anderen Billig-Discounter – nicht nur anhand des Fuhrparks im Parkhaus – den Eindruck, die samstäglich die überdimensionalen Einkaufswagen überfüllenden Ehefrauen und Mütter seien mehrheitlich Angehörige der Upper Class. „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.“

[Ironie]Die Leidtragenden des ARD-Berichts werden einmal mehr die Frauen sein, die wegen dieser Preisinformation zum Discounter nicht mehr mit dem fetten BMW vorfahren dürfen, sondern auch dort – wie für Coiffeur, Kosmetikerin, Fitness et al. - mit dem schnittigen Zweitwagen vorlieb nehmen müssen.[/Ironie]

Anonym 15. Januar 2012 um 23:01  

@landbewohner:
Mit der Behauptung, arme Menschen in unserer Gesellschaft könnten sich nur ein billiges, rücksichtsloses Leben auf Kosten derer leisten, denen es noch schlechter geht, sprichst Du ihnen auch noch ihre Menschenwürde ab.
Und der Sozialneid, der unterschwellig aus Deinem Kommentar herausklingt, spielt m.E. denen in die Hände, die den Reichtum unter sich aufteilen, denn er verhindert Solidarität.

landbewohner 16. Januar 2012 um 12:26  

anonym
tut mir leid, ich wollte geradedarauf hinweisen, daß die besserverdiener immer mal wieder in taz und ähgnlichen gazetten das prekariat für das elend der 3. welt verantwortlich machen. daher auch mein deutlicher hinweis auf nike und co.
und die menschenwürde des prekariats wird ja wohl von politik und ihren anhängseln aller sparten mit füssen getreten und zu einem grossteil auch vom (bildungs)bürgertum.
zum sozialneid: fakt ist, daß die finanzelite alle bürger bekämpft, der kleinbürger aber nur die armen.

Anonym 16. Januar 2012 um 14:37  

@landbewohner:
Na wunderbar, dann machen wir doch alle einfach so weiter wie bisher; und die letzten, also die ärmsten Produzenten in den 3. Weltländern, beißen die Hunde? Dafür kann sich der Prekarianer hier dann wenigstens damit entschuldigen, dass die hiesigen Bildungsbürger die "da unten" ja noch mehr übervorteilen als er selbst.

Aus meiner Sicht: Der Kleinbürger 'bekämpft' nicht die Armen, sondern er hat einfach nur Schiss, dass er selbst arm wird (das Kleinbürgertum ist nämlich schon lange nicht mehrt 'safe') und klammert sich deshalb an dem fest, was er hat.

Scheiße finde ich das alles. Und Würde hat in dem Spiel imo keiner mehr!
Eine Schicht schiebt die Verantwortung auf die andere. Aber ändern will keiner was - schon gar nicht sich selbst.

Anonym 17. Januar 2012 um 13:08  

Hallo einer der Vorredner:
"Billiges minderwertiges Fressen"
Laut Chef vom Robert-Koch-Institut für Ernährung und Lebensmittel im aktuellen SPIEGEL ist der Nährstoffgehalt in Lebensmitteln hierzulande allgemein in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestiegen.
Ich hätte gern Gegenquellen.

Anonym 17. Januar 2012 um 14:54  

Wie hier auch schon mitklingt ist ein Problem, das teurere Produkte nicht automatisch einen besseren Umgang der Arbeitgeber mit ihren Angestellten bedeutet. Viele nehmen das zum Anlaß, zum billigen zu greifen...

  © Free Blogger Templates Columnus by Ourblogtemplates.com 2008

Back to TOP