Kinder falscher Leute
Freitag, 26. August 2011
Das Elterngeld ist eine gescheiterte Zuchtprämie. Es hat dieser Gesellschaft nicht mehr Kinder aus vermögenden Lenden gepresst. Deswegen wollen es manche Politiker auf den Prüfstand heben. Nur deswegen natürlich. Dass es chronisch ungerecht ist, weil es das Kind armer Eltern schlechterstellt, als das Kind vermögender Eltern, kümmert nach wie vor niemanden. Für ein Kind aus der Unterschicht sind 300 Euro im Monat zu viel - für eines aus der Oberschicht sind 1.800 monatliche Euro (was der Höchstsatz ist) noch zu wenig. Für ein prekäres Kind sind 300 Euro derart viel, dass man gar dazu überging, es beim Bezug von Arbeitslosengeld II anzurechnen. Gnädig, dass man den Höchstsatz, als Ausgleich quasi, nicht nach oben geschraubt hat, um akademische Kinder zu fördern, genauer: auf die Welt zu befördern. Bessergestellte nicht noch besser zu stellen, während man Schlechtergestellte kaltstellt: das sind heutzutage schon beträchtliche Anzeichen sozialen Gewissens...
Glück, wer da noch eine Großmama hat, die gelegentlich einige Groschen beisteuern kann. Eine Gesellschaft, die nur noch ungerne Sozialstaat ist, benötigt familiäre Bande, die abfedern, was der Sozialstaat nicht mehr zu leisten bereit ist. Nun kappt das Landessozialgericht Chemnitz auch diese Säule der Unterversorgung und erlaubt es den Behörden amtlich, finanzielle Zuwendungen, die eine Großmutter ihren Enkeln angedeihen läßt, anzurechnen. Denn dies sei erzieltes Einkommen, argumentiert man unter Sozialrichtern. Arme Kinder, die ja immer auch arme Eltern im Gepäck haben, dürfen nicht zu große Unkosten aufwerfen - und spendable Großmütter dürfen sie auch nicht mehr haben. Man muß der Armut schließlich zeigen, was man von ihr hält - man muß ihr klarmachen, dass man sich in der Armut so einrichten muß, dass das normale Alltagsleben ein durchgehend unzureichender Zustand ist. Armut hat ärmlich zu sein - ohne Ausnahme, ohne Omas mit finanziellen Polster. Wenn man zwischen Armut und Reichtum ein unüberwindbares Loch gräbt, so glauben die Zucht- und Fertilitätsgelehrten nämlich, dann bekommen auch die richtigen Leute Nachwuchs. Demographie als eugenische Lehre...
Nun könnte man zum großen Entwarnungs-Halali blasen. Die Kinder dürfen das Geld ja nun doch behalten, die Behörde zeigte sich gnädig. Auch eine Säule dieses Sozialstaates, den man nicht sehr liebt: man ersetzt Rechtssicherheit und Fairness durch Kulanz, die man hin und wieder walten läßt. Nicht weil man das für richtig oder gar gerecht erachtet, sondern weil es bessere PR abwirft, wenn im Sozialstaat manchmal auch der Mensch zählt. Nicht immer, das geht freilich nicht - aber manchmal sollte es doch klappen. So sieht es auch nicht danach aus, als würde sich diese Elite des Sozialstaates entledigen, als würde sie nur bestimmten Kindern von bestimmten Eltern in bestimmten sozialen Höhenlagen unter die Arme greifen. Die amtliche Gnade ist ein nützliches Feigenblatt, um die haltlosen Zustände, die ins SGB II notiert sind, zu bedecken.
Kinder falscher Leute haben immer schon am eigenen Leib erfahren, was sie sind. In der Schule, im Sportverein und wo immer man auch auf Vorurteile stoßen konnte. Der Sozialstaat sollte hier ansetzen, er sollte Vorurteile erschweren, weil er denen, die unter gesellschaftlicher Ausgrenzung leiden, hilfreich zur Seite steht. Nun leben wir aber in einem Sozialstaat, der in seinen Regeln und Gesetzen, keine Hilfestellung sein will, sondern ein Instrument der Vorurteilsverschärfung. Er wurde in seiner eigentlichen Funktion pervertiert und soll nicht Gleichheit erzielen, sondern falsche Leute davor bewahren, Kinder in die Welt zu bringen. Und falls sie es doch tun, so bestraft man sie. Dann gibt es weniger hier, weniger dort und immer wieder Ungleichbehandlung mit solchen Kindern, deren Eltern die richtigen Leute in Augen der Zuchtmeister sind. Der Sozialstaat, so hat man oben erkannt, kann sinnstiftend verwertet werden, wenn er nicht absichert, sondern verunsichert.
Glück, wer da noch eine Großmama hat, die gelegentlich einige Groschen beisteuern kann. Eine Gesellschaft, die nur noch ungerne Sozialstaat ist, benötigt familiäre Bande, die abfedern, was der Sozialstaat nicht mehr zu leisten bereit ist. Nun kappt das Landessozialgericht Chemnitz auch diese Säule der Unterversorgung und erlaubt es den Behörden amtlich, finanzielle Zuwendungen, die eine Großmutter ihren Enkeln angedeihen läßt, anzurechnen. Denn dies sei erzieltes Einkommen, argumentiert man unter Sozialrichtern. Arme Kinder, die ja immer auch arme Eltern im Gepäck haben, dürfen nicht zu große Unkosten aufwerfen - und spendable Großmütter dürfen sie auch nicht mehr haben. Man muß der Armut schließlich zeigen, was man von ihr hält - man muß ihr klarmachen, dass man sich in der Armut so einrichten muß, dass das normale Alltagsleben ein durchgehend unzureichender Zustand ist. Armut hat ärmlich zu sein - ohne Ausnahme, ohne Omas mit finanziellen Polster. Wenn man zwischen Armut und Reichtum ein unüberwindbares Loch gräbt, so glauben die Zucht- und Fertilitätsgelehrten nämlich, dann bekommen auch die richtigen Leute Nachwuchs. Demographie als eugenische Lehre...
Nun könnte man zum großen Entwarnungs-Halali blasen. Die Kinder dürfen das Geld ja nun doch behalten, die Behörde zeigte sich gnädig. Auch eine Säule dieses Sozialstaates, den man nicht sehr liebt: man ersetzt Rechtssicherheit und Fairness durch Kulanz, die man hin und wieder walten läßt. Nicht weil man das für richtig oder gar gerecht erachtet, sondern weil es bessere PR abwirft, wenn im Sozialstaat manchmal auch der Mensch zählt. Nicht immer, das geht freilich nicht - aber manchmal sollte es doch klappen. So sieht es auch nicht danach aus, als würde sich diese Elite des Sozialstaates entledigen, als würde sie nur bestimmten Kindern von bestimmten Eltern in bestimmten sozialen Höhenlagen unter die Arme greifen. Die amtliche Gnade ist ein nützliches Feigenblatt, um die haltlosen Zustände, die ins SGB II notiert sind, zu bedecken.
Kinder falscher Leute haben immer schon am eigenen Leib erfahren, was sie sind. In der Schule, im Sportverein und wo immer man auch auf Vorurteile stoßen konnte. Der Sozialstaat sollte hier ansetzen, er sollte Vorurteile erschweren, weil er denen, die unter gesellschaftlicher Ausgrenzung leiden, hilfreich zur Seite steht. Nun leben wir aber in einem Sozialstaat, der in seinen Regeln und Gesetzen, keine Hilfestellung sein will, sondern ein Instrument der Vorurteilsverschärfung. Er wurde in seiner eigentlichen Funktion pervertiert und soll nicht Gleichheit erzielen, sondern falsche Leute davor bewahren, Kinder in die Welt zu bringen. Und falls sie es doch tun, so bestraft man sie. Dann gibt es weniger hier, weniger dort und immer wieder Ungleichbehandlung mit solchen Kindern, deren Eltern die richtigen Leute in Augen der Zuchtmeister sind. Der Sozialstaat, so hat man oben erkannt, kann sinnstiftend verwertet werden, wenn er nicht absichert, sondern verunsichert.
18 Kommentare:
ich war das kind falscher leute und gehöre heute zu den falschen leuten die kinder haben.
eines hab ich noch nie verstanden:
warum geben die Leute diese Zuwendungen beim Amt an..?
....warum nicht: cash in de täsch..?
Vielen Dank Herr Lapuente
Kann nicht schreiben: "Ein schöner Artikel" aber ich kann schreiben, "ein treffender Artikel". Bitter-ironisch, fast schon zu fein, für den Zynismus, wie er gelebt wird.
Man muss kein Kind der falschen Eltern sein. Einem Spiegelneuronenbesitzer (neudeutsch: "Gutmensch") dreht sich der Magen um, natürlich nicht durch den Text, sondern rund um das Thema Sozial in Deutschland.
Das ist alles derart perfide, zynisch, asozial, quasi eine Wiederbelebung des Asozialen, ausgeführt in einer gnadenlosen, gründlichen und bürokratischen Praxis, welche verborgen in der Dimension der Zeit lauerte.
Gruss
rosi
Gruss
rosi
Was um Gottes willen ist ein prekäres Kind?
...eines hab ich noch nie verstanden:
warum geben die Leute diese Zuwendungen beim Amt an..?
hmm... hast noch nicht gehört, wenn oma auf das konto überweist - hat das amt die daten - die schauen auf die kontoBewegungen. vielleicht haben sie daran nicht gedacht...
Sauber auf den Punkt! Getroffen, könnte man sagen.
Die Mächtigen träumen vom Rückbau des Sozialstaats, vom vollständigen Rückzug des Staates aus seinen eigentlichen Aufgaben.
Die Betroffenen sollen der Willkür der "guten Tat" ausgeliefert werden, das ist sozusagen das Endziel, meine ich festzustellen.
Erhellende Lektüre dazu von Heribert Prantl: "Kein schöner Land", er beschreibt das in diesem Buch wirklich wunderbar.
Und erlaubt sich nebenbei die Feststellung, dass man mit der Abwendung vom Sozialstaat auch das beerdigt, was man hierzulande als Demokratie bezeichnet.
Diese Entwicklung kann man in der Tat sehr schön beobachten, und erschreckend ist noch das harmloseste Wort, das ich dafür finde.
lieber roberto,
schön, dass du wenigstens wieder da bist.
lg
kb
@Anonym 12:00 Uhr (rosi)
Vielen Dank für den Kommentar, dem ich voll und ganz zustimme!
Was hier vor sich geht, ist alles so widerlich, dass mir die Worte fehlten... und das leider immer häufiger.
Diana
Große Teile der herrschenden Elite sind freimaurerische Satanisten, Soziopathen ohne Gewissen. Das 20:80 Gesellschaftssystem ist Teil ihrer menschenverachtenden Agenda.
wartet nur, wenn es fürs kinder bekommen erst wieder das deutsche mutterkreuz gibt. dann guckt man nicht mehr hin wo es her kommt, dann zählt nur noch quantität. schließlich brauchen wir bald wieder viel kanonenfutter. oder?
ist eigentlich egal was die herrschenden auch tun, in 16monaten ist ende mit dem irrsinn.
also kopf hoch , in sich gehen, du selbst sein, das monotäre system ablehnen und nach nicht geifern denn wie erwähnt in 16monaten hat sich der 3d wahn erledigt!!!
Man sollte es ruhig einmal aussprechen: Das Elterngeldgesetz ist verfassungswidrig, weil es gegen das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes aus Artikel 20 verstößt. Weiterhin ist das Haushaltsbegleitgesetz 2011 verfassungswidrig, mit dem das Elterngeld auch noch in voller Höhe bedarfsmindernd auf ALG II angerechnet wird. Widerstand ist angesagt - nicht irgendein Widerstand, sondern Widerstand nach Artikel 20 Absatz 4 Grundgesetz!
Der Deutsche mag halt einfach gerne Selektionsrampen.
http://no.wikipedia.org/wiki/Fil:Bundesarchiv_Bild_102-16748,_Ausstellung_%22Wunder_des_Lebens%22.jpg
Wir müssen der Natur helfen, weil die natürliche Auslese nicht mehr funktioniert, weil wir viel zuviel Geld für "sozialistische" Medizin ausgeben, die leider auch die Loser gesund macht.
Gott sei Dank haben wir einen Ex-Bundesbanker, der das Problem klar erkannt hat;-)
Dazu:
http://www.zeitkritiker.de/index.php/globalisierung/new-world-order/161-gibt-es-einen-masterplan-die-aussage-eines-zeugen
"Das Elterngeld ist eine gescheiterte Zuchtprämie. Es hat dieser Gesellschaft nicht mehr Kinder aus vermögenden Lenden gepresst."
Dies ist eine explizite Falschaussage.
-> www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,784473,00.html
@ Entlar:
Die NDS sagen es heute treffend:
"Die SPIEGEL-Propaganda für die neoliberal-neokonservative Regierung – und für das asoziale Elterngeld – wird immer dümmer und immer dreister. Das Elterngeld der Ursula von der Leyen und der Kita-Ausbau – beides *gestartet* erst 2007 – soll jetzt herhalten für eine (nur statistische) Vermehrung der Kinderzahl – die allerdings für die Jahre 2001 bis 2008 gemessen wurde, wie der Artikel ebenfalls berichtet. Konnte Ursula von der Leyen rückwirkend die Geburtenzahlen beeinflussen?
Im Übrigen gab es vor dem Elterngeld das Erziehungsgeld – keine Erfolgsmeldung?"
Dazu nur zweierlei:
1. Homosexuelle Paare können bekanntlich keine Kinder zeugen. Eine Gleichstellung mit Familien verbietet sich also von selbst.
2. In Indien gibt es weder Kinderprämien noch keine Kita-Plätze, trotzdem viele Kinder.
Roberto, mit genau diesem Zeitraumargument kann man deine Interpretation vom Scheitern des Elterngeldes abkanzeln. Von wegen: Warte doch erst mal die Statistik 2007 - 2015 ab!
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