Jede Arbeit ist zumutbar

Dienstag, 9. August 2011

Der Atomausstieg war keine besonders gute Idee. Zehntausend Mitarbeiter von EON werden bald keine Mitarbeiter von EON mehr sein. Schuld habe auch der Atomausstieg, erklärt das Unternehmen. Ein wenig Vorwurf klingt da mit und die Betroffenen werden sicherlich sauer sein, zwar nun in einem halbwegs atomfreien Land zu leben, davon aber nichts zu haben.

Das ist die stinknormale Einstellung, die der Kapitalismus hervorbrachte. Der kümmert sich nicht um erschöpfliche Ressourcen, nicht um Folgen und Folgeschäden - er ist die Diktatur des schnellen Profits. Langlebigkeit ist nicht seine Sache - Langlebigkeit schmälert die Gewinne. Nur er bringt mit profitsüchtiger Triebhaftigkeit irrationale Ansichten hervor wie: Arbeitsplätze vor Atomfreiheit! Oder: Die Welt braucht erdölbasierende Kraftfahrzeuge, also decken wir sie damit zu! Das Primat der wirtschaftlichen Vernunft, die wenn man sie seziert, nichts weiter als die Begierde nach horrenden Gewinnen ist, setzt eine Spirale der Verschlechterungen in Gang.

Die moderne Massentierhaltung schädigt unsere Umwelt - das wissen wir, doch die Welt will billiges Fleisch!
Führe plötzlich jeder Mensch auf Erden mit einem KFZ über die Weltkugel, erläge das Weltklima endgültig - das ist uns bekannt, aber wir wollen Autos für alle und Zweitautos für uns!
Atomreaktoren sind immobile Waffen - wir haben es mehrfach erfahren, aber die Arbeitsplätze, die der Ausstieg kostet, die schönen Arbeitsplätze...

Ob nun der Atomausstieg tatsächlich Arbeitsplätze streicht, darf ohnehin bezweifelt werden. Wahrscheinlich schiebt EON der eigenen Strategie der Gewinnmaximierung, die eigentlich immer über den Umweg der Personalkostenreduktion läuft, den Atomausstieg vor. So ist die Politik schuld, nicht die EON-Bonzen. Von nachteiligen Verträgen des Unternehmens, las man ja bereits. Der Personalabbau, zur Abfederung "unternehmerischer Härten", wäre ohnedies geschehen.

Jede Arbeit ist im Kapitalismus zumutbar. Nicht nur für Erwerbslose. Auch für die Gesellschaft gesamt. Sozial ist, was Arbeit schafft. Und wenn es Atomkraftwerke sind, die Menschen in Lohn und Brot bringen, dann überlegt man zweimal, ob man dem Atomtod den Kampf ansagt. Sicherlich wäre es hochgradig vernünftig, Atomkraft zu beenden - andererseits: was hilft uns eine Atomausstieg, der uns zwar garantiert, die Umwelt nicht mehr zu atomisieren, der stattdessen aber Arbeitsplätze atomisiert? Gehen wir nicht lieber ausgestattet mit Sozialversicherung und Rentenansprüchen in den Tod, als arm und mit Lücken in der beruflichen Vita am Leben zu bleiben?

Natürlich ist die Debatte darüber erstmal hinfällig. Der Atomausstieg ist beschlossen. Die Gesellschaft hat sich positioniert. Und doch ist in einer Gesellschaft, die stets auf billigste Preise und auf Sozial ist, was Arbeit schafft! oder Jede Arbeit ist zumutbar! setzt, Vorsicht geboten. Der Ausstiegsausstieg ist nicht ausgeschlossen, wenn man so denkt. Suggeriert die Atomlobby, die derzeit verdächtig ruhig vor sich hinwurstelt, den Bürgern, dass der Atomausstieg ein wirtschaftliches Fiasko auf zwei Ebenen werden wird, dass Arbeitsplätze flöten gehen und Strompreise eklatant nach oben schnellen, ist es in dieser Welt, die aus wirtschaftlichen Vernunfts- und Kurzschlüssen besteht, nicht utopisch (oder dystopisch?) zu glauben, die Atomenergie hätte eine Zukunft.

Heute gibt sich EON larmoyant - bald die ganze Branche und in ihrem Anhang ein großer Teil der Gesellschaft. Und dann ist uns Atomenergie vielleicht schneller wieder zumutbar, als wir ahnen möchten. Beseelt war der Ausstieg ohnehin nie, denn dieselben Gestalten, die ihn politisch erzwangen, bezwangen noch Monate zuvor jegliches Bedenken. Wendehälse sind in beide Richtungen wendehälserisch. Seien wir vernünftig, werden sie uns dann predigen, halten wir die Gefahren minimal und die Wirtschaftlichkeit maximal. Lohn und Brot ist allemal besser, auch im Schatten maroder Meiler - so lehrt es uns die Rücksichtslosigkeit, die dem System immanent ist und die durch den Rückzug des politischen Primats immer mehr zum ersten aller Grundgesetze wird.



20 Kommentare:

klaus Baum 9. August 2011 um 07:34  

Genau so ist es! Du bringst es auf den Begriff.

Kern- und Angelsatz ist dieser: es >>ist die Diktatur des schnellen Profits<<.

Profit ist das Maß aller Dinge. Alles andere wird diesem Ziel untergeordnet.

potemkin 9. August 2011 um 07:59  

Das ist der Beissreflex der Herren des schnellen Geldes: Das kostet Arbeitsplätze! Dieses Mantra hört man bei Mindestlohn, bei Lohnforderungen, bei Umweltgesetzen, bei Regulierungsforderungen. Dabei wird ohnehin ständig die 'Lohnmasse' reduziert, der 'Faktor Arbeit' heruntergerechnet, und der Staat hilft kräftig mit. Die früher erhobene Forderung nach Solidarisierung mit der Dritten Welt wird auf perverse Weise erfüllt: Wir nähern uns diesen Staaten immer weiter an...

Anonym 9. August 2011 um 08:03  

Wenn ich diesem Burschen, der diesen Spruch “Sozial ist, was Arbeit schafft“ in die Welt gesetzt hat, Krankenhausreif schlagen würde, schaffe ich Arbeit für die ihn behandelnden Ärzte und handle somit sozial.
Wenn ich ein Jobcenter nach vorheriger Räumung in die Luft sprenge würde, schaffe ich für den Wiederaufbau neue Arbeit für zahlreiche Gewerke und handle somit sozial.
“Sozial ist, was Arbeit schafft“

Hartmut 9. August 2011 um 08:16  

Es ist diese Manie, von der besonders der Deutsche Michel befallen ist: Arbeit macht frei.

Eigentlich müßte das Deutschlandlied lauten:
Arbeit,Arbeit über alles...usw.

Dann wären alle Deutschen sehr glücklich...

Der Deutsche braucht die Arbeit, selbst im Schlaf und in der Trauer. Denn es heißt ja nicht umsonst: Traumarbeit und Trauerarbeit.

Zum Thema:
In der Abschaffung der "Zumutbarkeitsklausel" waren sich die Herrschenden schnell einig.

"Profitsüchtige Triebhaftigkeit",
schlage ich zum Wort des Jahres vor.

Gruß
Hartmut

ad sinistram 9. August 2011 um 08:19  

Eigentlich ist es ja eher ein Unwort ;)

Anonym 9. August 2011 um 09:23  

....zeigt doch ganz deutlich, dass sämtliche Schlüsselindustrien in die Hand des Staates gehören....allerdings nicht in die Hände dieser korrpten POlitiker....

Anonym 9. August 2011 um 09:26  

warum klappt der Bloq "Notizen aus der Unterwelt" nicht mehr?

Anonym 9. August 2011 um 09:28  

Vielleicht sollte wirklich mal in Deutschland ein Meiler hochgehen, dann wären wir gehelt.

Lutz Hausstein 9. August 2011 um 10:18  

Nicht nur EON darbt! Auch RWE geht es so schlecht, dass sie sich gezwungen sahen, eine Gewinn-Warnung herauszugeben. Sie mussten ihre Aktionäre warnen, dass in diesem Jahr voraussichtlich nur noch 1,7 Mrd. Euro Gewinn erzielt werden können.

Das macht mich schon nachdenklich. Auch darüber nachdenklich, ob die gerade auch erst wieder bei mir erfolgte, inzwischen schon jährliche Strompreiserhöhung von rund 10 Prozent denn ausreichend ist, die knappen Gewinne zu sichern.

ad sinistram 9. August 2011 um 10:28  

Ich lasse nachts mittlerweile sogar das Licht brennen, damit mehr Strom verbraucht und mehr Gewinne gemacht werden. Das sind wir den veramrten Aktionären der Energiemultis schuldig, finde ich...

K. 9. August 2011 um 10:44  

Roberto, Licht ist der allerkleinste Anteil am häuslichen Stromverbrauch. Dreh lieber den Kühlschrank kälter. Kühlschränke sind mit Abstand die größten Stromverbraucher.

Anonym 9. August 2011 um 10:45  

Bei feynsinn hab ich gestern gelesen:
Je leerer die Lohntüte, umso voller der Arbeitsmarkt.

"Sozial ist, was Arbeit schafft" Harharharharhaaaa. In London schaffen "Randalierer, Riots und erlebnisorientierte Jugendliche" seit Tagen jede Menge Arbeit für den Wiederaufbau von Geschäftshäusern.

Hartmut 9. August 2011 um 10:49  

@ Roberto

ursprünglich wollte ich auch "Unwort"
schreiben.

zu Nachts Licht brennen lassen....

Ich finde das ist eine Mitteilung an Volker Pispers wert, der wird mit dieser Idee ein Abend füllendes Programm machen....;)

Anonym 9. August 2011 um 11:04  

Wer keine Vorstellung davon hat, was den Kapitalismus ablösen soll, muss mit der Anfeinung leben, dass er genau wie der Kapitalismus Zerstörung in Kauf nimmt ohne ein Konzept zu haben, wie es danach weitergehen soll.

W.W.

Anonym 9. August 2011 um 11:43  

Und Bayer erpresst die Regierung mit Wegzug, da durch den Atomausstieg ja die Stromkosten steigen.

MKM 9. August 2011 um 12:20  

zu "Sozial ist, was Arbeit schafft"

Ist denn Krieg auch Sozial?
Der schafft doch ne menge Arbeit.

Meuma 9. August 2011 um 12:43  

Ich weiß auch schon, wie die RWE weiter vorgehen wird: Sie wird 10000 gut geschulte AKW-Mitarbeiter auf die Straße setzen und sich wundern, warum die 10000 jetzt von ihnen sofort benötigten Windkraft-Experten nicht auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind. Umschulen kommt nicht in Frage, weil man die entstehenden Unkosten den Aktionären nicht vermitteln kann, also stimmt man in das Gejammer über den ach so schlimmen Facharbeitermangel mit ein.

Lutz Hausstein 9. August 2011 um 13:26  

@ Anonym 9. August 2011 09:26:

Der Blog "zieht gerade um". Keine Ahnung, wann er wieder online sein wird. Aber das wird schon.

@ Hartmut:

Eigentlich sollte Pispers täglich hier mitlesen! Irgendetwas dürfte er da wohl immer finden. Im Text oder in den Kommentaren.

IrlandsCall 9. August 2011 um 15:57  

Mein Gott, es gibt immer noch Leute die an die Klimamärchen glauben. Wann wird die Menschheit erwachsen?

ad sinistram 11. August 2011 um 10:54  

Die Kampagne wird eingeläutet:

http://www.bild.de/news/standards/bild-kommentar/preis-der-atom-flucht-19335390.bild.html

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