Die Radikalisierung eines Ministers

Dienstag, 9. August 2011

oder: irgendwie auch in eigener Sache.

Die Anonymität ist es! Innenminister Hans-Peter Friedrich hat nun des Breiviks Lösung. Weil das Internet ein anonymer Raum sei, könne dort die Radikalisierung wachsen und gedeihen. Die Geschehnisse auf der Insel flankieren indes seine These. Denn die Experten wissen: Nicht Jugendliche stürmen aufmüpfig Englands Straßen - Twitter randaliert. Der Anonymus ist die Gefahr. Und dort will Friedrich ansetzen. So einfach kann Welt manchmal sein.

Broder und Sarrazin schrieben niemals anonym. Sie sind namentlich bekannte Brandstifter. Sie schrieben auch nicht im vermeintlich anonymen Internet, jedenfalls nicht ausschließlich. Friedrichs Erkenntnisse sind hanebüchen. Quatsch! Aber für ihn ausreichend, um mit Konsequenzen zu fuchteln. Er fordert nun ein Internet, in dem Vor- und Zunamen selbstverständlich sein sollten. Nur so verhindert man ein nächstes Utøya. Friedrich blendet dabei aus, dass die Radikalisierung der bürgerlichen Mitte, aus der auch Breivik stammte, völlig transparent verläuft - niemand muß sich heute hinter einem Nickname verstecken, um Hetzparolen unter Kennwörtern wie "Islamkritik" oder "Sozialmissbrauch" zu verströmen. Das geht unter Namen und unter Applaus. Und es braucht dazu kein Internet - wenige Seiten Qualitätsjournalismus' reicht völlig auch.

Was Friedrich vorschwebt ist die namentliche Erfassung derer, die via Internet kommunizieren und publizieren. Dabei hat er vermutlich weniger Rechtsradikale im Sinn, als Linke, gegen die er von jeher kartätscht. Friedrich hat schon vor seiner Zeit als Minister die linke Gewalt verurteilt, während er die rechte Gewalt weitestgehend einen guten Mythos sein ließ.

Ich schreibe seit Jahren unter meinem Namen. Das hat sicherlich hin und wieder Nachteile. Wenn Friedrich nun die namentliche Erfassung fordert, die nicht alleine Erfassung, sondern folgerichtig auch Beobachtung bedeuten muß, so darf auch ich mich fortan bespitzelt fühlen. Kein Zweifel, dass der nächste Schritt zur Sperrung unliebsamer Seiten führt. Vielleicht bilde ich mir zu viel ein, aber unter Friedrichs Argusaugen, wäre das Ende des Spiegelfechters, der NachDenkSeiten oder ad sinistrams jedenfalls nicht undenkbar - linke Radikale, die die Leute beunruhigen, gehören schließlich mundtot gemacht. Die waren zwar alle vormals schon mit Namen bekannt, aber erst nach der friderizianischen Radikalreform des Internets, konnte man mit solchen Aufwieglern auch aufräumen. Seht nach Norwegen!, seht nach England!, könnte der Innenminister dann mahnen.

Dass Radikalisierung und Namenlosigkeit in keinem Verhältnis zueinander stehen, dafür ist der Innenminister selbst bestes Beispiel. Bei Islamkonferenzen gibt er sich radikal arrogant und überheblich; seine feuchten Träume zur Überwachung sind geradezu diktatorisch und stinken nach MfS; Linke hält er ausnahmslos für Stalinisten und für Feinde des Grundgesetzes - und all das geschieht namentlich, das heißt: mit der Unterschrift des Herrn Hans-Peter Friedrich. Der Innenminister war immer schon ein radikaler Schwadroneur, doch hat man in den letzten Monaten den Eindruck, als ob er sich wöchentlich noch weiter radikalisiere. Seine Radikalisierung läuft jedoch namentlich bekannt ab. Er ist somit der wandelnde Beweis dafür, dass seine These großer Unsinn ist.

Bewahre man uns davor, dass dieser Mann seine perversen Phantasien am realen Objekt erproben darf. Dann ist es mit Meinungsfreiheit ganz vorbei. Interessant wäre es allerdings dann schon, ob er rechte Seiten sperren ließe oder eher solche, die sich kritisch mit seiner Person auseinandersetzen. Die NPD hetzte munter meinte - ad sinistram gäbe es dann vielleicht nicht mehr...



13 Kommentare:

Anonym 9. August 2011 um 15:54  

ett is Sommerloch.

Mann will doch schließlich davon ablenken, dass andere Minister/ Politiker in Urlaub sind.
Und endlich hat mann mal die volle Aufmerksamkeit, ... nachdem zuhause nicht mal Mutti im gemeinsamen Eigenheim mann zuhört.

klaus baum 9. August 2011 um 16:54  

Ich habe es schon andernorts geschrieben - vor einigen Tagen: Mich begrüßten bei meiner Ankunft auf dem Bahnhof zwei Monitore. Breivik hatte gerade einen Tag zuvor zugeschlagen.
Friedrich war auf den Monitoren zu sehen, und er verkündete, er sehe keine Gefahr von rechts. Beckett meinte einst, was uns zu nahe wäre, sähen wir nicht. Was folgt aus dieser Erkenntnis? Friedrich sieht keine Gefahr von rechts.
Selbstredend richten sich seine Invektiven gegen die kritische Vernunft. Was totalitäre Charaktere am wenigsten vertragen, ist die distanzierende, abwägende Reflexion dessen, was Herrschende tun. Mir fällt gerade ein, daß die Nazis das Hören des englischen Radiosenders BBC verboten hatten - wer dabei erwischt wurde, wurde mit dem Tode bestraft.

Werter Roberto, wir sind noch lange nicht am Ende der Abschaffung von Demokratie.

Anonym 9. August 2011 um 17:18  

Internet im Jahre 2020.

Vor dem Einloggen, muss sich erstmal per Ausweisnummer identifiziert werden. Selbstverständlich bekommen nur deutsche Staatsbürger Zugang zum deutschen Internet. Auch Hartzlern bleibt der Zugang verwährt, faul im Netz surfen is´ schlißlich auf einer Stufe mit Rauchen + Saufen = unproduktiv.

Unter den Zugangsberechtigten gibt es selbstverstädnlich auch noch Unterschiede. 2 Klassen Internet. Wer es sich leisten kann, surft mit max. Geschwindigkeit und darf tolle Premium Angebote nutzen, alle anderen bekommen das Bürgerpaket (10 YT Videos angucken im Monat, bei zu hohem Traffic kommt man in eine warteschleife, bei der Premium User natürlich bevorzugt werden etc.).

Unter allem was gepostet, geklickt, kommentiert wird, erscheint automatisch der Klarname, inkl. Ausweisfoto (bei bestimmten Seiten wird eine Gesichtskontrolle eingeführt, man lässt nicht jeden rein).

Oben rechts im Brwoser prankt der Freidenker Alarm Button (siehe die Simpsons). Beiträge, Links etc. können so von jedem Bürger als verdächtig gemeldet werden (was verdächtig ist und was nicht, wird selbstverständlich von der BILD entschieden).

Gehen über einen User mehr als 5 Meldungen ein, wird automatisch der Zugang gesperrt. Man erhält dann Post vom entsprechenden Amt, darf sich rechtfertigen und irgendein Beamter entscheidet dann über erneute Freischaltung (evtl. eingeschränkt), Geldstrafe oder Anzeige.

Alle Beiträge werden von einem zentralen Verwaltungsapperat erfasst, bewertet (1= Wutbürger, 10 = Vorbildlicher Bürger) und in eine Datenbank eingespeist.
Zu dieser Datenbank bekommen selbstverständlich auch Arbeitgeber Zugang, bei Bewerbung wird ein entsprechendes Führungszeugnis angefordert. Leherer werden bspw. nur bei gutem Zeugnis verbeamtet. Die Hochschulen schaffen den NC ab, stattdessen wird geprüft, ob der angehende Student ins Profil der Hochschule passt (kritische Kommentare zu Studiengebühren? Dann haben sie bei uns nichts verloren.)

Mit genug Geld und Connections lässt sich das alles natürlich alles umgehen.

Genug schwadroniert. Eigentlich sollte man den Quatsch einfach ignorieren. Das ist die Falle. Eigentlich. Naja.

Anonym 9. August 2011 um 17:25  

Er sollte mal lieber dazu auffordern, das Parteispenden und Nebeneinkünfte der "Volksvertreter" bis zum letzten Cent öffentlich gemacht werden, damit man als Wähler auch von Jedem weiß, wen er so vertritt.

Radikal wäre diese Forderung doch sicher nicht zu nennen.

Auch gut! 9. August 2011 um 17:56  

Dazu kommt seine offensichtlich fehlende Sachkenntnis. Er spricht von Bloggern, die ihren Namen kenntlich machen müssen. Ob er wohl schon vom Telemediengesetz gehört hat? Oder ist ihm der Begriff Blogger nie erklärt worden?
Wie dem auch sei: Menschenfeindliche, demokratiefeindliche Gedanken entstehen nicht durch die Anonymität im Internet, sondern eben genau durch diese dummen medienwirksamen, kurzen, nicht (oder sehr wohl?) durchdachten Aussagen von Menschen, deren Meinung bereitwillig und kritiklos veröffentlicht wird.

Anonym 9. August 2011 um 18:59  

Glaubt denn hier jemand an eine Wende zum Besseren? Dass es besser und besser wird?

Stephan 9. August 2011 um 19:13  

was der noch gar nicht so alte Fritz da von sich gibt ist mehr als hanebüschen, es ist demokratiefeindlich, der Mann ist ein Staatsfeind. Dass es einige hier recht laissez fair und Sommerloch-Pointe mag zwar aus Bloggersicht durchaus zutreffen, doch angebrachter wäre wirkliche, laute Empörung. Zu oft schon haben uns solche Nebelgranaten schon den Blick verraucht die Demontage der Demokratie frühzeitig wahrzunehmen, zu oft schon haben wir unsere Empörung eingesperrt, weil wir es für Quatsch hielten was solche Hinterbänkler von sich gaben. Ich darf nur an Junkers Satz erinnern, der schon über 10 Jahre alt ist: "..erst wird ein Versuchsballon gestartet um zu sehen, wie das Volk reagiert, wohl dosiert wird dann der Ballon immer größer, bis er über allen und allem niedergeht als Gesetz". Wehret den Anfängen!

Karl Görtz 9. August 2011 um 19:49  

Sehr geehrter Herr Lapuente,

ich habe vor einiger Zeit mal diese Frau von der Leyen mit meinem Namen, meiner Anschrift und meiner BG-Kundennummer per E-Mail kontaktiert mit der Forderung, dass sie umgehend ihre konsequent asoziale Arbeitsmarktpolitik bitte beenden möge. Bis heute keine Antwort. Hat diese Frau Angst vor mir? Als nächstes werde ich dieser Frau drohen, mir innerhalb einer von mir gesetzten Frist eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu einem auskömmlichen Lohn zu verschaffen.
Sein Sie doch froh, dass Sie endlich von dieser inkompetenten Politikerkaste beachtet werden. Von Ihnen können diese Herrschaften jedenfalls noch sehr viel lernen.

Manul 9. August 2011 um 20:38  

Ich habe mal irgendwo gelesen, dass Deutschland die Tea Party Europas sei und bei einigen Aussagen deutscher Politiker muss ich dem irgendwie jedes Mal zustimmen. Das hier ist so ein schönes Beispiel dafür mit was für stumpfen Parolen man über komplexe Themen redet und dabei vom Wesentlichen ablenkt. Damit wird für die Stammtische alles sehr einfach, während man in Ruhe die Interessen derer bedienen kann, für die man am Ende seiner Amtszeit arbeiten wird. Nachdanken können dann diejenien, die die Zeit dafür haben und denen man sowieso nicht zuhört. Bis die nämlich fertig gedacht haben, gibt es wieder ein neues Thema und das alte Thema interessiert dann niemand mehr.

Anonym 9. August 2011 um 22:17  

was Frau Thatcher gesät hat, das ernten wir hier seit über 10 Jahren auch:

http://www.nachdenkseiten.de/?p=10413

Anonym 10. August 2011 um 06:30  

Wir haben immer mehr Politiker, die sich von ihrer sozialen Umgebung isolieren und allein in eine Welt der Pöstchen abtauchen. Befreien wir die wenigen Hoffnungsträger im Bundestag aus dem Zwang radikaler Elemente wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrichs. Fördern wir sie. Geben wir ihnen Sprachfreiheit.

Der Bundestag braucht mehr Kontrolle.

http://www.indiskretionehrensache.de/2011/08/hans-peter-friedrich-internet/

klaus baum 10. August 2011 um 06:40  

die nachdenkseiten gibt es nur im internet, ein leser dieser seiten sieht ein auto mit dem logo des finanzdienstleister AWD. er denkt sofort an maschmeyer und zündet das auto an.
ohne internet wäre das nicht passiert.

noch fragen?

Anonym 11. August 2011 um 18:49  

Wieso "Radikalisierung"? Ich hatte bei der CDU/CSU schon immer den Eindruck, dass es sich eher um eine Zweigstelle alter NSDAP-Kader handelt....

Mit seiner Verteidigung der "Neuen Rechten", und dem Haß gegen "alles Linke" ist Breivik eben nicht allein....wie bereits erwähnt rechts(-...) PolitikerInnen aller Coleur sind seine heimlichen Fans.....

....dies sollte man einmal thematisieren.....

Die "Neuen Rechten" in höchsten Regierungs- und Ministerämtern in Deutschland....ich will jetzt keine Namen nennen, aber die sind sicher allen bekannt, denn - wie der Oslo-Terrorist Breivik - verraten sich alle durch ihre vorurteilsbeladene Sprache.....von Sarrazin, Broder angefangen und mit Maggie Merkel endent.....

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