Gebt, damit wir nehmen können
Sonntag, 20. Juni 2010
Ein abgefangenes Kassiber, das im deutschen WM-Quartier nie ankam.
Wie könnt ihr uns nur dermaßen in den Rücken fallen? Was war denn abgemacht? Halbfinale war vereinbart - Halbfinale und ein großes Tamtam seitens der Medien! An denen liegt es ausnahmsweise nicht - aber ihr, ihr vertändelt den Aufstieg ins Achtelfinale und bringt unseren schönen Plan ins Wanken. Wenn ihr tatsächlich gegen Ghana eingeht, woher soll dann der Rummel, das Tratra herkommen? Ihr gefährdet nicht nur euren sportlichen Erfolg, ihr gefährdet den sozialen Frieden, ihr unverantwortlichen Hampel! Ein wenig mehr Verantwortungsgefühl stünde euch blendend zur Visage.
Vorgabe war, dass ihr die Massen toll macht; ihr solltet einen nationalen Massenrausch für Arme inszenieren, damit wir denen - den Armen - ungestört in die Taschen fassen können. Der soziale Friede braucht den Suff, er kann nur im trunkenen Milieu gedeihen. Und ihr entzieht denen die Trunkenheit und uns die zahme Gemütslage. Bemüht euch, kämpft, marschiert - die Medien warten nur auf das Spektakel: sie haben uns versprochen, die wirkliche Welt außerhalb des Fußballs stillstehen zu lassen, wenn ihr ein erfolgreiches, den sozialen Frieden sicherndes Turnier spielt. Stillstehen lassen, damit wir in der Stille fuhrwerken können. Könnt ihr uns verraten, welches Ablenkungspotenzial wir noch in petto hätten? Nach der Weltmeisterschaft wacht die Tristesse, gibt es keine massentaugliche Zerstreuung mehr - nur ihr könnt sie in den Griff bekommen!
Wir können uns kein Serbien mehr leisten, wenn wir hier, in unserem Lande, keine balkanisierten Zustände haben möchten. Jeder tut was er kann gegen die Krise - wir greifen in Taschen, einige arme Säue blechen und ihr kämpft und lauft und gewinnt! So dient ihr eurem Land - eine Dienerschaft im Sozialbereich, denn ihr dient dem sozialen Frieden, ihr müßt ihn am Leben halten. Jahre der Welt- oder Europameisterschaft sind das soziale Jahr des Kickers! Lauft, nicht um euer Leben - lauft um unser aller Leben. Denn wehe uns, die südafrikanische Ablenkungstaktik fruchtet nicht mehr! Ihr seid mehr als eine Horde kurzhosiger Balltreter; ihr spielt und rackert für die Krone des deutschen Gezüchtes. Für Konzernbosse, Manager und Unternehmerfamilien! Für sie beackert ihr die südafrikanischen Felder, für sie müßt ihr weiter, noch weiter, weit kommen und den nationalen Rausch entfesseln. Der Pokal ist nur Firlefanz, denn der wahre Grund eures Engagements sind die Eigenheime und Pools, die Karossen und Yachten unserer Klientel - Heim und Hof jener Damen und Herren verteidigt ihr auf der südlichen Erdhalbkugel!
Habt ihr daran gedacht, als ihr so uninspiriert über das Feld gestolpert seid? Dieses hehre Motiv ist euch entfallen, könnte man vermuten. Vielleicht hat man euch darüber auch nie aufgeklärt. Jetzt aber wisst ihr es, jetzt müssen Taten und Siege folgen. Wir wollen sparen, wir müssen sparen - aber nicht am Rausch, nicht am nationalen Delirium. Dort sind wir gerne großzügig - nur dort wo man generös große, pathetische Gefühle wachkitzelt, kann man auch großzügig im Sozialwesen sparen. Erst muß man geben und dann nehmen - einen Staat zu leiten heißt immer Geben und Nehmen. Ihr gebt, damit wir nehmen können! Mehr verlangt niemand von euch. Seid einfach gute Patrioten und seid behilflich dabei, dieses Land zu festigen. Eine bescheidene Bitte - mehr nicht.
Man kann euch nicht drohen, so wie es möglicherweise Kim-Jong-Il mit seinen Kickern handhabt. Ob er ihnen wirklich droht, ob er sich wirklich sanktioniert, weiß man nicht. Schön ist so eine Vorstellung allerdings schon - ein Land, das müdes Personal bestraft: in den dekadenten Demokratien des Westens ist das nicht mehr möglich. Ein drohendes Beil, Berufsverbot, Hausarrest - das würde müde Beine wieder munter machen. Dieses Prinzip ist für uns ehern, wir haben es auch ins SGB II einfließen lassen - nur der stetige Druck ringt den müden Charakter zu Boden, erpresst ihn zu Fleiß, schafft Anreize. Das ist die eigentliche Misere unserer Zeit: dass man als Regierender auf mittelprächtiges Personal angewiesen ist und dass man es nicht mal ordentlich bestrafen darf - gebt uns grenzenlose Repression, dann geben wir euch eine friedliche und ausgeglichene Gesellschaft. Druck ist gleich Leistung ist gleich Frieden!
Dass wir uns richtig verstehen: die kommenden Monate werden schwer, selbst dann, wenn ihr uns ein neues Sommermärchen beschert. Aber so ganz ohne Sommermärchen wird es ungemütlich. Der Clou ist ja, dass ihr keine filigranen Ballkünstler seid - eine solche Truppe könnte keine Märchen schreiben, denn ein Erfolg wäre Normalität. Dass ihr ein Gurkenregiment seid, welches sich dennoch weit vorankämpft: das ist der Stoff aus dem Märchen sind! Versteht richtig: wir wollen gar nicht, dass ihr besser, spektakulärer spielt - ihr sollt ja gerade so weiterkicken, wie ihr es könnt oder besser: nicht könnt. Wir wollen und brauchen nur Erfolg, kein ansehnliches Spiel; wir brauchen Erfolg trotz Rumpelei - wenn wir Fußballkunst sehen wollen, schauen wir den Argentiniern oder Spaniern zu. Versteht also richtig: wir verlangen nichts Utopisches; ihr sollt so bleiben wie ihr seid, nur etwas erfolgreicher, mit nachhaltiger Turnieranwesenheit.
Das ist jedenfalls die letzte Mahnung. Wenn euch Ghana rupft, dann könnte es sein, dass schon morgen Villen brennen! Könnte sein! Passieren wird das vielleicht nicht gleich, denn auf die verblödende Journaille ist Verlass. Doch dann müssten wir vielleicht unser Sparvorhaben zurückziehen. Und auch das wäre der Untergang unseres Landes. Es liegt also einzig und alleine an euch, den Frieden zu erhalten. Ihr glaubt es vielleicht nicht, aber euer Einsatz in Südafrika ist ein humanitärer Inlandseinsatz, eine Friedensmission. Schafft Frieden für die Mohns, Albrechts, Quandts und wie sie alle heißen - sie haben eure Erfolge bitter nötig. Wenn ihr siegt, siegen auch sie - siegt die Freiheit: ihre Freiheit! Und wenn sie frei sind, sind wir alle frei. Ihr seid Freiheitskämpfer! Enttäuscht uns nicht, werft unser Land nicht den Säuen zum Fraß vor!
Gezeichnet,
ein besorgter Fan aus dem Dunstkreis der Bundesregierung
Wie könnt ihr uns nur dermaßen in den Rücken fallen? Was war denn abgemacht? Halbfinale war vereinbart - Halbfinale und ein großes Tamtam seitens der Medien! An denen liegt es ausnahmsweise nicht - aber ihr, ihr vertändelt den Aufstieg ins Achtelfinale und bringt unseren schönen Plan ins Wanken. Wenn ihr tatsächlich gegen Ghana eingeht, woher soll dann der Rummel, das Tratra herkommen? Ihr gefährdet nicht nur euren sportlichen Erfolg, ihr gefährdet den sozialen Frieden, ihr unverantwortlichen Hampel! Ein wenig mehr Verantwortungsgefühl stünde euch blendend zur Visage.
Vorgabe war, dass ihr die Massen toll macht; ihr solltet einen nationalen Massenrausch für Arme inszenieren, damit wir denen - den Armen - ungestört in die Taschen fassen können. Der soziale Friede braucht den Suff, er kann nur im trunkenen Milieu gedeihen. Und ihr entzieht denen die Trunkenheit und uns die zahme Gemütslage. Bemüht euch, kämpft, marschiert - die Medien warten nur auf das Spektakel: sie haben uns versprochen, die wirkliche Welt außerhalb des Fußballs stillstehen zu lassen, wenn ihr ein erfolgreiches, den sozialen Frieden sicherndes Turnier spielt. Stillstehen lassen, damit wir in der Stille fuhrwerken können. Könnt ihr uns verraten, welches Ablenkungspotenzial wir noch in petto hätten? Nach der Weltmeisterschaft wacht die Tristesse, gibt es keine massentaugliche Zerstreuung mehr - nur ihr könnt sie in den Griff bekommen!
Wir können uns kein Serbien mehr leisten, wenn wir hier, in unserem Lande, keine balkanisierten Zustände haben möchten. Jeder tut was er kann gegen die Krise - wir greifen in Taschen, einige arme Säue blechen und ihr kämpft und lauft und gewinnt! So dient ihr eurem Land - eine Dienerschaft im Sozialbereich, denn ihr dient dem sozialen Frieden, ihr müßt ihn am Leben halten. Jahre der Welt- oder Europameisterschaft sind das soziale Jahr des Kickers! Lauft, nicht um euer Leben - lauft um unser aller Leben. Denn wehe uns, die südafrikanische Ablenkungstaktik fruchtet nicht mehr! Ihr seid mehr als eine Horde kurzhosiger Balltreter; ihr spielt und rackert für die Krone des deutschen Gezüchtes. Für Konzernbosse, Manager und Unternehmerfamilien! Für sie beackert ihr die südafrikanischen Felder, für sie müßt ihr weiter, noch weiter, weit kommen und den nationalen Rausch entfesseln. Der Pokal ist nur Firlefanz, denn der wahre Grund eures Engagements sind die Eigenheime und Pools, die Karossen und Yachten unserer Klientel - Heim und Hof jener Damen und Herren verteidigt ihr auf der südlichen Erdhalbkugel!
Habt ihr daran gedacht, als ihr so uninspiriert über das Feld gestolpert seid? Dieses hehre Motiv ist euch entfallen, könnte man vermuten. Vielleicht hat man euch darüber auch nie aufgeklärt. Jetzt aber wisst ihr es, jetzt müssen Taten und Siege folgen. Wir wollen sparen, wir müssen sparen - aber nicht am Rausch, nicht am nationalen Delirium. Dort sind wir gerne großzügig - nur dort wo man generös große, pathetische Gefühle wachkitzelt, kann man auch großzügig im Sozialwesen sparen. Erst muß man geben und dann nehmen - einen Staat zu leiten heißt immer Geben und Nehmen. Ihr gebt, damit wir nehmen können! Mehr verlangt niemand von euch. Seid einfach gute Patrioten und seid behilflich dabei, dieses Land zu festigen. Eine bescheidene Bitte - mehr nicht.
Man kann euch nicht drohen, so wie es möglicherweise Kim-Jong-Il mit seinen Kickern handhabt. Ob er ihnen wirklich droht, ob er sich wirklich sanktioniert, weiß man nicht. Schön ist so eine Vorstellung allerdings schon - ein Land, das müdes Personal bestraft: in den dekadenten Demokratien des Westens ist das nicht mehr möglich. Ein drohendes Beil, Berufsverbot, Hausarrest - das würde müde Beine wieder munter machen. Dieses Prinzip ist für uns ehern, wir haben es auch ins SGB II einfließen lassen - nur der stetige Druck ringt den müden Charakter zu Boden, erpresst ihn zu Fleiß, schafft Anreize. Das ist die eigentliche Misere unserer Zeit: dass man als Regierender auf mittelprächtiges Personal angewiesen ist und dass man es nicht mal ordentlich bestrafen darf - gebt uns grenzenlose Repression, dann geben wir euch eine friedliche und ausgeglichene Gesellschaft. Druck ist gleich Leistung ist gleich Frieden!
Dass wir uns richtig verstehen: die kommenden Monate werden schwer, selbst dann, wenn ihr uns ein neues Sommermärchen beschert. Aber so ganz ohne Sommermärchen wird es ungemütlich. Der Clou ist ja, dass ihr keine filigranen Ballkünstler seid - eine solche Truppe könnte keine Märchen schreiben, denn ein Erfolg wäre Normalität. Dass ihr ein Gurkenregiment seid, welches sich dennoch weit vorankämpft: das ist der Stoff aus dem Märchen sind! Versteht richtig: wir wollen gar nicht, dass ihr besser, spektakulärer spielt - ihr sollt ja gerade so weiterkicken, wie ihr es könnt oder besser: nicht könnt. Wir wollen und brauchen nur Erfolg, kein ansehnliches Spiel; wir brauchen Erfolg trotz Rumpelei - wenn wir Fußballkunst sehen wollen, schauen wir den Argentiniern oder Spaniern zu. Versteht also richtig: wir verlangen nichts Utopisches; ihr sollt so bleiben wie ihr seid, nur etwas erfolgreicher, mit nachhaltiger Turnieranwesenheit.
Das ist jedenfalls die letzte Mahnung. Wenn euch Ghana rupft, dann könnte es sein, dass schon morgen Villen brennen! Könnte sein! Passieren wird das vielleicht nicht gleich, denn auf die verblödende Journaille ist Verlass. Doch dann müssten wir vielleicht unser Sparvorhaben zurückziehen. Und auch das wäre der Untergang unseres Landes. Es liegt also einzig und alleine an euch, den Frieden zu erhalten. Ihr glaubt es vielleicht nicht, aber euer Einsatz in Südafrika ist ein humanitärer Inlandseinsatz, eine Friedensmission. Schafft Frieden für die Mohns, Albrechts, Quandts und wie sie alle heißen - sie haben eure Erfolge bitter nötig. Wenn ihr siegt, siegen auch sie - siegt die Freiheit: ihre Freiheit! Und wenn sie frei sind, sind wir alle frei. Ihr seid Freiheitskämpfer! Enttäuscht uns nicht, werft unser Land nicht den Säuen zum Fraß vor!
Gezeichnet,
ein besorgter Fan aus dem Dunstkreis der Bundesregierung
17 Kommentare:
Mir fehlen die Superlative meiner Begeisterung. So ein guter Text, er hätte direkt aus meinem Kopf gestohlen sein könen, so ich denn mit dieser brillanten Rhetorik bedacht wäre. Trotzdem wünsche ich mir, dass Gahana Deutschland aus dem Turnier kickt, das wäre mir ein "innerer" äh.....Dingens....!!!!
Nun ja, auch jeder kleine Dönerladen hat hier in Berlin-Kreuzberg die Deutschlandfahne verkaufsfördernd vorm Gammelfleisch drapiert. Touristenpöbel, linke Sonnenbrillen und kritische Shorts sitzen in der Sonne vor Plasmabildschirmen und haben endlich wieder einmal Grund, einander nichts zu sagen. Das entlastet.
Dass die Politik beim Fußball mitkickt, wer würde es ihr verdenken als Gefangene eines innerlich verrohten und phobischen Mittelstandes?
Aufgemerkelt!
Motto: "Brot und Spiele".
Wohlgemerkelt, trockenes Brot.
Eine Ferkelei.
Chapeau!
Einfach toll ist dieser Brief - kurz und kanpp gibt er den "Sinn" dieser Veranstaltung wieder - mach weiter so, Roberto!
Liebe Grüßle
Daniel
Lieber "anonymer Fußballfan", dieser Text sollte ab Morgen bis Mittwoch auf den Titelseiten aller großen Zeitungen erscheinen, auch in den Hauptnachrichten von ARD und ZDF verlesen werden!
Zum Inhalt habe ich nichts mehr zu sagen, alles wurde bereits erschöpfend gesagt. Bravo!
MfG Bakunin
Wie ich mir eine Niederlage der "Mannschaft" am 23.06. wünsche, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen, und meine andere Nationalomannschaft (Les Bleus) darf auch gleich mitfliegen.
Merci Roberto, mein Sonntag ist gerettet!
Anhänger des 04.07.1789
"Ich habe meine Promillezahl zuerst aus der Zeitung erfahren!" Im Forum zu diesem boulevardesken SPIEGEL-online-Titel zum Verhalten von Bischöfin Kässmann haben sich kurzfristig 557 Kommentare angesammelt. Da fühle ich mich doch direkt aufgefordert, mit meinem Kommentar in diesem Blog einen Kontrapunkt zur medialen Scheindemokratie eines Spiegel zu setzen.
Diese Form des öffentlichen Mediendiskurses beweist mir wieder einmal, womit der deutsche Michel ruhig gestellt wird:
Hyperaktiven Kindern gibt man Ritalin, potenziell hyperaktiven Erwachsenen des Prekariats gibt man Vuvuzelas, schwarz-rot-goldene Rückspiegel-Kondome, "Germanys Next Top Models" und "Das große Hansi Hinterseer Open Air".
Solange der mit seiner Knechtschaft konfrontierte Urnenpöbel seine Aggressionen auf der Autobahn und bei der Parkplatzsuche abreagiern kann, ist mit aufständischen Tendenzen nicht zu rechnen.
Nach meinen Erfahrungen wurde der Zeitpunkt für eine Revolution in den 80er Jahren verpasst. Damals (ja ja ich weiss - "Opa erzählt jetzt vom Krieg")gab es noch Helmdemos, kein Hasskappenverbot, eingeübte Stockkämpfe unter Autonomen und Katchis bei den Kämpfen um die Startbahn West, Zaunkämpfe in Wackersdorf, regelmäßige Auseinandersetzungen zwischen Polizei und der Hausbesetzerszene in der Hafenstraße. Es gab die RZ und die Rote Zora.
Heute hat der Staat propagandistisch, gesetzestechnisch und polizeitaktisch enorm nachgerüstet.
Wer heute an militanten Demos teilnimmt, geht ein erhöhte Risiko ein, wegen diverser "politisch motivierter Delikte" vorbestraft zu werden. Dazu reicht das Tragen einer Sonnenbrille in Kombination mit einer Basekap.
Aktuell kalkuliert das kapitalistische Gesindel und sein geschäftsführender Ausschus natürlich auch mit ein, dass es zu größeren "Aufständen" kommen könnte. Deshalb wird die Wehrpflicht abgeschafft, weil ein Söldner eher bereit ist, auf die eigenen Leute zu schießen, als ein wehrpflichtiger "Rotarsch".
Meine aktuelle Alternative zu den folkloristischen Umzügen der außerparlamentarischen Opposition heißt daher Generalstreik von unten. Über die evtl. gerichtlich auferlegten Kosen würde ich mir keine Gedanken machen, weil es bei einem Erfolg hinterher niemanden mehr geben wird, der den "Gewinnern" die Kosten aufbürdet. Derartige Überlegungen erinnern mich mehr in das Beispiel von den Deutschen, die erst eine Bahnsteigkarte lösen, wenn sie den Bahnsteig besetzen wollen.
Nach Beendigung meiner Erwerbsbiografie wurde mir nachgesagt, ich hätte resigniert. Das stimmt nicht. Meine Wut reicht noch einige Jahrzehnte.
Ich zitiere aus dem Buch "Das naturwissenschaftliche Zeitalter" von Bertrand Russel aus dem Jahr 1931:
"...Es ist zweifellos eine wichtige Tatsache der modernen Welt, dass nur ungeheur reiche Kapitalisten oder Regierungen fast alle Unterhaltungen der Armen zu schaffen in der Lage sind..."
und ein paar Zeilen weiter:
"...Doch leidet diese ganze System an einem Mangel an Stabilität. Im Falle eines verlorenen Krieges könnte es zusammenbrechen, und eine Bevölkerung, die sich an Unterhaltungen gewöhnt hat, könnte durch Langeweile zu ernstem Nachdenken getrieben werden..."
In diese Vuvuzela möchte ich nicht tröten.
Für die Bundesregierung ist es eine win-win Position: Kommt D-land weiter ist alles paletti. Fliegt D-land gegen die Afrikaner raus bietet sich eine einmalige Gelegenheit, darüber zu diskutieren, ob 11 von 23 Spielern mit Mitgrationshintergund genetisch bedingt tatsächlich "deutsche Tugenden" haben können; ein gefundenes Fressen für Sarrazin und die anderen (Mittel-)Stürmer, das für Monate anhalten könnte.
@persiana
Das wär's doch: Fernsehsatelliten abschiessen. Leider aber haben nur Regierungen oder ungeheuer reiche Kapitalisten die Möglichkeiten dazu...
Lieber "besorgter Fan"!
Zunächst: Danke für Ihre exzellente Unterstützung bei der Motivation unserer Beauftragten für die Ablenkung von den geplanten Unzumutbarkeiten!
Machen Sie sich keine Sorgen. Sollten unser Team Fußball gezwungen sein, seine Arbeit vorzeitig einzustellen, haben wir schon ein Notprogramm zur Verbreitung über die Medien entworfen. Da wären zunächst ausführliche Analysen darüber, warum das Team nicht gewinnen konnte. Neben den üblichen Gründen (schlimme Kindheit, Krankheit der Ehefrau, heimliche Homosexualität, Intrigen im Team u.ä.) bietet sich aufgrund der Lokalität der diesjährigen WM natürlich auch ein mehrteiliges Special über schwarze Magie, die unterschätzte Macht der Medizinmänner und die besondere Gefahr, die von Zauberern, Hexen und Heiden ausgeht, an. Das ließe sich auch elegant mit einer Review der unschönen Ereignisse in der katholischen Kirche verbinden - möglicherweise waren die entsprechenden Priester ja gar nicht für ihre Taten verantwortlich (sex sells and this kind especially).
Darüber hinaus sind wir doch seit Jahren die einzigen, die die ganze Wahrheit über eine solide finanzierte Wirtschaft kennen und auch danach handeln! Die zunehmende Kritik aus dem Ausland dürfte es uns fast ebenso gut wie eine erfolgreiche WM ermöglichen, ein starkes "Wir"-Gefühl in der Bevölkerung zu vermitteln - schließlich verbindet nichts so sehr wie ein gemeinsamer Feind.
Anschließend geht es weiter, wie von ihnen skizziert.
Also entspannen Sie sich! Wir gewinnen immer!
I.A. derer, deren Interessen Sie so formidabel vertreten haben.
Ich frage mich, wieso kommen die
Bonzen immer mit ihrem Scheiß durch,
wo es doch, wie hier sichtbar, auch ne Menge schlauer Köpfe gibt und immer gegeben hat ?
Blogger klony1 hat gesagt...
"Ich frage mich, wieso kommen die
Bonzen immer mit ihrem Scheiß durch,
wo es doch, wie hier sichtbar, auch ne Menge schlauer Köpfe gibt und immer gegeben hat ?"
Diese Frage kann ist sehr leicht zu beantworten: Diese "Bonzen", wie du die Mächtigen, Herrschenden, Abschöpfenden, Ausbeutenden und deren politische und publizistischen Handlanger dieses Landes zu benennen beliebst, verfügen ganz einfach über über die ökonomische und damit auch politische UND mediale Macht in diesem Lande..., und zwar ganz und gar "demokratisch" abgesegnet bzw. Gewählt von Millionen von Wählern, Gern-Beherrschten, Gern -Mitmachenden, also Leuten, die noch immer CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne wählen.
Das ist das ganze Geheimnis der "westlichen Demokratien"!
MfG Bakunin
@altautonomer:
Ihr Kommentar ist ebenso erfrischend, wie der Beitrag selbst.
Ach kommt, ich fände es nett, wenn die deutsche Mannschaft morgen ein gutes Spiel hinlegen würde. Weniger wegen der Tatsache, dass es sich um Landsleute handelt, sonder eher, weil die gar nicht so schlecht sind.
P. S.
Man muss diesen ganzen Circus Maximus aus der Vogelperspektive des Sportsgeistes betrachten. Ich persönlich habe mehrere Favoriten. Es gibt gute Teams und die WM ist voller Überraschungen. Ist doch nett.
Auch auf die Gefahr hin, hier böse Kritik zu ernten - ich freue mich über jedes gewonnene Spiel der Deutschen.
Weltweit löst die Fußball-WM Begeisterung aus, Fußball ist nun mal ein Sport, der viele Freunde hat. Jedes Land fiebert mit seiner Mannschaft und hofft auf gute Spiele. Nur wir nicht.
Wieso eigentlich nicht? Wegen Angela Merkel? Wegen Christian Wulff? Wegen Afghanistan? Hartz IV? Der Personalpolitik von Lidl?
Die Verdummung der Deutschen findet jeden Tag statt, über die Tagespresse, einlullende TV-Programme und ständig wachsender Bildschirmaktivitäten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Es gibt keine Massendemos mehr, weil niemand Zeit dafür hat...man könnte auch sagen: weil niemand mehr der Arsch hoch kriegt. Mann könnte, nein, man muss wohl eher sagen: weil niemand überhaupt noch etwas merkt von der gezielten Einschläferung.
Inzwischen ist die Bevölkerung so aphatisch, dass eine WM gar nicht mehr nötig ist, um unpopuläre Entscheidungen "unauffällig" durchzuwinken. Die Deutschen reagieren auf die desaströse Politik sowieso nur noch mit einem kurzen "Och, Manno" und dösen weiter.
"Brot und Spiele" haben wir genug, da fällt die WM auch nicht mehr ins Gewicht.
Und um jetzt sogar einen sportlichen Kommentar einzufügen: Die deutsche Mannschaft spielt insgesamt den (fast) besten Fußball der WM.
Sach ich mal so...
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