Ansichtssache Haustier

Freitag, 30. Januar 2009

Ich lebe am Rande eines Stadtviertels, in dem das sogenannte „Gschwerl“ wohnt. Gschwerl ist das bayerische Wort für Gesocks, jene Ansammlung gesellschaftlicher Elemente also, die von den Bewohnern anderer, schönerer, reicherer Stadtviertel als der letzte Dreck angesehen werden. Man sieht es diesem Stadtteil, das den Namen von zwölf Päpsten trägt, auch an, wenngleich es im Vergleich zu anderen Geschmeiß-Vierteln in anderen Städten der westlichen Welt, immer noch erträglich wirkt. Breite Hauptstraßen schlängeln sich durch die Wohnblöcke, Lärmschutzwälle gibt es aber keine, die hat man andernorts, an einer etwas leiseren Hauptstrasse, hochgezogen, an der einige Herrschaften des Geldbürgertums ihr schweres Leistungsträgerleben fristen müssen. Die Wohnanlagen sind dürftig anzusehen, Spielplätze Mangelware, Jugendeinrichtungen ein Fremdwort, Grünanlagen rar. Manche Treppenhäuser die man betritt, frustrieren einen zutiefst, sind dunkelgrau, lieblos, steril, und obwohl teilweise 80 Mietparteien in einen Eingang leben, trifft man niemanden an – weder im Aufzug noch auf der Treppe. Die Gehwege sind verschmutzt, Glasscherben zieren den Asphalt – städtische Reinigungskräfte, die aus dem Stadtteil selbst entstammen, von dort rekrutiert wurden per Behördenbescheid, die folglich allesamt gesegnet mit einem Extra-Euro pro Stunde sind, reinigen aber die Gehwege der Flaniermeilen und der feineren Gegenden. Vor ihrer Haustüre dürfen sie ihrer Zwangsarbeit nicht nachgehen; dort tritt sich der Müll fest, wird zum Bestandteil des Gehweges.
Es muß hier nicht weiter erläutert werden, dass viele Bewohner des ominösen Stadtteils ausländischer Herkunft sind. Viele Türken, sehr viele Menschen russischer Herkunft. Ihre Kinder gehen in Baracken-Kindergärten, lieblos gestaltet, kleine Außenanlagen, damit die Kinder es ja nicht zu wild treiben in ihrem ungezügeltem Auslauf. Einige der dort angesiedelten Hauptschulen – höhere Schulen gibt es in diesem Stadtteil nicht – haben den schlechtesten Ruf, gelten als Synonym dafür, einen sozialen Aufstieg ganz sicher niemals zu schaffen.

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Bestraft die Verantwortlichen!

Mittwoch, 28. Januar 2009

Dass sich Sozialverbände nun bestätigt sehen, keinem sozialromantischen Gutmenschentum hinterhergelaufen zu sein, sondern eine nun auch juristisch angemahnte Sozialstaatsvernunft verfolgt zu haben, ist für all jene, die ohne Schaum vorm Mund, objektiv und im Geiste der Nächstenliebe sich dieser Problematik angenommen haben, sicherlich keine Überraschung. Das Einfordern höherer ALG II-Regelsätze generell, speziell bei Kindern, war nun also, das Bundessozialgericht bestätigt es jedenfalls im Falle der Kinder, keine altruistische Augenwischerei, sondern im Sinne des grundgesetzlich verbürgten Sozialstaatsanspruches, vollauf gerechtfertigt. Dass man aber nun zeitgleich in allerlei Gazetten verbreitet, es würde neben den Sozialverbänden, die durch das Urteil bestätigt und beflügelt sind, auch die parlamentarische Opposition dazu animiert, Druck auf die Bundesregierung auszuüben, ist gelinde formuliert eine Frechheit, eine gezielte Verdummung allemal. Immerhin waren es jene Grünen, die heute scharf gegen die Regierung schießen, die das ALG II, als man selbst noch Teil der Regierung war, mitgetragen haben, die es "wichtig und richtig" fanden, dass man eine Armenverwaltung à la Peter Hartz einführt. Damals gab man sich keine Blöße, eine Form von neuen Fundi- und Realowiderstreit auszufechten, sondern hat sich parteihörig auf sogenannte Realo-Positionen geeinigt - auch wenn man damit die letzten Wurzeln grüner Herkunft verraten mußte. Und wenn sich dieser Tage die FDP hervortut, die durch das SGB II vollzogene Kinderarmut zu kritisieren, höhere Regelsätze für die Kinder einzufordern, dann mutet es wie eines dieser Szenarien an, in denen ein Brandstifter Menschen aus dem brennenden Haus rettet, welches er zuvor selbst in Flammen aufgehen ließ. Gerade die FDP, gerade Gestalten wie Westerwelle und Niebel, waren ja jahrelang der Ansicht, dass Alimentierung Bedürftiger ein Schurkenstück am unbescholtenen Bürger sei - und ausgerechnet jetzt, da das BSG-Urteil trefflich Druck auf die Große Koalition ausübt, da entdecken die ach so Liberalen ihr soziales Gewissen, machen sich zum Streiter der kleinen Leute.

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Nomen non est omen

Heute: "Reform"
"Es gibt keine Alternative zu meiner Reformpolitik."
- Gerhard Schröder, in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin, am 5. Juli 2004 -


"Die besten Reformer, die die Welt je gesehen hat, sind die, die bei sich selbst anfangen."
- George Bernard Shaw -

Die Reform bezeichnet zunächst, die Neuordnung bzw. Umgestaltung sowie die planmäßige Verbesserung gesellschaftlicher Verhältnisse innerhalb eines politischen Systems. Dabei hat die Bewertung des Begriffs eine entscheidende Wandlung vollzogen. Als der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt (1969-1974) von Reformen sprach, wurden mit dem Schlagwort positive Aspekte und die Verbesserung der Lebensverhältnisse vieler Menschen in Verbindung gebracht: Demokratisierung, mehr Bürger-Partizipation, Ausbau des Sozialsystems sowie der Bildung und Wissenschaft.

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De dicto

Montag, 26. Januar 2009

"Jetzt rückt die Union nach links, stärkt so die FDP.
Das kann
die Liberalen aber nicht erfreuen. Denn für eine linke CDU gibt es nur einen Koalitionspartner: die noch linkere SPD."
- BILD-Zeitung, Hugo Müller-Vogg am 26. Januar 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Erneut, oder immer noch, muß man sich große Sorgen um Müller-Vogg machen. Seine Wahrnehmung scheint unter den Besitzstandswahrungszwängen der Finanz- und Wirtschaftskrise mehr denn ja zu leiden. Er scheint sich in einer Welt eingerichtet zu haben, in der nur er - vielleicht noch der Chefredakteur der Tageszeitung, die seine Phantasien abdruckt - sich zurechtfindet, in der mittelmäßige, skandalbewährte Abgeordnete zu "profilierten Wirtschaftspolitikern" umgedeutet oder Vorschläge, wonach Gewinnbeteiligungen nicht ausgeschüttet werden sollten, während sich die Privatwirtschaft am Steuerzahler schadlos hält, als Tollhausstücke bezeichnet werden.

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Zerstückelte Berichterstattung

Zwei Ereignisse finden derzeit in den Medien statt, die nicht verquickt dargestellt, sondern gemäß der üblichen medialen Zerstückelung, an die interessierten Konsumenten des Nachrichten- und Informationsmonopols weitergereicht werden. Auf der einen Seite steht ein Ereignis von Weltbedeutung, welches rund um die Erde erleichtert aufgenommen wurde; auf der anderen Seite wurde nur dezent und unscheinbar von einer kleinen Revolte berichtet, wie sie sich am Rande des Bollwerks Europa ereignete. Obamas Entschluss, Guantánamo zu schließen, konnte man gar nicht unbeachtet lassen - Radiosender, Fernsehanstalten, Printmedien, selbst alternative Informationsquellen kommentierten die "neue Linie" der USA. Was aber auf Lampedusa geschah, was dort schon seit Jahren gärt, das findet kaum Erwähnung - und das, obwohl Lampedusa am Rande der EU liegt, also ganz nahe ist, ein sogenanntes Einfallstor nach Europa darstellt, hinter welchem die italienischen Regierungen unliebsame Flüchtlinge - und jeder Flüchtling ist unliebsam - internieren läßt. Unter den Regierungen Berlusconis hat sich die Verachtung für die dort Gefangenen noch einmal verstärkt, konnte sich italienische Großmannssucht, im fleischlicher Form als untersetzter, kleinwüchsiger Medienmagnat daherkommend, in seiner ganzen prachtvollen Entfaltung üben.

Und so ist es kein Zufall, dass dieser Tage auf Lampedusa Proteste stattfanden, die Tore der Konzentrationslager aufgebrochen wurden, weil man dort oft Jahre im rechtlosen Niemandsland verweilt, weil man zusammengepfercht unter hygienisch fadenscheinigen Zuständen leben muß, ohne die geringste Aussicht, überhaupt einen Asylantrag stellen zu dürfen. Anwälte haben dort keinen Zugang, seit 2004 auch die "Ärzte ohne Grenzen" nicht mehr, weil sie sich über die dortigen Zustände kritisch geäußert haben. Es bleibt abzuwarten, wie die italienische Regierung darauf reagieren wird. Aber da die Regierung Berlusconi nicht für Milde und Humanität bekannt ist, und sich teilweise offen zur gewaltsamen Niederschlagung von Protesten bekennt, ist eine Eskalation gegenüber Internierten durchaus im Rahmen des Möglichen. Man muß nur an ein anderes dieser Bollwerke Europas blicken, nämlich in die afrikanischen Territorien Spaniens - Ceuta und Melilla -, um verdeutlicht zu bekommen, dass Waffengewalt kein Tabu darstellt.

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In langer Tradition

Samstag, 24. Januar 2009

Das Zauberwort des Jahres 2008 war zweifelsohne Change. Es erklang zunächst in den Vereinigten Staaten von Amerika und wie so vieles davor, von der Blue Jeans bis zum Hip Hop, wurde es zu einem regelrechten Exportschlager. Nicht nur die Deutschen verfielen einer kindlichen Naivität und lauschten in Berlin dem neuen Messias. Seit gestern ist diese Projektionsfigur für eine bessere Welt nun offiziell Präsident des „mächtigsten“ Landes der Welt. In den letzten Wochen war viel zu seinem Kabinett geschrieben worden. Die dort künftig handelnden Personen entstammen zu großen Teilen der Clinton Ära und lassen nicht viel Hoffnung auf einen tatsächlichen, radikalen Wandel in der US-Politik. Hinzu kommt die fast schon an Geschichtsklitterung erinnernde Verklärung der Bush Junior Jahre zu einer Art Unfall in der ja ansonsten von Humanität und Multilaterismus geradezu überquellenden US-amerikanischen Vergangenheit. Da verwundert dann auch Obamas schwülstige Rede zum Amtsantritt keinen klar denkenden Menschen mehr. Voller Pathos besann er sich dort auf den Geist der Gründerväter:

„Die Zeit ist reif, um unseren beständigen Geist wieder zu beteuern, um den besseren Teil unserer Geschichte zu wählen.”

Der bessere Teil der Geschichte, der Urknall des großartigsten Volkes der Welt, der mit dem Genozid der einheimischen Bevölkerung begann. Jener bessere Teil der Geschichte, in der ein Debattierclub eine hervorragende Verfassung aus der Taufe hob, die weder für Schwarze noch für die indigenen Ureinwohner galt. Wenn Barack Obama seine Wahl zum Präsidenten als Beweis für einen überwundenen Rassismus und als Kronzeugen seinen Vater anführt, der vor 60 Jahren kaum ein Restaurant in den USA hätte besuchen können, so mutet diese selektive Wahrnehmung sonderbar an. Oder sind die Bilder der Rassenunruhen in Los Angeles für wahr schon aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden?

Dies ist ein Gastbeitrag von Stephan Lüdde.

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Der Volksaufklärer ist zurück

Freitag, 23. Januar 2009

Seit einigen Monaten scheint ein Stern am Himmel der Verblödung aufgegangen - es muß heißen: wiederaufgegangen. Nach langer Abstinenz - Gründe sind unbekannt - schreibt und faselt sich Hans-Hermann Tiedje, seines Zeichens ehemaliger BILD-Chefredakteur, Vorstandsvorsitzender eines Kommunikationsunternehmens (WMP Eurocom) und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG, wieder die Finger bzw. den Mund blutig, verblödet in einer Art und Weise, dass selbst der amtierende BILD-Häuptling Kai Diekmann wie ein Rousseau im Taschenformat, ein wirklicher Vertreter spießbürgerlicher Aufklärung, wirkt.

Jetzt ist er jedenfalls zurück, darf mal hier, mal dort etwas zum Besten geben. Als Elke Heidenreich das Etikett einer ungehörigen Arbeitnehmerin angeheftet bekam, war er es, der mittels RTL, von der Selbstüberschätzung dieser Frau sprach - einfach so, einfach einmal eine These in den Raum geworfen, weil es doch befriedigt, auf solche einzuschlagen, die eh schon auf den Boden gedrückt wurden. Und vor einigen Wochen meinte er etwas über Ludwig Erhard und Karl Marx schreiben zu müssen, um den BILD-Lesern zu verdeutlichen, dass das Wort "Marx" in eine Reihe mit den Worten "Teufel", "Satan" und "Beelzebub" einzugliedern sei. Dabei hat er noch nicht einmal Argumente vorgebracht, sondern wie "vom Marx besessen" - also vom Teufel - ein Paar reißerische, aber aussagelose Sätze in seine Tastatur gehämmert.

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In nuce

Mittwoch, 21. Januar 2009

Über drei Jahre hat er das, was er für sein großes Expertentum hielt, an seine Leser weitergegeben; hat nebenbei all jene terrorisiert, die er für die Sündenböcke der Gesellschaft ansah, weil sie ja nutzlose Subjekte seien, die Alkohol trinken und Kohlenhydrate in sich hineinschaufeln. Seit Anfang Januar sind wir von diesem eitlen Selbstdarsteller erlöst - wenigstens ein bißchen. Nachdem der ausgebleichte Grüne zur Union wechselte, sich dort bei zwei Ortsverbänden anbiederte und kaum Gegenliebe erntete, beendet er nun auch sein Engagement für den Focus-Blog - "Einspruch!", der Blog Oswald Metzgers, schließt die Pforten. Eigentlich wäre das keiner Nachricht wert, denn der geistige Unrat, den er dort ins weltweite Netz stellte, sollte nicht mit Erwähnungen geadelt werden, auch wenn man ihm - Metzger oder dem Unrat, das bleibt sich gleich - natürlich attestieren muß, dass er mit seinen Aussagen, aktiv an der Erzeugung einer Pogromstimmung gegen Arbeitslose beigetragen, den "Ballastexistenzen" das Leben schwer gemacht hat. In dieser Form hat er zur Stärkung eines braunen agenda settings viel beitragen können. Aber diese Zeilen verstehen sich als Warnung, denn was uns erwartet, könnte die schlimmsten Alpträume wahr werden lassen. Metzger hat bei der Union nicht Tritt fassen können, sein Landtagsmandat hatte er schon vorher abgegeben, ein Bundestagsmandat wird wohl zunächst kein Thema sein, zudem schließt er seinen Blog mit der Erkenntnis, dass "Einsatz und Ertrag in keinem vernünftigen Verhältnis mehr" stünden - selbst in seiner Sprache ist Metzger damit ein witzloser Abklatsch seines neoliberalen Sektierertums -, was befürchten läßt, er bereitet etwas anderes vor. Er ist viel zu sehr Platzhirsch und Wichtigtuer, steht viel zu gerne im Mittelpunkt der Öffentlichkeit, auch wenn er genau betrachtet, nur eine Randnotiz derselbigen ist, als dass er sich zurückziehen würde in einen neoliberalen Elfenbeinturm der Erkenntnis, von dem aus er zum Guru einer neuen Heilslehre würde. Womöglich müssen wir bald eines jener wichtigen Bücher ertragen, welches dann irgendwie "Reformen jetzt!" oder "Vom Segen des freien Marktes" oder, ganz aufklärerisch, "Schmarotzer-Republik" heißt. Oder er wird eine Rolle im Fernsehen übernehmen, womöglich als schwäbelnder Neoliberalen-Guru, der eosterische Heilslehren verbreitet. Gab es den nicht schon mal?
Achtung also, denn womöglich ist der Metzger groß im Anmarsch. Hoffentlich täusche ich mich!

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Wer die Schuldigen nicht benennt, macht sich mitschuldig...

Andrea Ypsilanti ist schuld, das heißt, sie ist gerade dabei sich schuldig zu machen. Bisher konnte man ihr bei objektiver Betrachtung keine Schuld zuweisen, bestenfalls taktische Schwächen nachsagen - jetzt aber, im Moment der Schmach, mit der man sie bedeckt, da beginnt sie sich in Schuld zu verstricken. Sie beginnt damit, weil sie nicht beginnt - nämlich mit der Gegenwehr, mit dem Gegenangriff, weil sie nicht auf den Tisch haut, obwohl sie weniger denn je zu verlieren hätte. Stattdessen schweigt sie, verkriecht sich, nimmt - so scheint es - die zugeteilte Schuld auf sich und hofft auf das große Vergessen. Vielleicht ist es überheblich, einem Menschen, der so dem öffentlichen Druck ausgesetzt und auch erlegen ist, eine solche Kampfeshaltung abzufordern, aber schon Sun Tse wußte, dass ein Soldat, dem der Fluchtweg versperrt ist, mit größerem Elan ins Gefecht zieht, mit dem Mut der Verzweiflung, mit dem dumpfen Empfinden, sowieso alles verloren zu haben. Zwar ist ihre Passivität verständlich, aber nun, da man ihr den letzten Fluchtweg versperrt hat, da sogar ihr Sitz im Landtag Geschichte sein soll, wäre der Moment der Abrechnung gekommen - der Wahrheit willen, der Selbstachtung willen und um sich nicht des Schweigens schuldig zu machen.

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Nasskaltes Wetter in Hessen

Montag, 19. Januar 2009

Warum veranstaltet man den Urnengang - jenen bei dem man ein Wahlzettelchen in einen Kartonschlitz steckt, nicht solchen, bei dem man einen verbrannten Korpus beisetzt, wobei sich mittlerweile beide Vorgänge sehr ähneln -, warum also läßt man einen solchen demokratischen Urnengang nicht im Mai oder Juni stattfinden? In Monaten, die viele schöne Tage in sich vereinen, mehr Sonnenschein als Regen kennen, in denen Kälte kein Thema ist? Schließlich spricht man auch immer wieder davon, die Legislaturperioden auf fünf Jahre zu standardisieren, da könnte man doch auch gleich dafür sorgen, dass niemals mehr das schlechte Wetter das Wahlverhalten der Bürger beeinflusst.

Denn folgt man der öffentlichen Berichterstattung, so läßt sich genau damit die spärliche Teilnahme an den Hessenwahlen begründen. Schon gegen Mittag, als sich eine niedrige Wahlbeteiligung abzeichnete, berichteten die erste Medien davon, dass wohl das feucht-kalte Wetter davon abrate, schnell ins Wahllokal hinüberzugehen, um seine Stimme loszuwerden. Gleichgültig wo man auch nachlas, ob auf diversen Onlinepräsenzen großer deutscher Zeitungen oder einfach nur im Teletext: das schlechte Wetter wurde zum Initiator der allgemeinen Lustlosigkeit erhoben. Das ist beileibe kein Einzelfall, denn sobald bei irgendeiner Wahl die Beteiligung sinkt, dann brauchen die Medien nicht lange zu suchen, kämmen ein wenig in Petrus' Bart herum, und finden darin ein wenig Regen, eine Portion Schnee, etwas Kälte, denen man die Schuld zuschieben kann. Und sollte doch einmal der Wahlsonntag sonniges Wetter bieten, dann war es eben die liebe Sonne, die den Wähler nicht ins Wahllokal, sondern ins Lokal seiner Wahl pilgern ließ, dann ist nicht mehr das Unwetter, sind die wärmenden Strahlen schuldig.

Würde man dem glauben, so müßte man davon ausgehen, dass seit nunmehr drei Jahrzehnten, seitdem die Wahlbeteiligungen schrumpfen, die Wetterlage dieses Landes zunehmend ins Extreme schlägt. Wenn immer weniger Menschen wählen, muß es entweder kontinuierlich immer kälter oder wahlweise immer wärmer werden. Oder liegt es gar nicht am Wetter?

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De omnibus dubitandum

Sonntag, 18. Januar 2009

Bei der Landtagswahl in Hessen, wählten...
  • ... 39,0 Prozent aller Wahlberechtigten gar nicht.
  • ... 22,0 Prozent aller Wahlberechtigten die CDU.
  • ... 14,0 Prozent aller Wahlberechtigten die SPD.
  • ... 9,6 Prozent aller Wahlberechtigten die FDP.
  • ... 8,1 Prozent aller Wahlberechtigten die Grünen.
  • ... 3,2 Prozent aller Wahlberechtigten die LINKE.
  • ... 4,1 Prozent aller Wahlberechtigten eine andere Partei.
Selbst eine unwahrscheinliche Große Koalition hätte damit lediglich einen Rückhalt von 36,0 Prozent aller Wahlberechtigten, 2008 wären es noch 47,3 Prozent gewesen. Die wahrscheinliche Koalition zwischen CDU und FDP hat einen Rückhalt von 31,6 Prozent aller Wahlberechtigen - sie wird damit eine Mehrheitsregierung bilden, hinter der nicht einmal ein Drittel aller wahlberechtigten Hessen steht. Nie war das Heer der hessischen Nichtwähler größer, der Negativrekord des Vorjahres wurde damit unterboten.

De dicto

"Nicht von ungefähr steht am Beginn der Geschichte die Auseinandersetzung über einen tatsächlich einmaligen Wahlbetrug – der mit Auseinandersetzungen über die Anhebung der Mehrwertsteuer oder die Senkung der Rentenbeiträge nicht zu vergleichen ist. Und der von vornherein kühl kalkuliert war. Die Empörung darüber wäre nicht kleiner gewesen, wenn andere ihn begangen hätten. Auch sie hat schlicht und einfach nichts damit zu tun, welche inhaltlichen Ziele Andrea Ypsilanti verfolgte."
- FAZ, Volker Zastrow am 18. Januar 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Alleine in einem kurzen Absatz schafft es der Verfasser jener Zeilen, alles hineinzupacken, was an der Ypsilanti-Hatz 2008 erstunken und erlogen war, gelingt es ihm zudem, den Regelfall der Politik - also das Umfallen nach der Wahl - zu einer Einzigartigkeit Ypsilantis zu proklamieren, die angeblich mit der Anhebung der Mehrwertsteuer, die ja mit der Bundes-SPD nicht zu machen gewesen wäre - (das Kompromissmodell 2005: 2 Prozent plus 0 Prozent ergibt im Durchschnitt 3 Prozent) -, überhaupt nicht vergleichbar sei. Warum wird nicht erläutert, denn moderner Journalismus, modernes Feuilleton zeichnet sich nicht durch Stichhaltigkeit, Tiefgründigkeit oder Darlegung einer Position aus, sondern durch bloßes Hinausposaunen von Behauptungen, die sich selbst genug Begründung sind, solange sie nur laut genug hinausgeplärrt wurde.

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Bloß keinen inhaltsvollen Geschichtsdiskurs...

Samstag, 17. Januar 2009

Die historische Aufarbeitung, mit der in diesem Land Klarheit in lang vergangene Tage gebracht werden soll, verläuft immer nach demselben Muster. Es ist ein Eintauchen in das abgrundtief Böse, ein verklärter Blick zurück, der Hitler und die Seinen nicht als Menschen, wohl aber als Teufel erfasst, um deren unsagbare Verbrechen erklärbar zu machen. Indem man den unliebsamen Charakter quasi an einer metaphysische Wurzel packt, gar nicht erst versucht, ihn als Produkt der damaligen Gesellschaft zu begreifen, ihn also nicht als einen von uns - uns Menschen -, einen der zwischen uns groß und mächtig wurde, erkennt, sondern ihn als geradewegs aus der Hölle aufgestiegen deutet, aufgestiegen um den Menschen Unheil zu bringen. Man möchte damit kenntlich machen, dass er nicht von dieser Welt, nicht aus unserer Mitte entstammt war, ein Verbrecher gewesen sei, dem nichts Menschliches eigen war; dass er als ein Unfall menschlicher Geschichte anzusehen sei, der keine Kontinuität in der Vergangenheit hatte, noch in der ihm unmittelbar folgenden Zukunft als Bindeglied zwischen den Zeiten, zwischen den zwei deutschen Demokratien, zu gelten habe; und dass er keiner Tradition entsprang, die einen Hitler zwar nicht rechtfertigen, aber doch erklären kann. Man blendet damit aus, dass Hitler ein Mensch seiner Zeit war, einer von vielen Menschen, der vielleicht etwas weniger feine Umgangsformen an den Tag gelegt, den Nihilismus seiner Zeit übertrieben hat, der aber alles in allem kein Außerirdischer war, sondern ein Typus Mensch, wie er damals, nach dem Ersten Weltkrieg, in Zeiten, in denen der Sozialdarwinismus als ernstzunehmende Wissenschaft betrieben wurde - was schon vor diesem Waffengang war -, zuhauf zu finden war.

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Privatisierung des Grundgesetzes

Freitag, 16. Januar 2009

Auch wenn der Mikrokosmos Deutschland derzeit Konjunkturpakete bespricht, so sollte man nicht aus den Augen verlieren, was manchen Unionisten noch immer umtreibt, welche nationale Süppchen da noch gekocht werden. Vor einigen Wochen wartete Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlandes, mit dem neuesten Schrei konservativer Borniertheiten auf: Die deutsche Sprache sollte im Grundgesetz Erwähnung und damit als grundgesetzlicher Wert Vollzug finden.

Nun ist es müßig nochmals zu erwähnen, was schon allerorts in Spaßhaftigkeit oder bitterem Ernst erwähnt wurde, nämlich dass das Deutsche, wie alle anderen europäischen Sprachen auch, keine isolierte Spracherscheinung im Herzen Europas ist. Sie ist ein Sammelsurium verschiedenster Idiome, nahm als europäisches Durchgangsland - was man zwangsläufig ist, wenn man mitten in Europa liegt - viele Ausdrücke auf, hat sich nicht abgeschottet oder wie auf einem einsamen Eiland entwickelt. Die deutsche Sprache ist Produkt Europas, natürlich mit germanischen Wurzeln, die aber freilich fast unkenntlich geworden sind im Laufe der Zeit - so läßt sich der französische Einfluss in der deutschen Sprache leichter erkennen, als irgendein germanisches Urwort. Aber darum soll es hier nicht gehen, festzuhalten sei nur, dass man eben nichts festhalten kann, dass es unmöglich ist zu definieren, was nun gutdeutsch ist und was nicht.

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Henkersmahlzeit

Mittwoch, 14. Januar 2009

Es ist ein zynisches Spiel, welches derzeit mit Namen "Konjunkturpaket II" kreuz und quer durch die Lande gespielt wird - ein Spiel des Optimismus, ein Spiel, das ja beleben soll und uns erretten soll von den Feuern einer ausufernden Wirtschaftskrise, die dann, ein Blick in die Geschichtsbücher reicht, das ganze System zum Teufel jagen könnte. Dass das, was hier als Rettungsanker und Hoffnungsmechanismus installiert wurde, nur ein fadenscheiniges Heldenstück jener Politik ist, die jahrzehntelang auf eine Finanz- und Wirtschaftskrise hingearbeitet hat, sich aber nun als gütige Jungfrau - nicht als Wiedergutmacher, denn die Politik ist sich gar keiner Schuld bewußt, die sie wiedergutmachen könnte -, soll an dieser Stelle, um nicht auszuufern, fallengelassen werden. Es war abzusehen, dass die Politik, Hand in der Hand mit der Wirtschaft - Lobbyisten fressen ja reichlich auf den Trögen Berlins -, Schritte in die Wege leiten wird, weil man einerseits eine unzufriedene Masse wenigstens besänftigen muß, sofern man die Kontrolle nicht verlieren will, und weil andererseits die kriselnden Unternehmer, die ja gepflegte Duzfreundschaften mit den Herrschaften des Einparteienblocks Union/SPD erkauft haben, natürlich ein Interesse daran haben, möglichst nicht zu sehr zu kriseln.

Aber was dann letztendlich herauskam, ist nicht Fisch und nicht Fleisch, zeigt auf, wie zurückhaltend die derzeitige Regierung handelt, ja wie ideologisch man selbst in Zeiten ist, in denen man so tut, als würde man von den Selbstheilungskräften des Marktes nichts halten - man tut es nämlich weiterhin, wenn auch versteckt. Weder wollte man den Staat an Unternehmen beteiligen, weil man darin reinsten Kommunismus, Ausdruck von Planwirtschaft erkannte, noch konnte man sich dazu entschließen, jene Einkommen höher zu besteuern, die von einer höheren Besteuerung wahrscheinlich nicht einmal etwas bemerken würden - und selbst die SPD, die einen erhöhten Spitzensteuersatz forderte, wagte sich nicht an jenen Spitzensteuersatz heran, der mehrere Dekaden vor 1998 Geltung hatte. Selbst heute, da man auf Gelder angewiesen ist, da man dazu verpflichtet ist, dort das notwendige Geld in die öffentlichen Kassen zu holen, wo es noch zu holen ist, zeigt man immer noch gezierte Zurückhaltung im Fordern, wollte man nur einen gemäßigten Spitzensteuersatz gesichert wissen, der ja schlußendlich - und daher ist es müßig darüber zu sprechen - überhaupt nicht ins Konjunkturpaket aufgenommen wurde.

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