Es ist ein zynisches Spiel, welches derzeit mit Namen "Konjunkturpaket II" kreuz und quer durch die Lande gespielt wird - ein Spiel des Optimismus, ein Spiel, das ja beleben soll und uns erretten soll von den Feuern einer ausufernden Wirtschaftskrise, die dann, ein Blick in die Geschichtsbücher reicht, das ganze System zum Teufel jagen könnte. Dass das, was hier als Rettungsanker und Hoffnungsmechanismus installiert wurde, nur ein fadenscheiniges Heldenstück jener Politik ist, die jahrzehntelang auf eine Finanz- und Wirtschaftskrise hingearbeitet hat, sich aber nun als gütige Jungfrau - nicht als Wiedergutmacher, denn die Politik ist sich gar keiner Schuld bewußt, die sie wiedergutmachen könnte -, soll an dieser Stelle, um nicht auszuufern, fallengelassen werden. Es war abzusehen, dass die Politik, Hand in der Hand mit der Wirtschaft - Lobbyisten fressen ja reichlich auf den Trögen Berlins -, Schritte in die Wege leiten wird, weil man einerseits eine unzufriedene Masse wenigstens besänftigen muß, sofern man die Kontrolle nicht verlieren will, und weil andererseits die kriselnden Unternehmer, die ja gepflegte Duzfreundschaften mit den Herrschaften des Einparteienblocks Union/SPD erkauft haben, natürlich ein Interesse daran haben, möglichst nicht zu sehr zu kriseln.
Aber was dann letztendlich herauskam, ist nicht Fisch und nicht Fleisch, zeigt auf, wie zurückhaltend die derzeitige Regierung handelt, ja wie ideologisch man selbst in Zeiten ist, in denen man so tut, als würde man von den Selbstheilungskräften des Marktes nichts halten - man tut es nämlich weiterhin, wenn auch versteckt. Weder wollte man den Staat an Unternehmen beteiligen, weil man darin reinsten Kommunismus, Ausdruck von Planwirtschaft erkannte, noch konnte man sich dazu entschließen, jene Einkommen höher zu besteuern, die von einer höheren Besteuerung wahrscheinlich nicht einmal etwas bemerken würden - und selbst die SPD, die einen erhöhten Spitzensteuersatz forderte, wagte sich nicht an jenen Spitzensteuersatz heran, der mehrere Dekaden vor 1998 Geltung hatte. Selbst heute, da man auf Gelder angewiesen ist, da man dazu verpflichtet ist, dort das notwendige Geld in die öffentlichen Kassen zu holen, wo es noch zu holen ist, zeigt man immer noch gezierte Zurückhaltung im Fordern, wollte man nur einen gemäßigten Spitzensteuersatz gesichert wissen, der ja schlußendlich - und daher ist es müßig darüber zu sprechen - überhaupt nicht ins Konjunkturpaket aufgenommen wurde.
Generell werden alle steuerlich entlastet, auch solche, die es nicht nötig gehabt hätten. Wieviele werden darunter sein, die sich trotz Kinder zweimal jährlich einen Urlaub leisten können? Müssen sie entlastet werden, um vielleicht gar einen dritten Urlaub zwecks Konsumanheizung buchen zu können? Was sofort positiv aufgenommen, wo die Regierung für ihr Engagement gelobt wurde, waren die 100 Euro pro Kind, die ja nur eine Einmalzahlung sind, und die nur als symbolischer Akt anzusehen sind, weil man damit den Empfängern quasi zuruft: Väter, Mütter, wir haben euch nicht vergessen! Aber vergesst bloß nicht im September dieses Jahres, was wir gegen die Armut euerer Kinder getan haben! Warum es nötig sein soll, jedem Kind 100 Euro zukommen zu lassen, auch Kindern aus reichen Haushalten, wird öffentlich gar nicht erst thematisiert. Damit aber ein Hauch von Gerechtigkeit weht, werden Kinder aus ALG II-Familien mit 35 Euro pro Monat bessergestellt - eine Anrechnungsfreiheit des Kindergeldes, wie es vernünftigerweise von einigen Wohlfahrtsverbänden gefordert wurde, weil es unverständlich ist, warum man zwar einerseits auch Millionärskindern auf Beantragung hin Kindergeld - des Gleichheitsprinzips wegen - ausbezahlt, während Kinder die Sozialgeld beziehen, selbiges angerechnet bekommen, eine solche Anrechnungsfreiheit wurde also auch nicht beschlossen - man will ja nicht zu weit gehen und Arme zu sehr alimentieren. Und warum der Regelsatz für Kinder zwischen 6 und 13 Jahren bei 70 Prozent liegen soll, obwohl man weiß, dass es ausgerechnet Kinder sind, die ständig neue Kleidung, neues Spielzeug, neues Schulmaterial brauchen, die in Wachstumsphasen einen Heißhunger verspüren, also nicht gerade asketisch essen, bleibt eines der ewigen Rätsel der Hartz-Reformer und wird selbst in Zeiten der Krise nicht hinterfragt. Genauso unhinterfragt wie eine Mehrwertsteuersenkung, und zwar auch eine Senkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes, der auf Lebensmittel aufgeschlagen wird. In Zeiten, in denen Privathaushalte vermehrt mit knappen Kassen und leeren Konten rechnen müssen, wäre die Gewissheit, dass Lebensmittel wenigstens etwas billiger einkaufbar würden, sicherlich mehr Hoffnungsmacher als alles andere, was im Konjunkturpaket angeboten wird. Freilich hätte man dazu die Händler nötigen müssen, die Steuersenkung auch an den Kunden weiterzugeben - auch da bleibt sich diese Regierung eben treu: sie mischt sich nicht ein in den freien Markt, läßt selbst dann zügellos gewähren, wenn ein Fiasko droht.
Wenn es auch nicht viel war, wenn es auch viele Falsche entlastet, so wurde doch etwas getan; es läßt sich nun für Geringverdiener, Arbeitslose und Rentner mit 3,50 Euro mehr ins Jahr 2009 hineinzittern. Gleichwohl weiß man auch, was blühen wird, ganz gleich, ob das Konjunkturpaket fruchtet oder nicht. Man wird darauf pochen, eine Verschuldungsgrenze grundgesetzlich zu verankern - nach der Bundestagswahl, versteht sich, vielleicht auch erst 2010 oder 2011. Aber vergessen wird man dieses Vorhaben nicht. Wehe diese Grenze ist dann irgendwann erreicht - dann bleiben eben Straßen mit Schlaglöchern verziert, staatliche Gebäude einsturzgefährdet und, was noch viel schlimmer ist, Hilfebedürftige auf der Strecke. Ob bis dahin McKinsey die Tafeln so erweitert hat, dass man dort auch täglich eine Suppe zu sich nehmen kann, sollte bis dahin noch geklärt werden. Und einige Baracken für obdachlos Gewordene sollten auch in Auftrag gegeben werden.
Aber das ist ja Zukunftsmusik, von der wir heute nicht sprechen sollen. Hier schließt sich der Kreis, denn diese Zeilen wurden damit eingeleitet, im Konjunkturpaket II ein zynisches Spiel zu erkennen. Und wie sonst sollte man es nennen, wenn man heute Gelder falsch und zudem unausreichend zur Verfügung stellt, nur damit das System des freien Marktes, mit all seiner Maßlosigkeit, mit aller Staatszurückgezogenheit, mit all seinem Hang, Menschen als Ware anzusehen, weiterhin bestehen kann, um diese Gelder irgendwann als Garotte zu verwenden, die aufgrund grundgesetzlich legitimierter Verschuldungsbremse, all jenen um den Hals gewunden wird, die auf die eine oder andere Weise auf Gelder aus den öffentlichen Kassen angewiesen sind. Es ist ja nicht gerade so, dass nach der Wirtschaftskrise Vollbeschäftigung winken würde - man wäre ja schon froh, wenn sich der status quo über ein, zwei, vielleicht drei Jahre aufrechterhalten würde. Kurzum: Geringverdiener, kleine Rentner, ALG II- oder Sozialgeldbezieher sollen von dem bißchen Mehr konsumieren, um ein System aufrechtzuerhalten, welches sie in diese mißliche Lage gebracht hat, welches sie wieder und wieder in die gleiche Lage bringen würde; sie sollen ferner konsumieren, damit bleibt was schon ist, und damit man endlich gesetzlich legitim der Neuverschuldung Herr wird, was dann wiederum auf den Rücken derer ausgetragen wird, die in der mißlichen Lage sind. So besehen ist das Entlastungspaket, an welchem die Armen sowieso nur zögerlich beteiligt wurden, nichts anderes, wie eine Henkersmahlzeit, wie ein Akt der Mitmenschlichkeit, ausgeführt von einem Scharfrichter - heute füttert er uns, morgen schneidet er uns die Kehle durch; nicht direkt, aber er läßt uns zumindest verhungern, deutet auf das Grundgesetz und sagt: Ich kann nichts dafür, im Grundgesetz steht eben, ich darf keine Schulden mehr machen, und das Gesetz ist mir heilig.
Nur gut, dass das wenige Geld, was man armen Menschen gibt, nicht für den Konsum aufgebraucht wird, weil wohl genug Altlasten vorhanden sind, die man mit der Einmalzahlung oder den geringem Mehr auf dem Konto, erstmal begleichen möchte. Von denen, die sowieso schon zu viel haben, um es monatlich aufzukonsumieren, ganz zu schweigen. Vielleicht liegt nämlich in einem nicht reibungslosen Schmieren der Maschine die Chance, ihn doch wenigstens ein wenig humaner zu gestalten - dem Koloss unter die Arme zu greifen, damit dieser nachher weitermacht wie eh und je, ist inakzeptabel und hoffentlich zum Scheitern verurteilt.
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