Suizidanten
Donnerstag, 8. Januar 2009
Es ist fraglich, ob jener Milliardär, der am Ende vielleicht nur noch Millionär war, wirklich derart in finanzielle Zwänge geraten, von erdrückenden Existenzsorgen genötigt worden wäre, um seinen Selbstmord erklärbar zu machen. Einerlei! Er hat seine Entscheidung getroffen, hat sich das Leben genommen, seiner Familie - so wird berichtet - einen Brief hinterlassen, der die Behauptung zuläßt, wonach ihn die Wirtschafts- und wohl doch eher die Finanzkrise gebrochen hätte. Es gilt nicht moralisch zu beurteilen, ob sich der - nun erlöste - Leidgeplagte feige aus der Affäre gestohlen hätte, ob ein solches Aus-dem-Leben-gehen überhaupt moralisch legitim erscheint - kein Beurteilungen, keine Verurteilungen.
Was aber beurteilt, was behandelt werden soll, sogar muß, ist die Tatsache, dass die erwähnte Person, auch wenn sie im Leben, so wie berichtet wurde, wenig Rücksichten auf seine Nächsten nahm, mit seinem Ableben etwas anstossen könnte, was bis dato immer wieder gekonnt aus der Öffentlichkeit herausgehalten wurde: das Tabu - der Suizid. Er geschieht aus vielen Gründen: unheilbare Krankheit, psychische Erkrankungen, Liebesleid. Und obwohl der Suizid immer noch ein heikles Thema für die Öffentlichkeit ist, weil ein traditionell-religiöses Denken selbst den Atheisten in dieser Frage vorgeprägt hat, sind doch die hier angegebenen Gründe nicht wahrhaft Tabuthema. Über Selbsttötungen aus solcherlei Gründen wird gesprochen, wird der Kopf geschüttelt, wird freilich auch moralisch geurteilt - doch all das findet öffentlich statt. Aber es gibt eine besondere Form des Suizides, die kaum behandelt, von der nicht gerne gesprochen wird. Nämlich jenen, wenn das Beenden des eigenen Lebens der finale Akt eines langwierigen, entwürdigenden, mit finanzieller Halsschlinge versehenen Vorspiels ist, wenn der Suizid also ökonomische Motive zur Grundlage hat; wenn der aus dem Leben Gehende durch Repressalien, öffentlichen Druck und dazugehöriger Häme, durch sozialen Abstieg und staatlich geduldete finanzielle Engpässe, die ihm ein würdiges Leben innerhalb der Gesellschaft verunmöglicht haben, aus purer Verzweiflung über seinen fundamentierten Status als Paria, ins selbstbestimmten Lebensende flüchtet.
Und solche Lebensabschlüsse sind keine Rarität, die dazugehörigen Gedanken, die einem solchen Entschluss oft schon Monate oder Jahre vorausgehen, dürften jedoch noch weniger rar sein. In diesem Lande - womöglich überall dort, wo angebotsorientierte Reform- und neoliberale Sozialpolitik betrieben wird - ist es keine Utopie mehr, dass sich Menschen das Leben nehmen, weil sie unter die Räder der gesellschaftlichen Ächtung geraten sind, wie sie im SGB II ausführlich definiert wurden. Nun war der betroffene Milliardär, dessen Tod nun die Klatschpresse betroffen macht, sicherlich keiner, der in den Genuss dieser vorzüglichen Reformesarbeit gekommen wäre - von den Wunderbarkeiten staatlicher Repression, finanzieller Garotten und gesellschaftsausschließender Guillotinen, hätte er wohl nie etwas erfahren, und dennoch ist er an diesem System zerbrochen. Zerbrochen daran, nicht mehr Gewinner gewesen zu sein, auch wenn sein Verlierertum ein relativ üppiges war, gewesen wäre - aber er steht denen, die sich aus reiner Verzweiflung, innerhalb dieser Gesellschaft keinen Fuß mehr auf dem Boden zu bekommen, ins Messer geworfen haben, doch sehr nahe. Hüben wie drüben war es dieses System des ungezügelten Marktes, welches den Menschen täglich predigt, es sei die einzig gangbare Art und Weise, allen Menschen zu ihrem Glück zu verhelfen, dass den Tod bewirkte - beidemale war nicht ein persönlicher Grund Antrieb zum Freitod, sondern die sozio-ökonomischen Strukturen; in beiden Kategorien - beim Milliardär und den verzweifelten Entrechteten - war das Entgleiten aus dem Hier und Jetzt ein vergesellschafteter Prozess- freilich in beiden Kategorien aus verschiedenen Sichtweisen, unterschiedlichen Schmähungen gelastet. Es macht einen Unterschied, ob verzockte Milliarden, die eine Reduzierung ungebremsten Reichtums und Macht zur Folge haben, oder nicht ausreichende 351 Euro als Grundlage zum "einzigen ernsten philosophischen Problem" (Camus) gemacht wurden - aber beidemale bewegt sich die Entscheidung im gleichen Rahmen, beidemale ist er sozio-ökonomischer Natur.
Er könnte also etwas anstossen, etwas bewirken im Tode, was er im Leben womöglich - wenn man den Berichten glauben darf - nie getan hat. Es hieß, er wäre einer der skrupellosesten Geschäftsleute dieser Republik gewesen, und da sich Milliarden nicht mit freundlichem Lächeln erwirtschaften lassen, darf man geneigt sein, daran nicht herumzuzweifeln - er war demnach nicht der vorbildliche Mitmensch. Aber in seinem Ableben könnte sich etwas Mitmenschliches finden, nämlich dann, wenn die Medien begreifen, dass die Berichterstattung über den Freitod eines Milliardärs nur der Einstieg sein kann, um dann auch über all die anderen zu sprechen, die als Opfer menschenverachtender Reformiererei, als Opfer eines Systems das stündlich inhumaner wird, den vorzeitigen Tod suchten. Es sollte darüber gesprochen werden, dass in einem System, in welchem Menschen lediglich aus ökonomischen Zwängen heraus zum allerletzten Mittel greifen, etwas nicht in Ordnung sein kann; darüber, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass sich ein Paria tötet, weil sein Status es quasi vorherbestimmt; darüber, dass eine Gesellschaft, die Menschen in oft ehrabschneidender Weise exkludiert, etwas im Argen liegt; darüber, dass der Tod vieler armgemachter, entwürdigter, abhängiggemachter Menschen dasselbe Recht hat, öffentlich diskutiert zu werden, wie der Suizid eines Milliardärs.
Doch der Tod von Hungerleidern ist wertlos, was Wert besitzt ist die Unglaublichkeit der Story, die in jenem aktuellem Fall wie ein Stoff für eine schlecht umgesetzte filmische Eigenproduktion eines Privatsenders anmutet. Und so entrüstet sich die eine Hälfte der Menschen moralisch über das Ableben des Reichen, während die andere sich im Mitleid suhlt - und die gesellschaftlich Ausgegrenzten sterben weiter, womöglich, wenn es so bitter kommt, wie manche befürchten, noch akuter, noch häufiger, noch freimütiger - so wie damals, 1929, als Berlin sieben Selbstmorde am Tag zählte.
Was aber beurteilt, was behandelt werden soll, sogar muß, ist die Tatsache, dass die erwähnte Person, auch wenn sie im Leben, so wie berichtet wurde, wenig Rücksichten auf seine Nächsten nahm, mit seinem Ableben etwas anstossen könnte, was bis dato immer wieder gekonnt aus der Öffentlichkeit herausgehalten wurde: das Tabu - der Suizid. Er geschieht aus vielen Gründen: unheilbare Krankheit, psychische Erkrankungen, Liebesleid. Und obwohl der Suizid immer noch ein heikles Thema für die Öffentlichkeit ist, weil ein traditionell-religiöses Denken selbst den Atheisten in dieser Frage vorgeprägt hat, sind doch die hier angegebenen Gründe nicht wahrhaft Tabuthema. Über Selbsttötungen aus solcherlei Gründen wird gesprochen, wird der Kopf geschüttelt, wird freilich auch moralisch geurteilt - doch all das findet öffentlich statt. Aber es gibt eine besondere Form des Suizides, die kaum behandelt, von der nicht gerne gesprochen wird. Nämlich jenen, wenn das Beenden des eigenen Lebens der finale Akt eines langwierigen, entwürdigenden, mit finanzieller Halsschlinge versehenen Vorspiels ist, wenn der Suizid also ökonomische Motive zur Grundlage hat; wenn der aus dem Leben Gehende durch Repressalien, öffentlichen Druck und dazugehöriger Häme, durch sozialen Abstieg und staatlich geduldete finanzielle Engpässe, die ihm ein würdiges Leben innerhalb der Gesellschaft verunmöglicht haben, aus purer Verzweiflung über seinen fundamentierten Status als Paria, ins selbstbestimmten Lebensende flüchtet.
Und solche Lebensabschlüsse sind keine Rarität, die dazugehörigen Gedanken, die einem solchen Entschluss oft schon Monate oder Jahre vorausgehen, dürften jedoch noch weniger rar sein. In diesem Lande - womöglich überall dort, wo angebotsorientierte Reform- und neoliberale Sozialpolitik betrieben wird - ist es keine Utopie mehr, dass sich Menschen das Leben nehmen, weil sie unter die Räder der gesellschaftlichen Ächtung geraten sind, wie sie im SGB II ausführlich definiert wurden. Nun war der betroffene Milliardär, dessen Tod nun die Klatschpresse betroffen macht, sicherlich keiner, der in den Genuss dieser vorzüglichen Reformesarbeit gekommen wäre - von den Wunderbarkeiten staatlicher Repression, finanzieller Garotten und gesellschaftsausschließender Guillotinen, hätte er wohl nie etwas erfahren, und dennoch ist er an diesem System zerbrochen. Zerbrochen daran, nicht mehr Gewinner gewesen zu sein, auch wenn sein Verlierertum ein relativ üppiges war, gewesen wäre - aber er steht denen, die sich aus reiner Verzweiflung, innerhalb dieser Gesellschaft keinen Fuß mehr auf dem Boden zu bekommen, ins Messer geworfen haben, doch sehr nahe. Hüben wie drüben war es dieses System des ungezügelten Marktes, welches den Menschen täglich predigt, es sei die einzig gangbare Art und Weise, allen Menschen zu ihrem Glück zu verhelfen, dass den Tod bewirkte - beidemale war nicht ein persönlicher Grund Antrieb zum Freitod, sondern die sozio-ökonomischen Strukturen; in beiden Kategorien - beim Milliardär und den verzweifelten Entrechteten - war das Entgleiten aus dem Hier und Jetzt ein vergesellschafteter Prozess- freilich in beiden Kategorien aus verschiedenen Sichtweisen, unterschiedlichen Schmähungen gelastet. Es macht einen Unterschied, ob verzockte Milliarden, die eine Reduzierung ungebremsten Reichtums und Macht zur Folge haben, oder nicht ausreichende 351 Euro als Grundlage zum "einzigen ernsten philosophischen Problem" (Camus) gemacht wurden - aber beidemale bewegt sich die Entscheidung im gleichen Rahmen, beidemale ist er sozio-ökonomischer Natur.
Er könnte also etwas anstossen, etwas bewirken im Tode, was er im Leben womöglich - wenn man den Berichten glauben darf - nie getan hat. Es hieß, er wäre einer der skrupellosesten Geschäftsleute dieser Republik gewesen, und da sich Milliarden nicht mit freundlichem Lächeln erwirtschaften lassen, darf man geneigt sein, daran nicht herumzuzweifeln - er war demnach nicht der vorbildliche Mitmensch. Aber in seinem Ableben könnte sich etwas Mitmenschliches finden, nämlich dann, wenn die Medien begreifen, dass die Berichterstattung über den Freitod eines Milliardärs nur der Einstieg sein kann, um dann auch über all die anderen zu sprechen, die als Opfer menschenverachtender Reformiererei, als Opfer eines Systems das stündlich inhumaner wird, den vorzeitigen Tod suchten. Es sollte darüber gesprochen werden, dass in einem System, in welchem Menschen lediglich aus ökonomischen Zwängen heraus zum allerletzten Mittel greifen, etwas nicht in Ordnung sein kann; darüber, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass sich ein Paria tötet, weil sein Status es quasi vorherbestimmt; darüber, dass eine Gesellschaft, die Menschen in oft ehrabschneidender Weise exkludiert, etwas im Argen liegt; darüber, dass der Tod vieler armgemachter, entwürdigter, abhängiggemachter Menschen dasselbe Recht hat, öffentlich diskutiert zu werden, wie der Suizid eines Milliardärs.
Doch der Tod von Hungerleidern ist wertlos, was Wert besitzt ist die Unglaublichkeit der Story, die in jenem aktuellem Fall wie ein Stoff für eine schlecht umgesetzte filmische Eigenproduktion eines Privatsenders anmutet. Und so entrüstet sich die eine Hälfte der Menschen moralisch über das Ableben des Reichen, während die andere sich im Mitleid suhlt - und die gesellschaftlich Ausgegrenzten sterben weiter, womöglich, wenn es so bitter kommt, wie manche befürchten, noch akuter, noch häufiger, noch freimütiger - so wie damals, 1929, als Berlin sieben Selbstmorde am Tag zählte.
21 Kommentare:
Über die in den "Freitod" getriebenen Reformopfer werden die Medien nicht berichten. Denn es gibt sie (offiziell) nicht. In den Protokollen der Polizei werden solche Fälle als "depressiv" oder "seelisch instabil" abgeheftet. Also das widerliche "selbst schuld!" gegenüber den Opfern des Klassenkampfes von oben nach unten.
Merckle stellte sein "Ansehen als Elite und Leistungsträger" über seinen Selbsterhaltungstrieb. Er ist also Opfer des neoliberalen Wahns geworden, nachdem man die Gottgleichheit und Unfehlbarkeit eines Menschen ausschließlich an seinem Kontostand erkennen kann.
So sieht es aus, das kapitalistische Menschenbild:
Du bist alles oder nichts.
Als Nr.4 der reichsten Deutschen bekommt man natürlich das "Bundesverdienstkreuz 1. Klasse" überreicht. Vielleicht hatte er auch Angst, er müsse es nun wegen seiner Armut zurückgeben? ;)
Lieber Roberto J. De Lapuente,
ich stimme dir völlig zu, auch wenn ich schon anderes darüber dachte, denn die Zahl der HartzIV-Selbstmörder dürfte schon seit Einführung der "Reform" eine gewaltige Dunkelziffer sein. Nur ist es eben dort so, dass man diese Verzweiflungstaten in einem völlig anderen Licht sieht - nicht nur finanziell, wie Du völlig richtig schreibst - sondern auch "psychisch". Bei Merckle wird nun Mitleid geäußert, bei denen die aufgrund von Hartz IV Selbstmord begingen - so wurde letzten Sommer ein Fall geschildert, wo einer auf einem Hochsitz im Wald verhungert ist - schiebt man sofort psychische Gründe vor, d.h. auch im Tod wird weiter gegen die HartzIV-Selbstmörder gehetzt - von einer gewissen Springer-Presse. Was mir beim Fall Merckle übrigens auch bitter aufstieß, als jemand, der durch einen unfreiwilligen Todesfall in eine ähnliche Situation geraten ist ist der Fall, dass die Medien nun berichten, dass Merckles Firmenimperium gerettet ist. Wo bleibt hier das Mitleid mit dem geizigen Merckle? Ist es nur noch wichtig, dass das Unternehmen gererettet wird? Ich denke es ist höchste Zeit, dass unsere Gesellschaft über eine neue Form von Ethik nachdenkt - Ich stelle mir vor, dass so ein Selbstmord in der Ära Helmut Kohls geschehen wäre. Ich bin sicher, die Betroffenheit der Medien um den Menschen Merckle wäre größer gewesen als um sein Firmenimperium - wohlgemerkt ich will hier keinen erklärten Kapitalisten verteidigen, sondern nur aufzeigen, dass auch in solchen Fällen - wohl deutlicher als sonst - die asoziale Marktwirtschaft ihr wahres, menschenverachtendes Gesicht zeigt.
Wer jetzt noch denkt, dass der Neoliberalismus super ist, der ist wirklich ein Fall für die geschlossene Anstalt einer Psychiatrie - dies ist A. Merckle, und deinem Text, hoffentlich gelungen, die wahre Unmenschlichkeit des "neuen Kapitalismus" aufzuzeigen, die nur völlig hirntote Irre, eben neoliberale CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNEN-Menschen verteidigen können.
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
PS: Ich Berlin muß man sogar Teile der Partei DIE LINKE zu den oben erwähnten neoliberalen hirntoten Zombies zählen :-(
Noch was:
Ich schreibe ja selbst, dass ich in einer ähnlichen Situation bin, seit das Finanzamt die Würgegarotte um unsere Unternehmen, dass seit dem unfreiwlligen Tod meines Vaters in Erbengemeinschaft weitergeführt wird, bin, aber ich denke zwar öfters über meinen Freitod nach, tun werde ich es aber höchstwahrscheinlich nicht, da ich erstens nicht weiß was danach kommt, zweitens noch an meinem Leben hänge und drittens noch miterleben will, wie die neoliberale Ideologie auch in Deutschland scheitert.
Finanziell bin ich übrigens längst schon tot, da ich Geringverdiener bin, derzeit finanziell klamm bin und daher - außer Einkaufen für meine Arbeitgeber - nicht aus dem Haus gehe. Man vereinsamt zusehends, aber eine Alternative ist ja, wegen des Einbruchs auf dem Arbeitsmarkt - wegen der Finanzkrise - auch nicht mehr so einfach zu ergattern wie früher.
Unsere "dummen" (Zitat: Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman) Politiker der Großen Koalition wollen ja weiter wursteln wie bisher - Proteste gegen diese megafalsche Politik in Deutschland? Fehlanzeige.
Ich hoffe, dass ich noch eine Kehrtwende erlebe, allein dies hält mich noch am Leben.....
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
vor zirka 2 jahren bin ich 3 mal mit dem ICE gefahren. davon gab es bei zweien erhebliche verspätungen wegen selbstmord auf der strecke. in der durchsage heißt es dann, wegen eines personenschadens.
bei zweiten mal konnte ich auskunft von einem zugbegleiter erhalten. er sagte, daß die anzahl derjenigen, die sich vor den zug werfen, in den letzten jahren stark zugenommen hätte, möglichwerweise seit der einführung von hartz IV.
Der Mann kann einem leid tun. Er hätte mit Sicherheit auch ohne seine Milliarden noch ein menschenwürdiges Leben führen können - im Gegensatz zu vielen anderen, die am Existenzminimum herumkrebsen. Die Bedeutung des Geldes für solche Leute wird hier mal wieder mehr als klar. "Ich bin, weil ich habe."
Manchmal tötet das System noch direkter http://www.stern.de/panorama/:Kommentar-Der-Hungertod-Hartz-IV/587395.html.
Sehr treffende Analyse, wobei man vielleicht noch mehr darauf hinweisen, dass viele Depressionen damit zusammenhängen, dass die Menschen, oft gegen ihren eigenen Willen, zu einem Menschenbild getrieben werden, das ausschließlich den wirtschaflichen Erfolg als Gradmesser für den Selbstwert eines Menschen anbietet.
P.S.: Danke für den tollen Blog!
Danke Roberto für diesen wichtigen Artikel
@Klaus Baum
meine Tochter erlebte bislang auf wirklich JEDER Bahn-oder U-Bahnfahrt in unsere ehemalige Heimatstadt einen Suizid.
...Es ist wie Stimmen hören... die Verzweiflung...wenn sie gross genug ist kann sich ein Mensch nicht mehr wehren gegen den Selbszerstörungstrieb und die Sehnsucht sich selbst zu befreien, der Körper, die Gefühle und Gedanken werden zu einem Kerker dessn Mauern man sprengen will.
Ich schrieb ja hier schon in einem Kommentar, moment ich suche ihn:
Selbst zum Wolf werden
"Bevor ich mich selbstständig gemacht hatte mit einem eigenen kleinen Fair Trade business habe ich in einer xxxxL Fa der Einrichtunsbranche gearbeitet.
Eine neue Filliale war in m. gegend errichtet worden und die Arbeitsagentur subventionierte mind 20 % der Belegschaft für 6 Monate. (man muss sicher nicht erwähnen dass nach der 6-monatigenProbezeit mind. 40% der Belegschaft wieder entlassen wurde!) Wir wurden mit Musik bei Laune gehalten jeden Tag dieselbe Pladde - message der songs: Make Money, Make More Money,and Make even Much More Money!
Das allein war kaum zu ertragen. Zudem waren wir auch noch der pausenlosen Beobachtung durch die Ü- Kameras ausgesetzt. Nun ging der Wettbewerb los wer schafft die Probezeit wer macht die meisten VK Abschlüsse....Jeden Tag mussten wir den Bossen sagen welches € Ziel wir vor Augen hatten. Fazit ein Kollege der sein Ziel wieder nicht erreicht hatte, weil ihm seine werten Kollegen die Kunden immer wieder kurz vor Abschluss des KV einfach abnahmen, stürzte sich vom 5. stock in die Tiefe, mitten in die Eingangshalle. Er erlag seine Verletzungen in der selben Nacht in der Klinik und hinterließ Frau u. ein oder 2 kl Kinder.
Wachten die Kollegen endlich auf? Nein, Blumen die Angehörige an den Tatort legten wurden entsorgt, und der Kollege verunglimpft der uns ja schließlich auch alle in Lebensgefahr gebracht und zudem seine Fam im Stich gelassen hatte. Schon vor dem Selbstmord des Kollegen der immer sehr freundlich und hilfsbereit gewesen war konnte ich nicht fassen wo ich hier gelandet war - Scientology?! was lassen wir hier mit uns machen Leute! Jeder spioniert jeden aus. Soll das menschliches Leben sein? Ich wurde ernsthaft krank. Nachdem ich dann nach dem Tod des Kollegen ins Chefzimmer gerufen wurde lag da schon ein vorgfertigter Vertrag Ich hatte 30 Min Bedenkzeit und akzeptierte den Aufhebungsvertrag.
Um einen weiteren AMOKLAUF zu verhindern."
Wie krank muss man eigentlich sein, sich wegen bedrucktem Papier,
was für sich genommen völlig wertlos ist, selbst umzulegen?
Sind wir geboren worden, nur um Geld zu scheffeln, Geld auszugeben und Güter zu konsumieren?
Es wird Zeit, sich schleunigst aus dieser Matrix zu befreien.
Hm, interessanter Beitrag. Von dieser Seite hatte ich mir den Suizid von Herrn Merkle noch gar nicht angeschaut. Ich habe allerdings Zweifel, dass unsere Medien aus diesem Grund die Marschrichtung aendern sollten. Ein Selbstmord in der Elite ist schliesslich etwas ganz anderes als ein Selbsmord im Proletariat. Wie schon angemerkt, auch mit der sicher hochinteressanten Zahl dieser Selbstmorde in den Nicht-Eliten ist erstens vielleicht noch zu ermitteln, zweitens kraeht aber kein Hahn danach.
Hallo, Robert. Da dein Blog meine Backlinks nicht mag, hier mal die manuell eingetragene URL meines Diskussionsbeitrags zum Merckle-Selbstmord:
Adolf Merckle: Zynisch in den Tod
"Und so entrüstet sich die eine Hälfte der Menschen moralisch über das Ableben des Reichen, während die andere sich im Mitleid suhlt ..."
Es gibt auch noch die, die das Geschehene zwar bemerkenswert finden, aber sich auf keine der genannten Seiten stellen würden. Stattdessen stellen sie lieber Fragen - z. B. die Systemfrage. Oder die soziale Frage.
Jetzt hat es auch mal einen von denen erwischt. Und? Was ist zu erkennen? Nichts was man nicht schon vorher wusste: das System ist unmenschlich.
@geheimrätin: sehr aufschlußreich wäre es sicherlich, erfahrungsberichte aus den betrieben über das arbeits- und betriebsklima zu erhalten. ich vermute, es wäre erschreckend oder gar noch schlimmer als das.
Ist man erst mal drin in der Falle und wird krank, weil man die ganze Situation nicht mehr aushält – bei mir war es mobbing aus der Chefetage – und geht dann zum Arzt, wird man erst mal gleich mit Psychopharmaka voll gestopft und ruhig gestellt. Das war die einzige Behandlung meiner Depressionen. Ich habe die Medikamente dann auch brav vier Jahre lang geschluckt und lief in dieser Zeit rum wie ein Zombie. Als ob dieser Zustand besser wäre! Auch die Selbstmordgedanken waren damit nicht einfach weg, nur die Methode war dann einfach egal. Nach knapp vier Jahren kamen dann auch die Depressionen wieder! Erst im Internet habe ich dann erfahren, das sämtliche Antidepressiva nicht nur abhängig, sondern auch nach längerer Einnahmezeit depressiv machen! Nachdem ich das gelesen hatte, war sofort Schluss mit der Einnahme. Danach hatte ich allerdings 4 Wochen die Hölle, wegen der Entzugserscheinungen ( angeblich wird man ja von den Pillen nicht abhängig ).
Ich will damit nur sagen, es gibt sicherlich sehr viele Menschen, die an Depressionen leiden, weil sie die Zustände in denen sie leben und arbeiten müssen einfach nicht ertragen. Die meisten werden dann wohl wie ich mit Antidepressiva zugedröhnt. Damit ist man allerdings genauso krank, nur anders. Gefühle gibt es dann nicht mehr, weder gute noch schlechte – Zombie eben! Davon profitieren kann dann nur dein Arbeitgeber. Du machst widerspruchslos deine Arbeit, wirst nicht aggressiv und hältst die Klappe.
Ich frage mich oft, ob das nicht alles auch so gewollt ist, Menschen in die Depression oder Medikamentenabhängigkeit zu bringen. Der eine oder andere Selbstmord ist da wohl mit eingeplant. Wer braucht schon noch Menschen mit Gewissen und Gefühlen? Eiskalte Typen sind gefragt, die nicht weiter nachdenken und tun was der Markt diktiert nach dem Motto: Geld regiert die Welt und haste was, biste was.
Ich werde jedenfalls den Teufel tun und irgendjemanden noch den Gefallen meines vorzeitigen Ablebens erweisen. Ich will diese ganze menschenverachtende Bande noch untergehen sehen.
Der eine Aspekt, der mir zum Thema Suizid einfällt, ist "echte" Männlichkeit. In den gehobenen Kreisen haben sich früher "echte" Männer bei Versagen oft selbst erschossen. Und viele NAZI-Größen hatten ihr Leben durch Selbstmord (z. B. Zyankalikapsel, die sie immer bei sich trugen) selbst beendet.
Doch zurück zu den in den "Freitod" getriebenen Reformopfern.
Die Psychiater haben neben der "Depression" noch eine weitere, viel "aussagekräftigere" Diagnose: Anpassungsstörung (F43.2). Aus Wikipedia: Eine Anpassungsstörung ist eine Reaktion auf einmalige oder fortbestehende belastende Ereignisse. Beispiele sind: Reizbarkeit, Gruppenclown, Außenseiter, aggressives Verhalten, Unbeherrschtheit, Introvertiertheit. Mit so einer Diagnose, kann man jeden Kritiker mundtot machen. Im "Dritten Reich" nannte man das Gleichschaltung. Aus Wikipedia: Unter Gleichschaltung wird die Einschränkung oder der Verlust der individuellen Persönlichkeit beziehungsweise der Unabhängigkeit, Mündigkeit und Freiheit eines Menschen durch Regeln und Gesetze sowie sonstige Maßnahmen der Gleichsetzung und Vereinheitlichung der Massen verstanden.
Es ist 5 nach 12
Oft denke ich über folgende Zeilen nach:
Leiden als Leistung
War uns der Sinn des Leidens einmal offenbar geworden, dann lehnten wir es auch ab, die Leidfülle des Lagerlebens zu verharmlosen oder zu verniedlichen, indem wir sie "verdrängten" und uns über sie hinwegtäuschten – etwa durch billigen oder verkrampften Optimismus. Für uns war auch das Leiden eine Aufgabe geworden, deren Sinnhaftigkeit wir uns nicht mehr verschließen wollten. Für uns hatte das Leiden seinen Leistungscharakter enthüllt – jenen Leistungscharakter, der einen Rilke bewogen hat, auszurufen: "Wieviel ist aufzuleiden!" Wie man von "aufarbeiten" spricht, so spricht hier Rilke von "aufleiden"...
Für uns war wohl "viel aufzuleiden". Darum war es aber auch notwendig, den Dingen, der Leidfülle, gleichsam ins Gesicht zu sehen; auf die Gefahr hin, daß einer da "weich" wurde, daß er vielleicht einmal insgeheim seinen Tränen freien Lauf ließ. Er hätte sich dieser Tränen nicht zu schämen gebraucht. Sie bürgten dafür, daß er den größten Mut hatte: den Mut zum Leiden! Davon wußten aber die wenigsten, und nur verschämt gestanden sie gelegentlich, daß sie wieder einmal sich ausgeweint hatten -, so wie jener Kamerad, der einmal auf meine Frage, wie er denn seine (Hunger-)Ödeme zum Schwinden gebracht, eingestand: "Ich habe sie mir herausgeweint..."
"...trotzdem Ja zum Leben sagen"
Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager
Viktor E. Frankl
Welt-Online erhört "ad sinistram"
;)
"[...]Es wird Zeit, sich schleunigst aus dieser Matrix zu befreien.[...]"
Wie Recht du hast zeigen nicht nur die Selbstmorde sondern auch die steigende Zahl der Erfrierenden in Deutschland - beim "kältesten Winter seit 100 Jahren".
Keiner frägt sich warum die Obdachlosen, und älteren Menschen, die sich auf die Straße verirren, erfrieren - es wird als Naturgesetz abgetan.
Mir schon so eben ein Gedanke durch den Kopf:
Könnte es sein, dass sich auch hier die Unmenschlichkeit des neoliberalen Systems zeigt?
Wieso gibt es derzeit soviele Obdachlose auf Deutschlands Straßen?
Keiner frägt danach - ich kann mich auch irren, aber ist mir aufgefallen, dass hier so getan wird als wäre es ein Naturgesetz, dass in Deutschland Obdachlose wieder zuhauf erfrieren....
Man nennt dieses Naturgesetz: HartzIV.
Die eigentlich interessante Frage ist für mich: Warum hat ein Mensch, der Presseberichten zufolge über ein Vermögen von 8 Mrd. Euro verfügt, überhaupt noch das Interesse zu spekulieren? Hätte er sich gesagt, genug ist genug, wäre sein Vermögen vermutlich gar nicht in Gefahr geraten. Es war wohl doch die Gier...
"[...]Die Psychiater haben neben der "Depression" noch eine weitere, viel "aussagekräftigere" Diagnose: Anpassungsstörung (F43.2). Aus Wikipedia: Eine Anpassungsstörung ist eine Reaktion auf einmalige oder fortbestehende belastende Ereignisse. Beispiele sind: Reizbarkeit, Gruppenclown, Außenseiter, aggressives Verhalten, Unbeherrschtheit, Introvertiertheit. Mit so einer Diagnose, kann man jeden Kritiker mundtot machen.[...]"
Diese Diagnose wurde bereits bei Mitarbeitern des Finanzamtes Frankfurt gestellt, die ihre Aufgabe zu ernst nahmen und auch bei Superreichen auf Steuerbetrug ermittelten. Hat aber - noch, zum Glück muss man wohl sagen - ein "übles Nachspiel" für den diese Diagnose stellenden Amtspsychiater des Finanzamtes gehabt, der wurde angezeigt und verklagt, wegen Amtsmißbrauchs und falscher Diagnose - mein Fazit: Solange wir in einem Rechtsstaat leben braucht keiner zu befürchten mit dieser Diagnose ausgegrenzt zu werden, denn auch ein Psychiater steht nicht über dem Gesetz - wie bereits erwähnt - noch ist dies so....
Zum Glück für die Betroffenen, egal wo die nun arbeiten....
@Michael Schöfer
Hast auch wieder recht, und übrigens was ich letztens - noch vor Merckels Selbstmord hörte - ist, dass der eigene Sohn auch nichts mehr von A. Merckle wissen wollte, d.h. nun wird so getan als wäre alles Friede, Freude, Eierkuchen, aber hinter der Kulisse wird wohl doch einiges an Streit in der Familie getobt haben, was Herrn Merckel wohl auch zu dieser Verzweiflungstat - die im übrigen mutig war, denn ein Selbstmord ist keineswegs feige, wie manche in .de immer noch denken - getrieben hat.
Die Wahrheit wird wohl tröpfchenweise ans Licht kommen.....
Devise:
abwarten....
natürlich ist depression nur eine billige ausrede. denn wenn nicht bekannt ist, was eine depression auslöst, und darauf kommt es an, werden alle suizidanten immer patologisiert werden.
auch der tod gehört zum leben, mithin auch der selbtgewählte tod.
was ich bei allem nicht verstehe, und das ist auch der heutigen faz geschuldet, in der auch die, wie immer, heuchelden todesanzeigen des verdienten ehrenhalber dr med und bundeskreuzträger der allerersten klasse steht, ist die tatsache, daß offensichtlich der eigene narzißmus ihm den garaus gemacht hat.
soweit meine ferndiagnose.
inhaltlich hat sich sowieso niemand damit auseinander gesetzt, warum zb ein milliadär besser sein soll als (viele) millionäre. und ob der konzentration von geld und macht nicht schon allein deshalb unanständig ist, weil das geld damit, und offensichtlich, anderen fehlt.
als sachverwalter war er sowieso nicht so gut, wie es die medien bislang glauben machen mochten.
also ruhe in frieden und komm nicht mehr wieder!
"[...]also ruhe in frieden und komm nicht mehr wieder![...]"
Ich würde noch hinzufügen, gerade wegen Lokführern der Bahn, ....und stifte keine Trittbrettfahrer zur Tat an.....
Gruß
Nachdenkseiten-Leser
Kommentar veröffentlichen