In nuce

Mittwoch, 7. Januar 2009

Bereits 400 Terroristen sollen von der israelischen Armee getötet worden sein - so berichten es diverse Medien, hinterfragen dabei aber nicht, woher man sich sicher sein will, dass die Getöteten wirklich Terroristen waren. Aber Abhilfe schaffen die Vereinten Nationen, die zwei Kriterien ins Leben gerufen haben, mit welchen festzustellen sein soll, ob es sich bei den Ermordeten um "zivile Opfer" oder Hamas-Leute handelte. Die Kriterien lauten: Alter und Geschlecht - Frauen und Kinder sind demnach "zivile Opfer", während Männer im wehrfähigen Alter zunächst als Hamas-Kämpfer zu gelten haben. So einfach kann man sich Opferzahlen ein wenig schönrechnen.
Die TAZ macht diesen Umstand zu ihrer "Entscheidung des Tages" (siehe Bild), fragt danach, ob diese Zählweise nicht diskriminierend sei und bietet ganze zwei Antwortmöglichkeiten an, die beide wenig Spielraum lassen. Entweder pflichtet man der Zählweise der UN bei oder man spricht sich dafür aus, dass die Zählart zwar hanebüchen ist, aber nur, weil ja auch jugendliche oder weibliche Palästinenser potenzielle Terroristen sein könnten. Anders gesagt: Entweder kann man laut TAZ also glauben, dass nur jeder männliche Palästinenser im Wehralter a priori als Hamas-Mann gilt oder man glaubt gar, das ganze Volk steht zur Hamas. So besehen schlummert im palästinensischen Volk so oder so ein riesiges Aggressionspotenzial. Für den Lösungsweg zunächst jedes Opfer zu zählen, jeden Toten einzureihen, darauf kommt nicht mal dieses traditionelle Blatt der deutschen Linken - man gönnt eben Israel einen Krieg mit möglichst wenigen Kollateralschäden.

Henryk M. Broder ist der Mann, der die Gosse ins Feuilleton gebracht hat, der so tut, als schreibe er polemische Zeilen, während er munter beleidigt und unter die Gürtellinie austeilt. Dafür wurde er immer wieder ausgezeichnet, denn die herrschenden Kreise haben es gerne, wenn die Gosse zugunsten des divide et impera (im Falle Broders: Spaltung der Gesellschaft durch journalistisch aufgestachelten "Kampf der Kulturen" und Verklärung der Moslems zu Gewalttätern) zur Waffe erhoben wird - aber nur dann, denn wenn die Gosse ins Politische abdriftet, wenn sie den Politik- und Wirtschaftsgenossen direkt an den Kopf geknallt wird, dann ist sie nicht mehr erwünscht, dann fühlt man sich beleidigt und drangsaliert. Ebendieser Broder, dieser Prometheus des Rinnsteins, hat nun einen Prozess gewonnen. Auf seinem Blog mit dem bezeichnenden Namen "Die Achse des Guten", hat er die Tochter des ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Heinz Galinski, derb angegriffen und sie eine Antisemitin genannt. Immerhin sei Evelyn Hecht-Galinski, diese "hysterische, geltungsbedürftige Hausfrau" israelkritisch, damit antizionistisch. Die Dame, die diesen Gossenbuben viel zu ernst nahm, zog vor Gericht, weil sie sich nicht als Antisemitin titulieren lassen wollte - und verlor. Sie muß sich demnach durchaus gefallen lassen, als antisemitisch bezeichnet zu werden. Dem kann man auch nur entsprechen, denn es soll ja nicht sein dürfen, dass man mit seiner Meinung, sei sie auch noch so verquer, zurückhalten muß, nur weil irgendein politischer Korrektheitknigge dies verlangt. Und so besehen muß man Broder auch als das bezeichnen, was er ist: Er greift eine jüdische Frau an, beleidigt sie, stellt sie öffentlich bloß - damit ist er ein unerträglicher Antisemit, der seinen zur Perfektion entwickelten Rinnstein-Dialekt als Eloquenz zu verkaufen weiß, während ihm jegliches Gefühl für Benehmen fehlt, Gefühl für Weitsicht und journalistische Klarheit sowieso.

Zum Abschluß noch einige weise Worte zum Thema Gegenöffentlichkeit, die es wert sind, hier zitiert zu werden: "Es langt nicht, Fakten zu benennen, wenn wir uns über die Bedingungen nicht im Klaren sind, die freies Denken ermöglichen - oder eben unterlaufen. Warum sind Vorurteile so attraktiv, dass sie sich wider alle Erfahrung und auch bei offenkundigen Widersprüchen immer wieder durchsetzen? Wer sich diesen Fragen nicht stellt, schreibt seine aufklärenden Texte ins Wasser. Der Aufbau einer Gegenöffentlichkeit macht keinen Sinn, wenn man sich weigert, mit der "Taucherglocke" (Harry Mulisch) zu den Abgründen zu tauchen, in denen der Teufel zu Hause ist. Aka: Jene Gründe zu Hause sind, die Aufklärung häufig so schwierig machen, weil sie symbiotisch mit dem "triumphalen Unheil" verbunden sind. Es ist sinnlos, einem Rassisten einfach Infos zukommen zu lassen. Ich dachte, wenigstens diese Banalität sei im Jahr 62 nach DdA (Dialektik der Aufklärung) so einigermaßen klar."

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