In nuce

Mittwoch, 12. März 2008

Zurück zur Dauerkampagne. Nachdem die BILD-Zeitung kräftig mitgeholfen hat, den linken Annäherungskurs der Suizidaldemokraten zu verunmöglichen, betätigt man sich erneut auf bekannten, oft betretenen Terrain: Die Deinstallierung der umlagefinanzierten Rente. Diesmal baut BILD auf die Worte des kühlen Apokalyptikers Kotlikoff, der in wissenschaftlicher Bodenständigkeit kundtat, dass die ältere Generation versucht, die Jungen auszubeuten. Dies sei eine historische Tatsache, denn jede ältere Generation betreibe dieses Spiel. Freilich ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die älteren Jahrgänge immer von den aktuell jungen Jahrgängen miternährt werden mußten. Dies liegt nun einmal in der Natur der Dinge. Ein älterer Mensch kann sich eben nicht mehr sein eigenes Brot selbst verdienen, so wie ältere Menschen einst nicht mehr jagen oder fischen konnten, weil es ihnen körperlich unmöglich wurde. Kurzum: Rentner beuten also Arbeitnehmer aus, weil sie angeblich zu hohe Renten bezögen. Sie kassieren viel mehr, als sie jemals eingezahlt haben. Wissentlich geht man hier am Wesen der Umlagefinanzierung vorbei, das anders als die Kapitaldeckung, nicht derart konzipiert ist, Menschen nur das auszubezahlen, was sie auch tatsächlich einzahlten. BILD liefert natürlich Zahlen: Bis zu 250.000 Euro würde mancher Rentner mehr herausbekommen. Man fragt sich, von welchem Rentner hier gesprochen wird. Doch nicht etwa von dem Großmütterchen, welches eine Monatrente von 550 Euro bezieht? Bei den Jungen - damit das Ausspielen der Generationen auch wirkt - ist es natürlich geradewegs umgekehrt: Sie bezahlen und bezahlen und bekommen immer weniger am Ende heraus. Und damit der BILD-Leser bei dieser Lektüre nicht depressiv wird, präsentiert man am Schluß des "Artikels" eine Weiterleitung, die da heißt: "Alles was Sie über Rente wissen sollten - Ratgeber gibt's hier!" Siehe da, man landet im BILD-Shop...
Natürlich kann es sich die BILD nicht leisten, weitere Leser zu verlieren. Deshalb muß man die Leser älteren Jahrgangs moralisch entlasten und schiebt die Schuld auf das Rentensystem. Schuld haben sie zwar nicht, aber maßhalten sollten sie dennoch. Denn - und so setzt der Kommentator Nikolaus Blome seine Sophisterei fort: Generationengerechtigkeit könne nur erzielt werden, "wenn Generationen füreinander denken – und nicht gegeneinander Krieg führen."

Während sich die hessische Wählerschaft getrost als Verlierer der Landtagswahlen begreifen darf, entsteht innerhalb der SPD - und auch außerhalb der Partei - ein neuer Heldenmythos. Die Abgeordnete Dagmar Metzger und ihr arg besorgtes Gewissen, welches ihr eine Kooperation mit den angeblichen Kommunisten und den damit verbundenen Wortbruch der Ypsilanti verbat, werden in peinlichster Devotion gelobhudelt. Darf man annehmen, Metzger hätte sich genauso gewissentlich verweigert, wenn der Wortbruch darin bestanden hätte, Mehrwertsteuersätze zu erhöhen, obwohl diese vor der Wahl kategorisch ausgeschlossen waren? Oder hätte sie einen Wortbruch ebensowenig ertragen können, wenn der vor dem Wahlgang abgelehnte weitere Sozialabbau später doch Wirklichkeit geworden wäre?
Heldensagen. Was dem einen ein Held, ist dem anderen eine pervertierte Unperson; was dem einem ein Aufrechter ist, ist dem anderen ein Lügner. Oder was unterscheidet eigentlich Dagmar Metzger von Oskar Lafontaine? Als einst Lafontaine sein Gewissen befragte, weil er aktiv am Bruch eines Wahlversprechens mitwirken sollte, da hat man ihn einen verantwortungslosen Egomanen geschimpft. Später erklärte man ihn zum Populisten, der in jedem trüben Wässerchen nach Wählern fischt. Auch so können "Helden des Gewissens" enden...
Innerhalb einer moribunden Sozialdemokratie scheint es derzeit einfach zu sein, sich zum Helden aufzuschwingen. Tief ist sie in ihrem Verfall schon gesunken: Stilisiert eine drittklassige Abgeordnete zum parteilichen Übergewissen, vergählt es sich mit möglichen Koalitionspartnern und sucht die Schuld für die eigene Misere auch noch im fremden Lager, namentlich bei der LINKEN. Darauf Gysi: "
Was in Hessen passiert ist, hat nichts mit uns zu tun. Es ist Ausdruck der inneren Zerrissenheit der SPD.", und trifft den Nagel auf dem Kopf.

Kritische Worte zur katholischen Kirche finden sich hierzulande selten. Seitdem ein Deutscher innerhalb des Vatikans die Fäden zieht, sich zum lächelnden Despoten hat erwählen lassen, verstummte die eigentlich angebrachte Kritik um ein weiteres Maß. Nun, da die Kirche aber das Profitstreben des herrschenden Systems angreift, da sie nicht das Individuum, sondern das System selbst als die Wurzel des Übels proklamierte, da ist es mit der Zurückhaltung zunächst einmal vorbei, da darf die Rückständigkeit dieser Institution angegriffen werden. Da bringt man zusammen, was nicht zusammengehört, rückt die LINKE neben die Kirche: Beide wollen ja die Welt verändern. Die katholische Kirche will eine "Moraldiktatur" umgesetzt wissen. - "Der Linkspartei wird gern unterstellt, sie wolle „eine andere Republik“. Dem Vatikan braucht man das nicht zu unterstellen. Es ist so. Eine Republik, in der die Jagd nach dem Profit verboten ist, wäre keine Marktwirtschaft. Eine Republik, in der „exzessiver Reichtum“ verboten ist, wäre nicht kapitalistisch." - Kritik am System wird konsequent verurteilt, mundtot gemacht, diskreditiert. Die fadenscheinigsten Thesen - wie sie die Kirche ansonsten vertritt - können im System überleben, nur nicht die These, dass das System krank sei und krank macht. Der Totalitarismus der Marktfreiheit ist eine Freiheit der Profite, keine Freiheit der Meinung.

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