Mitmachfernsehen: Sputum medialer Unterhaltung

Samstag, 5. Januar 2008

Sich nicht abzufinden, nicht einfach den Kopf in den Sand zu stecken, Gegebenes und medial Aufbereitetes nicht kommentarlos stehenzulassen ist Aufgabe einer sich formierenden Gegenöffentlichkeit. In diesem Sinne ist es förderlich, Mißstände beim Namen zu nennen und die Erzeuger von Mißständen mit ihrem eigenen Versagen oder willentlichen Tun zu konfrontieren. Ob es Veränderungen bewirkt, sei zunächst dahingestellt, aber zumindest wird jenen begreiflich, daß man ihr institutionelles Dahinpfuschen nicht stillschweigend zur Kenntnis nimmt.

Folgende Zeilen ließ ich heute der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) zukommen, nachdem ich mich wieder einmal, über die Vorgehensweisen diverser Spielesender ärgern mußte, die ich als einen Ausdruck größter Dekadenz des kapitalistischen Wesens betrachte. Aus rechtlichen Gründen - um nicht mit der Bissigkeit derer konfrontiert zu werden, die sich diese edlen Sendeformate ausdenken -, werde ich einen fiktiven Spielesender benennen; ich werde ihn spontan und ohne Hintergedanken "8 Leif" nennen. Anzumerken sei noch, daß ich mich auf einen Fernsehbericht stütze, der zwar bereits vor längerer Zeit ausgestrahlt wurde, aber bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat.

Sehr geehrte Damen und Herren,
einem Bericht des ARD-Magazins "Plusminus" zufolge, ist die BLM zuständig für die Überwachung des "Spielesenders 8 Leif". Dort - im Bericht - wurde nachgefragt, warum man die Machenschaften des erwähnten Senders dulde und nicht eingreife. Die BLM - in Vertretung eines Herrn Gebrande - legte dar, daß das Mitspielen eine freie Entscheidung des Zusehers bzw. Anrufers sei.
Grundsätzlich ist diese Ansicht natürlich richtig. Aber die BLM kann doch nicht leugnen, daß die obskuren Spielweisen, das Heranziehen hanebüchener Regeln, das willentliche Verneinen richtiger Antworten (die sich im Verlaufe der Spielauflösung als richtig herausstellen) als Verunsittlichung der Fernsehlandschaft gelten müssen. Hier lernen bereits Kinder, wie man mit arglistigen Methoden Menschen zur Kasse bittet, wie man unterschlägt, abwiegelt, hintergeht, manipuliert - daher gereicht mir der Terminus "Unsittlichkeit" als passend. Freilich könnte sich die BLM damit herausreden, daß der Zuseher sein Fernsehprogramm bekommt, d.h. der Unsittliche hat Verlangen nach unsittlicher Berieselung. Dass er aber Opfer der Uneigentlichkeit ist - um es mit Heidegger zu sagen -, in die er geworfen wird, weil Man ja Spielesender guckt, weil es eben zum zeitgeistlichen Man gehört, sich dieses Phänomens zu bedienen, bleibt außerhalb der Sichtweise. Mit der Argumentation des Herrn Gebrande, deckt man zwar liberale Gesinnung ab, was durchaus löblich ist, doch es erzeugt den Eindruck, als wäre der Zuseher nicht Opfer, sondern beteiligter Mittäter. Es ist aber das Sein, welches das Bewußtsein prägt. Anders: Nicht der Zuseher nötigt die Programmschaffenden zum Ausstrahlen bestimmter Programme, sondern die Programme drücken den Zuschauer in den Fernsehsessel und zwingen ihm ihr Programm auf. Dass dabei die Verdummung breiter Gesellschaftsschichten in Kauf genommen wird, soll - so wünschen es sich diejenigen, die sich damit eine goldene Nase verdienen - nicht weiter zur Nachfrage ermutigen.
Gibt es denn keine Handhabe? Kann die BLM nicht dagegen vorgehen, wenn Anrufer aus der Leitung gestellt werden, weil sie angeblich eine falsche Antwort gaben, die sich später als treffende, richtige Antwort erwies? Immerhin erlaubt der Sender in diesem Moment keine gleichen Gewinnchancen, sondern selektiert Anrufer aus, um das Spiel künstlich in die Länge zu ziehen, damit Anrufzahlen sich erhöhen. Oder: Wäre es nicht möglich, am Beispiel der Zigarettenschachteln orientiert, die Sender dazu zu zwingen, die Spielregeln in vollem Umfang einzublenden? Dies möglicherweise während der gesamten Spieldauer? - Im Internet präsentieren sich massenhaft Spots, die die Abzockerei manifestieren. Dort wird z.B. gefordert, die Tiere zu zählen, die per Auflistung präsentiert werden. Mitgezählt werden auch Rückwärtswörter, römische Zahlen oder, besonders dreist: Aus 151 Esel werden: 151 Esel, nochmal 100 Esel, 51 Esel, 1 Esel und nochmals das Wort "Esel", also insgesamt 304 Esel.
Ich will es in aller Direktheit verkünden: Meine Rechtsauffassung nötigt mich geradewegs dazu, dies als Betrug zu bezeichnen. Freilich begeben sich die Anrufer selbst in diesen Umstand des Betrogenwerdens, aber es ist mir zu einfach, ja geradezu ignorant, die Anrufer der Schuld - wenn auch der Eigenschuld - zu bezichtigen, während diejenigen, die diese Form des legalisierten Betruges verüben, als ehrliche Geschäftsleute betrachtet werden.
Nunmehr stelle ich die oben gestellte Frage erneut: Gibt es also keine Handhabe? Oder, und ich bitte diese Klarheit zu entschuldigen, will die BLM nichts dagegen tun? Die beschwichtigende, frei von jedem Urteil getroffene Aussage des Herrn Gebrande, haben leider den Eindruck erzeugt, als wäre es der BLM gleichgültig.

Viele Grüße,
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