De dicto

Sonntag, 26. Juli 2009

"Anstatt Wiedekings Großzügigkeit als Vorbild für eine neue Wirtschaftsethik zu preisen, tadeln ihn die Politiker Joachim Poß (SPD) und Dietmar Bartsch (Die Linke) gemeinsam, als ob die Sozialistische Einheitspartei auferstanden wäre."
- BILD-Zeitung, Helmut Böger am 26. Juli 2009 -
Zum Gesagten sei angemerkt: Ein großer Gönner wird uns beschrieben, der Besitzer eines Milliardenvermögens, der großzügig und sozial gesinnt wie er ist, auf die Hälfte seiner Abfindung verzichtet, der 25 Millionen Euro spenden möchte. Ein Gönner, der sich seit Jahren zweistellige Gehaltszahlungen erlaubte, der von der Quelle seiner Vermögensbildung nicht zurücktreten wollte, herumlavierte, sich missverstanden und unrechtmäßig bedrängt fühlte, aber bei einer Abfindung von 50 Millionen Euro zum Abtritt erweicht wurde. Ein Gönner, der alleine im Jahr 2008 ein, wie er und Seinesgleichen finden, leistungsgerechtes Gehalt von mehr als 77 Millionen Euro bezogen haben soll. Ein Gönner, der von seinem Milliardenvermögen den Fliegenschiss von 25 Millionen Euro in Spendenbüchsen stopft und hernach noch als neuer Messias einer neuen Wirtschaftsethik gefeiert sein will.

Das heißt, er wird wahrscheinlich gar nicht gefeiert werden wollen - das besorgen andere für ihn. Momentan ein gewisser Helmut Böger, der sich Autor nennt, aber nichts weiter als Korrespondent der Bunten und Chefredakteur der BILD am Sonntag war, der aber nebenher, vermutlich aus Versehen, einige Bücher schrieb. Die parteienübergreifende Entrüstung ob der zynischen Spendenmentalität dieses Gönners, begreift Böger als Schaulaufen einer wiedererwachten SED - alleine dieser Ausspruch genügt, um dessen Geisteskindschaft beweinen zu müssen. Man möchte ihm wenigstens mathematische Qualitäten nachsagen können, doch Böger verurteilt Zumwinkel, der gierig nach 20 Millionen griff, verteidigt aber im gleichem Atemzug Wiedekings verbleibende 25 Millionen Euro löwenhaft. Denn die andere Hälfte diene ja dem Wohle der Allgemeinheit: Wiedeking als pater patriae - ein solches Maß an Chuzpe, das sich stillschweigend über geflossene Milliardensummen hinwegsetzt, während hierzulande (und nicht nur in diesem Lande) immer mehr Menschen verarmen, arbeitslos werden, am unteren Ende der Gesellschaft ankommen, ist nicht nur mehr dreist, es geht schon in Richtung kalkulierter Verdummung, ja, zeigt alle Facetten von Verdunkelungsgefahr.

Wir, die wir in diesem Moment, kurzzeitig nur und mit Schamesröte im Gesicht, zum BILD-Leser herabgemindert sind, sollen auf Linie gebracht werden, sollen uns wie Schäfchen in die Hände solcher Hirten begeben, denen als Leistungsträger dieser Gesellschaft maßlose Gehälter zuzustehen scheinen. Wir sollen nicht hinterfragen, nicht zweifeln an dieser suspekten Großzügigkeit, wir sollen den Blick zu Boden richten, reuevoll nicken und ein schamvolles Danke hervorbringen. Wenn Wirtschaftsbarone wie Wiedeking von diesen Summen ein wenig abgeben, wenn sie den kleinsten Teil ihres überdimensionalen Reichtums an karitative Zwecke überweisen, dann ist auch die immer wieder aufkommende Forderung, man möge Managergehälter begrenzen, als ein Rückschritt des willkürlichen Sozialstaates zu begreifen. Wer Wiedekings Gehälter einer Höchstgrenze aussetzen will, der wird dem zukünftigen Suppenküchenstaat die geschenkten, gönnerhaft überwiesenen Gelder wegstreichen.

Womöglich verurteilen wir in unserer ethischen Dummheit Böger zu Unrecht, womöglich blickt er in eine Zukunft, in der die Tafel-Mentalität zur Maxime der Umverteilung wurde. Und wenn man den Leistungsträger die Gehälter zusammenstreicht, dann streicht man auch des Obdachlosen Suppe, des Gelähmten Rollstuhl, des Arbeitslosen Grundsicherung. Deshalb sollen wir, wie Böger meint, nicht moralisieren, wir müssen dankbar sein, wir müssen eher noch um Gehaltserhöhungen für Leistungsträger bitten. Denn wenn ein solcher plötzlich 10 Millionen Euro mehr im Jahr hat, dann fallen mit etwas praktizierter Nächstenliebe, sicherlich auch 100.000 Euro für den Bodensatz der Gesellschaft ab. Ja, womöglich bewerten wir Böger wirklich falsch, denn wahrscheinlich ist er Visionist und durch seine Menschenliebe dazu getrieben, seine schützende Hand über Wiedeking zu halten - fast hätte man meinen können, er kassiert einen kleinen Anteil des verbleibenden Schonvermögens, dabei ist es nur seine Sorge um die Armen, die ihn so handeln läßt.

10 Kommentare:

Anonym 26. Juli 2009 um 19:36  

Wieder einmal ein üblicher Bild-Kommentar, denen nichts anderes einfällt als die alte SED-Platte.

Wenn man einen Zeitungskommentar und den Schreiberling kritisiert, dann muss man auch immer schauen für wen der schreibt. Wer ist die "Bild" wem gehört die "Bild". Es entscheidet alleine der Eigentümer was in der Zeitung erscheint. Bei "Bild" ist es eine Milliardenerbin. Mir ist nicht bekannt das die Frau schon mal was von ihren Milliarden abgegeben hat. Ihre Lohnschreiber haben nur das zu schreiben was ihr die Maximierung ihres Reichtums ermöglicht.

Wer eine Zeitung kritisiert muss den Eigentümer der Zeitung kritisieren.

Anonym 26. Juli 2009 um 20:38  

Herrn Böger würde ich nicht kritisieren. Bild-Chefradekteur Kai Dieckman gibt offen zu, dass die Redaktion nur das schreibt, was er will. Hätten wir Roberto J. De Lapuente als BILD-Chef, würde sich Böger vermutlich auch über die immer noch viel zu hohen Abfindungen entrüsten :-). Es sei denn, Mathias Döpfner würde intervenieren, und der sitzt zufälligerweise im Aufsichtsrat eines Finanzinvestors, der in Sachen Ethik und Moral vermutlich nur bescheidene Standards setzt.

Rainer 26. Juli 2009 um 20:53  

Das Ferkel: von den 25 Millionen, die er natürlich als steuermindernd einreicht, bekommt er ca. 12 Millionen vom "Staat", also überwiegend von den Lohn- und Umsatzsteuerzahlenden wieder zurück.
So alimentiert der Penner auf der Strasse, der sich sein Billig-Bier irgendwo kauft, noch dessen Schweinereien: es ist zum Kotzen.

endless.good.news 27. Juli 2009 um 06:56  

Dazu möchte ich die Bild Zeitung nur einiges Fragen. Ist es richtig das es Porsche im Moment durch Managementfehler richtig schlecht geht? Wenn ja wofür bekommt der Mann eine Abfindung. Er muss für diesen Fehler gehen. Wenn ein Arzt erwiesenermaßen Pfuscht dann muss er gehen und niemand interessiert sich wie viele Menschen er vorher gut behandelt hat. So sieht es faktisch bei jedem Job aus. Nur als Manager wird man als der soziale Messias beschrieben nur weil man die Hälfte des Geldes spendet, dass man nicht verdient hat. Das hat nichts mit sozialem Gewissen zu tun, sondern schlicht und einfach mit einem Ablasshandel.

Anonym 27. Juli 2009 um 11:13  

wer pfuscht muss gehen?

naja sind alles nur (die ueblichen) einzelfaelle ...

http://www.sueddeutsche.de/politik/552/463164/text/

Anonym 27. Juli 2009 um 12:11  

http://www.sueddeutsche.de/politik/552/463164/text/
Da drängt sich schlicht der Verdacht auf, daß da einer weiß, wo ein paar Leichen bei einigen Aktivas im Keller liegen.

Das ist in jedem Fall eine sehr gute Rechtschutzversicherung.

Ob so einer in Kanada weiter pfuschen darf?

Wähler 27. Juli 2009 um 12:56  

Gut gefallen hat mir in diesem Zusammenhang Herr Küppersbusch in der taz mit seinem Kommentar:
"Wenn ein Manager aus seiner Abfindung Dukaten aus der Kutsche unter die Plebs streuen kann, ist es Geld, das vorher Mitarbeitern und Kunden abgegaunert wurde."

Anonym 27. Juli 2009 um 13:00  

Betreffs Sueddeutsche-Link betr. Ärztepusch.

Der Link ist veraltet (Februar), hier was vom 10. Juli:
http://www.stuttgarterzeitung.de/stz/page/2065136_0_9223_-nach-der-suspendierung-keine-abfindung-fuer-friedl.html

Michel 27. Juli 2009 um 22:10  

Im Prinzip wird heutzutage vom Plebs erwartet, die Hand zu küssen, die einen züchtigt.
Da fragt man sich doch, ob und wo es solche Zustände noch gibt oder gab?

Spontan fällt mir da das Feudalsystem mit Lehnstreue und -pflichten ein, dann noch Aristokratien, wo man seiner Majestät die Hand küssen durfte (oder auch nur den Rock oder die Schuhe, je nachdem) und heutzutage in autokratisch geführten Firmen.

Tja, soweit ists gekommen:

Wir sollen unseren Ausbeutern dankbar sein, soviel Geld zu bekommen, das uns so gerade noch ernährt, uns aber nicht zur Teilhabe am politischen und kulturellen Leben befähigt.

Möchte Wedeking mit seiner Spende eigentlich vergessen machen, dass Porsche unter seiner Führung Milliarden Schulden angehäuft hat UND jetzt ein Teil von VW wird?

Porsche ist verschuldet und Wedeking kriegt ein Millionengehalt?
Das kapier' ich immernoch nicht, wie das geht. Wenn der Tierhändler nebenan Schulden hat, greift der doch auch nicht alle Profite ab, sondern wird eher beim eigenen Haushaltsgeld knapsen, um die Schulden zurückzuzahlen.

Ich kapier dös net.

Anonym 3. August 2009 um 14:19  

Im Bild-Kommentar steht, dass Wiedeking bei "Amtsantritt" ein Unternehmen vorgefunden hat, "das nahe der Pleite stand". Nun ja, beim "Amtsaustritt" hat sich die Situation wohl nicht geändert. Zwischendurch hat er nur ein paar Milliönchen kassiert. Ein Job, den ich jedem nur wünschen kann: Kassieren und letztendlich nichts verbessern. Toll.
Den Rest hat Rainer schon geschrieben: Eine Stiftung ist ein Steuersparmodell, ein Steuerschlupfloch, bei dem man Kosten produzieren kann, indem man z.B. in Monte Carlo oder Marbella den Stiftungsrat zusammenruft, um zu beraten, wie die Zinserträge nach Abzug der Reise- und Hotelkosten an Kinderheime ungern verteilt werden sollen - und somit die originäre Aufgabe des Staates auch noch hintergeht, die er mit den 12 Mio € Steuereinnahmen und jährlich 25% 'Quellensteuer' aus dem Zinsertrag hätte locker finanzieren können.

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