Wir haben es nicht geschafft
Montag, 1. August 2016
Die ganze Naivität der Wir-schaffen-das-Parole kriegen wir im Grunde dieser Tage um die Ohren gehauen. Würzburg, Ansbach. (München ist anders gelagert.) Es reichte eben nicht, wie Bob, der Baumeister die Bewältigung möglichst laut in die Runde zu kommunizieren. »Wir schaffen das!« ist kein Plan, es ist Motivationstraining, nicht Politik, sondern billiger Psychotrick. Man muss schon vorbereitet sein, wissen was man wie und wo tut. Und es reichte eben außerdem nicht aus, die alten T-Shirts und Pantoffeln für die Flüchtlinge aus dem Schrank zu kramen und zivilgesellschaftlich eine Willkommensdelegation an Bahnhöfen abzustellen. Das war naiv und für Naivität bezahlt man einen Preis auf dieser Welt. Das muss man so offen artikulieren können, nicht jede Kritik an dieser Kriegen-wir-schon-hin-Mentalität, der die Bundeskanzlerin eine kurze Phase ihrer dritten Amtszeit widmete, ist ein rechter Einwand. Es ist eher ein verantwortungsvoller Ansatz.
Islamismus oder nicht? Diese Einschätzung treibt die Behörden nach solchen Taten an. Terror oder Amok? Diese Fragen sind jedoch zweitrangig, sie lenken vom wirklichen Problem ab: Von traumatisierten jungen Männern, die aus Kriegsgebieten zu uns flüchteten. Man hieß sie mehr oder weniger willkommen und das war es im Großen und Ganzen auch schon. Aber das reicht halt nicht. Es ist nicht genug, diese Leute auf eine friedliche Scholle zu setzen und zu sagen: »So, jetzt seid ihr raus aus der Gefahr. Ihr habt es geschafft. Und deshalb jetzt alle im Chor: Wir schaffen das. Gemeinsam.« Das sind Durchhalteparolen, das ist die Naivität irgendwelcher good vibrations, ist think positive, eine zur politischen Leitlinie erhobene Feel-good-Parole. Man kann Menschen, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung laborieren und Tag für Tag durch die Dunkelheit ihrer erlebten Vergangenheit waten, nicht einfach die Hand tätscheln und ihnen zwischen Tür und Angel gut zureden. Das bewirkt gar nichts. Das bewirkt höchstens, dass man sich selbst als Tröstender Zuversicht spendet und sich aufmuntert, die Dinge doch noch halbwegs im Griff zu haben.
Dass traumatisierte Menschen zu uns kommen, damit musste man rechnen. Krieg, der Verlust von Angehörigen und Heim, gewalttätige Übergriffe, die Degradierung der eigenen Existenz zu einer Fracht in den Bäuchen von Schlepperkuttern, all das geht nicht spurlos an Menschen vorbei. Manche fesselt das ans Bett, andere erleiden einen Realitätsverlust. Viele landen in den Notaufnahmen von Krankenhäusern, meist als neurologischer Notfall, der sich dann aber meist schon im Arztgespräch als ein psychologisches Problem entfaltet, das nicht in allen Häusern behandelt werden kann und mit einer Überweisung in ein anderes Haus endet. Die sprachliche Barriere - eine große Zahl der Geflüchteten spricht kaum einen Brocken Englisch - erschwert Anamnese und einen adäquate ärztliche Konsultation. Es mangelt an arabischsprachigen Dolmetschern. Aber auch an therapeutischen Angeboten. Wir kriegen es ja scheinbar nicht mal auf die Reihe, Menschen, die in diesem Land leben, psychologisch ausreichend zu betreuen, wenn sie zur so genannten Unterschicht gehören. Siehe München.
Andere hingegen entfalten ihre akute Belastungsreaktion eher aktionistisch, kompensieren das unverarbeitete Erlebte durch Verdrängung und wenn dann zur richtigen Zeit noch ein pseudopolitischer Überbau als »attraktives Angebot« feilgeboten wird, mag das als Alternative und Verarbeitungsoption wahrgenommen werden. Als Selfmade-Islamist wechselt man schließlich die Fronten: Vom Angehörigen einer Familie, die ganz offenbar wegen solcher Radikaler alles verloren hat, kommt er auf die Seite der mutmaßlichen Gewinner. Ein nicht zu unterschätzender Wechsel der Perspektiven für junge orientierungslose Männer. Wenn man keine psychologische Hilfe an der Hand hat, erwirbt man sich halt selbst Strategien, um mit dem erlittenen seelischen Unglück leichter leben zu können. Psychologen können bei diesem Prozess zu einer konstruktiven Verarbeitung beitragen. Eigentherapie endet zuweilen, aus Mangel an Distanz zum eigenen Ich, in Destruktivität.
So oder so, wenn man Geflüchtete aufnimmt, so übernimmt man auch Verantwortung für sie. Man muss Antworten finden, was im Wort Verantwortung schon drinsteckt. Menschen, denen dergleichen widerfahren ist, gehört im Rahmen dieser Verantwortung psychologische Betreuung an die Hand gegeben. Solche Ratschläge hat man dann auch von verschiedener Seite gehört. Angemessene Betreuung sei nun mal notwendig, kommentierte im Zentralkomitee der allgemeinen Befindlichkeit, kurz Facebook genannt, so mancher Zeitgenosse. Das klingt vernünftig - ist es ja auch! -, geht allerdings an der Machbarkeit wesentlich vorbei. Psychologische Betreuung braucht, im Gegensatz zu anderen mediznischen Fachrichtungen, ganz explizit die Sprache. Sie ist das Medium, über das man das Innere eines Menschen erreicht. Ein gebrochenes Bein röntgt man. Kopfschmerzen jagt man durchs CT. Psychologische Defizite, romantisch gesagt: eine gebrochene Seele, die kann nur mit Sprache durchleuchtet werden. Und daran scheitert schon mal eine flächendeckend psychologische Betreuung der vielen Traumatisierten dort draußen.
Ohne finanzielle Ausstattung ohnehin, denn psychologisch geschulte Sozialarbeiter müssen bezahlt werden, man kann nicht erwarten, wie man das seit dem verstärkten Flüchtlingszuzug tut, dass diese Menschen das privat in ihrer Freizeit als Ehrenamtliche bestellen. Zivilgesellschaft ersetzt keine staatliche Verpflichtung. Auch ohne Sprachkenntnisse könnten solche Fachkräfte zumindest Verarbeitungsansätze anbieten und Perspektiven aufzeigen. Eine medizinische Betreuung ersetzen sie indes natürlich nicht. Doch selbst daran scheitert es ja, weil weder Geld noch Personal vorhanden ist, um dieses breite Problemfeld abzudecken. Auf Universitäten und Hochschulen hat man, ganz wie es das Ideal einer Zivilgesellschaft unter der Kuratel des schlankes Staates ist, Betreuer für Flüchtlinge gesucht. Junge Menschen ohne Lebens- und Berufserfahrung, die in ihrem Studium sicher schon etwas von Psychologie gehört haben, sollten übernehmen, wofür der Staat unzureichend Mittel zur Verfügung stellte und alles mit einem wohlfeilen »Wir schaffen das!« übertünchte, was an massiven Problemen auf uns als Gesamtgesellschaft zukam.
Das Auftreten solcher Amokläufe darf man als Themenfeld nicht den Rechten überlassen, damit sie damit ihre isolationistische Haltung bestätigen. Daher muss man auch links sagen: Ja, hier gibt es riesige Probleme. Die kann auch eine noch so gut gemeinte Willkommenskultur nicht einfach so abschütteln. Refugees welcome ist eine nette Geste. Und dann? Es ist jedenfalls der Preis der Naivität, den wir jetzt bezahlen. Damit ist keine etwaige Naivität gemeint, Menschen in Flucht generell zu helfen. Das ist Verpflichtung. Was gemeint ist, das ist so zu tun, als könne mit ein wenig guten Willen alles gestemmt werden. Ohne Geld und Plan nützt guter Wille gar nichts. Und wenn dann der Innenminister Ärzten rät, Asylbewerber nicht mehr ganz so schnell Atteste auszustellen, dann zeigt das letztlich nur, wie gefährlich die gut gemeinten Ratschläge von Naiven sind. Wir brauchen keine Ärzte, die schneller wieder weg sind von asylsuchenden Patienten, wir benötigen Ärzte, insbesondere Psychologen, die sich Zeit nehmen für Traumapatienten. Und dazugehörige Übersetzer, die das aus Haupterwerb tun und daher nicht in Eile sind, um doch noch was von ihrer Freizeit zu haben. Das alles und noch viel mehr kostet Geld, dazu braucht man einen Masterplan. Keine warmen Worte und frommen Empfehlungen.
So wie es sich jetzt zeigt, bleibt nur eines zu sagen: Wir haben es nicht geschafft. Und es sieht auch nicht danach aus, als dass es wir das noch packen. Ursachen ausblenden und Amokläufe zu einer kulturellen Angelegenheit von Muslimen zu erklären, so schaffen wir es nicht. Aber so schafft uns die ganze angespannte Situation.
Islamismus oder nicht? Diese Einschätzung treibt die Behörden nach solchen Taten an. Terror oder Amok? Diese Fragen sind jedoch zweitrangig, sie lenken vom wirklichen Problem ab: Von traumatisierten jungen Männern, die aus Kriegsgebieten zu uns flüchteten. Man hieß sie mehr oder weniger willkommen und das war es im Großen und Ganzen auch schon. Aber das reicht halt nicht. Es ist nicht genug, diese Leute auf eine friedliche Scholle zu setzen und zu sagen: »So, jetzt seid ihr raus aus der Gefahr. Ihr habt es geschafft. Und deshalb jetzt alle im Chor: Wir schaffen das. Gemeinsam.« Das sind Durchhalteparolen, das ist die Naivität irgendwelcher good vibrations, ist think positive, eine zur politischen Leitlinie erhobene Feel-good-Parole. Man kann Menschen, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung laborieren und Tag für Tag durch die Dunkelheit ihrer erlebten Vergangenheit waten, nicht einfach die Hand tätscheln und ihnen zwischen Tür und Angel gut zureden. Das bewirkt gar nichts. Das bewirkt höchstens, dass man sich selbst als Tröstender Zuversicht spendet und sich aufmuntert, die Dinge doch noch halbwegs im Griff zu haben.
Dass traumatisierte Menschen zu uns kommen, damit musste man rechnen. Krieg, der Verlust von Angehörigen und Heim, gewalttätige Übergriffe, die Degradierung der eigenen Existenz zu einer Fracht in den Bäuchen von Schlepperkuttern, all das geht nicht spurlos an Menschen vorbei. Manche fesselt das ans Bett, andere erleiden einen Realitätsverlust. Viele landen in den Notaufnahmen von Krankenhäusern, meist als neurologischer Notfall, der sich dann aber meist schon im Arztgespräch als ein psychologisches Problem entfaltet, das nicht in allen Häusern behandelt werden kann und mit einer Überweisung in ein anderes Haus endet. Die sprachliche Barriere - eine große Zahl der Geflüchteten spricht kaum einen Brocken Englisch - erschwert Anamnese und einen adäquate ärztliche Konsultation. Es mangelt an arabischsprachigen Dolmetschern. Aber auch an therapeutischen Angeboten. Wir kriegen es ja scheinbar nicht mal auf die Reihe, Menschen, die in diesem Land leben, psychologisch ausreichend zu betreuen, wenn sie zur so genannten Unterschicht gehören. Siehe München.
Andere hingegen entfalten ihre akute Belastungsreaktion eher aktionistisch, kompensieren das unverarbeitete Erlebte durch Verdrängung und wenn dann zur richtigen Zeit noch ein pseudopolitischer Überbau als »attraktives Angebot« feilgeboten wird, mag das als Alternative und Verarbeitungsoption wahrgenommen werden. Als Selfmade-Islamist wechselt man schließlich die Fronten: Vom Angehörigen einer Familie, die ganz offenbar wegen solcher Radikaler alles verloren hat, kommt er auf die Seite der mutmaßlichen Gewinner. Ein nicht zu unterschätzender Wechsel der Perspektiven für junge orientierungslose Männer. Wenn man keine psychologische Hilfe an der Hand hat, erwirbt man sich halt selbst Strategien, um mit dem erlittenen seelischen Unglück leichter leben zu können. Psychologen können bei diesem Prozess zu einer konstruktiven Verarbeitung beitragen. Eigentherapie endet zuweilen, aus Mangel an Distanz zum eigenen Ich, in Destruktivität.
So oder so, wenn man Geflüchtete aufnimmt, so übernimmt man auch Verantwortung für sie. Man muss Antworten finden, was im Wort Verantwortung schon drinsteckt. Menschen, denen dergleichen widerfahren ist, gehört im Rahmen dieser Verantwortung psychologische Betreuung an die Hand gegeben. Solche Ratschläge hat man dann auch von verschiedener Seite gehört. Angemessene Betreuung sei nun mal notwendig, kommentierte im Zentralkomitee der allgemeinen Befindlichkeit, kurz Facebook genannt, so mancher Zeitgenosse. Das klingt vernünftig - ist es ja auch! -, geht allerdings an der Machbarkeit wesentlich vorbei. Psychologische Betreuung braucht, im Gegensatz zu anderen mediznischen Fachrichtungen, ganz explizit die Sprache. Sie ist das Medium, über das man das Innere eines Menschen erreicht. Ein gebrochenes Bein röntgt man. Kopfschmerzen jagt man durchs CT. Psychologische Defizite, romantisch gesagt: eine gebrochene Seele, die kann nur mit Sprache durchleuchtet werden. Und daran scheitert schon mal eine flächendeckend psychologische Betreuung der vielen Traumatisierten dort draußen.
Ohne finanzielle Ausstattung ohnehin, denn psychologisch geschulte Sozialarbeiter müssen bezahlt werden, man kann nicht erwarten, wie man das seit dem verstärkten Flüchtlingszuzug tut, dass diese Menschen das privat in ihrer Freizeit als Ehrenamtliche bestellen. Zivilgesellschaft ersetzt keine staatliche Verpflichtung. Auch ohne Sprachkenntnisse könnten solche Fachkräfte zumindest Verarbeitungsansätze anbieten und Perspektiven aufzeigen. Eine medizinische Betreuung ersetzen sie indes natürlich nicht. Doch selbst daran scheitert es ja, weil weder Geld noch Personal vorhanden ist, um dieses breite Problemfeld abzudecken. Auf Universitäten und Hochschulen hat man, ganz wie es das Ideal einer Zivilgesellschaft unter der Kuratel des schlankes Staates ist, Betreuer für Flüchtlinge gesucht. Junge Menschen ohne Lebens- und Berufserfahrung, die in ihrem Studium sicher schon etwas von Psychologie gehört haben, sollten übernehmen, wofür der Staat unzureichend Mittel zur Verfügung stellte und alles mit einem wohlfeilen »Wir schaffen das!« übertünchte, was an massiven Problemen auf uns als Gesamtgesellschaft zukam.
Das Auftreten solcher Amokläufe darf man als Themenfeld nicht den Rechten überlassen, damit sie damit ihre isolationistische Haltung bestätigen. Daher muss man auch links sagen: Ja, hier gibt es riesige Probleme. Die kann auch eine noch so gut gemeinte Willkommenskultur nicht einfach so abschütteln. Refugees welcome ist eine nette Geste. Und dann? Es ist jedenfalls der Preis der Naivität, den wir jetzt bezahlen. Damit ist keine etwaige Naivität gemeint, Menschen in Flucht generell zu helfen. Das ist Verpflichtung. Was gemeint ist, das ist so zu tun, als könne mit ein wenig guten Willen alles gestemmt werden. Ohne Geld und Plan nützt guter Wille gar nichts. Und wenn dann der Innenminister Ärzten rät, Asylbewerber nicht mehr ganz so schnell Atteste auszustellen, dann zeigt das letztlich nur, wie gefährlich die gut gemeinten Ratschläge von Naiven sind. Wir brauchen keine Ärzte, die schneller wieder weg sind von asylsuchenden Patienten, wir benötigen Ärzte, insbesondere Psychologen, die sich Zeit nehmen für Traumapatienten. Und dazugehörige Übersetzer, die das aus Haupterwerb tun und daher nicht in Eile sind, um doch noch was von ihrer Freizeit zu haben. Das alles und noch viel mehr kostet Geld, dazu braucht man einen Masterplan. Keine warmen Worte und frommen Empfehlungen.
So wie es sich jetzt zeigt, bleibt nur eines zu sagen: Wir haben es nicht geschafft. Und es sieht auch nicht danach aus, als dass es wir das noch packen. Ursachen ausblenden und Amokläufe zu einer kulturellen Angelegenheit von Muslimen zu erklären, so schaffen wir es nicht. Aber so schafft uns die ganze angespannte Situation.
3 Kommentare:
»Refugees welcome ist eine nette Geste …«
Mehr aber auch nicht: Willkommenskultur will Aktion.
Zudem stammen die Refugees aus Kulturen, die aktive Gastfreundschaft
hochhalten (Bewirtung, gfs. Unterbringung des Gastes, egal wie karg es um
die eigenen Ressourcen bestellt ist …)Angekommen im Konsumparadies Schland
erfahren sie aber dann meist eine Behandlung, die ihren Vorstellungen und
Erwartungen Hohn sprechen MUSS …
...."wir schaffen das".....was für ein Schwachsinn,,so was kann nur von so was wie einer Merkel kommen....und das unsere "Kultur" hier eben nicht das freundliche Bewirten, etc. hergibt....das ist doch bekannt, bzw. kann jeder sich "ergoogeln"...
Genauso bescheuert ist ja auch der Spruch der Merkel "Uns gehts allen gut" oder so...Sie kennt natürlich auch alle 82 Millionen Bürger in Deutschland und vor allem interessiert sie sich ja auch sooo dafür,wie es anderen geht...
Also,wer Politikern wirklich noch irgendwas glaubt und sich auf sie verlässt,ist einfach selber schuld!
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