Die sollten nie wieder Auto fahren dürfen
Montag, 15. August 2016
Den Alleinerziehenden will der oberste Sozialdemokrat unter die Achseln greifen. So ein bisschen sozial ist er ja doch noch, der Herr Gabriel. Jedenfalls möchte er so erscheinen. Den Unterhaltsvorschuss hätte er hierzu gerne ausgebaut und der Staat müsse bessere Druckmittel bekommen, um säumige Väter zum Unterhalt zu zwingen. Wenn es sein muss, mit Führerscheinentzug. Angemessenheit ist ja kein Grundsatz mehr im heutigen Staatsverständnis politischer Eliten. Hauptsache man kann Aktionismus üben, irgendwas tun. Wenn es sein muss, auch gerne mit einem Verbot, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Das kommt ganz sicher noch als nächster Schritt, wenn der zahlungsunwillige Vater keinen Schein mehr hat und nach seiner immobil bedingten Entlassung versucht, den Weg zum Arbeitsamt auf sich zu nehmen. Dann darf er zur Strafe nur noch radeln. Bis auch das verboten wird. Kurze Frage gleich mal vorweg: Geht es Gabriel eigentlich nur um Väter? Wahrscheinlich nicht, auch Mütter versäumen in der gleichgestellten Gesellschaft hie und da mal etwas. Aber er begründet seine Thesen halt mit eigenen Lebenserfahrungen. Da kommt halt genau das bei raus, was sich in ihm eingebrannt hat als Erinnerung.
Sein Vater habe sich geweigert zu zahlen, erzählte er. Er wisse also, worum es gehe. Seine Mutter wurde so bis an die Grenzen ihrer Kraft gebracht. Hätte man seinem Erzeuger damals den Führerschein abgenommen, das könnte man jetzt vermuten, so hätte sich die Situation im Hause Gabriel sofort fühlbar entspannt. Aber nein, keine Häme, denn ehrlich gesagt tut einem so eine Mutter natürlich leid. Gar keine Frage. Dennoch macht es sich Gabriel zu einfach. Denn dass viele Väter nicht zahlen, liegt ganz oft nur daran, dass sie selbst am Existenzminimum herumkrebsen. In einigen Fällen mag es tatsächlich so sein, dass da einer nicht zahlen will - aber in der Hauptsache geht es wohl um das Nicht-Können.
Quid pro quo, die Erfahrungen Gabriels mit dem, was ich erlebt habe. Erfahrungsaustausch schafft Perspektiven, nicht wahr? Als ich vor Jahren Unterhaltvorschuss für mein Kind beantragte, erzählte mir der Sachbearbeiter des Jugendamtes, dass siebzig Prozent der unterhaltspflichtigen Personen den Unterhaltsvorschuss nie zurückbezahlten. Das läge vor allem daran, dass es bei diesen Leute selbst kaum etwas zu holen gäbe. Viele seien arbeitslos - und selbst wenn sie Arbeit bekämen, könnten sie davon kaum den Unterhalt finanzieren. Stimmt es eigentlich, dass die Unterhaltspflichtigen nicht zahlen wollten?, fragte ich den Mann. Er verneinte, so könne man das nicht sagen. Einzelfälle kommen vor. Aber grundsätzlich wollten sie schon, wenn sie könnten.
Gabriel lenkt mit diesem Manöver ab, er verlagert die Verantwortung, schiebt sie dem Einzelnen zu, wo die Arbeitsmarktpolitik Tag für Tag versagt. Und er wirft dazu auch noch seine persönliche Erfahrung als Vorurteil in die Debatte. Es geht hier aber um Armut, um arbeitende Armut zudem - und es geht nur in zweiter Linie um fehlende Zahlungsmoral. Wir sprechen hier nämlich eigentlich vom Niedriglohnsektor, von Prekarisierung und von Löhnen, die es fast unmöglich machen, Kindesunterhalt (zumal in voller Höhe) zu leisten. Durch Kriminalisierung aller Väter, die es sich nicht leisten können, Unterhalt zu bezahlen, schafft man dieses ökonomische Versagen aus dem Sichtfeld.
Die geforderte harte Gangart ist also durchaus als klassistische Maßnahme zu begreifen. Umso mehr, wenn man mal kurz davon Notiz nimmt, dass der von Gabriel geförderte erweiterte Unterhaltsvorschuss bei Alleinerziehenden im Hartz-IV-Bezug vollumfänglich angerechnet würde. Wo ist denn da eine Erleichterung geplant, Herr Gabriel? Sie erwähnten nichts diesbezüglich. Oh nein, es ist abermals so, dass man ganz plump noch mehr Druck auf Menschen ausüben will, die ohnehin täglich um ihre Existenz kämpfen müssen. Denen drohen wir dann auch noch mit Führerscheinentzug, damit sie ihren schlecht bezahlten Job noch schwerer erreichen. Was früher Weltfremdheit hieß, ruft man heute Politik.
Fangen wir doch mal zur Abwechslung damit an, uns über Grundlagen zu unterhalten, Herr Gabriel. Über Arbeitsplätze und Löhne. Wie kann man Sicherheit garantieren, wie niedrige Löhne heben? Reden wir über den Mindestlohn, der nicht so atemberaubend hoch ist, um davon Kindesunterhalt bezahlen zu können. Da hat man einzugreifen, Regulative einzubauen, dann regelten sich viele unserer Probleme nach und nach von selbst. Unter anderem die Säumigkeit.
Den Führerscheinentzug hingegen würde ich nach einer etwaigen Regulierung dieser Missstände dann für diejenigen aufsparen, die wie der Alt-Kanzler stolz waren auf den besten Niedriglohnsektor Europas und die in Kauf nahmen, dass viele Kinder in diesem Land von einem ihrer beiden Elternteile nicht finanziell gefördert werden konnten. Sie sollen nie wieder ein Auto benutzen dürfen. Andererseits: Wer will denen schon im Bus begegnen?
Sein Vater habe sich geweigert zu zahlen, erzählte er. Er wisse also, worum es gehe. Seine Mutter wurde so bis an die Grenzen ihrer Kraft gebracht. Hätte man seinem Erzeuger damals den Führerschein abgenommen, das könnte man jetzt vermuten, so hätte sich die Situation im Hause Gabriel sofort fühlbar entspannt. Aber nein, keine Häme, denn ehrlich gesagt tut einem so eine Mutter natürlich leid. Gar keine Frage. Dennoch macht es sich Gabriel zu einfach. Denn dass viele Väter nicht zahlen, liegt ganz oft nur daran, dass sie selbst am Existenzminimum herumkrebsen. In einigen Fällen mag es tatsächlich so sein, dass da einer nicht zahlen will - aber in der Hauptsache geht es wohl um das Nicht-Können.
Quid pro quo, die Erfahrungen Gabriels mit dem, was ich erlebt habe. Erfahrungsaustausch schafft Perspektiven, nicht wahr? Als ich vor Jahren Unterhaltvorschuss für mein Kind beantragte, erzählte mir der Sachbearbeiter des Jugendamtes, dass siebzig Prozent der unterhaltspflichtigen Personen den Unterhaltsvorschuss nie zurückbezahlten. Das läge vor allem daran, dass es bei diesen Leute selbst kaum etwas zu holen gäbe. Viele seien arbeitslos - und selbst wenn sie Arbeit bekämen, könnten sie davon kaum den Unterhalt finanzieren. Stimmt es eigentlich, dass die Unterhaltspflichtigen nicht zahlen wollten?, fragte ich den Mann. Er verneinte, so könne man das nicht sagen. Einzelfälle kommen vor. Aber grundsätzlich wollten sie schon, wenn sie könnten.
Gabriel lenkt mit diesem Manöver ab, er verlagert die Verantwortung, schiebt sie dem Einzelnen zu, wo die Arbeitsmarktpolitik Tag für Tag versagt. Und er wirft dazu auch noch seine persönliche Erfahrung als Vorurteil in die Debatte. Es geht hier aber um Armut, um arbeitende Armut zudem - und es geht nur in zweiter Linie um fehlende Zahlungsmoral. Wir sprechen hier nämlich eigentlich vom Niedriglohnsektor, von Prekarisierung und von Löhnen, die es fast unmöglich machen, Kindesunterhalt (zumal in voller Höhe) zu leisten. Durch Kriminalisierung aller Väter, die es sich nicht leisten können, Unterhalt zu bezahlen, schafft man dieses ökonomische Versagen aus dem Sichtfeld.
Die geforderte harte Gangart ist also durchaus als klassistische Maßnahme zu begreifen. Umso mehr, wenn man mal kurz davon Notiz nimmt, dass der von Gabriel geförderte erweiterte Unterhaltsvorschuss bei Alleinerziehenden im Hartz-IV-Bezug vollumfänglich angerechnet würde. Wo ist denn da eine Erleichterung geplant, Herr Gabriel? Sie erwähnten nichts diesbezüglich. Oh nein, es ist abermals so, dass man ganz plump noch mehr Druck auf Menschen ausüben will, die ohnehin täglich um ihre Existenz kämpfen müssen. Denen drohen wir dann auch noch mit Führerscheinentzug, damit sie ihren schlecht bezahlten Job noch schwerer erreichen. Was früher Weltfremdheit hieß, ruft man heute Politik.
Fangen wir doch mal zur Abwechslung damit an, uns über Grundlagen zu unterhalten, Herr Gabriel. Über Arbeitsplätze und Löhne. Wie kann man Sicherheit garantieren, wie niedrige Löhne heben? Reden wir über den Mindestlohn, der nicht so atemberaubend hoch ist, um davon Kindesunterhalt bezahlen zu können. Da hat man einzugreifen, Regulative einzubauen, dann regelten sich viele unserer Probleme nach und nach von selbst. Unter anderem die Säumigkeit.
Den Führerscheinentzug hingegen würde ich nach einer etwaigen Regulierung dieser Missstände dann für diejenigen aufsparen, die wie der Alt-Kanzler stolz waren auf den besten Niedriglohnsektor Europas und die in Kauf nahmen, dass viele Kinder in diesem Land von einem ihrer beiden Elternteile nicht finanziell gefördert werden konnten. Sie sollen nie wieder ein Auto benutzen dürfen. Andererseits: Wer will denen schon im Bus begegnen?
5 Kommentare:
Die Forderung nach Führerscheinentzug kam ja jetzt schon öfter und auch schon in andern Zusammenhängen und von anderen Politikern. Kann es sein, dass die Berliner Beraterrepublik hier strategisch vorgeht und diese Forderung immer mal wieder einstreut um Einestages dieses Instrument einzusetzen? Dahingehend, um (zumindest teilweise unabhängig vom Strafgesetzbuch) bestimmte Personen die Mobilität einzuschränken und sie somit besser überwachen zu können?
Hallo Anonym (10:10)
Ich denke es ist einfacher. Am konkreten Fall fest gemacht:
Die SPD ist hauptverantwortlich für die Entstehung des prekären Arbeitsmarktes, der es den Vätern dann schwer macht den Unterhalt zu zahlen.
Die SPD ist mit verantwortlich dafür das Menschen gezwungen sind jeden Job selbst dutzende von Kilometern entfernt an zu nehmen.
Mit seiner Forderung lenkt Herr Gabriel von seiner persönlichen Verantwortung für diese Politik ab und schiebt sie den Betroffenen in die Schuhe.
Kleiner Nebeneffekt: würde die Forderung umgesetzt würden viele prekär Beschäftigten ihre Arbeit verlieren. Nicht wegen des Arbeitsmarktes oder der Politik sondern wiederum weil sie so böse, böse Asoziale sind wird die Arbeitslosenrate steigen. So funktioniert Politik heute. Und die Erfolge der AfD zeigen dass diese Strategie noch durchaus ausbaufähig ist.
Lizenzentziehung? Schon lange ein Projekt dieses Regimes. Wollten doch auch mal psychisch Kranken Berufsverbote erteilen – zumindest von CSU-Seite, da diese
Entgleisten u.U. auch Unheil im Wirtschaftsgefüge stiften könnten (der angebliche
Amok-Pilot als Anlass/Auslöser). Ach Gott, wie weit gehen die noch, um uns einfachen
Menschen das Leben zu verunmöglichen?
Also ich kenne einige Leute, die fahren (sehr gut übrigens!) seit Jahrzehnten Auto, obwohl sie keinen Führerschein besitzen. Rein technisch geht das durchaus, nur mal so am Rande angemerkt (jaja, ich weiss, ist kein Grund, Führerscheinentzug gutzuheissen, aber irgendwie gibt's auch noch ein Leben abseits des Wahnsinns, den die Gesellschaft "Gesellschaft" nennt).
I have a Dream ....
Gabriel steht an einem eiskalten Morgen, im strömenden Regen und wartet auf seinen Fahrer und wartet und wartet ...
Schiete, viel zu früh aus diesem Traum aufgewacht.
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