Der Lohn der Abgehängten
Montag, 4. Juli 2016
Der Mindestlohn heißt in Deutschland Mindestlohn, weil er mindestens zwei bis drei Euro von der Summe entfernt ist, von der man ansatzweise ein würdiges Leben bestreiten könnte. Er ist also folglich mindenstens um zwei bis drei Euro zu niedrig angesetzt. Gut, zwei bis drei Euro abzüglich vierunddreißig Cent. Die kommen ab Beginn des nächsten Jahres drauf auf dieses unzureichend ausgeführte sozialpolitische Projekt. Langsam kommen wir der Menschenwürde also schon näher.
Zunächst muss man ja hervorheben, dass die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes durchaus ein gute Entwicklung ist. Ein Türöffner. Dass es ihn jetzt gibt, ist ein begrüßenswerter Fortschritt. Dass es ihn so, auf diese unzureichende Weise gibt, das hingegen ist eine Entwicklung, die vielen Arbeitnehmern keinen Fortschritt erlaubt. Bemessen hat man den Stundensatz Pi mal Daumen nach jenem Warenkorb, der ja zur Festlegung des Regelsatzes schon lächerlich wirkte. Wie der Warenkorb von 1971 oder 1977 vielleicht, aber nicht wie einer, den man heute auf Kassenbänder schmeißt. 2016 ist leider weniger günstig. Und 2017 wird, trotz ganzer vierunddreißig Cent mehr in der Stunde, auch nicht unbedingt preiswerter. Aber wir nähern uns an. Wenn also heute zwei bis drei Euro pro Stunde für ein würdiges Leben fehlen, es aber alle zwei Jahre Erhöhungen in der genannten Größenordnung gibt, dann könnte schon in 15 bis 20 Jahren ein Lohnniveau erreicht sein, von dem Menschen einigermaßen akzeptabel leben können.
Könnten. Konjunktiv. Im Jahr 2031 oder 2036 hätten sie dann 2016 davon leben können. Nicht üppig, aber wenigstens so, dass es manchmal auch Spaß macht. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Der auf diesen bundesrepublikanischen Mindestlohn angewiesene Arbeitnehmer weiß das zu gut. Sein menschenwürdiger Lohn ist greifbar, sofern die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht zu stark einbricht. Wenn er ihn dann irgendwann erlangt, dann kommt er um Jahre zu spät. Dann kann er davon träumen, wie es wohl gewesen wäre, hätte er schon vor zwei Jahrzehnten mit diesem Budget haushalten dürfen. Dieser Mindestlohn, das ist der Lohn der ewig Abgehängten, kein Fortschritt in seiner jetzigen Ausführung, sondern ein über Jahre angelegter Hohn für all jene, die schon im Hier und Jetzt von ihrer Hände Arbeit über die Runden kommen wollen.
Eine virtuelle Mittelschicht, könnte man die darauf angewiesenen Arbeiter und Angestellten nennen. Virtualität sind sie ja eh gewohnt. 41.000 Euro durchschnittliches jährliches Bruttogehalt beziehen sie, 83.000 Euro haben sie an durchschnittlichem Vermögen und alle zwei Jahre verreisen sie im Durchschnitt einmal für durchschnittlich fünf Tage. Virtuell ist das Leben der ökonomisch Abgehängten in Deutschland. Ein virtuelles Einkommen als Auskommen, das hat gerade noch zur Komplettierung gefehlt.
Zunächst muss man ja hervorheben, dass die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes durchaus ein gute Entwicklung ist. Ein Türöffner. Dass es ihn jetzt gibt, ist ein begrüßenswerter Fortschritt. Dass es ihn so, auf diese unzureichende Weise gibt, das hingegen ist eine Entwicklung, die vielen Arbeitnehmern keinen Fortschritt erlaubt. Bemessen hat man den Stundensatz Pi mal Daumen nach jenem Warenkorb, der ja zur Festlegung des Regelsatzes schon lächerlich wirkte. Wie der Warenkorb von 1971 oder 1977 vielleicht, aber nicht wie einer, den man heute auf Kassenbänder schmeißt. 2016 ist leider weniger günstig. Und 2017 wird, trotz ganzer vierunddreißig Cent mehr in der Stunde, auch nicht unbedingt preiswerter. Aber wir nähern uns an. Wenn also heute zwei bis drei Euro pro Stunde für ein würdiges Leben fehlen, es aber alle zwei Jahre Erhöhungen in der genannten Größenordnung gibt, dann könnte schon in 15 bis 20 Jahren ein Lohnniveau erreicht sein, von dem Menschen einigermaßen akzeptabel leben können.
Könnten. Konjunktiv. Im Jahr 2031 oder 2036 hätten sie dann 2016 davon leben können. Nicht üppig, aber wenigstens so, dass es manchmal auch Spaß macht. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Der auf diesen bundesrepublikanischen Mindestlohn angewiesene Arbeitnehmer weiß das zu gut. Sein menschenwürdiger Lohn ist greifbar, sofern die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht zu stark einbricht. Wenn er ihn dann irgendwann erlangt, dann kommt er um Jahre zu spät. Dann kann er davon träumen, wie es wohl gewesen wäre, hätte er schon vor zwei Jahrzehnten mit diesem Budget haushalten dürfen. Dieser Mindestlohn, das ist der Lohn der ewig Abgehängten, kein Fortschritt in seiner jetzigen Ausführung, sondern ein über Jahre angelegter Hohn für all jene, die schon im Hier und Jetzt von ihrer Hände Arbeit über die Runden kommen wollen.
Eine virtuelle Mittelschicht, könnte man die darauf angewiesenen Arbeiter und Angestellten nennen. Virtualität sind sie ja eh gewohnt. 41.000 Euro durchschnittliches jährliches Bruttogehalt beziehen sie, 83.000 Euro haben sie an durchschnittlichem Vermögen und alle zwei Jahre verreisen sie im Durchschnitt einmal für durchschnittlich fünf Tage. Virtuell ist das Leben der ökonomisch Abgehängten in Deutschland. Ein virtuelles Einkommen als Auskommen, das hat gerade noch zur Komplettierung gefehlt.
5 Kommentare:
Warum nur befällt mich bei der Aussage "der Mindestlohn sei ein Fortschritt" nur immer ein ähnlich mulmiges Gefühl wie bei der Aussage "die Armenspeisung sei ein Fortschritt"?
Beides sind doch Notwendigkeiten nach der Agenda Politik. Oder? Also im Kern deren Manifestierung.
Fortschritt? Gehässig gesagt "Ja! Aber in die falsche Richtung." :(
Liebe Grüße mal so zwischendurch und geniest das schöne Wetter.
An eine Wirtschaft ohne Reglementierung kann ich nicht glauben. Es braucht Unter- und Obergrenzen, um einen Rahmen einzuhalten. Daher ist die grundsätzliche Einführung eines Mindestlohns richtig und ein Fortschritt gegenüber einem System, das so ein Reglement nicht kannte und es auf etwas schwammige Weise mit "sittenwidrigen Löhnen" auf Basis einer Klage versuchte in den Griff zu kriegen.
@roberto:
das sehe ich etwas anders. imho hat erst die agenda2010 einen mindestlohn notwendig gemacht. davor arbeiteten wesentlich mehr menschen nach tarif, die lohnquote war höher und lohnerhöhungen waren auch real echte lohnerhöhungen. erst durch einführung des niedriglohnsektors wurde die einführung eines mindestlohns systembedingt zwingend notwendig. es ist ja nicht so, dass die parteien/die regierung mit 8,50€/stunde tatsächlich was für die menschen tun wollten. denen blieb aber garnix anderes übrig. ansonsten würde der binnenmarkt derart stark erodieren und die sozialkosten für bund/länder/kommunen derart ansteigen, dass man schland auch einfach zumachen könnte.
@Mordred
Du hast vollkommen recht. Was allerdings seit der Agenda 2010 in den Köpfen der Bevölkerung vollständig verankert wurde ist die Polemik, "die können ja aufstocken", Hartzer "können aufstocken". Es wurde bis heute jedoch nicht der Bevölkerung vermittelt, daß die Aufstockung zum größten Teil durch Arbeitnehmer und Angestellte(also diejenigen, die gegen die Arbeitslosen ausgespielt werden), aber auch durch die Aufstocker und Hartzer mit oder ohne 1€-Job selbst durch die Mehrwertsteuer finanziert werden.
Ich, 63, bin selbst in Hartz IV, bekomme immer wieder zu hören, wer arbeiten will, findet Arbeit, zur Not kannst Du ja aufstocken.
Diese glücklichen Menschen, die einen auskömmlichen Arbeitsplatz haben, sind sich garnicht dessen bewußt, was sie von sich geben.
Mindestlohn? Maximalhohn! So sollte es besser beim Wort
genannt werden. Wer im 21. Jhdt. in einem Hochpreisland
wie Schland für eine Summe malochen muss, die vor 50 Jahren
in knochenharter DM ausbezahlt als gerade noch akzeptabel
war, hat die A-Karte gezogen und wird besser nicht alt und
pflegebedürftig!
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