Tut Buße ohne Bußgelder
Dienstag, 26. Juli 2016
Eine marktkonforme Demokratie, ja genau das war es, was die Bundeskanzlerin einst anstrebte. Marktkonformes Abstimmen, marktkonforme Entscheidungsfindungsprozesse, marktkonforme Reformen, marktkonforme Verteilung. Also alles immer genau so, dass es dem fröhlichen Wirtschaften, ein netter Euphemismus für »Geld scheffeln« - was wiederum nur in vulgo nichts anderes wie »Profite maximieren« bedeutet -, dass es also diesem emsigen Anhäufen nicht im Wege steht. Nur ist es mit einer marktkonformen Demokratie offenbar gar nicht getan. Was hilft es denn, wenn die Wähler nichts mehr zu wählen haben, was Profite gefährden könnte, wenn sie also immer nur im Rahmen dessen votieren können, was noch was abwirft, wenn gleichzeitig die Strafverfolgung keinen Respekt vor der Marktkonformität hat? Doch keine Panik, Entwarnung wird gegeben, das Kabinett der Bundeskanzlerin hat begriffen, wo es leckt und handelt. Oder unterlässt Handeln.
Buße tun, das ist ne ganz feine Sache, für den Sonntag oder den Beichtstuhl, Buße tun in Geldmittel umgerechnet jedoch, wenn man was verbockt hat, das schaltet man jetzt lieber gleich ab. Um Wettbewerbsvorteile nicht zu gefährden. Marktkonform halt. Das Verkehrsministerium sieht davon ab, dem ganzen Stolz deutscher Automobilindustrie, dem Volkswagen-Konzern, einen Strafe aufzubrummen. Natürlich haben die beschissen. Kein Zweifel, dass das Kalkül war. Es behauptet ja nicht mal mehr einer, dass es ein Versehen gewesen sei. Man tat Buße, trat vor die Kunden und Bürger und war geständig. Buße tun geht, das ist marktkonform. Bußgelder überweisen geht nicht, das schmälert die Chancen. Vor Kunden und Bürgern moralisch zu büßen, Mensch, da sind wir doch ganz weit. Aber weil der Bürger in erster Linie als Kunde fungiert, darf die Moral nichts kosten. Damit wir auch morgen noch kraftvoll exportieren können.
Das ist Marktkonformität. Was ausfressen und nicht zahlen, damit das Unternehmen auch weiterhin in ruhigen Gewässern steuern kann. Kein Bußgeld einzufordern, um letztlich all die anderen europäischen und amerikanischen Autohersteller auszustechen, das ist eine ganz spezielle Form von staatlicher Bevorteilung, eine Subvention durch Unterlassung. Ein Marktriese kann das so handhaben, aber bescheißt der Bürger, dann gibt es einen Bußgeldbescheid. Schließlich ist keiner von uns marktrelevant. Uns kann man ersetzen. Aber Volkswagen, um Himmels willen Volkswagen, die verlieren den Markt, wenn sie plötzlich für ihre Schandtaten bezahlen müssten. Kulanz muss schon sein, für unsere Arbeitsplätze, den Wohlstand, die Exporthegemonie.
Marktkonforme Demokratie. Da sind wir doch schon drüber hinweg. Wenn man aus Geschäftsgründen Strafe »entbehrlich« macht, genau »entbehrlich«, so sagte das Verkehrsministerium wirklich dazu, dann ist das so demokratisch wie ein Ukas, wie ein Führerbefehl. Verwaltungsakte nach Geschäftssituation zu unterlassen, das ist marktkonform ja. Aber Demokratie ist es eigentlich schon nicht mehr. Das ist ja das ganze Problem, das dieser Begriff immer in sich trug. Er ist ein begrifflicher Widerstreit, ein hölzernes Eisen, eine kalte Wärme oder andersherum. Entweder Markt oder Demokratie. Beides geht nicht.
Wenn es dann der Markt ist, der obsiegt, dann ist es vielleicht nicht gleich eine Diktatur, aber schon ein Totalitarismus. Vielleicht ein softer, kein Stalinismus, kein Lagersystem, aber doch eine massive Beschneidung aufgeklärter Strukturen, ein System, in dem alte ethische und juristische Standards, wie die Bestrafung bei Vergehen, einfach nicht mehr gelten können, weil die höhere Mächte des Wettbewerbs und des Profits einen Befehlsnotstand ergeben, den man nur dadurch umgeht, Fünfe mal gerade sein zu lassen. Marktkonform läuft das so. Ist alles marktkonform, so beißt das Gemeinwesen die Zähne an den Marktmächten aus.
Mal sehen, falls es doch nach einer Abwahl dieser Kanzlerin aussieht, vielleicht kann Volkswagen ja verlautbaren lassen, dass ein jetziger politischer Wechsel auf dem Markt Verwerfungen mit sich brächte, die wir uns derzeit gerade nicht leisten sollten. Wählt also lieber gleich marktkonform. Ansonsten werden wir es büßen. Denn unsereins büßt immer noch, wo andere schon raus aus der Nummer sind.
Buße tun, das ist ne ganz feine Sache, für den Sonntag oder den Beichtstuhl, Buße tun in Geldmittel umgerechnet jedoch, wenn man was verbockt hat, das schaltet man jetzt lieber gleich ab. Um Wettbewerbsvorteile nicht zu gefährden. Marktkonform halt. Das Verkehrsministerium sieht davon ab, dem ganzen Stolz deutscher Automobilindustrie, dem Volkswagen-Konzern, einen Strafe aufzubrummen. Natürlich haben die beschissen. Kein Zweifel, dass das Kalkül war. Es behauptet ja nicht mal mehr einer, dass es ein Versehen gewesen sei. Man tat Buße, trat vor die Kunden und Bürger und war geständig. Buße tun geht, das ist marktkonform. Bußgelder überweisen geht nicht, das schmälert die Chancen. Vor Kunden und Bürgern moralisch zu büßen, Mensch, da sind wir doch ganz weit. Aber weil der Bürger in erster Linie als Kunde fungiert, darf die Moral nichts kosten. Damit wir auch morgen noch kraftvoll exportieren können.
Das ist Marktkonformität. Was ausfressen und nicht zahlen, damit das Unternehmen auch weiterhin in ruhigen Gewässern steuern kann. Kein Bußgeld einzufordern, um letztlich all die anderen europäischen und amerikanischen Autohersteller auszustechen, das ist eine ganz spezielle Form von staatlicher Bevorteilung, eine Subvention durch Unterlassung. Ein Marktriese kann das so handhaben, aber bescheißt der Bürger, dann gibt es einen Bußgeldbescheid. Schließlich ist keiner von uns marktrelevant. Uns kann man ersetzen. Aber Volkswagen, um Himmels willen Volkswagen, die verlieren den Markt, wenn sie plötzlich für ihre Schandtaten bezahlen müssten. Kulanz muss schon sein, für unsere Arbeitsplätze, den Wohlstand, die Exporthegemonie.
Marktkonforme Demokratie. Da sind wir doch schon drüber hinweg. Wenn man aus Geschäftsgründen Strafe »entbehrlich« macht, genau »entbehrlich«, so sagte das Verkehrsministerium wirklich dazu, dann ist das so demokratisch wie ein Ukas, wie ein Führerbefehl. Verwaltungsakte nach Geschäftssituation zu unterlassen, das ist marktkonform ja. Aber Demokratie ist es eigentlich schon nicht mehr. Das ist ja das ganze Problem, das dieser Begriff immer in sich trug. Er ist ein begrifflicher Widerstreit, ein hölzernes Eisen, eine kalte Wärme oder andersherum. Entweder Markt oder Demokratie. Beides geht nicht.
Wenn es dann der Markt ist, der obsiegt, dann ist es vielleicht nicht gleich eine Diktatur, aber schon ein Totalitarismus. Vielleicht ein softer, kein Stalinismus, kein Lagersystem, aber doch eine massive Beschneidung aufgeklärter Strukturen, ein System, in dem alte ethische und juristische Standards, wie die Bestrafung bei Vergehen, einfach nicht mehr gelten können, weil die höhere Mächte des Wettbewerbs und des Profits einen Befehlsnotstand ergeben, den man nur dadurch umgeht, Fünfe mal gerade sein zu lassen. Marktkonform läuft das so. Ist alles marktkonform, so beißt das Gemeinwesen die Zähne an den Marktmächten aus.
Mal sehen, falls es doch nach einer Abwahl dieser Kanzlerin aussieht, vielleicht kann Volkswagen ja verlautbaren lassen, dass ein jetziger politischer Wechsel auf dem Markt Verwerfungen mit sich brächte, die wir uns derzeit gerade nicht leisten sollten. Wählt also lieber gleich marktkonform. Ansonsten werden wir es büßen. Denn unsereins büßt immer noch, wo andere schon raus aus der Nummer sind.
1 Kommentare:
Sehr feiner Text! Das ist ein Meilenstein in Richtung Diktatur des Kapitals.
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