Verdammte Axt!

Montag, 25. Juli 2016

Nach dem »ersten islamistischen Anschlag auf deutschen Boden« ist man nun der Ansicht, dass sich alles geändert hätte. So liest und hört man das nun: Es habe sich alles geändert! Vor fünfzehn Jahren war ein »Nichts ist mehr so, wie es mal war« der analytische Höhepunkt nach den Anschlägen auf das World Trade Center. Seinerzeit brauchte es entführte Flugzeuge als Waffen, die ganze Hochhäuser zum Einsturz brachten, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Heute reicht eine Axt in der Hand eines traumatisierten Mannes aus, um zu so einem Schluss zu geraten. Wie bescheiden wir geworden sind bei der Auswahl der Mittel, die die Menschen in Angst und Schrecken versetzen sollen. Und trotzdem stimmt es, alles hat sich verändert. Der kritische Bürger ist so verängstigt, dass er sich Fragen zur Arbeit der exekutiven Staatsgewalt verbittet. Verdammte Axt, möchte man da schreien. Nicht die, die der Junge in der Hand hielt, die andere ist gemeint, die metaphorische, die man sprachlich anwendet, wenn man bildlich machen will, was mit so einem Gerät alles angerichtet werden kann, wenn man es zweckentfremdet. Verdammte Axt also, was hier schief läuft, dass ändert tatsächlich alles.

Es sind ja nicht alles »angry white men«. Jetzt sieht man, viele sind gar nicht wütend, sie sind einfach bloß Schisser. Und sie halten sich Sprachrohre. Diese stellen sich dann ins Frühstücksfernsehen und fordern eine Anti-Terror-Schulung für alle Bundesbürger. So wie es nach den Axt-Anschlag der Sat.1-Journalist Claus Strunz tat. So könne man die schweren Jungs schon vorher erahnen. Was der Mann fordert ist der Vorurteilsstaat; ein Gemeinwesen, das darauf basiert, allen und jeden im Alltag zu Misstrauen. Bärtigen mit Sonnenbräune allen voran. Es ist ja nicht so, dass wir jetzt in einem Idyll des alltäglichen Miteinanders lebten. Nun diesen ohnehin schwierigen Alltag mit Ressentiments und allzeitiger »Zivilcourage« anzureichern, das macht es aber ganz sicher nicht leichter. Was erlauben Strunz! Warum sagt man eigentlich strunzdoof zu einem? Das muss doch einen Ursprung haben. Wenn einer nach dieser verfluchten Axt in Würzburg im Fernsehen so einen Unfug salbadert, dann hat sich wirklich was verändert. Der Unterbietungslimbo dieser politisierten Klatschreporter scheint dem Ende entgegenzugehen. Die Stange liegt fast am Boden. Aber irgendein weicher Wurm drückt sich immer noch durch. Und liegt das Ding dann wirklich mal ganz unten, bohrt er sich eben durch das Erdreich. Kreaturen ohne Knochen und Rückgrat können das.

Strunz »sensibilisiert« Bürger, die ohnehin voll im Verrohungswettbewerb angekommen sind. Mag sein, dass Theorie und Praxis nicht immer kompatibel sind, wenn es darum geht, eines Gewalttäters Herr zu werden. Es kann schon sein, dass der zu Tode kommt. Sondereinsatzkommando-Kompetenz hin oder her; im Eifer eines Einsatzes ist vieles ergebnisoffen. Man darf nicht pauschal davon ausgehen, dass es sich die Polizei so einfach macht, wild auf einen Menschen zu ballern. Aber das Gegenteil anzunehmen, dass also grundsätzlich jeder polizeiliche Einsatz nur deshalb abgesegnet ist, weil er eben ein polizeilicher Einsatz ist, das ist mindestens genauso einfältig. Ja, schlimmer noch: So eine Haltung gefährdet demokratische Standards. Die Publikative, ja der öffentliche Raum an sich, kann und muss sich als demokratische Kontrollfunktion wahrnehmen, der die Arbeit polizeilicher Behörden kritisch zu begleiten hat. Wenn eine solche Frage einen Shitstorm erzeugt, wie im Falle Künasts - man kann nun darüber streiten, ob eine solche Rückfrage per Twitter angemessen ist -, sind wir wahrlich auf »einem guten Weg«, die Demokratie zu verabschieden. Solche Fragen sind keine Frechheit; erfolgten sie nicht, dann wäre es erst eine solche.

Die sozialen Netzwerke heißen auch hier nur so. Sozial ist daran nichts. Sie sind im Grunde eine Erweiterung der Christlich Demokratischen Union. Die heißt auch bloß so. Ist so christlich, wie die Netzwerke sozial. Grundsätzlich war für eine Mehrheit dort klar, dass der junge Mann den Tod verdient habe. Wer so wüte, der müsse damit rechnen. Letzteres stimmt sogar halbwegs. Aber hat er es verdient? Ist polizeiliche Arbeit ein Racheauftrag? Müssen Beamte rächen oder festnehmen, wenn möglich lebend? Da müsste man mal ernsthaft über die Definition von Polizeiarbeit sprechen. Manche lobten sogar ausdrücklich die amerikanische Haltung gegen Terroristen, da würde auch nicht lange gefackelt. Michael Brown, Freddie Gray und neulich Alton Sterling waren auch so Terroristen in den Augen der Staatsgewalt. Da hat man nicht lange gefackelt. Dummerweise waren sie schwarz.

Ausgerechnet jene Nation gilt für manchen da plötzlich als Musterbeispiel einer funktionierenden Polizeiarbeit, die ansonsten international scharf kritisiert wird für ihre rassistische Polizei. So geht die ganze Sache nämlich aus, wenn keiner mehr Fragen stellt, wenn Kleinstadtpolizisten ihre Verbrechen gegenseitig vertuschen und die Regionalpresse »keine Fragen mehr, euer Ehren!« druckt. Die asozialen Netzwerke scheinen nur so von Leuten besiedelt, deren Staatsverständnis lautet: Schlagt sie tot! Nicht etwa um zu schützen, oder das nur in zweiter Linie, sondern um zu rächen. Jemanden der nicht passt, den wollen sie tot sehen. Wo man früher mit Heugabeln und Fackeln auflief, da besorgt es diesen Leuten heute der Like-Button.

Übrigens waren das dann nicht selten dieselben Kollegen, die sich mächtig echauffierten, weil die Türkei die Todesstrafe einführen möchte. Dieser Diktator, der will einfach alle umbringen lassen, die ihm im Weg sind. Wenn er dann aber an postraumatisierter Belastungsstörung leidenden Marodeuren, die mit einem Beil auf Passanten losgehen, das Schafott verabreicht, dann werden sich diese Leute vermutlich auch mit der Todesstrafe abfinden. Verdammte Axt, es läuft wirklich alles schief und nichts ist mehr so, wie es mal war. Dieser Terror mit dem Terror, Strunzblödheit und Asoziale, deren Netzpräsenz als ständiger Rachefeldzug gepostet wird, das verändert alles.

2 Kommentare:

ert_ertrus 25. Juli 2016 um 09:18  

»Michael Brown, Freddie Gray und neulich Alton Sterling waren auch so Terroristen in den Augen der Staatsgewalt. Da hat man nicht lange gefackelt. Dummerweise waren sie schwarz.«

Da bekommt die Redewendung »ins Schwarze getroffen« gleich eine sinistre Nebenbedeutung …

Kauderwelsch 25. Juli 2016 um 22:12  

Die Ereignisse überschlagen sich.. Mit dem Anschlag von Ansbach überholt die Geschichte den Artikel..
Kein Wunder, dass es wieder Bayern traf, das Bundesland mit der repressivsten Asylpolitik..

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