Wo Hitler recht hatte

Mittwoch, 20. Juli 2016

»... denn die Guten sind gefallen.« Das sagte Hitler. Und Hitler hatte recht. Stimmt doch, so viele Gute sind gefallen. Gute Mediziner. Gute Schlosser. Gute Lohnbuchhalter. Wahrscheinlich sogar Gute im ethischen Sinne. Gute Zuhörer. Gute Liebhaber. Gute Nachbarn. Wie könnte man dem widersprechen? Haben diese guten Leute später nicht gefehlt? Genau aus diesem Grund musste Deutschland ja Arbeitskräfte ins Land holen. Hände, die anpackten, die sich beschmutzten, um ein Wirtschaftswunder zu bewältigen. Es blieben echt zu viele draußen. Hitler hatte das ganz richtig erkannt. All die guten Leute. Fanden Mütter, Ehefrauen und Kinder auch. Sie weinten ihren Guten, die gefallen waren, viele bittere Tränen nach. Es waren ja sicherlich viele gute Söhne, Ehemänner und Väter unter denen, die nicht mehr zurückkamen. Der Führer hatte einfach recht, wenn er sagte, dass die Guten gefallen seien.

Problem an der Sache ist nur, dass das oben nur ein Nebensatz war, zumal einer, der nicht in einem Satz folgte, der da lautete »Es reicht jetzt, denn die Guten sind gefallen«. Und er redet auch nur von den Gefallenen, nicht von dem Schwund, verursacht durch seine Häscher, die manchen hohen Geist aus dem Land jagten oder in Konzentrationslager steckten. Ein Schwund, der später kompensiert werden musste. Durch eben jene Gastarbeit oder amerikanische Ingenieure. Die Guten waren ja nicht nur gefallen, sie wurden auch vertrieben, wurden vergast und fehlten dann ganz einfach. Dieser Nebensatz beendete genauer gesagt folgenden Satz: »Was nach diesem Kampf übrigbleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen.« Hätte er mit dem Nebensatz begonnen und alles andere weggelassen ... Aber so?

Je länger man Menschen zuhört, desto weniger kann man sie leiden. Sartre hat das nicht gesagt. Aber er hätte es sagen können, der Satz klingt ganz schön nach existenzialistischer Ernüchterung, wie jene Hölle, die die anderen seien. Bei Rechten ist das ganz oft so. Man sieht ja nicht jedem an, dass er rechtem Gedankengut nachhängt, dann denkt man sich, »Och, der wirkt sympathisch« und man quatscht ein bisschen drauflos. Einige Nebensätze fallen, die man abnickt, er hat ja recht, stimmt ja wirklich, wenigstens so halbwegs, denkt man sich. Wenn nur da diese Hauptsätze nicht wären, die jetzt plötzlich aus ihm heraussprudeln. Die kommen stets etwas verspätet. Rechte haben ein Problem mit der Syntax, sie stellen grundsätzlich Nebensatzfetzen an den Anfang, haben da so eine yodaeske Ader. Bevor sie in medias Reich gehen, gibt es zunächst mal verbindliche Allgemeinplätze. Die Binse ist das Lockmittel, klar sind die Guten gefallen, übereinstimmt man dann. Das mit den Minderwertigen, das kommt immer erst am Satzende.

Jedenfalls ist das heute so, es gab ja eine Zeit, da hatte man noch Mut zum Hauptsatz, siehe Hitler seinerzeit. Das Problem ist einfach nur, dass diese Leute von der AfD und der Pegida oder wie all dieses sich erwachende Deutschland nennt, ja auch immer mal einen Treffer landen. Nicht alles ist ja immer grundsätzlich Unfug und galoppierender Irrsinn, auch wenn der Blick vieler der Vertreter dieser Zunft, etwas ganz anderes nahelegt. Es gibt stets einen Nebensatz, dem man beipflichten kann, bei dem man affirmativ nicken könnte, wenn man nur wollte. Wenn sie sagen »Wir brauchen mehr Arbeitsplätze«, dann haben sie gut gezielt, verdrießlich nur, wenn danach kein Punkt, wenn da nur ein Komma prangt, dem dann folgt »aber nur für Deutsche«. Irgendwas ist immer richtig, irgendwas kann man immer unterschreiben bei diesen Leuten. So arbeiten sie ja. Halbwahrheiten, eigentlich ja nur Viertelwahrheiten und der Rest ist Bullshit. Wer nur das Viertel wahrnimmt, der ist dabei, der läuft diesen Kraftausdruckskerlen nach.

Vor Jahren hat die »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«, dieser von Arbeitgebern finanzierte Verein marktradikaler Hassprediger, ein fiktives Interview mit Ludwig Erhard geführt. Man war so stolz, weil der längst verstorbene Altkanzler im Wesenskern ja ein Anhänger der Agenda 2010 war. Man stellte ihm Fragen - idiotisch genug! - und legte ihm irgendwelche Zitate in den Mund, die er mal in seinem Leben gesagt oder geschrieben hatte, die aber natürlich in einem komplett anderem Zusammenhang das Licht der Welt erblickten. In dem Stil könnte man Jesus zu einem Botschafter des Sadomasochismus oder der Eisenbahn-Romantik machen. Man findet immer irgendwas, was man für seine Belange und Interessen verwerten kann. In dem Sinne war Hitler auch kein schlechter Typ, es sind reichlich galante Sätze von ihm überliefert. Wenn man nur den einen Teil hören will, dann kann jedermann ein akzeptabler Charakter sein. Auf die Art punktet die Rechte heute.

3 Kommentare:

Anonym 20. Juli 2016 um 09:28  

.....wenn das der Führer wüsste.....

Anonym 20. Juli 2016 um 13:15  

Das alles ist der EINE richtige Punkt dabei. Vielleicht sollte man auch erwähnen, dass diese "Zustimmung zu den Halbsätzen" auch begierig von den "Querfront"-Schreiern aufgegriffen wird, rinks und lechts gleichzusetzen, denn die wesentlichen Unterschiede (nein, wer nach denen jetzt fragen muss, wird sie eh nicht begreifen) interessieren die sowieso nicht und stören nur beim unterschiedslosen Draufschlagen auf das, was sie in ihrem engen "mittigen" Weltbild als "extrem" verstehen.

Anonym 21. Juli 2016 um 22:38  

"[...]In dem Stil könnte man Jesus zu einem Botschafter des Sadomasochismus oder der Eisenbach-Romantik machen[...]"

Ich schilderte es die letzten Jahre bereits es soll auch schon ein Buch geben, dass Jesus zu einem Botschafter des Neoliberalismus degradiert.

Leider weiß ich den Titel nicht mehr, aber bei einfacher Online-Recherche lässt der kapitalistisch-neoliberal-marktradikale Jesus sich sicher noch ermitteln....

Gruß
Bernie

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