Europa, sie weben dein Leichentuch ...

Mittwoch, 21. Mai 2014

Die Austeritätspolitik aus Brüssel ist ein Leichenfledderer. Selten kann man das derart im wahrsten Sinne des Wortes behaupten wie jetzt im Fall der Madrider Universität, die einige Leichen im Keller hat.

Das muss man sich mal vorstellen: Unter einer europäischen Uni sieht es aus wie im Bastelkeller eines perversen Massenmörders. Hätte einer ein B-Movie mit einer solchen Storyline verfilmt, es wäre zum Haareraufen gewesen. Unglaubhafter Splatter-Mist, hätte man es genannt. Nirgends in der zivilisierten Welt stinken 250 Leichen bei Zimmertemperatur vor sich hin, ohne dass es jemand merkt, hätte man erklärt. Ein Film eben. Wieder mal ein Drehbuchautor, der so übertreibt, dass es keinen Schauer erzeugen kann.

Universität: Sind das nicht die belesenen Männer und Frauen, die Intellektuellen mit einer irgendwie gearteten Sittlichkeitslehre, die auch auf das sonstige Personal abfärbt? Und egal welcher Moralität Professoren so folgen, ob nun dem Humanismus oder dem neoliberalen Utilitarismus: Leichen mit Würde zu begegnen, sie zu beerdigen oder zu verbrennen, sie jedenfalls nicht einfach »überirdisch« dem organischen Verfall anheimzugeben, das ist ein universelles Gebot aller Denkschulen.

Tja, warum würden wir, käme die Meldung aus »The Hollywood Reporter«, nur spöttisch mit dem Kopf schütteln? Weil wir uns Europa als einen Ort denken, dem es an nichts mangelt. Aber das heutige Europa, das Merkel gerettet haben will und von dem Steinmeier sagt, dass es seine Sozialdemokratie auch getan habe, ist in einigen Regionen so unterfinanziert, dass selbst undenkbarer Horror und völlig unrealistische Traumata realiter werden. Die Konsolidierungspolitik aus Brüssel verstümmelt die Posten der nationalen Haushalte, die entbehrlich scheinen: Transferleistungen, Gesundheitsfonds, Kulturressorts und Keller, in denen an Leichen die menschliche Anatomie erprobt werden soll.

Spektakulär findet man nun, dass die Universität sogar Leichen vermietet haben soll. Natürlich fragt man sich, wer sich so einen Leichnam gegen Preis aneignen will. Aber machen wir uns nichts vor: So tickt Sparpolitik - so machen es Kommunen schon lange. Kriegen sie ihr Freibad nicht mehr flott, verkaufen sie es günstig an einen privaten Investor, der eine Luxustherme ohne sozialverträgliche Eintrittspreise daraus macht. Oder man verscherbelt das regionale Krankenhaus an »Asklepios« und ist so ganz schnell den Posten im Debet los. »Tafelsilber verscheuern«, sagt man umgangsprachlich dazu.

Wer nun Leichen im Keller hat, die er nicht mehr gebrauchen kann und die ihm nur Unkosten verursachen oder im Weg herumliegen, der versetzt eben Leichen. Jeder tut was er kann. Jeder hat so sein ganz spezielles Tafelsilber. Das ist der ganze Zynismus der herrschenden Ökonomie. Willkommen in der chronischen Unterfinanzierung des »schlanken Staates«, mit freundlichen Grüßen vom Austeritätskurs Merkel-Europas. Europa, sie weben dein Leichentuch ...


8 Kommentare:

Anonym 21. Mai 2014 um 16:08  

Austeritätspolitik? Wo leben Sie? Fast die Hälfte der Deutschen wohnen in eigenen Wohnungen und Häusern, fahren 44 Millionen PKWs, von den 300 Milliarden Euro im Bundeshaushalt fließen fast die Hälfte in soziale Zwecke. Austeritätspolitik? Wo leben Sie?

Hartmut B. 21. Mai 2014 um 21:52  

Danke Roberto für den Artikel.

Dies ist wahrhaftig ein Skandal sondersgleichen.....

In der Überschrift sah ich sofort den Bezug zu den "Schlesischen Webern" von Heinrich Heine, in dem es in der 5 Strophe heißt:
"Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch"
und damit waren für mich inhaltliche Parallelen zu Deinem Artikel zu erkennen.

Wenn Du es genehmigst, möchte ich zu diesem Gedicht mit Interpretation verlinken.

http://lyrik.antikoerperchen.de/heinrich-heine-die-schlesischen-weber,textbearbeitung,159.html

ad sinistram 22. Mai 2014 um 06:39  

Dir anonymen Volldeppen lege ich Bergers Buch "Wem gehört Deutschland?" ans Herz. Vielleicht hilft es was. Die Hälfte aller Deutschen mit eigenen Immobilienbesitz? Mal abgesehen, dass die Besitzer dann zumeist die Bank ist. Fast überall in Europa ist die Quote höher.

Martina 22. Mai 2014 um 09:55  

Danke Roberto!
Habe heute schon 2 wunderbare Erfahrungen gemacht.
Zuerst las ich wieder etwas von Tolstoi: "Auch der schwierigste Sachverhalt ist dem Dümmsten zu vermitteln, wenn er noch keine Vorstellung davon hat. Dagegen lässt sich selbst dem Klügsten nicht das Allereinfachste erklären, wenn er sich fest einbildet, bereits genau zu wissen, worum es geht."
Und nun bei dir auch noch Heine!
Beides erinnert mich an meine Schulzeit in der damaligen DDR und ich fühle mich endlich wieder nach langer Zeit so richtig wohl - weil verstanden.

Anonym 22. Mai 2014 um 14:17  

@ Roberto

Ich neige ja auch dazu auszuflippen wenn die Neos wieder und wieder behaupten deutschland ginge es gut bis megasupergut.

Ganz so Unrecht hat der/ Anonyme aber nicht. 43% der deutschen haben selbstgenutztes Wohneigentum (EU Durchschnitt 60%). Über 40 Millionen zugelassene KFZ stimmt auch.

300 Milliarden Euro für soziale Zwecke ist völliger Humbug. Vielleicht wenn man die Renten und Subventionen für Firmen zurechnet, die hier "Steuervermeidung" effektiv betreiben.

Das Blöde an den Fakten - Eigentum von Haus, Wohnung und/oder KFZ - besagt ziemlich sicher, daß die Eigentümer nur eines haben - Schulden. Und zwar (oftmals) ein Leben lang.

Tatsächlich gibt es in deutschland mittlerweile mindestens 30 Millionen arme. Arm ist, wer z.B. beim Einkauf von Lebensmittel auf den Preis achten MUSS!

Auslandsurlaub und dergleichen, können diese 30 Millionen sich sowieso nicht leisten. KFZ -sofern überhaupt vorhanden - haben einen Wert von 0 bis 1.200 Euro usw. usf.

Diese mit ekelhaft permanenter Renitenz vorgetragene Lüge deutschland ginge es gut, muß doc von dem neoliberalen kapitalistischem Pack vorgetragen werden, allein um den EINDRUCK ZU VERMITTELN, WEM ES NICHT GUT GEHT, DER IST SELBST DARAN SCHULD.

Der Souverän

Martin 22. Mai 2014 um 14:29  

Der anonymen "Volldeppen" gibt es leieder zu viele - der nächste Sonntag wird es (aus)weisen. Der Teil der Widerparts kann nur zunehmen - bleib am Ball (machst du ja eh ;) )

Martin

Anonym 22. Mai 2014 um 20:27  

Zu den Zahlen von Anonym 21. Mai 16.08 Uhr:

Die Zahlen mögen vielleicht sogar stimmen und sprechen nicht gerade für eine Austeritätspolitik.
Nebenbei, dass diese eher auf den Staatsetat als auf den persönlichen bezogen ist - eines, was diese Zahlen aber nicht angeben: 43% der Deutschen haben Wohneigentum, es wird aber nicht erwähnt, für wie viele es bereits die Zweit-, Dritt-, Viert- oder Fünftwohung ist.
44 Millionen PKW - es wird aber nicht gesagt, ob wir alle Fahrzeuge des Baujahrs 2013 fahren oder ein Teil davon 15-Jahre-alte Fabrikate sind, bei denen die Besitzer hoffen, niemals einen Unfall zu haben.

Die EU-Quote bezüglich Wohneigentums ist in anderen Ländern auch nur höher, weil die Kultur der Mietwohnungen dort nicht so stark verbreitet ist bzw. dort das Premium-Segment darstellt.
Bedeutet: Hast du kein Haus, hast du keine Obdacht.
In der Krise kann sich das angenehm bemerkbar machen, weil man noch weiß, wohin man gehen kann.
Die Deutschen haben so etwas nicht; dafür sind sie auf diesem kleinen Fleck Land 80 Millionen.

Anonym 22. Mai 2014 um 20:56  

Der Finanzterrorist lebt in Saus und Braus,
auf, auf zum Leichenschmaus.
Die Sau, die lass raus.
Aus, aus!

Aufgemerkelt!
Die Leichen im Keller der neoliberalen Irrlehre.
Für Großes Geld ficht sie,
kleines Geld sticht sie.
Leichen (Selbsmorde in Südländern, denen „geholfen“ wurde) pflastern ihren Kurs.
Eine Ferkelei !
Alternativlos.
Ei, ei, ei.

http://houseofdebt.org/2014/05/15/a-european-house-of-debt.html


http://www.businessinsider.com/the-most-important-economic-chart-2014-3

kh

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