Die »Toleranz«, die aus der Sideshow stammt
Freitag, 16. Mai 2014
Europa sei wohl doch toleranter als angenommen, meinte der Kommentator Peter Urban nach dem Sieg des österreichischen Beitrages beim Eurovision Song Contest. Und einige Feuilletonisten leierten sich tagsdrauf einen »Sieg der Toleranz« aus den Rippen. Ein Blick auf die Facebook-Seiten des Contests oder des Siegers zeigt aber: Sieg ja - aber Toleranz?
Dort waren »Schwuchtel« und Sermone über »dieses Etwas« noch herzlich. Mancher schrieb, dass Conchita Wurst kein Mensch sei, sondern ein Tier. Die Rhetorik, Menschen zu animalisieren kennt man. Sie ist die Vorstufe zur tolerierten Gewalt. Juden waren Ungeziefer, die Tutsi Schaben. Aber das führt jetzt zu weit. Ein solcher Maulheld, der sich die moderne Bequemlichkeit leisten kann, nicht mal sein Maul, sondern lediglich seine Tastatur zu betätigen, macht ja noch keinen Mordanschlag aus. Er outet sich ausschließlich als intolerantes Arschloch. Zu mehr reicht es nicht. Der Friedensengel Elsässer forderte zum Beispiel »seine Lena« zurück und distanzierte sich von dieser »eierlegenden Wollmilchsau«. »Würg« findet er das alles. Während Europa umerzogen wird, buht es Russland aus, diesen Hort traditioneller Lebensführung, bedauert er außerdem. Am Montag ist er vielleicht wieder dabei und macht die Welt wieder ein Stückchen friedlicher.
Kürzlich erst prüfte man bei »Panorama - die Reporter«, wie es mit der Toleranz gegenüber Homosexuellen bestellt ist. Der Zuschauer landete mit dem Reporter bei Protesten gegen homosexuelle Gleichstellung und musste sich die üblichen uralten Zoten anhören: Schwule seien krank und arme Kreaturen, die Mitleid verdienten. Und natürlich: Sie sollten mal einen Arzt besuchen. Den besuchte der Reporter, der sich selbst als schwul outete, dann auch. So einen katholischen Schmierlapp, der ihm die Hand auflegte und dann fragte, ob er gespürt habe, dass die falsche Energie aus ihm entwichen sei. Wahrscheinlich wollte dieser »Retter schwuler Seelen« seine Hand ganz wo anders platzieren, nicht nur auf der Stirn seines »Patienten«. Wäre nicht der erste Schwulenfeind, der mit seiner Tour nur seine eigenen Gedanken verdrängen will. Wer weiß schon so sicher, wieviele Richter Schwule rücksichtslos nach Paragraph 175 verurteilten, nur weil sie neidisch waren und selbst nicht den Schneid hatten, sich mit einem Mann ins Bett zu legen?
Aber höchstwahrscheinlich hat dieser öffentliche Schwall über die Toleranz, die uns Europäer angeblich erfasst hätte, wenig mit Homosexualität zu tun. Erstens wird hier polarisiert, weil man eine Art ideologischen Graben zwischen West und Ost ziehen möchte und zweitens ging es eher um die Inthronisierung eines Phantasievogels, der nebenher eben auch schwul ist. Ich hatte nicht das Gefühl, dass da die Toleranz Motiv war, sondern die klammheimlich Freude, das Schrille in Szene zu setzen. So wie damals, als wir uns immer den zum Klassensprecher wählten, der sich am wenigstens dazu eignete.
Jahrmärkte hatten früher spektakuläre Beiprogramme zu bieten, die wir heute für geschmacklos befinden würden. Siamesische Zwillinge und Frauen ohne Unterleib tummelten sich da. Und natürlich auch bärtige Damen. Die Besucher gafften diese Kreaturen an. Einige wenige Besucher mit Kultur grüßten »diese Ausstellungsstücke« sogar freundlich. Mir scheint, Europa hat weniger ein Bekenntnis zur Toleranz abgegeben, als einfach mal eine Sideshow besucht, in die man mit der Freundlichkeit eines neugierigen Besuchers eintrat.
Europa ist nicht plötzlich toleranter geworden. Gegen Schwule wird noch immer gehetzt. Normalität ist Homosexualität noch lange nicht. Wenn der Nachbarssohn mit Frauen ausgeht, tratscht man darüber so gut wie nicht. Wenn er Männer liebt, dann ist er Gesprächsthema. Wenn vielleicht auch nicht immer negativ. Man liebt die Sensation schwuler Naturen immer noch. Und ein Phantasievogel mag vielleicht einen Wettbewerb zwischen Barden gewinnen, aber im echten Leben empfiehlt man ihm, dass er sich rasieren soll, damit er auch der Allgemeinheit ja nicht auf der Tasche liegt. So weit geht die Toleranz also dann doch nicht.
Manchmal ist eine Zigarre auch nur eine Zigarre. Und hin und wieder ist eine Drag Queen, die den Versuch startete, eine Mischung aus Adele und Shirley Bassey zu singen, auch nicht mehr als eine Drag Queen, die den Versuch unternahm, wie Adele und Bassey zu klingen. Wenn sie dann dafür einen Preis erhält, wird daraus keine politische Botschaft. Es ist auch kein Fanal. Und je lauter man das skandiert, desto wahrer wird das dann auch nicht. Toleranz wird nicht auf Bühnen herbeigesungen, sondern sie prüft sich im wirklichen Leben. Als ich neulich im Kollegenkreis hörte, dass sie Edathy als »Kinderficker« stigmatisierten und meinten, dass er ohnehin schwul sei, da konnte ich mal wieder erahnen, wie es mit dieser Toleranz bestellt ist. Der Schwule ist halt immer noch ein perverser Päderast. Und der Paradiesvogel ist witzig, aber nur, wenn er weit weg ist und nicht die Ordnung stört.
Dort waren »Schwuchtel« und Sermone über »dieses Etwas« noch herzlich. Mancher schrieb, dass Conchita Wurst kein Mensch sei, sondern ein Tier. Die Rhetorik, Menschen zu animalisieren kennt man. Sie ist die Vorstufe zur tolerierten Gewalt. Juden waren Ungeziefer, die Tutsi Schaben. Aber das führt jetzt zu weit. Ein solcher Maulheld, der sich die moderne Bequemlichkeit leisten kann, nicht mal sein Maul, sondern lediglich seine Tastatur zu betätigen, macht ja noch keinen Mordanschlag aus. Er outet sich ausschließlich als intolerantes Arschloch. Zu mehr reicht es nicht. Der Friedensengel Elsässer forderte zum Beispiel »seine Lena« zurück und distanzierte sich von dieser »eierlegenden Wollmilchsau«. »Würg« findet er das alles. Während Europa umerzogen wird, buht es Russland aus, diesen Hort traditioneller Lebensführung, bedauert er außerdem. Am Montag ist er vielleicht wieder dabei und macht die Welt wieder ein Stückchen friedlicher.
Kürzlich erst prüfte man bei »Panorama - die Reporter«, wie es mit der Toleranz gegenüber Homosexuellen bestellt ist. Der Zuschauer landete mit dem Reporter bei Protesten gegen homosexuelle Gleichstellung und musste sich die üblichen uralten Zoten anhören: Schwule seien krank und arme Kreaturen, die Mitleid verdienten. Und natürlich: Sie sollten mal einen Arzt besuchen. Den besuchte der Reporter, der sich selbst als schwul outete, dann auch. So einen katholischen Schmierlapp, der ihm die Hand auflegte und dann fragte, ob er gespürt habe, dass die falsche Energie aus ihm entwichen sei. Wahrscheinlich wollte dieser »Retter schwuler Seelen« seine Hand ganz wo anders platzieren, nicht nur auf der Stirn seines »Patienten«. Wäre nicht der erste Schwulenfeind, der mit seiner Tour nur seine eigenen Gedanken verdrängen will. Wer weiß schon so sicher, wieviele Richter Schwule rücksichtslos nach Paragraph 175 verurteilten, nur weil sie neidisch waren und selbst nicht den Schneid hatten, sich mit einem Mann ins Bett zu legen?
Aber höchstwahrscheinlich hat dieser öffentliche Schwall über die Toleranz, die uns Europäer angeblich erfasst hätte, wenig mit Homosexualität zu tun. Erstens wird hier polarisiert, weil man eine Art ideologischen Graben zwischen West und Ost ziehen möchte und zweitens ging es eher um die Inthronisierung eines Phantasievogels, der nebenher eben auch schwul ist. Ich hatte nicht das Gefühl, dass da die Toleranz Motiv war, sondern die klammheimlich Freude, das Schrille in Szene zu setzen. So wie damals, als wir uns immer den zum Klassensprecher wählten, der sich am wenigstens dazu eignete.
Jahrmärkte hatten früher spektakuläre Beiprogramme zu bieten, die wir heute für geschmacklos befinden würden. Siamesische Zwillinge und Frauen ohne Unterleib tummelten sich da. Und natürlich auch bärtige Damen. Die Besucher gafften diese Kreaturen an. Einige wenige Besucher mit Kultur grüßten »diese Ausstellungsstücke« sogar freundlich. Mir scheint, Europa hat weniger ein Bekenntnis zur Toleranz abgegeben, als einfach mal eine Sideshow besucht, in die man mit der Freundlichkeit eines neugierigen Besuchers eintrat.
Europa ist nicht plötzlich toleranter geworden. Gegen Schwule wird noch immer gehetzt. Normalität ist Homosexualität noch lange nicht. Wenn der Nachbarssohn mit Frauen ausgeht, tratscht man darüber so gut wie nicht. Wenn er Männer liebt, dann ist er Gesprächsthema. Wenn vielleicht auch nicht immer negativ. Man liebt die Sensation schwuler Naturen immer noch. Und ein Phantasievogel mag vielleicht einen Wettbewerb zwischen Barden gewinnen, aber im echten Leben empfiehlt man ihm, dass er sich rasieren soll, damit er auch der Allgemeinheit ja nicht auf der Tasche liegt. So weit geht die Toleranz also dann doch nicht.
Manchmal ist eine Zigarre auch nur eine Zigarre. Und hin und wieder ist eine Drag Queen, die den Versuch startete, eine Mischung aus Adele und Shirley Bassey zu singen, auch nicht mehr als eine Drag Queen, die den Versuch unternahm, wie Adele und Bassey zu klingen. Wenn sie dann dafür einen Preis erhält, wird daraus keine politische Botschaft. Es ist auch kein Fanal. Und je lauter man das skandiert, desto wahrer wird das dann auch nicht. Toleranz wird nicht auf Bühnen herbeigesungen, sondern sie prüft sich im wirklichen Leben. Als ich neulich im Kollegenkreis hörte, dass sie Edathy als »Kinderficker« stigmatisierten und meinten, dass er ohnehin schwul sei, da konnte ich mal wieder erahnen, wie es mit dieser Toleranz bestellt ist. Der Schwule ist halt immer noch ein perverser Päderast. Und der Paradiesvogel ist witzig, aber nur, wenn er weit weg ist und nicht die Ordnung stört.
7 Kommentare:
Das Schlimme an solchen Paradiesvögeln ist, dass bevorzugt nur sie auf die Bühne gestellt werden und alle anderen dabei untergehen.
Somit nehmen nämlich alle anderen Menschen an, dass ein männliches Wesen, das sich auch lieber einen Kameraden als eine Frau aussucht, genauso sind.
Diese Veranstaltung hat mit Toleranz ungefähr so viel zu tun, wie mit... äh...Musik?
Dann schon lieber in Guantanamo mit einem Sack über dem Kopf Industrial hören.
Sicher ist Europa heute zivilisierter als z.B. noch in den 50er Jahren. Dennoch zeigt diese ganze Diskussion das der Weg noch lang ist.
Zunächst stört mich am Diskurs der gerade geführt wird der Begriff "Toleranz". Für mich ist Toleranz, wenn mein Nachbar Party macht bis in die Nacht hinein, ich das jedoch toleriere weil ich weis das er Geburtstag hat. Sprich: tolerieren kann man nur etwas was einem nicht passt. So spricht man z.B. in Bezug auf unsere jüdischen Mitbürger ja auch nicht davon, das sie toleriert werden sondern sie sind akzeptiert.
Was mir weiter auffällt: Irgendwie wird in der öffentlichen Diskussion (wohl aus Unwissenheit) Travestie, Transvestismus und Homosexualität ganz schön durcheinandergewirbelt.
Kurz und gut: ein echter Fortschritt wäre dann erreicht, wenn Conchita Wurst einfach ein Teilnehmer unter vielen wäre und durch seine Gesangsdarbietung und durch seine Performance bewertet würde und nicht dadurch das er Vollbart mit Abendkleid trägt. Nicht Toleranz ist das Ziel sondern Akzeptanz.
Mich stört, dass nicht gewinnt, wer am Besten performt, sondern wer am absurdesten aussieht.
Lordi haben gewonnen, weil sie Monsterkostüme trugen und Rockmusik in den ESC gebracht haben.
Und Conchita Wurst hat gewonnen, weil sie eine bärtige Frau im Prinzesschen-Kleid ist.
Lügen wir uns doch nicht in die Tasche. Die Mehrheit der Leute / Jugendlichen, die beim ESC anrufen, wollen Party und Unterhaltung. Wenn nächstes Jahr jemand auftritt mit Plastikdildo auf der Stirn, wählen sie den!
Toleranz:
dulden, zulassen (zunächst bezogen auf religiöse Anschauungen, Glaubensgemeinschaften, dann auf weltanschauliche und politische Meinungen, Einstellungen, Sitten und Gebräuche angewandt). Bedeutet auch Duldsamkeit, Duldung, zulässige Abweichung vom Nennwert, Fähigkeit zu ertragen.
Akzeptanz:
annehmen, anerkennen, einwilligen.
So das Etymologische Wörterbuch.
Ergo. Man kann entweder jemanden (oder etwas) akzeptieren oder auch nicht. Wenn etwas nicht akzeptiert wird, dann sollte es wenigstens zu ertragen sein. Ein jeder aber weiß, dass nicht alles ertragen werden kann. Mit einem Wort: eine sehr widersprüchliche Angelegenheit, die immer nach Auflösung drängt.
Bevor man das" Zeitalter der Toleranz" im Zusammenang mit dieser Veranstaltung für Deutschland/Europa ausruft, wäre es vernünftiger, einen Grundkurs in Anstand zu absolvieren! Allein ddie Reaktion auf die russischen Sängerinnen zeigt, dass es hieranmangelt und mit Toleranz gegenüber diesen Sängerinnnen mangelte es sicher ebenfalls. Alle diese "Hohlköpfe" hätten sich "friedesnbewegt" an die Hände fassehn sollen, eine Kerze dazu und die russische Botschaft aufsuchen sollen. Diese Aktion dann ausweiten auf all die Botschaften der Länder in denen Homosexualität ein Straftatbestand ist (noch immer). Am besten vor der saudischen Botschaft, die doch so heiß geliebt wird, dass sogar ein schwuler deutscher Außenminister empfangen wird.Gruß an diese allgemeine Heuchelei!!!!
Ich finde dieses ganze dumme, meist anonyme Geschwätz im Internet wird viel zu ernst genommen!
Das ist immer nur eine kleine Minderheit, die sich über irgendetwas aufregt, während die große Mehrheit schweigt. Aber leider gibt es auch immer welche, die auch noch auf den offensichtlichsten Kleingeist, der sich seinen Frust von der Seele trollt, reagieren.
Allein wenn ich dieses Wort Shitstorm höre... Ja dann kriegt man eben E-mails und Häme von irgendwelchen Bloggern, na und?
Geht da irgendeine Gefahr von aus?
Früher haben solche Leute Leserbriefe auf Papier geschrieben und mit der Post verschickt. Die hat dann irgendwo einer kurz angelesen und dann in den Müll geschmissen.
Aber seit es das Internet gibt kann jeder so etwas machen, kostenlos und auf einmal gibt es ein Feedback und diese Idioten glauben, nur weil es die ganze Welt lesen kann, sei es wichtig, so wie offensichtlich jeder geistige Furz es wert ist mit der ganzen Welt geteilt zu werden.
Jeder findet im Internet die Bestätigung die sein Ego braucht.
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