Der stabile Dax, der das instabile Europa gut verträgt

Donnerstag, 29. Mai 2014

Der Rechtsruck bei der Europawahl ist für die Börse offenbar kein Grund zur Sorge. Die Märkte reagierten nicht negativ darauf und der Dax stieg sogar auf ein neues Allzeithoch. Seltsam, denn auf Wahlen hat die Börse schon oft ganz anders reagiert.

Zuletzt war das nach der Bundestagswahl so. Damals ging der Dax mit einem Minus aus dem Handel. »Die offene Ausgestaltung der künftigen Bundesregierung verunsichere die Wähler«, schrieb die »Frankfurter Allgemeine« einen Tag nach der Wahl. Oder gesagt: Die strukturelle linke Mehrheit, die in jenen Tagen das Land beschäftigte, bereitete den Märkten tiefe Sorge. Die mögliche rot-rot-grüne Mehrheit verursachte eine kleine Panik. Auch Immobilienwerte verloren damals. Und Händler bestätigten, dass gegen die befürchtete Mietpreisbremse eine Bekräftigung der schwarz-gelben Regierung nötig gewesen wäre. Die potenziell linke Mehrheit hat aber alles zunichte gemacht und mittels Mietpreisbremse Profiteinbußen angedeutet. Überraschend war das damals übrigens nicht. Schon Tage vor der Wahl gab es Berichte, die ein solches Szenario in Aussicht stellten. »Börsianer warnen vor Rot-Rot-Grün«, konnte man in mehreren Tageszeitungen lesen.
Der Text ist auch im »Heppenheimer Hiob« beim »Neuen Deutschlan erschienen.

Am Sonntag gewannen fast überall in Europa rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien Zuspruch. Sie werden weitaus stärker im Europäischen Parlament vertreten sein als sie es bislang waren. Und die Börse? Die wiegt sich in Zufriedenheit. Keine Ausreißer. Der Dax hat sogar zugelegt. Allzeithoch. Mal wieder. Alles im Lot. Man atmet durch. Und wir Bürger sollten es gewissermaßen auch tun, liest man aus den Berichten heraus. Denn wenn es den Märkten gutgeht, geht es uns allen gut. Alte Weisheit, die auch für Hartz-IV-Empfänger und Obdachlose gilt.

Anders gesagt: Die Märkte haben überhaupt kein Problem mit Islamophobie und Rassismus, mit Chauvinismus und Nationalismus. Ein politischer Rechtsruck geht in Ordnung. Er geht den Märkten sichtlich am Arsch vorbei. Roma und Moslems müssen sich in einem rechten Klima fürchten. Aber doch nicht die Börse! Der Kontinent hat mit dieser Wahl am letzten Sonntag bewiesen, dass er zerrissen, dass er instabil geworden ist – aber die Börsenwerte bleiben stabil. Bei einem rechten Übergewicht, kann man auch die kleinen linken Zuwächse verkraften. »Balance of Power«, oder wie nennt man das?

Nur potenzieller Linksruck bringt die Börsenwelt durcheinander. Umverteilung und Partizipation, die Stärkung des Sozialstaats- und Rechtsstaatsmodells, die Regulierung der Wirtschafts- und Finanzprozesse: Da schaudert es den Märkten. Da brechen sie ein, werden ganz wuschig, haben Angst, dass die Party nun endgültig vorbei ist. Ist ja auch doof, dass Linke die Welt nicht in Weiße und Schwarze, in Deutsche und Ausländer einteilen, sondern in Arme und Reiche – diese Unterscheidung ist für die Märkte untragbar, ganz einfach, weil sie den wesentlichen Kern trifft. Das rechte »Divide et impera« ist hingegen Börsen-Balsam, denn es lenkt ab, verschleiert und führt den Bürger vor weitreichenden Erkenntnissen weg.

Die Märkte sind eine rechtslastige Einrichtung. Und dennoch schielt die Politik auf sie, wenn sie Entscheidungen zu fällen hat. Sie nimmt also Rücksicht auf ein nicht nur völlig amoralisches Orakel, sondern auf eine »Instanz«, die sich pudelwohl im rechten Sumpf fühlt - wenn nur die Dividende stimmen, wenn nur der Rubel rollt. Welcher Hohn es ist, dass sich die Kanzlerin einst für die »marktkonforme Demokratie« aussprach, sieht man jetzt mal wieder. Wie unmöglich das zusammengeht, lässt sich am Allzeithoch des Dax nach dieser Europawahl erkennen. Hätten wir hingegen einen »demokratiekonformen Markt«, dann hätte dieses Resultat drastische Kursverluste verursachen müssen. Und es wäre sicher nicht das schlechteste Zeichen, wenn Börsen so auf Rechtsrücke reagieren würden.


5 Kommentare:

Anonym 29. Mai 2014 um 20:00  

Für mich sieht es so aus als ob sich der Faschismus nach den zweiten Weltkrieg von der Politik in die Finanzwirtschaft verkrochen hat um von dort aus die Weltherrschaft (Globalisierung) zu erobern. Es kann deshalb der Finanzwirtschaft nur "recht" sein wenn die Politik nachzieht.

anko

Anonym 30. Mai 2014 um 01:12  

Die Sache mit der Konkurrenz erfüllt ständig den Tatbestand einer Vorlksverhetzung.
Immer heißt es nur die oder wir. Werdet billiger, ansonsten macht es der Pole.
Dem Polen sagt man irgendwann: Werde billiger, ansonsten macht es irgendwann der Rumäne etc.

Vietnam ist für die Bekleidungsindustrie schon zu teuer. Etweder ihr Vietnamesen werdet billiger, damit ihr weiterarbeiten dürft, oder wir gehen nach Thailand, oder sonstewo.

endless.good.news 30. Mai 2014 um 10:50  

Danke für diese grandiose Analyse.

Braman 30. Mai 2014 um 17:36  

Wie heißt es so treffend:
"Faschismus ist, wenn sich Politik und Kapital vereinen".
Also, warum sollte das Kapital zusammenzucken wenn 'Rechts' gewält wird?

MfG: M.B.

maguscarolus 30. Mai 2014 um 20:14  

Wer weiß, was "die Märkte" sind, welche Interessen hinter den Bedürfnissen der "Märkte" stehen, der weiß auch, dass Europa nichts anderes ist als ein Territorium, das ausgeplündert werden soll. Die kranken Milliardärsärsche, die in ihren abgeschiedenen Landgütern und Penthäusern in ihre überlebensgroßen Ledersessel furzen, geben stets die Richtungen vor, die dann von unseren Politikerkaspern dem Volk "vermittelt" werden sollen, wobei das Problem auftreten kann, dass etwas nicht "vermittelbar" ist, aber trotzdem ganz einfach gemacht werden muss.
Der Faschismus liefert hier die "Werkzeuge" zur Vermittlung solcher Ziele und zur Disziplinierung und Konditionierung aufmüpfiger "Problembürger".
Das macht ihn für die "Milliardärs&Eliteärsche" so nützlich und geradezu unverzichtbar.

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