Ein Patient, der nicht zappeln soll, wenn man ihm das Herz entnehmen will
Samstag, 31. Mai 2014
Vor einer Woche schrieb ich an dieser Stelle über »Meinung und Meinen«, darüber, dass die Meinungsfreiheit ein Konzept ist, dass unter Einschränkung wirkt und nicht gewährt, dass alles was man frei Schnauze so sagen kann, auch unter Artikel 5 des Grundgesetzes fällt. Kurz und gut, ich habe erläutert, dass die Meinungsfreiheit dem Entwurf der »wehrhaften Demokratie« zu unterstellen ist und nicht falsch gelesen werden sollte.
Sofort danach haben mich erboste Anschreiben erreicht. Damit zeige dieser Linke, dieser widerliche Mensch - also meine Person - sein wahres Gesicht. Er sei demokratie- und verfassungsfeindlich. Gefährlich. Und wahrscheinlich sogar Stalinist. Diese Zeilen hier wollen jetzt keine Richtigstellung sein. Wer sich rechtfertigt, spielt das Spiel mit. Aber was steckt hinter solchen, die die »wehrhafte Demokratie« zu einem Akt der Entdemokratisierung stilisieren? Darum sollen die nun folgenden kurzen Zeilen handeln. Sie sind insofern die Fortsetzung des Textes der letzten Woche. Man könnte beide Texte somit auch mit dem Untertitel »Die Maschen der neuen Rechten« versehen.
Wenn die neue Rechte nun moniert, dass ihren Thesen ständig das Recht auf Meinungsfreiheit entzogen wird, so wollen sie dieses Grundrecht als eine Art Appeasement-Erklärung demokratischer Spielregeln vor rassistischen, homophoben, frauenfeindlichen und chauvinistischen Ansichten verstehen. Als Kapitulation demokratischer Vorgaben vor den Rotten eines Weltbildes, in dem die Aufklärung immer noch nicht ausgestrahlt hat. Sie glauben, dass »Dieser Kuchen schmeckt mir besser« und »Straßenkehren ist ein Job für Neger« Sätze seien, denen man mit derselben demokratischen Neutralität zu begegnen habe. Qualitative Unterschiede gibt es demnach nicht. In »ihrer Meinungsfreiheit«, kann man das Wetter für genauso beschissen empfinden, wie den Türken in der Nachbarwohnung. Das alles sei eben nun mal Meinung.
Deshalb finden sie demokratische Spielregeln ja auch so toll. Sie legen ihnen offenbar kaum Grenzen auf. Sie können sich darin frei bewegen und sogar noch darüber jammern, dass sie sich darin nicht frei bewegen können. Und wenn ihnen einer entgegentritt und sagt, dass hier das Ende demokratischer Freiheit erreicht sei, dann benutzt das neue rechte Bewusstsein eine unerhörte Taktik: Es erklärt den »wehrhaften Demokraten« zu einem »Terroristen« oder »Tyrannen«. Mensch, sie kennen Demokratie doch ganz anders. Als absolute Freiheit, die Anti-Aufklärung ohne Hindernisse betreiben zu dürfen. Wenn das Volk einen Diktator wählt, so meinen sie, dann ist das doch Volkswille. Manchmal muss man die Demokratie jedoch vor ihr selbst schützen - und natürlich auch vor denen, die jede Menschenverachtung zur Meinung umdefinieren.
Die »wehrhafte Demokratie« ist für Rechte ein diktatorischer Zustand. Sie blättern in Geschichtsbüchern und finden dort manche Demokratie als etwas, was man ohne viel Federlesens übernehmen konnte. »Ihr Scheiß-Demokraten, seid Lämmer, hört auf mehr sein zu wollen. Lämmern habe keine Klauen. Sie sollten sich nicht wehren, das ist gegen die Natur. Demokratien sollten sich nicht wehren. Denn sie sind gegen die Natur des Menschen - jedenfalls des Deutschen.« Wenn einer behauptet, dass der liberale Aspekt demokratischer Einrichtungen nicht für die gelten sollte, die dem entgegenstehen, dann werden sie patzig, dann machen sie den Demokraten zum Vorreiter einer Diktatur. Der Dings, der ein Buch über »Tugendterror« geschrieben hat, ebenso, wie die Typen, die mir mitteilten, ich sei Stalin höchstpersönlich.
Irgendwie ist das so, als würde man einem Blinddarmpatienten kurz vor der Narkotisierung noch mitteilen, dass man ihm das Herz entnehmen werde. Und wenn er dann zappelt und flüchten will, wenn er um Hilfe schreit, beruhigt man ihn mit schroffer Stimme und sagt: »Ich Arzt, du Patient - was maßt du dir an, meine Entscheidung zu bezweifeln?« Autoritäre Ärzte können wehrhafte Patienten nicht leiden.
Es gibt für die neue Rechte einfach kein Recht, dieses demokratische Herzstück zu entnehmen, damit sie es missbrauchen können. Sie dürfen wohl viel meinen, aber Meinung im eigentlichen Sinne ist es dann noch lange nicht. Und wie gesagt, nicht jede dieser gemeinten Aussagen kann man juristisch belangen. Das ist auch gut so. Es wäre ein unerträgliches gesellschaftliches Klima, wenn jede Aussage potenziell verdächtigt würde. Und doch wünschte ich manchmal, man würde jede dieser Aussagen verfolgen. Aber das meine ich nur. So richtig Meinung ist das nicht. Denn auch Linke meinen manchmal nur.
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Sofort danach haben mich erboste Anschreiben erreicht. Damit zeige dieser Linke, dieser widerliche Mensch - also meine Person - sein wahres Gesicht. Er sei demokratie- und verfassungsfeindlich. Gefährlich. Und wahrscheinlich sogar Stalinist. Diese Zeilen hier wollen jetzt keine Richtigstellung sein. Wer sich rechtfertigt, spielt das Spiel mit. Aber was steckt hinter solchen, die die »wehrhafte Demokratie« zu einem Akt der Entdemokratisierung stilisieren? Darum sollen die nun folgenden kurzen Zeilen handeln. Sie sind insofern die Fortsetzung des Textes der letzten Woche. Man könnte beide Texte somit auch mit dem Untertitel »Die Maschen der neuen Rechten« versehen.
Wenn die neue Rechte nun moniert, dass ihren Thesen ständig das Recht auf Meinungsfreiheit entzogen wird, so wollen sie dieses Grundrecht als eine Art Appeasement-Erklärung demokratischer Spielregeln vor rassistischen, homophoben, frauenfeindlichen und chauvinistischen Ansichten verstehen. Als Kapitulation demokratischer Vorgaben vor den Rotten eines Weltbildes, in dem die Aufklärung immer noch nicht ausgestrahlt hat. Sie glauben, dass »Dieser Kuchen schmeckt mir besser« und »Straßenkehren ist ein Job für Neger« Sätze seien, denen man mit derselben demokratischen Neutralität zu begegnen habe. Qualitative Unterschiede gibt es demnach nicht. In »ihrer Meinungsfreiheit«, kann man das Wetter für genauso beschissen empfinden, wie den Türken in der Nachbarwohnung. Das alles sei eben nun mal Meinung.
Deshalb finden sie demokratische Spielregeln ja auch so toll. Sie legen ihnen offenbar kaum Grenzen auf. Sie können sich darin frei bewegen und sogar noch darüber jammern, dass sie sich darin nicht frei bewegen können. Und wenn ihnen einer entgegentritt und sagt, dass hier das Ende demokratischer Freiheit erreicht sei, dann benutzt das neue rechte Bewusstsein eine unerhörte Taktik: Es erklärt den »wehrhaften Demokraten« zu einem »Terroristen« oder »Tyrannen«. Mensch, sie kennen Demokratie doch ganz anders. Als absolute Freiheit, die Anti-Aufklärung ohne Hindernisse betreiben zu dürfen. Wenn das Volk einen Diktator wählt, so meinen sie, dann ist das doch Volkswille. Manchmal muss man die Demokratie jedoch vor ihr selbst schützen - und natürlich auch vor denen, die jede Menschenverachtung zur Meinung umdefinieren.
Die »wehrhafte Demokratie« ist für Rechte ein diktatorischer Zustand. Sie blättern in Geschichtsbüchern und finden dort manche Demokratie als etwas, was man ohne viel Federlesens übernehmen konnte. »Ihr Scheiß-Demokraten, seid Lämmer, hört auf mehr sein zu wollen. Lämmern habe keine Klauen. Sie sollten sich nicht wehren, das ist gegen die Natur. Demokratien sollten sich nicht wehren. Denn sie sind gegen die Natur des Menschen - jedenfalls des Deutschen.« Wenn einer behauptet, dass der liberale Aspekt demokratischer Einrichtungen nicht für die gelten sollte, die dem entgegenstehen, dann werden sie patzig, dann machen sie den Demokraten zum Vorreiter einer Diktatur. Der Dings, der ein Buch über »Tugendterror« geschrieben hat, ebenso, wie die Typen, die mir mitteilten, ich sei Stalin höchstpersönlich.
Irgendwie ist das so, als würde man einem Blinddarmpatienten kurz vor der Narkotisierung noch mitteilen, dass man ihm das Herz entnehmen werde. Und wenn er dann zappelt und flüchten will, wenn er um Hilfe schreit, beruhigt man ihn mit schroffer Stimme und sagt: »Ich Arzt, du Patient - was maßt du dir an, meine Entscheidung zu bezweifeln?« Autoritäre Ärzte können wehrhafte Patienten nicht leiden.
Es gibt für die neue Rechte einfach kein Recht, dieses demokratische Herzstück zu entnehmen, damit sie es missbrauchen können. Sie dürfen wohl viel meinen, aber Meinung im eigentlichen Sinne ist es dann noch lange nicht. Und wie gesagt, nicht jede dieser gemeinten Aussagen kann man juristisch belangen. Das ist auch gut so. Es wäre ein unerträgliches gesellschaftliches Klima, wenn jede Aussage potenziell verdächtigt würde. Und doch wünschte ich manchmal, man würde jede dieser Aussagen verfolgen. Aber das meine ich nur. So richtig Meinung ist das nicht. Denn auch Linke meinen manchmal nur.